Arbeitsrecht

AGB-Kontrolle – Fortbildungsvereinbarung und Rückzahlungsklausel bei Eigenkündigung

Aktenzeichen  8 Sa 412/20

Datum:
26.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14448
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 307

 

Leitsatz

Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung, die eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei einer aus personenbedingten Gründen berechtigten Eigenkündigung nicht ausnimmt, benachteiligt die Arbeitnehmer nach Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam (wie LAG Hamm vom 29.01.2021 – 1 Sa 954/20). (Rn. 38 – 39)

Verfahrensgang

9 Ca 220/20 2020-09-08 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Schweinfurt – vom 08.09.2020 – Az.: 9 Ca 220/20 – wird auf Kosten der Berufungsklägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufung ist zulässig; sie ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet, §§ 64 Abs. 2 b, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.
B.
Die Berufung ist unbegründet. Das Erstgericht hat im Ergebnis zutreffend die Rückzahlungsklausel im vorliegenden Fortbildungsvertrag für unwirksam erachtet und die Klage abgewiesen.
I.
Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch nicht auf § 3 Abs. 2 des Fortbildungsvertrages vom 10.02.2019 stützen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei der Fortbildungsvereinbarung um von der Klägerin vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Diese Regelung ist nach § 307 Abs. 2 Satz 1 BGB unwirksam. Sie benachteiligt die Beklagte unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
1. Einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide, sind grundsätzlich zulässig (BAG, Urteil v. 11.04.2006, Az. 9 AZR 186/07; LAG Hamm, Urteil v. 29.01.2021, Az. 1 Sa 954/20, in juris recherchiert). Unwirksam sind sie dann, wenn die grundgesetzlich über Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte arbeitsplatzbezogene Berufswahl des Arbeitnehmers unzulässig eingeschränkt ist. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und andererseits der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhält. Dabei sind die für den Arbeitnehmer zumutbaren Bindungen anhand einer unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgenden Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln (BAG, Urteil v. 11.04.2006, Az. 9 AZR 186/07, Urteil v. 19.02.2004, Az. 9 AZR 610/05; LAG Hamm, Urteil v. 21.01.2021, Az. 1 Sa 954/20, in juris recherchiert). Auf Seiten des Arbeitgebers ist zunächst das Interesse beachtenswert, eine vom Arbeitnehmer erworbene und von ihm – dem Arbeitgeber – finanzierte Qualifikation grundsätzlich für seinen Betrieb nutzen zu können. Dies lässt es berechtigt erscheinen, einen auf Kosten des Arbeitgebers fortgebildeten Arbeitnehmer im Falle eines Ausscheidens aus dem Betrieb an den Kosten zu beteiligten. Dem steht das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber, seinen Arbeitsplatz frei wählen zu können, ohne mit der Last einer Kostenerstattung konfrontiert zu sein. Im Vordergrund des Abwägungsprozesses befindet sich der Umstand, ob der Arbeitnehmer mit der Ausbildung einen geldwerten Vorteil erlangt, der über die sonstigen wechselseitigen arbeitsvertraglichen Pflichten hinausgeht (BAG, Urteil v. 11.04.2006, a.a.O., v. 19.02.2004, a.a.O., LAG Hamm v. 21.01.2021 m.w.H., a.a.O.).
Die Rückzahlungsvereinbarung, die unter bestimmten Voraussetzungen die Erstattung der Fortbildungskosten vorsieht, genügt nur dann dem Transparenzgebot, wenn die gegebenenfalls zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angegeben sind (BAG, Urteil v. 21.08.2012, Az. 3 AZR 698/10, in juris recherchiert). Neben den Kursgebühren können Fahrt- und Unterbringungskosten und die während der Freistellung weitergezahlte Vergütung und Bezüge, also die Nettobezüge, die Steuerabzüge und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, als Rückzahlungsbetrag zusammengefasst werden. Der Rückforderungsbetrag ist auf die tatsächlich entrichteten Aufwendungen des Arbeitsgebers beschränkt (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 10.05.2016, Az. 9 AZR 434/15 in juris recherchiert). Es sind die einzelnen Posten aufzuzeigen und soweit wie möglich zu beziffern (BAG, Urteil v. 21.08.2012, a.a.O.).
2. Die o.g. Grundsätze sind vorliegend erfüllt.
a) Die Kursgebühr und die für die 18 Freistellungstage bezahlten Bezüge werden konkret genannt. Insoweit hat sich die Klägerin für die Höhe der pro Freistellungstag weitergezahlten Vergütung an die für die Berechnung des täglichen Urlaubsentgeltes anerkannte Berechnungsformel gehalten. Dabei hat sie nicht das ab 01.06.2019 tatsächlich geleistete höhere Gehalt von € 2.950, sondern das zuvor entrichtete geringere Gehalt in Höhe von € 2.650,- angesetzt.
Zu Unrecht moniert die Beklagtenseite, dass die Klägerin für die Berechnung des Gehaltes pro Freistellungstag sich nicht an die vom BAG aufgestellten Grundsätze der Annahmeverzugslohn-Berechnung gehalten habe. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 16.05.2012, Az. 5 AZR 251/11, ausgeführt, dass bei Beendigung des Annahmeverzugs im Laufe eines Monats zur Er mittlung der Höhe der geschuldeten Vergütung nicht auf die in diesem Monat zu leistenden Arbeitstage abzustellen sei, sondern die anteilige Vergütung in Anlehnung an die gesetzliche Wertung in § 191 BGB bzw. in § 18 Abs. 1 Satz 2 BBiG auf der Grundlage eines Tagessatzes von 1/30 des Monatsgehaltes zu berechnen sei.
Die Zahlung der Vergütung an Freistellungstagen durch den Arbeitgeber ist jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichtes sachlich mit der Gewährung entsprechender Urlaubstage vergleichbar und nicht mit Tagen, für die der Arbeitgeber Annahmeverzug zu leisten hätte, gleichzusetzen. Die Berechnung nach der Formel 3 Monatsgehälter ÷ 65 × 18 Freistellungstage ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. In dieser Höhe hat die Beklagte das Gehalt auch tatsächlich erhalten.
b) Nach Ansicht des Berufungsgerichtes kann jedoch der Rechtsauffassung des Beklagtenvertreters, § 3 Abs. 4 der Fortbildungsvereinbarung würde zu einer unzulässigen Verlängerung der Bindungsfrist von sechs Monaten führen, nicht gefolgt werden.
aa) Die Bindungsfrist beträgt vorliegend 6 Monate. Es bestehen keine Zweifel, dass bei einer Lehrgangsdauer von 18 Tagen eine 6monatige Bindung gerechtfertigt ist.
Die Beklagte verfügt nach Abschluss der Fortbildung „Fachtherapeut Wunde ICW“ als Wundfachtherapeutin auch über einen erweiterten Betätigungs- und Aufgabenkreis als Vorgesetzte der bei der Klägerin tätigen Wundexperten, was mit einer zugesagten erhöhten Vergütung einherging und auch ihre Arbeitsmarktchancen verbessert. Letzteres wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
bb) Eine Verlängerung dieser Bindungsfrist von sechs Monaten sieht die Klausel auch nicht vor. Die insoweit von der Beklagtenseite aufgeführten Fallkonstellationen, mit denen diese begründen will, dass die Klausel des § 3 Abs. 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 zu einer Endlosbindung der Beklagten führen könnte, übersehen völlig, dass eine Rückzahlungsverpflichtung bei einem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses von sechs Monaten nach Beendigung der Fortbildung – völlig unerheblich, ob in diesem Zeitraum, tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wurde – gänzlich entfällt. Insoweit ist nach der Klausel eindeutig geregelt, dass eine Rückzahlungsverpflichtung allein an den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses von sechs Monaten nach Beendigung der Fortbildung und nicht an eine tatsächliche Arbeitsleistung geknüpft ist. Für eine andere Interpretation dieser Klausel bestehen nach Ansicht des Berufungsgerichts – entgegen der Auffassung des Erstgerichts – keinerlei Anhaltspunkte. So entfällt auch bei den von der Beklagtenseite aufgezeigten Fallkonstellationen, z.B. dass der Arbeitnehmer nach Beendigung der Fortbildung in Elternzeit geht und das Arbeitsverhältnis insoweit ruht, eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bereits dem Grunde nach nach einer sechsmonatigen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach der Beendigung der Fortbildungsmaßnahme. Das bedeutet, dass vorliegend mit der Beendigung der Fortbildungsmaßnahme zum 03.12.2019 eine Rückzahlungsverpflichtung bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 03.06.2020 (§§ 167 Abs. 1, 188 Abs. 2 Satz 1 BGB) völlig entfällt, unabhängig davon, ob in dieser Bindungsfrist tatsächliche eine Arbeitsleistung erbracht wurde und eine Reduzierung des Rückzahlungsbetrages bislang nicht erfolgen konnte.
Die Frage einer Reduzierung des Rückzahlungsbetrages der Höhe nach stellt sich damit nur für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis vor der sechsmonatigen Bindungsfrist rechtlich beendet wird.
cc) Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes würden sich insoweit lediglich die Fragen stellen, ob die Klausel, die den Erlass des Rückzahlungsbetrages um 1/6 bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses für jeden Monat der Beschäftigung nur dann vorsieht, wenn der Arbeitnehmer für diese Zeit Anspruch auf Arbeitsentgelt hat und demnach in dieser Zeit in keinem ruhenden Arbeitsverhältnis (kein Bezug von Arbeitsentgelt) stand, einer AGB-Kontrolle standhalten würde und eine Unwirksamkeit des § 3 Abs. 4 zu einer Unwirksamkeit der gesamten Rückzahlungsklausel führen würde oder eine Streichung des § 3 Abs. 4 nach dem Blue-Pencil-Test zu einer Weitergeltung der in § 3 Abs. 2 geregelten Rückzahlungsverpflichtung führen würde. Dies kann zwar dahinstehen, da nach Ansicht des Berufungsgerichts die Rückzahlungsklausel in § 3 Abs. 2 des Fortbildungsvertrages bereits den Arbeitnehmer aus anderen Gründen unangemessen benachteiligt und damit nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Insoweit sieht sich das Berufungsgericht jedoch veranlasst, darauf hinzuweisen, dass nach seiner Ansicht § 3 Abs. 4 in sich bereits nicht hinreichend klar und verständlich, sondern vielmehr widersprüchlich ist.
(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer allgemeinen Geschäftsklausel führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vertragsbestimmung so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Die Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthält und Spielräume eröffnet (BAG, Urteil v. 21.08.2012, Az. 3 AZR 698/10, in juris recherchiert).
Die vorliegende Klausel bezieht sich einmal auf einen fehlenden Anspruch auf Arbeitsentgelt und setzt dies dann mit einem ruhenden Arbeitsverhältnis gleich. Diese Gleichsetzung entspricht jedoch nicht der Gesetzeslage. Es gibt vielmehr Zeiten, in denen kein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht, so z.B. nach sechswöchiger ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit oder bei Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers, ohne dass dies aber zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt.
(2) Die Unwirksamkeit dieser Klausel würde nach Auffassung des Berufungsgerichtes jedoch für sich gesehen, nicht zu einer Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt führen. Vielmehr würde nach dem anwendbaren Blue-Pencil-Test die Rückzahlungsvereinbarung nach § 3 Abs. 2 von der Unwirksamkeit der Klausel in § 3 Abs. 4 nicht tangiert.
(a) Enthält eine Klausel einen wirksamen und einen unwirksamen Teil, ist stets zu prüfen, ob sie ohne den unwirksamen Teil noch einen eigenständigen, sinnvollen Regelungsgegenstand enthält. Davon abhängig ist entweder die gesamte Klausel oder nur der unwirksame Teil nicht Vertragsbestandteil geworden (sog. Blue-Pencil-Test). Dann, wenn Teile einer Klausel sprachlich und inhaltlich eindeutig abtrennbar sind, kommt die Teilung in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil in Betracht. Dann wird nicht eine zu weitgehende Klausel neu gefasst, sondern eine teilbare Klausel ohne ihren unwirksamen Bestandteil mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten (BAG, Urteil v. 14.01.2009, Az. 3 AZR 900/07; Urteil v. 15.09.2009, Az. 3 AZR 173/08; in juris recherchiert). Die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils einer Klausel ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn gerade aus der Kombination zweier Klauselteile deren Intertransparenz und damit ihre Unwirksamkeit gemäß § 307 Abs. 1 BGB folgt. In diesem Fall käme die teilweise Aufrechterhaltung der Klausel einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion gleich.
(b) Nach Auffassung des Berufungsgerichtes liegt eine teilbare Klausel vor. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 sind sprachlich und inhaltlich eindeutig von § 3 Abs. 4 abtrennbar. Es wird durch die Streichung des § 3 Abs. 4 nicht eine zu weitgehende Klausel neu gefasst, sondern eine teilbare Klausel ohne ihren unwirksamen Bestandteil mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten (BAG, Urteil v. 15.09.2009, Az. 3 AZR 173/08, in juris recherchiert). Die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel bietet eine angemessene, den typischen und schutzwürdigen Interessen des Klauselverwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung (BAG, Urteil v. 10.05.2016, Az. 9 AZR 434/15, in juris recherchiert). Es liegt keine Zerlegung einer ihrem Wortlaut nach eindeutig einheitlichen Regelung in mehrere selbständige Regelungen vor. Es handelt sich um verschiedene, auch äußerlich getrennte Regelungen. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 der Fortbildungsvereinbarung bleiben als zulässige Rückzahlungsvereinbarungsklausel somit bestehen.
3. Die Klausel des § 3 Abs. 2 des Fortbildungsvertrages ist jedoch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB deshalb unwirksam, da diese nicht ausreichend nach dem Grund für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenziert.
a) So ist höchstrichterlich entschieden, dass es nicht zulässig ist, eine Rückzahlungspflicht einschränkungslos an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Es bedarf vielmehr einer nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenzierten Betrachtung (BAG, Urteil v. 11.12.2018, Az. 9 AZR 383/18; LAG Hamm, Urteil v. 21.01.2021, Az. 1 Sa 954/20, in juris recherchiert). Dabei lässt sich die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung davon leiten, dass eine Rückzahlungsklausel nur dann ausgewogen ist, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, der Rückzahlungsverpflichtung durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Damit wird der Risikoverteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entsprochen. So ist es der Arbeitgeber, der Verluste aufgrund von Investitionen trägt, die nachträglich wertlos werden. Müsste der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zurückzahlen, wenn die Ursachen einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses alleine dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers entstammen, hätte es der Arbeitgeber entgegen der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung in der Hand, den Arbeitnehmer mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition zu belasten. Eine Klausel, die auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vorsieht, würde ausschließlich die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen und damit den Arbeitnehmer mangels ausreichender Beachtung der wechselseitigen Interessen unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligen (BAG, Urteil v. 13.12.2011, Az. 3 AZR 791/09; Urteil v. 28.05.2013, Az. 3 AZR 103/12; LAG Hamm, Urteil v. 21.01.2021, a.a.O., in juris recherchiert).
b) Die hier vorliegende Klausel nimmt zwar eine Differenzierung vor. Nicht ausreichend differenzierend und damit unangemessen benachteiligend ist die in § 3 Abs. 2 geregelte Auflösungssituation durch ordentliche nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Danach bleibt der Arbeitnehmer zur Rückzahlung verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis durch seine Kündigung aus einem Grund beendet wird, den die Arbeitgeberin nicht zu vertreten hat. Damit sieht die Klausel zwar den Entfall der Rückzahlung für den Fall vor, dass die Arbeitnehmerkündigung auf Gründe gestützt wird, die ihre Ursachen im Verantwortungsbereich und in der Sphäre der Arbeitgeberin haben. Für die Situation einer personenbedingten Eigenkündigung, deren Gründe auch der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, bleibt der Arbeitgeberin hingegen eine Anspruchsgrundlage erhalten. Denn das Arbeitsverhältnis würde in einer solchen Situation „durch Kündigung des Mitarbeiters aus einem nicht durch den Arbeitgeber zu vertretenden Grund“ enden. Ein solcher personenbedingter Grund wäre aber weder von der Arbeitgeberin noch vom Arbeitnehmer zu vertreten.
aa) Insoweit schließt sich das Berufungsgericht vollinhaltlich den Ausführungen des Landesarbeitsgerichtes Hamm in seinem Urteil vom 18.05.2018, Az. 1 Sa 49/18, und seinem Urteil vom 29.01.2021, Az. 1 Sa 954/20 (jeweils in juris recherchiert) an. Eine Klausel, die die Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten auch für den Fall einer berechtigten personenbedingten Eigenkündigung des Arbeitnehmers entstehen lässt, differenziert nicht ausreichend nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist damit unwirksam. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Klausel bereits ohne ausdrückliche Benennung eine Rückzahlungspflicht für den Fall der personenbedingten Eigenkündigung ausschließt, weil sie nur den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers erfassen sollte. Es mag sein, dass die Vertragsparteien die aus personenbedingten Gründen berechtigte Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgenommen hätten, sofern sie dies erwogen hätten. Nach dem Wortlaut der Rückzahlungsklausel ist das jedenfalls nicht der Fall.
bb) Auch kann die Kammer kein Interesse des Arbeitgebers erkennen, das es gerechtfertigt erscheinen lassen könnte, einen Arbeitnehmer auch für den Fall, dass er aus berechtigten personenbedingten Gründen – etwa bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit – nicht mehr in der Lage ist, der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit bis zum Ablauf der Bindungsfrist nachzukommen, durch den mit der Rückforderungsklausel verbundenen Bleibedruck zu zwingen, am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Bindungsdauer festzuhalten. Der Arbeitgeber finanziert dem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung in dem Interesse, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können. Dieses Interesse des Arbeitgebers berechtigt ihn, dem Grunde nach einen Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen zu suchen und einen vorzeitig sich abkehrenden Arbeitnehmer mit den Fortbildungskosten ganz oder anteilig zu belasten (BAG, Urteil v. 19.02.2004, Az. 6 AZR 552/02; LAG Hamm, Urteil v. 21.01.2021, a.a.O., m.w.H., in juris recherchiert). Nur ein solches Ereignis kann eine Erstattungspflicht des Arbeitnehmers auslösen, das in die Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers fällt und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers zuwiderläuft. Der Arbeitnehmer muss die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses beeinflussen können und es damit in der Hand haben, der Erstattungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen (BAG, Urteil v. 19.02.2004, a.a.O.). Der Arbeitgeber wird demgemäß in einer Rückzahlungsklausel nicht nur danach differenzieren müssen, dass eine arbeitgeberseitige personenbedingte Kündigung keine Rückzahlungsklausel auslöst. Er muss auch differenzierend aufnehmen, dass im Falle einer berechtigten und nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden personenbedingten Eigenkündigung keine Rückzahlungspflicht besteht. Ist der Arbeitnehmer aus nicht zu vertretenden personenbedingten Gründen bis zum Ablauf der Bleibefrist nicht mehr in der Lage, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, hat er es auch nicht mehr in der Hand, den berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers, die in die Fortbildung getätigten Investitionen nutzen zu können, zu entsprechen. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer trotzdem an das Arbeitsverhältnis zu binden, lässt sich jedenfalls nicht an seinem Interesse an einer möglichst langfristigen Nutzung der einmal getätigten Investitionen festmachen. Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung muss, um nicht unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB zu sein, deshalb u.a. vorsehen, dass eine Rückzahlungsverpflichtung auch dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis aus unverschuldeten personenbedingten Gründen, die bis zum Ablauf der Bleibedauer anhalten, vom Arbeitnehmer durch Ausspruch einer Kündigung oder aufgrund einer entsprechenden Auflösungsvereinbarung beendet wird.
(1) Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in der auf das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 18.05.2018 ergangenen Revisionsentscheidung (11.12.2018, Az. 9 AZR 383/18, in juris recherchiert) betont, dass es jedenfalls bei einer arbeitsvertraglich vorgesehenen Suspendierung des Arbeitsverhältnisses infolge personenbedingter Gründe – dort der fehlenden Flugtauglichkeit des fortgebildeten und zur Rückzahlung verpflichteten Piloten – nicht gerechtfertigt sei, den Arbeitnehmer durch die bei einer Eigenkündigung ausgelösten Erstattungspflicht ohne Gegenleistung an das Arbeitsverhältnis zu binden. Dem Arbeitgeber wäre es bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht möglich, die dem Arbeitnehmer durch die Fortbildungsmaßnahme vermittelte Qualifikation zu nützen, um die aufgewendeten Fortbildungskosten anteilig auszugleichen. Das BAG schließt sich im Ergebnis somit den Vorinstanzen an, legt in seiner Begründung aber einen erkennbar anderen Schwerpunkt. Es rückt eine Klausel des Arbeitsvertrages in den Mittelpunkt, die im Falle einer Arbeitsunfähigkeit zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses bei dauerhafter Suspendierung der gegenseitigen Leistungspflichten führt. In Zusammenschau mit dieser Klausel ist das BAG der Ansicht, dass der Rückzahlungstatbestand unangemessen benachteiligend ist. Dabei entsteht der Eindruck, dass das BAG sich sehr eng an dem streitgegenständlichen Sachverhalt orientiert und versucht zu vermeiden, eine allgemeine Aussage darüber zu treffen, ob berechtigte personenbedingte Gründe für eine Eigenkündigung als rückzahlungsauslösende Tatbestände auszuschließen sind oder ob nur das Zusammenspiel mit der dauerhaften Suspendierung der Leistungspflichten im Krankheitsfall für die unangemessene Benachteiligung maßgeblich war.
(2) Auch bei fehlender arbeitsvertraglich vorgesehener Suspendierung der wechselseitigen Verpflichtungen im Falle personenbedingter Gründe ist – nach Auffassung des Berufungsgerichtes – die Interessenlage für den betroffenen Arbeitnehmer, der bis zum Ablauf der Bleibedauer aus nicht zu vertretenden personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage ist, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, dieselbe. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers und Auslaufen etwaiger Zahlungszeiträume von Lohnersatzleistungen bliebe er weiterhin an das für ihn sinnentleerte Arbeitsverhältnis gebunden, sofern er eine Rückzahlungsverpflichtung abwenden will, die ihn einer solchen existenziell sicher schwierigen Situation besonders belasten würde. Ein Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer gleichwohl an das Arbeitsverhältnis zu binden, das in einem inneren Zusammenhang mit seinem berechtigten Interesse steht, die allgemein getätigte Investition in die Fortbildung des Arbeitnehmers wirtschaftlich verwerten zu können, ist nicht ersichtlich.
Zwar ist das Krankheitsrisiko grundsätzlich der Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen. In einer unverschuldeten Krankheit realisiert sich das persönliche Lebensrisiko des Arbeitnehmers. Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer die Krankheit nicht verschuldet hat, führt nicht dazu, dass sie aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt. Im Falle einer Langzeiterkrankung und entsprechender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers würde dem Arbeitgeber möglicherweise auch ein personenbedingter Kündigungsgrund zustehen. Schließt die Rückzahlungsklausel die Rückzahlungspflicht bei einer Eigenkündigung aufgrund von berechtigten personenbedingten Gründen nicht aus, sind Situationen denkbar, in welchen der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit eventuell nie mehr nachgehen kann und er das Arbeitsverhältnis dennoch nicht beenden kann, ohne sich der Rückzahlungsverpflichtung ausgesetzt zu sehen. Vielmehr kann der Arbeitnehmer der Rückzahlungsverpflichtung nur entgehen, wenn er die Bindungsdauer „absitzt“ oder der Arbeitgeber aufgrund der Krankheit die Kündigung ausspricht. Den Arbeitnehmer auf diese Handlungsmöglichkeiten zu beschränken, obwohl das Arbeitsverhältnis nicht mehr sinnhaft mit Leben gefüllt ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Rückzahlungsklausel zu Aus- und Fortbildungen in Arbeitsverträgen oder Fortbildungsverträgen zu modifizieren und im Zusammenhang mit den rückzahlungsauslösenden Tatbeständen die Fälle auszuschließen, in denen ein Arbeitnehmer aus berechtigten personenbedingten Gründen kündigt (so auch Verma/Takacs, BB 2021, S. 308-314 m.w.H.).
cc) Die damit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksame Rückforderungsklausel kann auch nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass der beklagte Arbeitnehmer nur bei einer Eigenkündigung aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, mit einer Rückforderung belastet wird. Eine solche geltungserhaltende Reduktion allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nicht möglich (BAG, Urteil v. 11.12.2018, Az. 9 AZR 383/18, a.a.O.). Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet ebenfalls aus. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ein schutzwürdiges Interesse daran haben könnte, die Rückzahlungsklausel mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Unwirksamkeit der Klausel zu einer unzumutbaren Härte für die Klägerin im Sinne des § 306 Abs. 3 BGB führen würde. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BAG und der Instanzgerichte ist seit geraumer Zeit bekannt, dass Rückzahlungsklauseln unwirksam sind, die an Beendigungstatbestände eine Zahlungsverpflichtung anknüpfen, deren Ursache der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist. Dies führt dazu, dass die Klägerin nicht auf den Fortbestand einer etwa anderslautenden Rechtsprechung vertrauen konnte, sondern mit einer Fortentwicklung der Rechtsprechung rechnen musste (BAG, Urteil v. 11.12.2018, a.a.O.).
II.
Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten auch nicht auf §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB stützen. Die Beklagte hat die Fortbildung nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, sondern auf der Basis der – mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel – wirksamen Weiterbildungsvereinbarung (BAG, Urteil v. 06.08.2013, Az. 9 AZR 442/12; v. 21.08.2012, Az. 3 AZR 698/18; LAG Hamm, Urteil v. 29.01.2021, a.a.O.).
C.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
D.
Infolge grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.


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