Arbeitsrecht

Anspruch auf Anpassung der monatlichen Betriebsrente

Aktenzeichen  12 Ca 6893/19

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51706
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 194, § 195, § 199
BetrAVG § 18a S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.12.2019 über den Betrag von € 141,73 brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 7,61 brutto zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von € 308,65 brutto nebst Zinsen jeweils zum Monatszweiten in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins
– auf monatlich jeweils € 2,06, erstmals beginnend am 02.01.2016 und letztmals beginnend am 02.06.2016,
– auf monatlich jeweils weitere € 7,01, erstmals beginnend am 02.07.2016 und letztmals beginnend am 02.06.2017,
– auf monatlich jeweils weitere € 7,01, erstmals beginnend am 02.07.2017 und letztmals beginnend am 02.06.2018,
– auf monatlich jeweils weitere € 7,01, erstmals beginnend am 02.07.2018 und letztmals beginnend am 02.06.2019,
– auf monatlich jeweils weitere € 7,01, erstmals beginnend am 02.07.2019 und letztmals beginnend am 02.11.2019 zu zahlen.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 28%, der Kläger zu 72%.
5. Der Streitwert wird auf € 969,48 festgesetzt.
6. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet
I.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gem. § 2 Abs. 1 Nr.3 a ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht München ist nach §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig. Der Klageantrag zu 1), der auf die Gewährung einer wiederkehrenden Leistung gerichtet ist, gem. § 258 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG ist zulässig. Bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie Betriebsrentenansprüche – von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (vgl. BAG, 17.06.2014, 3 AZR 529/12).
II.
Dem Kläger steht – entsprechend dem uneigentlichen Hilfsantrag – lediglich ein Anspruch auf Anpassung der Rentenergänzung gemäß der Regelung in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrages zu, und zwar wegen Verjährung der Differenzbeträge für Juli bis Dezember 2015 beginnend ab dem 01.01.2016. Weitergehende Ansprüche bestehen demgegenüber nicht. Die Klage war insoweit abzuweisen.
1. Dem Kläger steht die geltend gemachte Anpassung dem Grunde nach gemäß § 6 Ziff.1 und Ziff. 2 der Ausführungsbestimmungen zum BVW in Verbindung mit der Regelung in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrages zu. Die abweichenden Anpassungsentscheidungen der Beklagten sind unwirksam. Die Kammer sieht keinen Anlass von der in Parallelfällen ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen.
Insofern besteht kein Unterschied zwischen den „normalen“ BVW-Fällen und den Frühverrentungsfällen wie dem vorliegenden (so auch BAG, Urteil vom 25.09.2018 – 3 AZR 485/17). Selbst wenn das dem BVW zu Grunde liegende Prinzip der Gesamtversorgung in Ziffer 8 Satz 1 des Aufhebungsvertrags aufgehoben wurde, verweist Ziffer 8 Satz 2 jedenfalls für die Anpassung auf das BVW einschließlich der Ausführungsbestimmungen.
2. Der Anspruch bezieht sich allerdings nur auf die Rentenergänzung nach Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags und nicht auf die Gesamtversorgung. Die Kammer hält – unter anderem unter dem Eindruck der Argumentation der 27. Kammer des Arbeitsgerichts München in der Parallelsache mit dem Aktenzeichen 27 Ca 3843/19 – an seiner früheren Rechtsprechung nicht fest.
Die 27. Kammer hat zur Begründung wie folgt ausgeführt:
„Die Beklagte schuldet nur die Anpassung des im Aufhebungsvertrag genannten Betrags (in Gestalt der jährlich erfolgten Steigerungen), da die nach dem BVW grundsätzlich vorgesehene Gesamtversorgungsleistung durch die Vereinbarungen in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags einvernehmlich abbedungen wurden. Das ergibt die Auslegung des Aufhebungsvertrags:
2.1. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG, 10.12.2014, 10 AZR 63/14; 21.1.2014, 3 AZR 362/11). Der Wortlaut in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags vom 25.April 2007 ist eindeutig. Ebenso die unterschiedliche Systematik der im Aufhebungsvertrag zugesagten Altersversorgung im Vergleich zu der des BVW. Wortlaut und Systematik lassen es nicht zu, auf den Willen der Vertragsparteien zu schließen, der klagenden Partei, die aufgrund des Aufhebungsvertrags im Rahmen einer Frühpensionierungsvereinbarung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, die Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung gemäß den Regelungen des BVW zukommen zu lassen.
2.2. So ist ausdrücklich bestimmt, dass die Arbeitgeberin dem Kläger mit Beginn des Monats, von dem ab erstmals der Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung möglich ist, eine monatliche Rente in Höhe von € 885,94 brutto zu zahlen hat und zwar unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen aus der Versorgungskasse. Aus der Formulierung „unabhängig“ wird deutlich, dass keine Berechnung der betrieblichen Altersversorgung in Form der Pensionsergänzungsrente im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems, wie es das BVW vorsieht, erfolgen soll. Denn bei dem Gesamtversorgungssystem des BVW ist die Höhe der Pensionsergänzungsrente gerade abhängig von der Höhe der gesetzlichen Rente und der V1- Rente im Verhältnis zu der Versorgungsobergrenze, die dem jeweiligen Arbeitnehmer nach dem BVW zusteht (in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, vgl. § 4 AusfBest BVW).
2.3. Ferner spricht die Tatsache, dass in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags ein bezifferter Betrag genannt ist, dafür, dass die Parteien von dem System des BVW abweichen wollten. Anderenfalls hätte eine Bezugnahme auf die betrieblichen Regelungen insgesamt genügt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach § 1 Ziff. 2 der AusfBest BVW die Zahlung der Pensionsergänzungsrente frühestens mit Beginn der Rentenzahlung aus der Versorgungskasse beginnt. Nach Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags erfolgt die Zahlung der dort zugesagten Altersversorgung ab einem konkret genannten Zeitpunkt (mit Beginn des Monats, von dem ab erstmals der Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung möglich ist), also ohne dass ein Bezug zum Beginn der Zahlungen aus der Versorgungskasse hergestellt wurde.
2.4. Diese Umstände belegen insgesamt den Willen der Parteien, sich von der Systematik des BVW loszulösen und stattdessen eine Direktzusage zu vereinbaren. Der Kläger hat keinen Anspruch mehr auf eine Gesamtversorgung nach dem BVW und damit auch nicht auf Erhöhung eines Gesamtversorgungsbetrags, von dem sodann zur Ermittlung der (neuen) Höhe der Pensionsergänzungsrente die (erhöhte) gesetzliche Rente und die (ggf. ebenfalls erhöhte) V1- Rente in Abzug zu bringen wären. Nur die Zahlung und Anpassung des zugesagten, konkret benannten Versorgungsbetrags soll sich gemäß Ziffer 8 S. 2 des Aufhebungsvertrags nach den Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks richten, d.h. nach den Regelungen der AusfBest BVW.
3. Die Vereinbarung in § 8 des Aufhebungsvertrags begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
3.1. Insbesondere war nicht erkennbar, dass der Kläger hierdurch auf Rechte aus der Gesamtbetriebsvereinbarung zu seinem Nachteil verzichtet hatte, was ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats unwirksam wäre (§§ 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG, 134 BGB). Ein Verzicht auf Ansprüche aus dem BVW war vielmehr mit Blick auf die betriebliche Altersversorgung unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips wirksam. Das Günstigkeitsprinzip findet bei einem individuellen Verzicht auf Ansprüche aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung Anwendung (vgl. BAG, 27.1.2004, 1 AZR 148/03). Hiernach führt ein solcher Verzicht dann zur Unwirksamkeit einer Individualvereinbarung, wenn diese nicht zugunsten des Arbeitnehmers wirkt (vgl. BAG, 27.1.2004, 1 AZR 148/03; 14.12.1999 1 AZR 81/99). Für die Prüfung ist ein objektiver Beurteilungsmaßstab anzulegen. Abzustellen ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt, zu dem sich Betriebsvereinbarung und einzelvertragliche Abrede erstmals konkurrierend gegenüberstehen (vgl. BAG, a.a.O.). Zu diesem Zeitpunkt muss feststehen, dass die von einer Betriebsvereinbarung abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist (vgl. BAG, 27.1.2004, 1 AZR 148/03).
3.2. Vorzunehmen ist ein sog. Sachgruppenvergleich, d.h. die in einem inneren Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen sind zu vergleichen (BAG, 20.4.1999, 1 ABR 72/98). Sind wiederkehrende Leistungen zu vergleichen, so ist ein überschaubarer Zeitraum zugrunde zu legen. Mittelbare Fernwirkungen bleiben wegen der Unsicherheit einer Prognose regelmäßig außer Betracht. Gleiches gilt für unwahrscheinliche Kausalverläufe (vgl. BAG, 27.1.2004, 1 AZR 148/03). Ist nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die Abweichung für den einzelnen Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden Geltung der Betriebsvereinbarung (BAG, 15.4.2015, 4 AZR 587/13).
3.3. Danach gilt vorliegend, dass von einer günstigeren Regelung in Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung im Vergleich zu den Ansprüchen aus dem BVW auszugehen ist. Der in der Aufhebungsvereinbarung zu sehende Verzicht auf die Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung nach dem BVW ist damit wirksam.
3.4. Der in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags konkret festgelegte Betrag ist höher als er nach den Regelungen der Ausführungsbestimmungen des BVW wäre. Gemäß dem von der Beklagten geschilderten Rechenweg ergab sich ein Pensionsbetrag gemäß Aufhebungsvertrag in Höhe von € 885,94 brutto zum Zeitpunkt des Beginns der Rentenzahlungen. Der unverfallbare Anspruch nach BVW hätte aber nur einen Betrag in Höhe von € 730,52 brutto ergeben und liegt damit deutlich unter dem, dem Kläger im Aufhebungsvertrag zugesagten Betriebsrentenbetrag. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass bei den Berechnungen auf das vollendete 60. Lebensjahr und nicht auf das 65. Lebensjahr abgestellt wurde. Die negativen Auswirkungen des frühen Austrittsalters waren somit niedriger als nach den Bestimmungen des BVW, das Anfangsniveau des betrieblichen Versorgungsbetrags somit höher und damit günstiger als nach den betrieblichen Bestimmungen.
3.5. Die Berechnungen der Beklagten sind schlüssig und nachvollziehbar. Der Kläger hat insoweit weder Einwände erhoben noch eine konkrete Gegenrechnung aufgestellt.
3.6. Die Anpassung des zugesagten Betrags richtet sich nach den gleichen Bestimmungen wie eine betriebliche Altersversorgung nach dem BVW, nämlich nach § 6 AusfBest BVW. Insoweit erfährt die klagende Partei auch keine ungünstigere Behandlung.
3.7. Der zukünftige Unterschied ist einzig der, dass der klagenden Partei nach dem BVW eine Gesamtversorgung zugestanden hätte, nach Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags jedoch ein konkret zugesagter Betrag – dieser allerdings höher als nach den Bestimmungen des BVW.“
4. Der Anspruch auf die Anpassung zum 01.07.2015 ist auch nicht verjährt. Es handelt sich insoweit nicht um Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 18a S. 2 BetrAVG, denn die Anpassung einer Leistung ist keine Leistung. Vielmehr gehört der Anpassungsanspruch zum Rentenstammrecht und verjährt daher nach § 18a S. 1 BetrAVG (vgl. BAG vom 17.08.2004 – 3 AZR 367/03, NJOZ 2005, 4875; ErfK/Steinmeyer, BetrAVG § 18a, Rn. 1).
Verjährt sind allerdings die Differenzansprüche für Juli bis Dezember 2015, §§ 18a BetrAVG, 194, 195, 199 BGB.
5. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 BGB.
Die Beklagte war antragsgemäß zu verurteilen. Der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Gleiches gilt für Verzugszinsen, da Verzug erst ab Fälligkeit eintreten kann (vgl. Palandt/Grüneberg 70. Aufl. § 286 BGB Rn. 13). Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig (vgl. BAG vom 28.6.2011, 3 AZR 859/09). Vorliegend werden jedoch, da der Ersetzungsvorbehalt nicht wirksam ausgeübt wurde, die Ansprüche gem. der Regelung in der BVW § 6 Nr. 2 zum genannten Zeitpunkt monatlich fällig (BAG vom 28.06.2011, 3 AZR 282/09).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Der Streitwert war gem. § 61 ArbGG mit dem 36fachen Wert des monatlichen Erhöhungsbetrages fest zu setzen. Die Berufung wurde zugelassen, damit in den höheren Instanzen einheitliche Ergebnisse erzielt werden können.
IV.
Gegen diese Entscheidung können der Kläger und die Beklagte Berufung einlegen. Auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung wird Bezug genommen.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben