Arbeitsrecht

Antrag auf Ausbildungsförderung, Ausbildungsziel, Betriebliche Ausbildung, Ausbildungsstätte, Schulische Ausbildung, Weitere Ausbildung, berufsqualifizierende Ausbildung, Förderungsfähige Ausbildung, Gewährung von Ausbildungsförderung, Anspruch auf Ausbildungsförderung, Berufsqualifizierender Abschluss, Verwaltungsgerichte, Bafög, Befähigung zum Richteramt, Auszubildende, Berufsausbildung – Voraussetzungen, Besondere Umstände, abgeschlossene Berufsausbildung, Bundsverwaltungsgericht, Prozeßkostenhilfeverfahren

Aktenzeichen  W 3 K 20.337

Datum:
23.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41308
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG § 7 Abs. 1
BAföG § 7 Abs. 2 S. 1
BAföG § 7 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Klägerin, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2020 zu verpflichten, der Klägerin Ausbildungsförderung für das Studium Lehramt an Mittelschulen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Dies hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für ihr Studium Lehramt an Mittelschulen an der Universität Würzburg. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 7 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BaföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl I S. 1952, BGBl I 2012, 197), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2019 (BGBl I S. 1048) wird Ausbildungsförderung zumindest für drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der § 2 und § 3 BAföG bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Auf die Mindestförderungszeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG werden alle Zeiten einer förderungsfähigen berufsbildenden Ausbildung angerechnet, unabhängig davon, ob sie zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geführt haben, oder ob die Ausbildung mit öffentlichen Mitteln gefördert worden ist (BVerwG, U.v. 17.3.1983 – 5 C 27/81 – juris Rn. 7).
Hiervon ausgehend war der Grundanspruch aus § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG nach den Ausbildungen der Klägerin zur staatlich geprüften Sozialassistentin und zur staatlich anerkannten Erzieherin verbraucht. Dieser Verbrauch ist noch nicht allein durch den Abschluss der zweijährigen Ausbildung zur staatlich ausgebildeten Sozialassistentin eingetreten, jedoch durch den Abschluss der dreijährigen Ausbildung zur staatlich geprüften Erzieherin. Unerheblich ist, dass die Klägerin für diese Ausbildungen keine Förderung erhalten hat (BVerwG, U.v. 17.3.1983 – 5 C 27/81 – juris Rn. 7, BVerwG, U.v. 29.3.2018 – 5 C 14/16 – juris Rn. 9 bis 11 m.w.N.).
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Förderung ihres Studiums an der Universität W. als weitere Ausbildung gemäß § 7 Abs. 2 BAföG. Die Voraussetzungen für die Förderung einer weiteren Ausbildung nach den hier alleine in Betracht kommenden Nrn. 2, 3, 4 und 5 des § 7 Abs. 2 BAföG sowie nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG liegen nicht vor.
Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG wird für eine einzige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn sie eine Hochschulausbildung oder eine dieser nach Landesrecht gleichgestellte Ausbildung insoweit ergänzt, als dies für die Aufnahme des angestrebten Berufs rechtlich erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Klägerin befindet sich nicht – wie es § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG voraussetzt – in einem nichtselbständigen Aufbau- oder Ergänzungsstudiengang (vgl. BAföGVwV Ziffer 7.2.11). Vielmehr handelt es sich beim Studium Lehramt an Mittelschulen um einen selbständigen Studiengang.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG. Nach dieser Vorschrift wird für eine einige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn im Zusammenhang mit der vorhergehenden Ausbildung der Zugang zu ihr eröffnet worden ist, sie in sich selbständig ist und in die selbe Richtung fachlich weiterführt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt eine weitere Ausbildung die erste dann in die selbe Richtung fachlich fort, wenn sie dem Auszubildenden vertiefte und damit zusätzliche Kenntnisse und/oder Fertigkeiten auf dem der ersten Ausbildung zugrundeliegenden Wissenssachgebiet vermittelt. Es reicht nicht aus, dass das materielle Wissenssachgebiet der weiteren Ausbildung mit dem Wissenssachgebiet der ersten Ausbildung lediglich verwandt ist. Erforderlich ist eine Identität der Wissenssachgebiete. Eine derartige Übereinstimmung im materiellen Wissenssachgebiet ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die erste und die weitere Ausbildung unter einen sehr weit gefassten Oberbegriff eingeordnet werden können (BVerwG, U.v. 29.3.2018 – 5 C 14/16 juris Rn. 15; U.v. 24.6.1982 – 5 C 23.81 – FamRZ 1983, 100; U.v. 23.1.1992 – 5 C 69.88 – BVerwGE 89, 334, 337f.).
Vorliegend sind die Wissenssachgebiete der Ausbildung zur Erzieherin und des Studiums Lehramt an Mittelschulen nicht identisch. Die Ausbildung zur Erzieherin befähigt die Klägerin zur Ausübung eines sozialpädagogischen Berufes im Bereich der vorschulischen Erziehung und im Bereich der außerschulischen Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Das Studium Lehramt an Mittelschulen eröffnet der Klägerin den Zugang zu einem pädagogischen Beruf im Bereich der schulischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen (BVerwG, U.v. 29.3.2018 – 5 C 14/16 – juris Rn. 16). Damit kommt eine Förderung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG nicht in Betracht.
Auch ein Anspruch auf Förderung der Ausbildung der Klägerin nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BAföG besteht nicht. Nach dieser Vorschrift wird für eine einzige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn der Auszubildende a) eine Fachoberschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, eine Abendhauptschule, eine Berufsaufbauschule, eine Abendrealschule, ein Abendgymnasium oder ein Kolleg besucht oder b) die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde weitere Ausbildung an einer der in Buchstabe a) genannten Ausbildungsstätten durch eine Nichtschülerprüfung oder durch eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule oder zu einer Akademie im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG erworben hat.
Diese Förderungstatbestände betreffen die klassische Form des zweiten Bildungsweges (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 81).
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a BAföG liegen ersichtlich nicht vor. Die Klägerin besucht keine Fachoberschulklasse im Sinne der Vorschrift.
Auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BAföG sind nicht gegeben. Die Klägerin hat die Zugangsvoraussetzungen für ihr Studium Lehramt an Mittelschulen an der Universität W. nicht an einer Fachoberschule, deren Besuch eine Berufsausbildung voraussetzt oder an einer anderen in der Vorschrift genannten Ausbildungsstätte erworben. Vielmehr hat die Klägerin die Berechtigung zum Hochschulstudium mit dem Abschluss als staatlich anerkannte Erzieherin an der M.schule F., einer staatlich anerkannten Fachschule für Sozialpädagogik, erworben. Hierbei handelt es sich nicht um eine Ausbildungsstätte des zweiten Bildungsweges. Auch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BAföG kommt nicht in Betracht (zur Frage, ob eine diesbezügliche planwidrige Regelungslücke vorliegt: verneinend BVerwG, U.v. 29.3.2018 – 5 C 14/16 – juris Rn. 23 bis 37 m.w.N.).
Auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift wird für eine einzige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn der Auszubildende als erste berufsbildende, zumindest dreijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule oder in einer Fachschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossenen Berufsausbildung nicht voraussetzt, abgeschlossen hat.
Zielrichtung dieser Vorschrift ist eine Gleichbehandlung der Absolventen von Berufsfachschulen und Berufsfachschulklassen, deren Besuch einen berufsqualifizierenden Abschluss nicht voraussetzt, mit den Absolventen einer Ausbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen. Dies resultiert daraus, dass eine im sogenannten dualen System durchgeführte betriebliche Ausbildung dem abstrakten Förderungsbereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht unterfällt und deshalb den Anspruch auf Förderung späterer Ausbildungen in keiner Weise berührt, während ein berufsqualifizierender Abschluss nach zumindest drei Schul- oder Studienjahren berufsqualifizierender Ausbildung an einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder § 3 BAföG den Grundanspruch auf Förderung einer Erstausbildung nach Abs. 1 erschöpft, so dass die Förderung einer weiteren Ausbildung nur unter den Ausnahmevoraussetzungen des Abs. 2 möglich ist. Diese gesetzliche Konzeption benachteiligt solche Auszubildende, deren erste Ausbildung unter § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder § 3 BAföG fällt, aber nach Inhalt und vermittelter Qualifikation weitgehend einer im dualen System durchgeführten Berufsausbildung ähnlich ist. Hiervon sind konkret die Auszubildenden betroffen, die als erste berufsbildende Ausbildung eine Ausbildung an einer Berufsfachschule oder in einer Fachschulklasse, die keine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, durchgeführt haben. Indem § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG für diese beiden Gruppen die Förderung einer weiteren Ausbildung ohne sonstige einschränkende Voraussetzungen eröffnet, wird die diesbezügliche Benachteiligung weitgehend ausgeglichen (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 90 bis 91).
Demgegenüber scheidet § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG als Anspruchsgrundlage für die Förderung einer weiteren Berufsausbildung aus, wenn der Auszubildende seinen Grundanspruch auf Förderung einer berufsbildenden Erstausbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG durch den berufsqualifizierenden Abschluss zweier Ausbildungen ausgeschöpft hat. Denn aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG („eine einzige weitere Ausbildung“) und dem systematischen Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG folgt, dass insgesamt nicht mehr als zwei berufsqualifizierende Ausbildungen als förderfähig angesehen werden können (BVerwG, U.v. 29.3.2018 – 5 C 14/16 – juris Rn. 39 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 12 ZB 18.1081 – a.U. Rn. 5 – n.v.).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar eine dreijährige Ausbildung als Erzieherin an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule abgeschlossen; allerdings hat sie zuvor eine weitere Ausbildung als staatlich geprüfte Sozialassistentin absolviert, so dass sie insgesamt bereits zwei berufsbildende Ausbildungen abgeschlossen hat und sich damit nicht mehr auf die Anspruchsgrundlage des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG stützen kann.
Diese beiden Ausbildungen können auch nicht als eine einzige Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 BAföG angesehen werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn der Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin die einzige Möglichkeit gewesen wäre, um die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung als Erzieherin zu erhalten (vgl. BAföGVwV Nr. 7.2.18 Abs. 2: Die erste berufsqualifizierende Ausbildung müsste unabdingbare Voraussetzung für den zweiten berufsqualifizierenden Abschluss sein). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Der Zugang zur Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin ist nicht ausschließlich und unabdingbar mit dem Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin möglich, sondern auch auf anderen Wegen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die M.schule F. als berufliche Voraussetzung für die Aufnahme an der Fachschule für Sozialwesen zur Ausbildung als Erzieherin den Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin oder den Abschluss einer anerkannten Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer und sozialpädagogische Erfahrungen fordert (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 12 ZB 18.1081 a.U. Rn. 7 n.v. unter Bezugnahme auf VG Würzburg, U.v. 11.4.2018 – W 3 K 17.533 – juris Rn. 21).
Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht auf die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2007 (10 TG 2266/07 – juris) berufen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof stützt seine abweichende Ansicht auf die Argumentation, dass die Ausbildung als staatlich geprüfte Sozialassistentin neben dem Abschluss einer anderen einschlägig anerkannten Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer der zeitlich kürzeste Weg sei, um die Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachschule für Erzieherinnen zu erfüllen. Damit stuft er den Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin als unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme der Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin ein (HessVGH, B.v. 19.12.2007 – 10 TG 2266/07 – juris Rn. 12 bis 16). Diesbezüglich stützt sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof auf BAföGVwV Nr. 7.2.18, wonach eine weitere Ausbildung nach Nr. 5 auch dann gefördert werden kann, wenn die auszubildende Person zwar bereits mehr als einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben hat, der erste dieser berufsqualifizierenden Abschlüsse jedoch unabdingbare Voraussetzung für den zweiten berufsqualifizierenden Abschluss ist.
Dieser Auslegung kann das Gericht nicht folgen. Eine Voraussetzung ist dann nicht unabdingbar, wenn sie sich lediglich dadurch auszeichnet, in kürzerer Zeit erworben werden zu können als eine vom Ergebnis her gleichwertige andere Voraussetzung. Die Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes steht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 16.2.2017 – 5 B 57/16 – juris Rn. 7) in diametralem Gegensatz.
Aus diesen Gründen kann das erkennende Gericht der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes nicht folgen.
Schließlich ist auch die Verneinung eines Fördertatbestandes aus § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift wird im Übrigen Ausbildungsförderung für eine einzige weitere Ausbildung nur geleistet, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das angestrebte Ausbildungsziel, dies erfordern. Da diese Bestimmung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abstellt, darf es nicht um eine Situation gehen, die eine Vielzahl von Auszubildenden in gleicher Weise betrifft. Insbesondere hat die Vorschrift nicht die Funktion eines Auffangtatbestandes, der die in § 7 Abs. 2 Satz 1 BAföG aufgeführten Sachverhalte aus Gründen der Billigkeit ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, U.v. 15.8.2008 – 5 C 18/07 – juris Rn. 22). Diese Regelung kommt vielmehr nur in besonderen Ausnahmefällen zum Tragen, etwa wenn der Auszubildende sich eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung nicht mehr zunutze machen kann oder wenn er die Qualifikation für einen Beruf erwerben will, die durch den erfolgreichen Abschluss einer förderfähigen Ausbildung allein nicht erreicht werden kann. Maßgeblich sind insoweit nicht die subjektiven Vorstellungen desjenigen, der die Ausbildung absolviert, sondern das objektive Erfordernis mehrerer Ausbildungen. Dass ein Mehr an Ausbildungen nützlich, sinnvoll und geeignet ist, um die Ausübung des Berufes zu erleichtern, reicht hingegen nicht aus (vgl. OVG Bremen, B.v 23.6.2010 – 2 B 144/10 – juris Rn. 6).
Nach dieser Vorschrift kann – anders als im Falle des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG – auch eine „dritte Ausbildung“ förderfähig sein, wenn der Auszubildende innerhalb des Grundanspruchs zwei Ausbildungen berufsqualifizierend abgeschlossen hat (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 62 m.w.N.).
Nach BAföGVwV Nr. 7.2.22 liegen derartige besondere Umstände des Einzelfalles dann vor, wenn die weitere Ausbildung zusammen mit der vorhergehenden Ausbildung die Ausübung eines Berufs erst ermöglicht (z.B. Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg, Schulpsychologe). Derartige besondere Umstände des Einzelfalles sind auch dann gegeben, wenn ein unabweisbarer Grund der Ausübung des Berufes entgegensteht, zu dem die frühere Ausbildung qualifiziert hat. Unabweisbar ist ein Grund gemäß BAföGVwV Nr. 7.3.16a, der eine Wahl zwischen der Ausübung des bisherigen Berufs und dem Wechsel in einen anderen Beruf nicht zulässt, z.B. bei unerwartet eingetretener Behinderung oder Allergie, die die Ausübung des bisherigen Berufs unmöglich machen.
Derartige besondere Umstände des Einzelfalls sind im vorliegenden Fall seitens der Klägerin weder vorgetragen worden noch sind sie für das Gericht anderweitig erkennbar.
Aus alledem ergibt sich, dass der Klägerin der begehrte Anspruch auf Ausbildungsförderung für das Studium Lehramt an Mittelschulen dem Grunde nach nicht zusteht. Der angegriffene Bescheid vom 20. Januar 2020 erweist sich deshalb als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO abzuweisen.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben