Arbeitsrecht

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, kein Anspruch auf Unterlassen oder Rückgängigmachung einer unter (behaupteter) Verletzung des Mitbestimmungsrechts zustande gekommenen Maßnahme

Aktenzeichen  AN 8 PE 21.02007

Datum:
17.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 609
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 81 Abs. 1 und 2
ArbGG § 85 Abs. 2
ZPO §§ 935, 940, 920
BetrVG § 101

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten anlässlich der derzeit herrschenden Corona-Pandemie über das Mitwirkungsrecht des Personalrats im Hinblick auf die in der Dienststelle geltenden Abstandsregeln und die Einführung der 3G-Plus-Regelung für alle Beschäftigten.
Der Antragsteller, der im Eigenbetrieb der Beteiligten gebildete Personalrat, begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung und macht geltend, die Leitung des Eigenbetriebs habe mit E-Mail vom 18. Oktober 2021 bekannt gegeben, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur täglichen Vorlage eines negativen, weniger als 48 Stunden alten PCR-Testergebnisses verpflichtet seien. Alternativ könne freiwillig der Impf- oder Genesungsnachweis erbracht werden. Gleichzeitig sei das bis dahin geltende Abstandsgebot aufgehoben worden. Die Anordnung sei im Hinblick auf das Erfordernis eines PCR-Tests zwar mit E-Mail vom 16. November 2021 wieder zurückgenommen und stattdessen das Tragen einer FFP2-Maske angeordnet worden, das Abstandsgebot sei jedoch nicht wiedereingeführt worden. Die Maßnahme aus der Anordnung vom 18. Oktober 2021 unterliege, da die gesetzlichen Bestimmungen den Nachweis durch PCR-Test für Beschäftigte ohne Kundenkontakt nicht vorsehen würden, der Mitbestimmung und sei daher mangels einer Zustimmung durch den Personalrat unwirksam. Es sei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zuzumuten, auf der Basis einer solchen einseitigen, unwirksamen Maßnahme zu handeln. Diese seien verunsichert über mögliche Rechtsfolgen, wenn sie keinen negativen PCR-Test vorlegen könnten. Hinzu komme, dass innerhalb der Betriebe der Beteiligten offenbar keine einheitliche Regelung bestehe, was aus Sicht des Antragstellers nicht angehen könne. Eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren sei aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes angezeigt, da bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren die sogenannte vierte Welle der Pandemie abgeflaut sein könnte und daher eine Erledigung durch Zeitablauf drohe. Der Antragsteller vermisse bis heute ein schlüssiges Hygienekonzept.
Der Antragsteller beantragt,
die Beteiligte zu verpflichten, bis zum Abschluss einer Dienstvereinbarung zum Thema „Abstandsgebot“ oder einer abschließenden gesetzlichen Regelung zu diesem Thema die Aufhebung der bis zum 18. Oktober 2021 bestehenden Abstandsregel wieder rückgängig zu machen, und der Beteiligten zu untersagen, im … bis zum Abschluss einer Dienstvereinbarung zum Thema „Nachweis eines täglichen PCR-Testergebnisses“ oder einer abschließenden gesetzlichen Regelung zu diesem Thema den Nachweis eines PCR-Tests von nicht geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verlangen, die keinen direkten Kundenkontakt haben.
Die Beteiligte beantragt,
die Ablehnung des Antrags.
Der Antragsteller habe nach absolut herrschender Meinung keinen Anspruch gegen den Dienstgeber auf Unterlassung und auf Rückgängigmachung bestimmter Maßnahmen. Zudem habe er das in Art. 70 BayPVG vorgesehene Mitbestimmungsverfahren nicht eingehalten. Ihm stehe auch weder im Hinblick auf das „Abstandsgebot“ noch zum Thema „PCR-Test“ ein Mitbestimmungsrecht zu. Der Dienstgeber setze lediglich die sich fast wöchentlich ändernden gesetzlichen Vorgaben um und werde für das durchdachte und konsequent umgesetzte Hygienekonzept sehr gelobt. Zudem fehle es an der Eilbedürftigkeit. Der Antragsteller habe zwischen dem 18. Oktober 2021 und dem Eingang der Antragsschrift keinerlei Gespräche mit der Theaterleitung geführt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entscheidet wegen der geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Angelegenheit die Fachkammer für Personalvertretungsrecht durch die Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung, Art. 81 Abs. 2 BayPVG i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG und § 937 Abs. 2, 944 ZPO.
Nach den gem. Art. 82 BayPVG, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend anwendbaren Vorschriften des 8. Buchs der ZPO kann eine einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), oder wenn die Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 940 ZPO). Die Gefährdung des Rechts bzw. die Notwendigkeit einer Regelung, d. h. der Verfügungsgrund und der Verfügungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO). Darüber hinaus darf die einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als im Hauptsacheverfahren möglich ist und Entscheidungen in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Allerdings kann es die Effektivität des Rechtsschutzes ausnahmsweise erfordern, durch eine einstweilige Verfügung der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, sofern wirksamer Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht erreichbar ist und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde, insbesondere wenn die Versagung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu einem endgültigen Rechtsverlust oder einem sonstigen irreparablen Zustand führt. Dabei sind strenge Anforderungen an die materiellen Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung zu stellen und die Belange der Beteiligten sorgfältig abzuwägen (BayVGH, B. v. 6.7.2017, Az: 17 PC 17.1238 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Danach ist der Antrag abzulehnen. Dabei kann dahinstehen, ob dieser bereits unzulässig ist; mangels Vorliegen eines Verfügungsanspruchs ist er jedenfalls unbegründet (vgl. VG München, B.v. 14.5.2020 – M 20 PE 20.1576 – juris Rn. 13; VG Ansbach, B.v.13.4.2010 – AN 8 PE 10.00609 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Ansprüche, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, die Aufhebung der bis zum 18. Oktober 2021 bestehenden Abstandsregel rückgängig zu machen, sowie ihr zu untersagen, von nicht geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne direkten Kundenkontakt den Nachweis eines täglichen PCR-Testergebnisses zu verlangen, mangels Vorliegen einer entsprechenden Rechtsgrundlage nicht zu.
Mit der beantragten Untersagung begehrt der Antragsteller sinngemäß, dass die Beteiligte diese Maßnahme unterlässt. In der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung wird einhellig die Auffassung vertreten, dass im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren Leistungs- und Verpflichtungsanträge, mit denen Ansprüche auf ein Tun oder Unterlassen geltend gemacht werden, nur dann zulässig sind, wenn und soweit das Personalvertretungsrecht dem Antragsteller eine durchsetzungsfähige Rechtsposition einräumt. Fehlt es an einem Untersagungsrecht des Personalrats gegenüber der Dienststelle, besteht auch kein vom Verwaltungsgericht auszusprechender Unterlassungsanspruch (vgl. BVerwG, B.v. 3.7.2013 – 6 PB 10.13 – juris Rn. 4 ff. zur vergleichbaren Rechtslage nach dem BrbgPersVG und zur abweichenden, die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts erweiternden Regelung nach dem NdsPersVG; BayVGH, B.v. 26.3.21990 – 26.3.1990 – 18 PC 90.00861 juris Rn. 9 zum BPersVG; B.v. 15.7.2009 – 15.7.2009 – juris Rn. 19 zum BayPVG; Ballerstedt/Schleicher/Faber/Hebeler, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand August 2021, Art. 82 RdNrn. 84 f. und 442 m.w.N.). Gleiches gilt für einen geltend gemachten Anspruch auf Rückgängigmachung (Ballerstedt/Schleicher/Faber, Art. 82 RdNr. 86 m.w.N.).
Eine solche, einen Verfügungsanspruch des Personalrats entsprechende Bestimmung ist in den hier einschlägigen gesetzlichen Vorgaben nicht vorhanden. In den Art. 70 ff. BayPVG werden zwar die Formen und das Verfahren sowie in den Art. 75 ff. BayPVG die Bedeutung des Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechts der Personalvertretung geregelt. Diesen Bestimmungen kann jedoch – im Gegensatz zum Betriebsverfassungsrecht (vgl. § 101 BetrVG) – nicht die Regelung entnommen werden, dass die Pflicht einer Dienststelle, Maßnahmen zu unterlassen oder rückgängig zu machen, bei denen etwaige Mitbestimmungsrechte des Personalrats nicht beachtet wurden, im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2009 – 15.7.2009 – juris Rn. 19; VG Ansbach, B.v. 13.4.2010 – AN 8 PE 10.00609 – juris Rn. 13 f.; VG München, B.v. 14.5.2020 – M 20 PE 20.1576 – juris Rn. 15 ff., jeweils m.w.N.).
Dem steht der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht entgegen, da dieser das Bestehen eines materiellen Anspruchs nicht ersetzt, sondern voraussetzt (vgl. VG München, B.v. 14.5.2020 – M 20 PE 20.1576 – juris Rn. 17 m.w.N.). Ein Verfügungsanspruch ist daher nicht gegeben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Art. 81 Abs. 2 BayPVG; § 80 Abs. 1 ArbGG und § 2 Abs. 2 GKG).


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