Arbeitsrecht

Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

Aktenzeichen  W 1 M 20.30478

Datum:
29.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7176
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151
VwGO § 165
RVG § 30 Abs. 1
RVG § 15 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. März 2020 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger (Erinnerungsführer) hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren des Gerichts ist gebührenfrei.

Gründe

I.
Der Klägerbevollmächtigte des Ausgangsverfahrens wendet sich gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. März 2020.
In der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2019 nahm der Klägerbevollmächtigte im Asylverfahren W 5 K 19.31577 die Klage insoweit zurück, als er ursprünglich beantragt hatte, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und beschränkte die Klage auf die Verpflichtung zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes, hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Mit Beschluss vom 19. Dezember 2019 trennte daraufhin der Einzelrichter vom Ausgangsverfahren die Klagebegehren unter dem neuen Aktenzeichen W 5 K 19.32301 ab, soweit die Klage zurückgenommen worden war. Das Verfahren W 5 K 19.32301 wurde mit demselben Beschluss eingestellt und der Kläger zur Tragung der Kosten dieses Verfahrens verpflichtet.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2019 – W 5 K 19.31577 – gab der Einzelrichter der noch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG gerichteten Klage des Klägers statt und legte die Kosten des Verfahrens der Beklagten auf, § 154 Abs. 1 VwGO.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Februar 2020 beantragte der Klägerbevollmächtigte im Verfahren W 5 K 19.31577 u.a. die folgenden Kosten gegen den Verfahrensgegner festzusetzen: Aus einem Gegenstandswert von 5000,00 EUR eine 1,3 -fache Verfahrensgebühr gemäß § 30 RVG, Nr. 3100, in Höhe von 393,90 EUR sowie eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß § 30 RVG, Nr. 3104 in Höhe von 363,60 EUR. Mit den weiteren geltend gemachten Gebühren und Auslagen wurde in der Summe (incl. Umsatzsteuer) ein Betrag von 1.008,29 EUR geltend gemacht.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. März 2020 setzte die Urkundsbeamtin die außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers auf insgesamt 499,89 EUR fest (Ziffer 1). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beklagte nur eine Kostentragungspflicht bezüglich des nicht zurückgenommenen Teils der Klage hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG habe, sodass die Aufwendungen – ausgehend vom ursprünglichen Klagebegehren, welches auch die Anerkennung der Asylberechtigung sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft umfasst habe – nur zur Hälfte festgesetzt werden könnten.
Mit Schriftsatz vom 6. April 2020 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. März 2020. Des Weiteren wurde beantragt, entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag weitere Kosten in Höhe von 499,89 EUR festzusetzen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ausweislich Ziffer 2 des Tenors und Seite 16 der Urteilsbegründung im Verfahren W 5 K 19.31577 die Beklagte als unterliegender Teil, § 154 Abs. 1 VwGO, aus dem rechtskräftigen Urteil die Kosten des Verfahrens ohne Einschränkungen zu tragen habe. Die vorgenommene Halbierung verstoße gegen die eindeutige richterliche Entscheidung im Urteil.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung am 22. April 2020 nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor. Sie führte begründend aus, dass der teilweisen Klagerücknahme und Kostentragungspflicht des Klägers durch die Quotelung der (bereits vor der Abtrennung) entstandenen Vergütung Rechnung getragen worden sei. Die Quotelung entspreche von der Gewichtung her der ständigen Rechtsprechung der 5. Kammer. Im Falle einer Entscheidung durch Urteil insgesamt hätte das Gericht entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen eine Quotelung von je der Hälfte vorgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. März 2020 entscheidet der funktionell zuständige Einzelrichter, weil auch die dem Kostenfestsetzungsverfahren zugrundeliegende Kostengrundentscheidung in entsprechender Besetzung (vgl. § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG) ergangen ist. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist insoweit ein von der Kostengrundentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren (vgl. BVerwG, B.v. 29.12.2004 – 9 KSt 6/04 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 165 Rn. 3).
Die erhobene Erinnerung ist zulässig (§§ 165, 151 VwGO), jedoch nicht begründet, da die dem Klägerbevollmächtigten zustehende Vergütung zutreffend berechnet worden ist.
Das Gericht nimmt zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen der Urkundsbeamtin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. März 2020 (W 5 K 19.31577) sowie auf deren Entscheidung, der Erinnerung nicht abzuhelfen, vom 22. April 2020 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe insoweit ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Urkundsbeamtin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. März 2020 zu Recht einen Gegenstandswert von 5.000,00 EUR entsprechend der Regelung des § 30 Abs. 1 RVG zugrunde gelegt und die Vergütung des Rechtsanwalts entsprechend des Umfangs der Klagerücknahme mit einem Anteil von 1/2 festgesetzt hat. Die vom Klägerbevollmächtigten insoweit angeführte Rechtsauffassung, wonach allein nach der Kostenentscheidung im Urteil vom 19. Dezember 2019 zu entscheiden und daher die Gebühren ohne Einschränkungen festzusetzen seien, kann jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall keine Geltung beanspruchen.
Zwar wird in der Rechtsprechung in „klassischen“ Verfahren angenommen, dass in den durch eine Trennung verselbstständigten Verfahren Gebühren aus den jeweiligen Gegenstandswerten erneut anfallen würden; dies gelte für das unter dem alten Aktenzeichen weitergeführte Verfahren in gleicher Weise wie für das mit neuem Aktenzeichen versehene „abgetrennte“ Verfahren (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10/99 u. a. -, Buchholz 310 § 164 VwGO Nr. 4, m.w.N.; OVG LSA, B.v. 1.7.2010 – 2 O 154/09, juris, Rn. 58; BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559, juris, Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 10.11.2016 – OVG 3 K 97.16, juris, Rn. 4; VG Würzburg, B.v. 4.9.2017 – W 2 M 17.405, juris, Rn. 14). Der Rechtsanwalt habe daher ein Wahlrecht, ob er die Gebühren vor der Trennung (aus dem höheren Streitwert) oder nach der Trennung (jeweils aus den geringeren Streitwerten) geltend mache, solange er nicht beide Gebühren verlange (§ 15 Abs. 2 RVG).
Jedoch ist zur Überzeugung des Gerichts ein solches Wahlrecht für Klageverfahren nach dem Asylgesetz nicht gegeben. Im Asylverfahren findet keine Streitwertfestsetzung statt. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 RVG bestimmt, dass der Gegenstandswert personenbezogen 5.000,00 EUR und für jede weitere Person 1.000,00 EUR beträgt. Dies zeigt, dass sich der Gesetzgeber insoweit nicht nach Einzel-„Streitwerten“ richten wollte, sondern ein Gesamtinteresse für Klageverfahren nach dem AsylG spezifisch festgelegt hat. Angesichts dessen ist für Klageverfahren nach dem AsylG einem Rechtsanwalt kein Wahlrecht im obigen Sinne zuzugestehen, da dem Gericht eine entsprechende einzelne Festsetzung des Gegenstandswerts für das ursprüngliche und das abgetrennte Verfahren aufgrund der Regelung in § 30 Abs. 1 RVG verwehrt bleibt (so auch VG Würzburg, B.v. 20.01.2020 – W 3 M 18.32375 – juris; B.v. 15.6.2018 – W 3 M 17.33677 – im Verfahren des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger; VG Würzburg, B.v. 21.3.2018 – W 5 M 17.1421 – juris Rn. 20; VG Würzburg, B.v. 31.10.2019 – W 7 M 18.30792 – n.v.).
So würde sich bei einer Abtrennung eines einzelnen Streitgegenstandes, wie etwa vorliegend hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gebühr – anders als bei den o.g. „klassischen“ Verfahren – in beiden Verfahren gerade nicht aus einem jeweils geringeren Streitwert bilden, sondern aufgrund der Regelung in § 30 Abs. 1 RVG stets aus 5.000,00 EUR. Nur durch die von der Urkundsbeamtin vorgenommene Quotelung – in der vorliegenden Konstellation korrekterweise einer Halbierung – der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren wird angemessen berücksichtigt, dass im Hinblick auf das ursprünglich bei Gericht anhängig gemachte Gesamtklageinteresse der Kläger zur Hälfte (nämlich hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie der Anerkennung als Asylberechtigter) unterlegen ist. Dass der Kläger mit diesen Begehren erfolglos geblieben ist, muss sich auch bei der Gewährung der Vergütung widerspiegeln. Es drängt sich geradezu auf, dass die Vergütung hier nicht in der gleichen Höhe gewährt werden kann, als wenn der Kläger als Asylberechtigter anerkannt oder ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden wäre. Andernfalls würde auch die Beklagte in sachlich nicht gerechtfertigter Höhe mit der Tragung der außergerichtlichen Anwaltskosten belastet. Die vom Klägerbevollmächtigten angestrebte Verfahrensweise würde schließlich auch zu einer ungerechtfertigten Privilegierung eines Klägers führen, der Streitgegenstände anhängig macht, denen von vornherein die hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt. Denn er würde die gleiche Vergütung erhalten wie ein Kläger, der sich darauf beschränkt, nur die erfolgversprechenden Streitgegenstände bei Gericht anhängig zu machen. Damit entfiele jeglicher Anreiz für einen Kläger, selbst vorab zu prüfen, welcher Streitgegenstand von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat und die Klage auf diejenigen Streitgegenstände zu beschränken, bei denen dies der Fall ist.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen hat die vorliegende Erinnerung auch deshalb keinen Erfolg, da jedenfalls (auch) in den abgetrennten „neuen“ Verfahren die Voraussetzungen für das Entstehen einer Gebühr gesondert erfüllt werden müssten, was hier nicht der Fall ist. Dies setzt voraus, dass der Rechtsanwalt auch nach der Abtrennung eine Tätigkeit zur Ausführung des Auftrags vorgenommen hat (OVG LSA, B.v. 1.7.2010 – 2 O 154/09, juris, Rn. 58 m.w.N.; VG Würzburg, B.v. 17.3.2015 – W 4 M 15.30130, juris, Rn. 13; VG München, B.v. 13.10.2015 – 11 M 15.4169, BeckRS 2016, 42433). Eine Art „Fortwirkung“ von vor der Verfahrenstrennung vorgenommenen Tätigkeiten gibt es dabei nicht. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die Abtrennung nach einer Teilklagerücknahme ausschließlich der gerichtsinternen, verfahrenstechnischen Abwicklung und Aussonderung und insbesondere dazu diente, das Verfahren hinsichtlich des zurückgenommenen Klagebegehrens ordnungsgemäß einzustellen und die insoweit auf den zurücknehmenden Beteiligten entfallenden Kosten (vorab und separat) berechnen zu können (HessVGH, B.v. 24.8.2012 – 3 F 1152/12 – juris Rn. 16). In dieser Konstellation ist weder das Ausgangsverfahren vollständig abgeschlossen, noch ohne Hinzutreten weiterer Gegebenheiten ein neues Verfahren mit der Folge des erneuten Entstehens von Gebührentatbeständen entstanden (HessVGH, B.v. 24.8.2012 – 3 F 1152/12 – juris Rn. 16; VG Würzburg, B.v. 17.3.2015 – W 4 M 15.30130 – juris Rn. 13; VG Würzburg, B.v. 19.07.2018 – W 1 M 18.30667; vgl. für Gerichtsgebühren BVerwG, B.v. 20.5.2008 – 4 Kst 1000/08 – juris; in diesem Sinne wohl VGH BW, Bv. 27.3.1995 – 2 S 170/95, BeckRS 2005, 27205). Die einmal entstandene Gebühr ist in diesem Falle daher auch nach der Trennung bestehen geblieben.
So liegt der Fall hier. Die Abtrennung diente allein der gerichtsinternen Abwicklung der Teilklagerücknahme. Durch die Abtrennung und Vergabe eines neuen Aktenzeichens war das Ausgangsverfahren nicht vollständig abgeschlossen, es erging vielmehr im Folgenden noch eine Sachentscheidung bzgl. der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG durch Urteil. Nach der Abtrennung der Verfahren hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat der Klägerbevollmächtigte keine Verfahrenshandlung in diesem (abgetrennten) Verfahren mehr vorgenommen. Auch die Übersendung des Empfangsbekenntnisses hinsichtlich des Protokolls über die mündliche Verhandlung sowie dessen ggf. erfolgte Übersendung an die Mandantschaft stellen keine als selbständig zu bewertenden Verfahrenshandlungen in dem abgetrennten „neuen“ Verfahren dar, die im abgetrennten Verfahren das Entstehen einer neuen Verfahrensgebühr begründen könnten; sie dienten vielmehr allein der Abwicklung des ursprünglichen Verfahrens (W 5 K 19.31577) (zutreffend HessVGH, B.v. 24.8.2012 – 3 F 1152/12 – juris Rn. 16; VG Würzburg, B.v. 17.3.2015 – W 4 M 15.30130 – juris Rn. 13; VG München, B.v. 13.10.2015 – 11 M 15.4169, BeckRS 2016, 42433; a.A. OLG Düsseldorf, B.v. 25.5.2009 – 24 W 28/09, BeckRS 2009, 23464; VG Magdeburg, B.v. 27.10.2010 – 9 A 60/10, BeckRS 2010, 55819).
Unter Berücksichtigung dessen ist es hier gerechtfertigt, den vor Abtrennung entstandenen und nach Abtrennung bestehen gebliebenen Gesamtstreitwert von 5.000,00 EUR entsprechend des Umfangs der Klagerücknahme mit einem Anteil von 1/2 zugrunde zu legen (vgl. OVG LSA, B.v. 1.7.2010 – 2 O 154/09 – juris Rn. 58 m.w.N.; VG Würzburg, B.v. 17.3.2015 – W 4 M 15.30130 – juris Rn. 13).
Die Erinnerung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Das Verfahren ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG entsprechend); eine Streitwertfestsetzung ist deshalb nicht erforderlich.


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