Arbeitsrecht

AnwZ (Brfg) 52/19

Aktenzeichen  AnwZ (Brfg) 52/19

Datum:
28.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:280521UANWZ.BRFG.52.19.0
Normen:
§ 53 Abs 10 BRAO
§ 161 BRAO
Spruchkörper:
Senat für Anwaltssachen

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 11. November 2019, Az: AnwZ (Brfg) 52/19, Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof Brandenburg, 15. Juli 2019, Az: AGH I 5/18

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. Juli 2019 verkündete Urteil des 1. Senats des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs – AGH I 5/18 – teilweise aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2018 wird teilweise aufgehoben und in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die der Beigeladenen auf ihren Antrag vom 18. Januar 2018 zu gewährende Vertretervergütung für den Zeitraum vom 13. Dezember 2017 bis zum 18. Januar 2018 gemäß § 53 Abs. 10 BRAO auf 10.432,70 € nebst 19 % Umsatzsteuer, mithin insgesamt 12.414,91 € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden zwischen dem Kläger und der Beklagten gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 3/10 und die Beklagte und die Beigeladene als Gesamtschuldner zu 7/10 zu tragen. Die der Beigeladenen im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden zu 3/10 dem Kläger auferlegt. Im Übrigen trägt die Beigeladene ihre Kosten selbst.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 18.819,85 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen. Gegen ihn wurde mit Beschluss des Anwaltsgerichts B.         vom 11. Dezember 2017 ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet. Mit Urteil des Anwaltsgerichts vom selben Tage wurde der Kläger aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen. Der              Anwaltsgerichtshof hob die Entscheidungen vom 11. Dezember 2017 mit Beschluss und Urteil vom 19. März 2018 auf und stellte das Verfahren gegen den Kläger ein.
2
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2017 bestellte die Beklagte unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung die Beigeladene zur Vertreterin des Klägers. Dieser Bescheid war Gegenstand einer Klage des Klägers vor dem            Anwaltsgerichtshof (          ). Das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2019 übereinstimmend für erledigt erklärt.
3
Die Beigeladene nahm am 13. Dezember 2017 ihre Tätigkeit als Vertreterin des Klägers auf. In diesem Rahmen erteilte sie in der Folgezeit sowohl Rechtsanwälten der Sozietät K.   & D.  , in der sie tätig ist, als auch weiteren Rechtsanwälten Untervollmachten.
4
Nachdem eine Einigung zwischen der Beigeladenen und dem Kläger nicht zustande gekommen war, beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 18. Januar 2018 für den Zeitraum vom 13. Dezember 2017 bis zum 18. Januar 2018 die Festsetzung einer vom Vertretenen zu zahlenden Vergütung von 21.815 € netto (25.959,85 € brutto). Dem Antrag war ein Nachweis über Tätigkeiten der Beigeladenen und weiterer unterbevollmächtigter Rechtsanwälte der Sozietät K.   & D.  über 174,52 Stunden beigefügt. Mit Bescheid vom 28. Februar 2018 setzte die Beklagte die Vergütung antragsgemäß fest. Den hiergegen mit Schreiben vom 5. März 2018 eingelegten Widerspruch des Klägers beschied sie nicht.
5
Die daraufhin vom Kläger gegen den Bescheid vom 28. Februar 2018 erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Er hat ausgeführt, die Bestellung eines Vertreters sei rechtmäßig gewesen. Darauf, ob die Bestellung gerade der Beigeladenen als Vertreterin rechtswidrig gewesen sei, komme es für die Rechtmäßigkeit der Vergütungsfestsetzung nicht an. Denn im Bescheid vom 12. Dezember 2017 sei gleichzeitig dessen sofortige Vollziehung angeordnet worden, woraufhin die Beigeladene die Vertretung des Klägers tatsächlich wahrgenommen habe. Die Festsetzung der Vergütung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie entspreche einer angemessenen Vergütung im Sinne von § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO. Dies gelte zwar nicht, soweit die Beklagte auf einen Stundensatz von 125 € abgestellt habe. In Fällen der vorliegenden Art erscheine es vielmehr angebracht, eine Gesamtvergütung für einen längeren Zeitraum, etwa in Form von Monatspauschalen festzusetzen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass der festgesetzte Betrag im Ergebnis nicht zu beanstanden sei, da eine Vergütung in Höhe einer Monatspauschale von nicht unter 29.000 € (netto) durchaus einer angemessenen Vergütung entspreche.
6
Für die Bemessung einer angemessenen Vergütung in Form einer Pauschale könne im Ausgangspunkt als Minimum das von der Beklagten auf der Basis von Daten für 2013 ermittelte Durchschnittsgehalt eines angestellten Rechtsanwalts in den neuen Bundesländern von monatlich 3.821,96 € – gerundet 4.000 € – herangezogen werden. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nicht noch weiter zwischen verschiedenen Regionen in ihrem Kammerbezirk differenziert habe. Die Vergütung sei im Hinblick auf die Qualifikation der Beigeladenen als Fachanwältin für Sozialrecht zu erhöhen, da eine solche Fachanwältin in besonderem Maße geeignet gewesen sei, die überwiegend sozialrechtlichen Mandate des Klägers zu betreuen, es ihr jedoch infolge der Vertretertätigkeit in entsprechend geringerem Maße möglich gewesen sei, eigene, ihrer Qualifikation entsprechende Mandate zu bearbeiten und dadurch Einnahmen zu erzielen.
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Entscheidend für die Bemessung der angemessenen Vergütung mit einem Mehrfachen des danach ohnehin zu erhöhenden Minimums seien der Umfang und die Schwierigkeiten, die mit der Vertretertätigkeit verbunden gewesen seien. Diese sei durch die hohe Anzahl von mehreren Zehntausend der von der Beigeladenen übernommenen Akten und durch Schwierigkeiten geprägt gewesen, die durch das in erheblichem Maße unkooperative, ihre Tätigkeit sogar massiv behindernde Verhalten des Klägers begründet worden seien. Die Heranziehung der anderen Rechtsanwälte ihrer eigenen Kanzlei sowie die Erteilung von Untervollmachten an weitere Rechtsanwälte seien zur Bewältigung der übertragenen Vertretungsaufgabe unumgänglich gewesen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Beigeladene in der vorgelegten Stundenauflistung nur für den von ihr selbst und ihren Sozien aufgebrachten Zeitaufwand einen Umfang von mehr als 174 Stunden und damit etwa den mit einer Monatspauschale abzugeltenden Aufwand von 172 Stunden aufgelistet habe. Über diese durchschnittliche Arbeitszeit eines angestellten Rechtsanwalts hinausgehende überobligatorische Überstunden seien bei der Bestimmung einer angemessenen Vertretervergütung allerdings nicht zu berücksichtigen.
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Im Abrechnungszeitraum habe für die Beigeladene zudem die erhebliche Schwierigkeit bestanden, dass sie zunächst nicht auf die Daten des EDV-Systems des Klägers habe zugreifen können und dafür eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Se.     habe erwirken müssen. Ebenso sei die Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch die Kündigung der Mehrzahl der Mitarbeiter des Klägers massiv erschwert worden. Sie habe bei einem Wegfall von jedenfalls elf der vierzehn Mitarbeiter des Klägers nicht auf funktionierende Kanzleistrukturen zurückgreifen können, sondern sei unter Heranziehung weiterer Mitglieder ihrer Sozietät gezwungen gewesen, neue Strukturen zur Bewältigung der exorbitanten Masse der Verfahren zu schaffen.
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Einfluss auf die Höhe der Vergütung hätten auch die aus dem Vorbringen der Parteien zum Verfahren AGH      ersichtlichen weiteren Schwierigkeiten bei der Durchführung der Vertretung, die aufgrund des unkooperativen Verhaltens des Klägers entstanden seien. Dies gelte sowohl für die unzuverlässige Übermittlung von beim Kläger eingegangener Post an die Beigeladene als auch für Schreiben und E-Mails des Klägers an seine Mandanten, in denen er die Beigeladene bezichtigt habe, an der Fortführung von Verfahren im Sinne der Mandanten kein Interesse zu haben, und für Fälle, in denen die Beigeladene oder ihre Unterbevollmächtigten erst in Gerichtsterminen, an denen der Kläger in Begleitung anderer Rechtsanwälte teilgenommen habe, erfahren hätten, dass Mandanten des Klägers sich von der Beigeladenen nicht hatten vertreten lassen wollen. Dies habe der Kläger nicht in Abrede gestellt.
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Schließlich sei ein Kanzleikostenanteil vergütungserhöhend zu berücksichtigen. Dabei gehe es nicht um Kanzleikosten, die die Beigeladene aufgewandt habe, um die Mandate des Klägers zu bearbeiten, sondern darum, dass die Beigeladene und ihre Sozien in dem Umfang, in dem sie mit der Vertretung des Klägers befasst gewesen seien, nicht in der Lage gewesen seien, aus eigenen Mandaten Einnahmen zur Deckung ihrer Kanzleikosten zu erwirtschaften. Der Kanzleikostenanteil sei bei der Bemessung der angemessenen Vertretervergütung zu berücksichtigen, da derjenige, der im Interesse der Mandanten des Vertretenen und der Gesamtheit der Rechtsanwälte eine Vertretung im Sinne des § 53 BRAO übernehme, keine finanziellen Einbußen hinnehmen müsse.
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Unerheblich für die Bestimmung der Höhe der angemessenen Vergütung der Beigeladenen sei es, in welchem Umfang oder in welcher Qualität sie oder unterbevollmächtigte Mitglieder ihrer Sozietät Klageschriften oder Widerspruchsbegründungen gefertigt hätten. Dass die Beigeladene in einer Mehrzahl von Fällen Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge gestellt haben möge, entspreche angesichts der Schwierigkeiten‚ die erforderlichen Informationen zu den jeweiligen Mandaten zu erhalten, einer sachgerechten Vertretung.
12
Bewerte man die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte für die Bemessung der Vergütung für die Vertretung des Klägers durch die Beigeladene in einer Gesamtschau, liege die von der Beklagten festgesetzte Vergütung im Rahmen dessen, was unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen im Rahmen des § 53 Abs.10 Satz 5 BRAO als angemessen zu erachten sei. Dabei sei nicht zu verkennen, dass dieser Betrag dasjenige übersteigen möge, was in der Kanzlei des Klägers zu erwirtschaften sei. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Vertretungsaufgabe angesichts der exorbitant hohen Anzahl von Fällen und der aufgetretenen Schwierigkeiten außergewöhnlich sei, so dass auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers als Vertretener eine geringere Vergütung der Beigeladenen nicht zumutbar wäre.
13
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
14
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. Juli 2019 (AGH I 5/18) dahingehend abzuändern, dass der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2018 insoweit aufgehoben wird, als dort eine Gebühr von mehr als 6.000 € zuzüglich Umsatzsteuer, mithin von mehr als 7.140 € brutto festgesetzt wird.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
unter Aufrechterhaltung des Urteils des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. Juli 2019 (AGH I 5/18) die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen.
15
Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16
Der Senat hat die Beteiligten angehört und die Zeugen Ka.  und A.     W.    , K.   , S.       , Me.  , Kä.    , Sch.    und M.   vernommen. Er hat die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beigeladenen vom 6. Mai 2021 und der Beklagten vom 7. Mai 2021 zur Kenntnis genommen.

Entscheidungsgründe

I.
17
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
18
Nach § 161 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO hat der Rechtsanwalt, für den gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 BRAO von Amts wegen ein Vertreter bestellt worden ist, dem bestellten Vertreter eine angemessene Vergütung zu zahlen. Können sich – wie vorliegend – die Beteiligten über die Höhe der Vergütung nicht einigen, so setzt gemäß § 161 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO der Vorstand der Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Vertretenen oder des Vertreters die Vergütung fest.
19
Der Begriff der angemessenen Vergütung im Sinne von § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (für die Festsetzung der Vergütung des Abwicklers vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Februar 2018 – AnwZ (Brfg) 6/17, AnwBl. 2018, 365 Rn. 14 und vom 30. November 1992 – AnwZ (B) 37/92, NJW-RR 1993, 1335, 1336). Für ihre Festsetzung sind im Wesentlichen der Zeitaufwand, den der Vertreter für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung von Bedeutung. Anhaltspunkt für die Bemessung einer – vorliegend vom Anwaltsgerichtshof ermittelten – monatlichen Pauschalvergütung ist das Gehalt, das für einen Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis gezahlt wird. Dabei sind regionale Unterschiede zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Oktober 2003 – AnwZ (B) 62/02, NJW 2004, 52, 53 und vom 30. November 1992, aaO; Weyland/Nöker, BRAO, 10. Aufl., § 53 Rn. 80a; Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 53 BRAO Rn. 53).
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In Anwendung dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme erscheint für den streitgegenständlichen Vertretungszeitraum eine Vergütung von insgesamt 10.432,70 € nebst 19 % Umsatzsteuer (12.414,91 € brutto) als angemessen im Sinne von § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO.
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1. Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Vergütungsfestsetzung – dem Grunde und der Höhe nach – ohne Bedeutung ist, ob der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2017, mit dem die Beigeladene – entgegen dem Vorschlag des Klägers (vgl. § 161 Abs. 1 Satz 2 BRAO) – zu seiner Vertreterin bestellt worden ist, rechtswidrig ist.
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a) Das Gesetz fordert in § 161 Abs. 2, § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO für die Pflicht des Vertretenen zur Vergütung des Vertreters lediglich dessen wirksame, von Amts wegen erfolgte Bestellung. Nach dem Willen des Gesetzgebers (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, der Patentanwälte und der Notare, BT-Drs. 10/3854, S. 29) ist die Regelung über die Entschädigung des von Amts wegen bestellten Vertreters die Konsequenz aus der Pflicht zur Übernahme der Vertretung nach § 53 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 161 Abs. 2 BRAO. Dann aber muss die Rechtswidrigkeit einer – wirksamen – Vertreterbestellung ohne Einfluss auf die Pflicht zur Vergütung des tätig gewordenen Vertreters bleiben. Denn der – wie hier – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung amtlich bestellte Vertreter ist auch bei einer sich nachträglich als rechtswidrig erweisenden Bestellung zur Übernahme der Vertretung verpflichtet. Entgegen der Auffassung des Klägers würde in diesem Fall auch nicht eine rechtswidrige Bestellung durch die tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit des Vertreters “legalisiert”. Sie bleibt vielmehr anfechtbar und ist vorliegend vom Kläger zunächst auch angefochten worden. Lediglich vergütungsrechtlich bestünde kein Unterschied zwischen einer rechtswidrigen und rechtmäßigen Auswahl des Vertreters. Der Vertretene wird hierdurch jedoch nicht schutzlos gestellt. War die Vertreterbestellung rechtswidrig, kommt vielmehr ein Amtshaftungsanspruch gegen die Rechtsanwaltskammer in Betracht.
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b) Dementsprechend bleibt auch für die Höhe der festzusetzenden Vergütung der – vom Kläger behauptete – Umstand ohne Bedeutung, der von ihm als Vertreter vorgeschlagene Rechtsanwalt M.   sei bereit gewesen, zu einer wesentlich niedrigeren Vergütung tätig zu werden. Der von Amts wegen wirksam bestellte Vertreter hat gemäß § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Diese richtet sich – wie ausgeführt – im Wesentlichen nach dem Zeitaufwand, den der Vertreter für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seiner beruflichen Erfahrung und Stellung sowie den Schwierigkeiten und der Dauer der Vertretung. Ausgangspunkt für die Bemessung der Vergütung des Vertreters ist somit die durch ihn ausgeübte Vertretungstätigkeit und die in seiner Person gegebene Qualifikation. Daraus folgt zugleich, dass die Bereitschaft eines anderen Rechtsanwalts, die Vertretung für eine niedrigere Vergütung und mit möglicherweise anderer Qualifikation zu übernehmen, für die Angemessenheit der Vergütung, die für die vom bestellten Vertreter ausgeübte Tätigkeit festzusetzen ist, ohne Bedeutung ist. Eine solche Bereitschaft mag im Einzelfall bei der Auswahl des Vertreters durch die Rechtsanwaltskammer zu berücksichtigen sein. Ist die Auswahl indes getroffen und ein Vertreter bestellt, ist im Hinblick auf die Angemessenheit der Vergütung allein auf dessen Tätigkeit und Qualifikation abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn ein anderer Rechtsanwalt – etwa wegen seiner größeren Vertrautheit mit der Kanzlei des Vertretenen – die Vertretungstätigkeit mit einem niedrigeren Aufwand hätte betreiben können. Eine deshalb – unterstellt – fehlerhafte Auswahlentscheidung der Rechtsanwaltskammer darf nicht dazu führen, dass der bestellte Vertreter für den im Rahmen seiner Vertretungstätigkeit erforderlichen, wenn auch vergleichsweise größeren Aufwand nicht angemessen vergütet wird.
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2. Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Anwaltsgerichtshof die Vergütung gemäß § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO nicht – wie die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid – als stundenweise Vergütung, sondern in Gestalt einer Monatspauschale festgesetzt hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfassenden Ausführungen des angefochtenen Urteils (S. 10 ff.) Bezug genommen. Darin wird zu Recht darauf hingewiesen, dass – entgegen der Auffassung insbesondere der Beigeladenen – bei dem Ansatz einer Monatspauschale sowohl ein besonderer als auch ein schwankender Arbeitsanfall im Vertretungszeitraum berücksichtigt werden kann (S. 13 des Urteils). Stundenweise Vergütungen eignen sich eher bei überschaubaren und kurzfristigen Vertretungszeiträumen, die zeit- und detailgenau abgerechnet werden können. Dagegen sprechen bei einer – wie vorliegend – umfangreichen und länger andauernden Vertretung die Vorteile der Flexibilität und der – Schwierigkeit und Umfang der Vertretung einbeziehenden – wertenden Gesamtschau gerade für die Festsetzung von Monatspauschalen, die den wechselnden Bedingungen einer solchen Vertretung besser Rechnung tragen und auf diese Weise eine angemessene Vergütung des Vertreters gewährleisten können (vgl. zur Festsetzung von Monatspauschalen bei umfangreichen, länger andauernden Vertretungen: Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, aaO Rn. 53 f.; Weyland/Nöker, aaO Rn. 79 ff.)
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3. Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid als Ausgangspunkt für ihre Berechnung eine – geringfügig über dem Durchschnittsgehalt angestellter Rechtsanwälte in den neuen Bundesländern liegende – Vergütung nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder, Entgeltgruppe E 13, Stufe 1 gewählt hat (vgl. hierzu Weyland/Nöker, aaO Rn. 77), und zwar im Bereich Tarifgebiet Ost (TVL 13 Ost), war – entgegen der Auffassung des Klägers – keine weitergehende Regionalisierung erforderlich.
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Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 30. November 1992 – AnwZ (B) 37/92, NJW-RR 1993, 1335, 1336) sind bei der Vergütungsfestsetzung zwar regionale Unterschiede in den einzelnen Bezirken zu berücksichtigen. Voraussetzung hierfür ist indes, dass entsprechendes Datenmaterial vorliegt. Aufwändige eigene Erhebungen muss die Rechtsanwaltskammer anlässlich der Festsetzung einer Vergütung gemäß § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO nicht durchführen.
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Der angefochtene Bescheid enthält mit der Orientierung am TVL 13 Ost eine regionale Komponente. Eine genauere regionale Differenzierung und die Berücksichtigung des Durchschnittsgehaltes von in der L.     tätigen Rechtsanwälten ist nicht möglich. Der Kläger vermag insoweit auf kein Datenmaterial zu verweisen, das von der Beklagten hätte ausgewertet werden können. Er trägt zudem keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das Durchschnittsge-halt von in der L.   tätigen Rechtsanwälten im Vertretungszeitraum deutlich niedriger war als die im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte monatliche Vergütung von 3.821,96 €, die einem Stundensatz von 22,22 € entspricht.
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4. Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof die festzusetzende Vergütung in Anbetracht der Qualifikation der Beigeladenen als Fachanwältin für Sozialrecht erhöht (S. 15 des angefochtenen Urteils). Der Fachanwaltstitel dokumentiert die berufliche Erfahrung der Vertreterin als vergütungsrelevanten Faktor (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 1992, aaO; Weyland/Nöker, aaO Rn. 80a). Soweit der Kläger vorträgt, die Beigeladene habe in seiner Vertretung keine anspruchsvollen sozialrechtlichen Mandate bearbeitet, übersieht er zum Einen, dass der Anwaltsgerichtshof den Fachanwaltszuschlag nicht nur mit der Betreuung der sozialrechtlichen Mandate des Klägers, sondern auch damit begründet hat, es sei der Beigeladenen infolge der Vertretertätigkeit in geringerem Maße möglich gewesen, eigene, ihrer Qualifikation entsprechende Mandate zu bearbeiten und dadurch Einnahmen zu erzielen. Zum Anderen folgt daraus, dass die Beigeladene in einer Mehrzahl von Fällen Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge gestellt haben mag (Urteil AGH S. 18), nicht, dass sie diese Fälle nicht zuvor (oder zu einem späteren Zeitpunkt) mit Hilfe ihrer fachlichen Kompetenz sozialrechtlich qualifiziert geprüft hat. Letztlich kann dies dahinstehen. Denn maßgeblich ist ohnehin eine auf den Zeitpunkt der Bestellung der Beigeladenen abstellende “ex ante” – Sicht. Danach erschien die Bestellung einer Fachanwältin für Sozialrecht als Vertreterin für den überwiegend sozialrechtlich tätigen Kläger besonders geeignet.
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Entgegen der Darstellung des Klägers wird in dem angefochtenen Bescheid als Ausgangspunkt auch nicht ein – wegen des Fachanwaltstitels zu erhöhendes – Durchschnittsgehalt “aller Rechtsanwälte” genommen, in dem bereits das Gehalt von Fachanwälten einbezogen ist. Grundlage ist vielmehr der sogenannte STAR-Bericht der Bundesrechtsanwaltskammer und des Instituts für Freie Berufe (https://brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-2018/folie7.png). Daraus ergibt sich, dass die Beklagte den jährlichen Honorarumsatz von selbständig tätigen Anwälten ohne Spezialisierung (Ost) zum Ausgangspunkt genommen und mit dem Honorarumsatz von selbständig tätigen Fachanwälten (Ost) verglichen hat. In der zuerst genannten Gruppe sind aber gerade keine Fachanwälte vertreten.
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Nach dem letzten veröffentlichten STAR-Bericht (aaO) beträgt die Differenz zwischen den Honorarumsätzen von selbständig tätigen, nicht spezialisierten Anwälten (Ost) und selbständig tätigen Fachanwälten (Ost) rund 70 % (98.000 €/166.000 €). Im Hinblick auf den durchschnittlichen persönlichen Überschuss aus selbständiger Tätigkeit besteht zwischen ihnen sogar eine Differenz von 136 % (39.000 €/92.000 €; https://brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-2018/folie18.png). Vor dem Hintergrund dieses Datenmaterials ist die in dem angefochtenen Bescheid (S. 6) in Anbetracht der Qualifikation der Beigeladenen vorgenommene Erhöhung des Gehalts nach “TVL13 Ost” um 100 % nicht zu beanstanden.
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Allerdings ist zu beachten, dass nicht alle von der Beigeladenen in dem ihrem Vergütungsantrag beigefügten Nachweis aufgelisteten Tätigkeiten von ihr persönlich – als für die Vertretung des Klägers besonders qualifizierter Fachanwältin für Sozialrecht – ausgeführt wurden. Der Senat erachtet daher eine Erhöhung um insgesamt 50 % der festzusetzenden Vergütung als angemessen, um der Qualifikation der Beigeladenen einerseits und ihrem Anteil an den abgerechneten Tätigkeiten andererseits hinreichend Rechnung zu tragen.
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Somit ergibt sich im Rahmen einer – vom Anwaltsgerichtshof zugrunde gelegten – Monatspauschale eine solche von 5.732,94 €.
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5. Umfang und Schwierigkeit der Vertretung rechtfertigen eine weitere Erhöhung der Vergütung um 60 % auf 9.172,70 €.
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a) Der für die Vertretungstätigkeit erforderliche Zeitaufwand begründet – isoliert betrachtet – weder eine (weitere) Erhöhung noch eine Verringerung der vorstehend berechneten Monatspauschale.
35
Im Hinblick auf die Arbeitszeit, die die Beigeladene und die von ihr bevollmächtigten Rechtsanwälte der Kanzlei K.    & D.  zur Vertretung des Klägers in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 13. Dezember 2017 bis 18. Januar 2018 aufgewandt haben, ist – mit dem angefochtenen Bescheid (S. 3: 174,52 Std.) und dem Anwaltsgerichtshof (Urteil S. 16) – der Aufwand eines Monats zugrunde zu legen. Dies entspricht dem seitens der Beigeladenen ihrem Vergütungsantrag vom 18. Januar 2018 beigefügten Tätigkeitsnachweis.
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Der Kläger hat im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht, der Zeitaufwand der Beigeladenen und ihrer Sozien liege unterhalb demjenigen eines Monats. Soweit er vorträgt, die Beigeladene habe im Hinblick auf eine gegen ihn erwirkte einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Se.       einerseits in den ihrem Vergütungsantrag beigefügten Tätigkeitsnachweis einen Zeitaufwand von 177 Minuten eingestellt und andererseits einen rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschluss gegen ihn erwirkt, hierdurch komme es zu einer doppelten Vergütung, führt dies nicht zu einer erheblichen Änderung des von der Beigeladenen und den von ihr bevollmächtigten Rechtsanwälten der Kanzlei K.   & D.  geleisteten Zeitaufwands. Dieser hält sich vielmehr auch dann im Rahmen der Arbeitszeit eines Monats, wenn man rund drei Stunden für die Bearbeitung des Verfahrens der einstweiligen Verfügung in Abzug bringt.
37
Andererseits haben weder die Beklagte noch die Beigeladene einen höheren Zeitaufwand nachvollziehbar dargelegt. Soweit die Beigeladene in ihrem Schriftsatz vom 27. Februar 2020 (S. 34) eine Anzahl von 548,81 Arbeitsstunden erwähnt, betrifft dies den gesamten Vertretungszeitraum bis zum 20. März 2018 von drei Monaten und einer Woche und – entgegen der dortigen Darstellung – nicht nur den von den Verfahren AnwZ (Brfg) 52/19 und AnwZ (Brfg) 53/19 betroffenen Vertretungszeitraum von zwei Monaten und einer Woche. Gemittelt entsprechen 548,81 Stunden einer monatlichen Arbeitszeit von rund 170 Stunden, die keinen höheren Arbeitsumfang als denjenigen eines Monats belegt.
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Soweit die Beigeladene geltend gemacht hat, weitere Arbeitsstunden ihrer anwaltlichen Kollegen seien aus bestimmten Gründen bewusst nicht aufgezeichnet worden (z.B. Schriftsatz vom 13. August 2020 (S. 8 f.)), vermag der Senat solche Stunden mangels näherer Spezifizierung der Berechnung der Monatspauschale nicht zugrunde zu legen.
39
b) Indes war, wie aufgrund der zwischen den Beteiligten nicht streitigen Tatsachen und der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme zu seiner Überzeugung feststeht, die Vertretungstätigkeit der Beigeladenen von besonderen Schwierigkeiten und Problemen geprägt. Diese rechtfertigen eine weitere Erhöhung der Vertretervergütung um 60 %.
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aa) Die außerordentlichen Schwierigkeiten, die die Beigeladene und die von ihr unterbevollmächtigten Rechtsanwälte der Kanzlei K.   & D.  im Rahmen der Vertretung des Klägers zu bewältigen hatten, fanden ihre Ursache – zusammengefasst – darin, dass mit der Kanzlei des Klägers und der Kanzlei K.   & D.   zwei gänzlich unterschiedliche Kanzleistrukturen aufeinanderstießen, die ohne eine enge Kooperation des Klägers und seiner Mitarbeiter mit der Beigeladenen nur schwer in Einklang zu bringen waren und für die Beigeladene zwangsläufig zu erheblichen Problemen bei der Vertretung des Klägers führten.
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Die Kanzlei des Klägers war weitgehend mit dem (Massen-)Betrieb einer enormen Anzahl von Verfahren wie Untätigkeitsklagen und Widersprüchen sowie Klagen gegen sozialrechtliche Bescheide befasst. Hiermit waren die Beigeladene und die Kanzlei K.    & D.  ebenso wenig vertraut wie mit den – teilweise außergewöhnlichen und für Außenstehende nur schwer durchschaubaren – organisatorischen und technischen Mitteln und Abläufen, mit Hilfe derer die Kanzlei des Klägers die dort geführten Verfahren bearbeitete. So zeitigten die große Zahl dieser Verfahren und die Art ihrer Führung durch den Kläger eine ebenso hohe Zahl von täglich eingehenden Anrufen von Mandanten, Gerichten und Behörden. Dem entsprach ein überaus hoher täglicher Posteingang und eine – infolgedessen – große Menge von täglich zu bearbeitenden Vorgängen. Ohne die Kooperation des Klägers und seiner Mitarbeiter und ohne den Einsatz der in der Kanzlei des Klägers ausschließlich elektronisch erfolgenden Aktenführung musste die Vertretung des Klägers für die Beigeladene zwangsläufig zu erheblichen und weit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten und Problemen führen.
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Während der ersten Hälfte des vorliegend zu beurteilenden Vertretungszeitraums, das heißt bis etwa zum Jahreswechsel 2017/2018, konnten solche Schwierigkeiten weitgehend vermieden werden, weil die Beigeladene in erheblichem Umfang auf die technischen und insbesondere die personellen Mittel der Kanzlei des Klägers zurückgreifen konnte. Entsprechend einer mit dem Kläger, seinen Mitarbeitern und dem im Kanzleigebäude des Klägers und bereits zuvor für ihn tätigen Rechtsanwalt M.   getroffenen Vereinbarung wurden die bisherige Arbeitsweise und die bisherigen Verfahrensabläufe beibehalten, während die Aufgabe der Beigeladenen im Wesentlichen in der Kontrolle dieser Abläufe bestand.
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Dagegen standen die Kanzleistruktur und die Mitarbeiter des Klägers der Beigeladenen nicht mehr zur Verfügung, nachdem der Kläger die Arbeitsverhältnisse der meisten seiner Mitarbeiter mit Schreiben vom 5. Januar 2018 fristlos gekündigt hatte und Rechtsanwalt M.   – ungefähr zur selben Zeit – überraschend verschwunden war. Ab diesem Zeitpunkt waren der klägerische Kanzleibetrieb und seine hohe Anzahl an Verfahren von der mit ihm und seinen besonderen Gegebenheiten nicht vertrauten Beigeladenen und den von ihr unterbevollmächtigten Rechtsanwälten der Kanzlei K.   & D.  zu bewältigen. Dies führte zu ganz erheblichen Schwierigkeiten und einem besonderen Arbeitsaufwand für die vorgenannten Personen und die von ihnen zur Unterstützung herangezogenen weiteren Mitarbeiter der Kanzlei K.   & D.  . Hervorzuheben ist auch hier die enorme Menge der eingehenden Post, Verfahrensakten und Anrufe sowie der in ihrer Folge zu sichtenden und zu bearbeitenden Vorgänge. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang in Abrede stellt, dass es in seiner Kanzlei 30.000 zu führende Verfahren gegeben habe, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Der Kläger bestreitet nicht, dass ein derart hoher Aktenbestand vorhanden war. Letzterer erfordert aber bereits für sich genommen bei – wie hier – fehlender Zusammenarbeit zwischen Vertretenem und Vertreter eine umfangreiche Sichtung und Prüfung durch den Vertreter, damit überhaupt festgestellt werden kann, welche Verfahren offen sind und der weiteren Bearbeitung bedürfen und welche Verfahren abgeschlossen sind.
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Gerichtstermine waren von der Beigeladenen und ihren Kollegen nicht in überdurchschnittlicher Anzahl wahrzunehmen. Erschwerend kam jedoch hinzu, dass die elektronische Aktenführung der Kanzlei des Klägers für die Beigeladene während eines erheblichen Teils des vorliegenden Vertretungszeitraums nur eingeschränkt zugänglich war und zudem erst erschlossen werden musste. Eine vollständige Datensicherung scheiterte unter anderem deshalb, weil Hardware entwendet worden war. Auch verweigerte der Kläger nicht nur weitgehend seine Kooperation mit der Beigeladenen, sondern behinderte ihre Vertretungstätigkeit zusätzlich durch sein Verhalten.
45
Die vorstehenden besonderen Erschwernisse der Vertretung führten sowohl bei Rechtsanwälten der Kanzlei K.   & D.  als auch bei deren Mitarbeitern zu einer großen Arbeitsbelastung und infolgedessen teilweise zu psychischen Problemen. Eigene Mandate konnten nicht oder nur verzögert bearbeitet werden, was ebenso zu Beschwerden der Mandanten führte wie die eingeschränkte telefonische Erreichbarkeit der Kanzlei K.   & D.  .
46
bb) Die vorgenannten Umstände stehen zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme und der zwischen den Beteiligten nicht streitigen Tatsachen.
47
(1) Sie ergeben sich zunächst aus den entsprechenden Bekundungen der vom Senat angehörten Beigeladenen und vernommenen Zeugen Ka.  und A.     W.    , K.   und S.      . Diese Bekundungen sind glaubhaft. Die Beigeladene und die vorgenannten Zeugen haben ihre im Rahmen der Vertretung des Klägers – als bestellte Vertreterin, Unterbevollmächtigte und Mitarbeiter – ausgeübten Tätigkeiten jeweils ausgesprochen detailreich, lebhaft und nachvollziehbar geschildert. Einzelne Verfahrensabläufe und ihre eigenen Verantwortungsbereiche konnten sie plausibel und authentisch darstellen. Dabei vermochten sie auch aus ihrer Sicht unerwartete Fragen ohne Zögern, widerspruchsfrei und überzeugend zu beantworten. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Bekundungen der Beigeladenen und der Zeugen ihre Aufgaben und Tätigkeiten im Rahmen der Vertretung des Klägers – trotz des zwischenzeitlichen Zeitablaufes – aus eigenem Erleben und eigener Erinnerung zutreffend wiedergeben. Dies gilt umso mehr, als die von ihnen getätigten Angaben weitgehend miteinander übereinstimmen und widerspruchsfrei sind, ohne abgesprochen zu wirken.
48
(2) Darüber hinaus wird die – zu besonderen Schwierigkeiten der Vertretung führende – mangelnde Kooperation des Klägers durch Tatsachen belegt, die zwischen den Beteiligten nicht streitig sind. So hat der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten und der Beigeladenen, dem er insoweit nicht entgegengetreten ist,
• Anfragen der Beigeladenen zu bevorstehenden Terminen dahin beantwortet, die Akten lägen ihr vor, er rege an, diese durchzuschauen, darin fänden sich auch die entsprechenden Gerichtstermine (Anlage B04 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 27. Februar 2020);
• bei ihm eingegangene gerichtliche Aufforderungen mit Fristsetzungen – oft über die Beklagte – an die Beigeladene erst nach oder zum Zeitpunkt des Fristablaufs weitergeleitet (Anlagen AK 22-25, 27 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2020);
• Anlagen unvollständig übersandt (Anlage AK 25 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2020);
• ohne vorherige Rücksprache mit der Beigeladenen für diese Beratungstermine vereinbart und sie unter Androhung von Schadensersatzansprüchen aufgefordert, diese Termine wahrzunehmen (Schriftsatz der Beigeladenen vom 27. Februar 2020, S. 27 f.);
• Widerspruchssachen nach Ablauf der Klagefrist übergeben (Anlage A 28 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2020), so dass Wiedereinsetzungsanträge erforderlich wurden;
• die ihm am 4. Januar 2018 zugegangene Aufhebung des Termins vor dem Sozialgericht N.       vom 8. Januar 2018 erst am 10. Januar 2018 weitergeleitet, und zwar nicht direkt an die Beigeladene, sondern an die Beklagte (Anlage AK 26 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2020);
• die ihm am 27. Dezember 2017 zugestellte Ladung des Sozialgerichts Br.   zum Termin am 18. Januar 2018 erst am 17. Januar 2018 – über die Beklagte – an die Beigeladene weitergeleitet (Anlage AK 29 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2020).
49
Eine weitere erhebliche Erschwernis der Tätigkeit der Beigeladenen verursachte der Kläger dadurch, dass er gegenüber Dritten auf der Kommunikationsplattform “F.    ” der Beigeladenen Untreue, nämlich das kriminelle Leerräumen des Kanzleikontos vorwarf (Anlage A 42 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2020). Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass derartige Diffamierungen Anfragen bei der Beigeladenen hervorriefen und zu besonderen Schwierigkeiten der Vertretung führten.
50
Solche Schwierigkeiten wurden auch dadurch begründet, dass der Beigeladenen vom Kläger unstreitig zunächst der Zugang zu seinen Kanzleiräumen verweigert wurde und dieser erst mittels einer von der Beigeladenen erwirkten, am 2. Januar 2018 vollstreckten einstweiligen Verfügung erlangt werden konnte. Dabei ist es in vorliegendem Zusammenhang ohne Bedeutung, dass die Beigeladene den für die Erwirkung der einstweiligen Verfügung erforderlichen Zeitaufwand in dem ihrem Vergütungsantrag beigefügten Tätigkeitsnachweis aufgeführt hat. Denn durch diesen Aufwand werden nicht die besonderen Schwierigkeiten der Vertretung erfasst, die durch die vorherige Verweigerung des Zugangs zu den Kanzleiräumlichkeiten als solche bedingt waren.
51
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beigeladenen nicht vorzuwerfen, dass sie ihn durch ihr Verhalten zur Kündigung der meisten Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeiter veranlasst und auf diese Weise die hierdurch eingetretene erhebliche Erschwerung ihrer Vertretungstätigkeit selbst verursacht hat.
52
(a) Mit der Bestellung der Beigeladenen als Vertreterin des Klägers hat sie diesen nicht aus seiner Stellung als Arbeitgeber seiner Mitarbeiter verdrängt. Mit allen Verträgen, die zur Führung der Anwaltspraxis notwendig waren, hatte sie grundsätzlich nichts zu tun. Ansprüche aus bestehenden Arbeitsverhältnissen richten sich nur gegen den Vertretenen (vgl. Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 53 Rn. 47; Weyland/Nöker, aaO, § 53 Rn. 63 f.). Nur wenn der Vertreter die Kanzlei des Vertretenen zur Bewältigung seines Auftrags benötigt, hat er in eigener Entscheidung gegebenenfalls selbst die Verträge fortzuführen, neu zu schließen und zu finanzieren. Zahlt der Vertreter hierzu die Vergütung, um das Personal zu halten, kann er diese Aufwendungen gegen den Vertretenen nach § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO i.V.m. § 670 BGB geltend machen (Dahns in Gaier/Wolf/Göcken; Weyland/Nöker; jeweils aaO).
53
(b) Danach war vorliegend die Beigeladene als Vertreterin des Klägers nicht verpflichtet, in dessen Arbeitsverhältnisse mit seinen Mitarbeitern einzutreten und die entsprechenden Vergütungsansprüche – vorbehaltlich einer Geltendmachung gegen den Kläger – zu übernehmen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass eine solche, die Mitarbeiter des Klägers einbeziehende Verfahrensweise – wie die Abläufe in den ersten Tagen der Vertretung belegen – geeignet war, die Wahrnehmung der Vertretung wesentlich zu erleichtern und einen erheblichen Teil der später aufgetretenen Schwierigkeiten zu vermeiden. Der Beigeladenen kann jedoch nicht zur Last gelegt werden, dass eine derartige Struktur der Vertretung nicht (dauerhaft) verwirklicht wurde.
54
So hat sie zu Beginn der Vertretung gerade darauf hingewirkt, dass der Kanzleibetrieb des Klägers unter Mitwirkung und Einsatz des dortigen Personals – weitgehend unverändert – aufrechterhalten blieb. Sie war auch grundsätzlich dazu bereit, entsprechende Personalkosten zu übernehmen. Dies wird bereits dadurch belegt, dass sie den im Kanzleigebäude des Klägers arbeitenden Rechtsanwalt M.  unterbevollmächtigt und beauftragt hat, im Rahmen der Vertretung gegen eine von ihr zu zahlende Vergütung tätig zu werden. Der Zeuge M.  hat in seiner Vernehmung durch den Senat glaubhaft bekundet, er habe bereits vor dem Vertretungszeitraum als selbständiger Rechtsanwalt im Kanzleigebäude des Klägers in C.   gearbeitet. Er habe für den Kläger Terminvertretungen wahrgenommen und hierfür nach Rechnungsstellung eine entsprechende Vergütung erhalten. Mit der Beigeladenen sei vereinbart worden, dass es in der Kanzlei des Klägers während der Vertretung durch die Beigeladene so weitergehen solle wie bisher. Er habe als Unterbevollmächtigter tätig werden und den Kanzleibetrieb des Klägers im Hinblick auf die wichtigsten Aufgaben fortführen sollen. Seine Tätigkeit sei nach Abrechnung und Übersendung von Stundenzetteln an die Beigeladene von dieser mit zunächst um die 60 € und später 35 € pro Stunde vergütet worden.
55
Darüber hinaus hat die Beigeladene – wie der Zeuge K.   glaubhaft bekundet hat – eine eigens für die Vertretung des Klägers in der Kanzlei K.   & D.  eingestellte Mitarbeiterin aus dem für die Vertretung eingerichteten Treuhandkonto bezahlt. Dies zeigt, dass sie bereit war, im Rahmen der Vertretung Arbeitsverhältnisse zu begründen und die insofern anfallenden Personalkosten aus den – auf dem Treuhandkonto eingehenden – Einnahmen zu begleichen. Dementsprechend hat die Beigeladene in ihrer Anhörung durch den Senat bekundet, sie sei grundsätzlich bereit gewesen, die Mitarbeiter des Klägers zu vergüten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger mit Schriftsatz vom 30. April 2021 vorgelegten Schreiben der Klägerin vom 4. Januar 2018, mit dem sie die Mitarbeiter des Klägers anwies, keine Honorarabrechnungen, Kostenerstattungsanträge und sonstigen Schreiben zu verfassen, die wie auch immer geartete Einnahmen bedeuteten. Daraus lässt sich nicht schließen, dass mit der Kanzlei des Klägers keine Einnahmen mehr generiert werden sollten, aus denen etwa die Personalkosten für seine Mitarbeiter hätten beglichen werden können. Ein nachvollziehbarer Grund für die Anweisung der Beigeladenen konnte vielmehr auch darin liegen, dass diese – angesichts ihrer in dem Schreiben vom 4. Januar 2018 betonten Abrechnungsverpflichtung am Ende der Vertretung – nunmehr selbst die Verantwortung für und die unmittelbare Kontrolle über die Einnahmen der Kanzlei des Klägers übernehmen wollte. Das schließt nicht aus, dass aus diesen – weiterhin erzielten und auf das für die Vertretung eingerichtete Treuhandkonto geleiteten – Einnahmen Mitarbeiter des Klägers und Rechtsanwalt M.   hätten vergütet werden können.
56
Die Fortführung des Kanzleibetriebs des Klägers unter Einsatz seines Personals ist nach alledem nicht an einer mangelnden grundsätzlichen Bereitschaft der Beigeladenen zur Vergütung dieses Personals und Fortführung der entsprechenden Arbeitsverhältnisse gescheitert. Sie endete vielmehr dadurch, dass nach dem Jahreswechsel 2017/2018 der für diese Vertretungsstruktur unverzichtbare Rechtsanwalt M.  verschwunden war, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Klägers von diesem mit Schreiben vom 5. Januar 2018 gekündigt worden waren und vor diesem Zeitpunkt die für eine Fortführung der Arbeitsverhältnisse notwendigen sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Daten der Mitarbeiter des Klägers der Beigeladenen – wie sie und der Zeuge K.    glaubhaft bekundet haben – nicht bekannt waren.
57
Es ist zwar nicht zu verkennen, dass sich der Kläger, nachdem ihm aus seiner Kanzlei keine Einnahmen mehr zuflossen, im Hinblick auf die von ihm als Arbeitgeber geschuldete Vergütung seiner Mitarbeiter in einer gewissen Notlage befand. Statt einer sofortigen fristlosen Kündigung der Arbeitsverhältnisse stand ihm indes als Ausweg auch eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Beigeladenen offen, um diese zur Übernahme der Arbeitsverhältnisse oder zumindest zur Begleichung der entsprechenden Vergütungsansprüche aus dem von ihr für die Vertretung eingerichteten Treuhandkonto zu bewegen. Eine solche Kontaktaufnahme ist indes, wie der Kläger in seiner Anhörung durch den Senat eingeräumt hat, nicht erfolgt. Der Beigeladenen kann hingegen eine solche mangelnde Kontaktaufnahme in dem vorliegend maßgeblichen Zeitraum bis zur fristlosen Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Klägers nicht zur Last gelegt werden. Sie hatte die Vertretung erst kurze Zeit vor Beginn der Weihnachtsfeiertage 2017 übernommen. In diesem Rahmen war – wie sich aus den glaubhaften Bekundungen der Beigeladenen sowie der Zeugen A.    W.    und M.   ergibt – mit dem Kläger, dem Zeugen M.  und den Mitarbeitern des Klägers in einem am 14. Dezember 2017 in der Kanzlei des Klägers in C.    geführten Gespräch vereinbart worden, dass der Betrieb der Kanzlei des Klägers unter Einsatz des Zeugen M.  und der Mitarbeiter des Klägers so weitergeführt werden solle wie bisher. Danach bestand für die Beigeladene jedenfalls vor den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel keine zwingende Veranlassung zur weiteren Kontaktaufnahme zum Kläger. Mit dem unmittelbar danach erfolgten Verschwinden des Zeugen M.  – er hatte nach seiner vor dem Senat getätigten Aussage seinen Kanzleisitz nach Be.   verlegt – und der fristlosen Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Klägers durch diesen am 5. Januar 2018 musste sie nicht rechnen.
58
Mit den vorstehenden Ereignissen war die zunächst vereinbarte Vertretungsstruktur zerstört und standen die Mitarbeiter des Klägers der Beigeladenen nicht mehr zur Verfügung. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, sein Mitarbeiter Al.  habe der Beigeladenen mit E-Mail vom 19. Januar 2018 die weitere Mitarbeit angeboten, betrifft dies nicht den vorliegenden, bis zum 18. Januar 2018 währenden Vertretungszeitraum. Im Übrigen hatte die Beigeladene nach den Geschehnissen zu Beginn des Jahres 2018 – mit Hilfe und unter Einsatz der Rechtsanwälte und Mitarbeiter der Kanzlei K.   & D.  – zwischenzeitlich eine neue Vertretungsstruktur aufgebaut. In deren Rahmen war von einer Weiterbeschäftigung einzelner Mitarbeiter des Klägers keine wesentliche Vereinfachung der Vertretungstätigkeit zu erwarten. Die Beigeladene hatte daher keine Veranlassung, auf die Arbeitsangebote dieser Mitarbeiter einzugehen.
59
cc) Die vorstehend festgestellten besonderen Schwierigkeiten und Pro-bleme, die seitens der Beigeladenen im Rahmen der Vertretung des Klägers zu bewältigen waren, lassen den vorliegenden Vertretungsfall als Ausnahme erscheinen, die im Vergleich mit den in der Rechtsprechung des Senats und – soweit veröffentlicht – der Anwaltsgerichtshöfe bisher entschiedenen Vergütungsstreitigkeiten herausragt. Nach Auffassung des Senats ist daher eine deutliche weitere Erhöhung der Monatspauschale um 60 % auf 9.172,70 € gerechtfertigt, um den außergewöhnlichen Herausforderungen, denen sich die Beigeladene bei der Vertretung des Klägers gegenübersah, angemessen Rechnung zu tragen. Eine darüberhinausgehende Erhöhung entspräche dagegen nicht mehr den in der Rechtsprechung des Senats anerkannten Maßstäben für die Bemessung der Vergütung des Vertreters. Sie erschiene nicht angemessen im Sinne von § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Vertretungstätigkeit der Beigeladenen in der ersten Hälfte des vorliegend zu beurteilenden Vertretungszeitraums nicht von besonderen Schwierigkeiten geprägt war.
60
6. Im Ergebnis zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof zusätzlich einen Kanzleikostenanteil berücksichtigt. Dieser ist allerdings deutlich niedriger anzusetzen.
61
a) Der im angefochtenen Bescheid der Beklagten (S. 33) – auf den Monat umgerechnet mit 6.108,20 € (35 € x 174,52 Std.) – angesetzte und auch vom Anwaltsgerichtshof berücksichtigte Kanzleikostenanteil betrifft entgegen dem Verständnis des Klägers nicht vom Vertreter getragene Kosten für die Kanzlei des Vertretenen, sondern solche Kosten, die in der eigenen Kanzlei des Vertreters während der Vertretung anfallen (vgl. hierzu AGH Brandenburg, Urteil vom 29. November 2010 – AGH I 1/10, juris Rn. 43 ff.; Weyland/Nöker, aaO Rn. 79a). Sie werden nicht von der – vorstehend unter Ziffer I. 2-5 erörterten und berechneten – Monatspauschale abgedeckt, da diese das Gehalt eines Angestellten und nicht den Honorarumsatz eines selbständigen Rechtsanwalts zur Grundlage hat. Der Anwaltsgerichtshof hat den Ansatz einer Kanzleikostenpauschale in seinem Urteil vom 29. November 2010 (aaO) damit begründet, dass aus dem Gehalt eines angestellten Rechtsanwalts – als Ausgangspunkt für die Bemessung der Vertretervergütung – nicht die Kosten der Kanzlei gedeckt werden müssten, in der er angestellt sei. Ein in eigener Kanzlei selbständiger Rechtsanwalt müsse dagegen aus seiner Vergütung nicht nur seinen Gewinn erwirtschaften, sondern auch die Kosten seiner Kanzlei tragen, die er auch während der Zeit der Vertretertätigkeit aufbringen müsse, ohne dass in diesem Zeitraum entsprechende Einnahmen erwirtschaftet werden könnten.
62
b) Der Ansatz eines Kanzleikostenanteils als zusätzlicher Bestandteil der gemäß § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO festzusetzenden angemessenen Vergütung erscheint gerechtfertigt, wenn ein selbständiger Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei zum Vertreter bestellt wird und eine Vertretungstätigkeit von erheblichem Umfang erforderlich ist. In einem solchen Fall können die Kosten der Kanzlei des als Vertreter bestellten selbständigen Rechtsanwalts aus einer auf der Grundlage eines Angestelltengehalts berechneten Vergütung regelmäßig nicht gedeckt werden. Er müsste im wirtschaftlichen Ergebnis die Vertretung vollständig oder weitgehend vergütungsfrei übernehmen, da er die festgesetzte Vergütung zur Deckung der Kosten der eigenen Kanzlei benötigt. Dies ist ihm nicht zumutbar. Eine seinen Interessen hinreichend Rechnung tragende Vergütung hat daher grundsätzlich neben einer – seine Tätigkeit unmittelbar abgeltenden – Vergütung im engeren Sinne auch einen Betrag zum Ausgleich der ihm für den Betrieb der eigenen Kanzlei im Vertretungszeitraum entstehenden Kosten zu enthalten. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Vertretungstätigkeit die Arbeitszeit des Vertreters nur in geringem Umfang – vergleichbar mit einer begrenzten Anzahl von zu leistenden Überstunden – in Anspruch nimmt, so dass er eigene Mandate in üblichem Umfang weiterbearbeiten und hieraus die Kosten seiner eigenen Kanzlei decken kann.
63
Ein Kanzleikostenanteil kann auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen nicht berücksichtigt werden, soweit es sich bei dem bestellten Vertreter um einen angestellten Rechtsanwalt ohne eigene Kanzlei handelt. Denn ein solcher Vertreter hat nicht die Kosten einer Rechtsanwaltskanzlei zu tragen, so dass der Grund für den Ansatz des in der Rechtsprechung des Anwaltsgerichtshofs entwickelten Vergütungsbestandteils eines Kanzleikostenanteils entfällt. Etwas anderes gilt auch nicht für den Fall, dass ein als Vertreter bestellter Rechtsanwalt persönliche und sächliche Mittel der Kanzlei in Anspruch nimmt, bei der er angestellt ist. Denn die hierdurch gegebenenfalls entstehenden Kosten könnten, träfen sie – etwa aufgrund einer Vereinbarung mit den Inhabern der Kanzlei – den Vertreter, nicht als Bestandteil der von der Rechtsanwaltskammer festzusetzenden Vergütung des Vertreters von diesem eingefordert werden. Hinsichtlich solcher Aufwendungen steht dem Vertreter vielmehr ausschließlich ein Erstattungsanspruch gemäß § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO i.V.m. § 670 BGB gegen den Vertretenen zu, der vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2003 – AnwZ (B) 62/02, BGHZ 156, 362, 367 f.; März, BRAK-Mitt. 2009, 162, 163; Weyland/Nöker, aaO Rn. 49 ff.; Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 53 Rn. 54 f.).
64
Der zusätzliche Ansatz eines Kanzleikostenanteils führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer doppelten Vergütung der Tätigkeit des Vertreters. In Anbetracht der “weiterlaufenden” Kosten der Kanzlei des Vertreters sollen vielmehr lediglich diese abgedeckt werden.
65
c) aa) Hinsichtlich der Tätigkeit der Beigeladenen selbst kann danach kein Kanzleikostenanteil berücksichtigt werden. Denn die Beigeladene war, wie sie mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 mitgeteilt hat, – entgegen der Annahme des Anwaltsgerichtshofs (vgl. S. 17 Abs. 2 des angefochtenen Urteils; “Beigeladene und ihre Sozien” hätten “ihre Kanzleikosten nicht aus eigenen Mandaten … erwirtschaften können”) – nicht Gesellschafterin der Sozietät K.   & D.  (vgl. auch Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2018, S. 34 unter III.).
66
bb) Ein Kanzleikostenanteil ist hingegen im Hinblick auf die Tätigkeit von Rechtsanwalt A.      W.    anzusetzen. Dieser wurde zwar von der Beklagten nicht zum Vertreter des Klägers bestellt. Die Bestellung der Beigeladenen wird in dem Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2017 (S. 4) jedoch ausdrücklich damit begründet, dass sie in Ansehung der Kanzleisituation und der Struktur der Gesamtsozietät K.   & D.  über deutlich höhere Kapazitäten zur Bewältigung der Mächtigkeit des aufzuarbeitenden Volumens verfügen könne als der vom Kläger als Vertreter vorgeschlagene Rechtsanwalt M.   als Einzelanwalt. Damit zielte die Vertreterbestellung vom 12. Dezember 2017 von Anfang an auf eine Einbeziehung der weiteren Berufsträger der Kanzlei K.  & D.  – einschließlich ihrer Sozien – in die Vertretungstätigkeit der Beigeladenen. Dann aber ist hinsichtlich der Sozien dieser Kanzlei auch ein Kanzleikostenanteil anzusetzen, soweit sie – aus Sicht des Bestellungsbescheides: planmäßig – mit Untervollmacht Vertretungstätigkeit in erheblichem Umfang wahrgenommen haben und hierdurch daran gehindert worden sind, eigene Mandate zu bearbeiten.
67
Letzteres ist im Hinblick auf Rechtsanwalt A.       W.     als Sozius der Kanzlei K.   & D.  der Fall. Er hat ausweislich des von der Beigeladenen mit ihrem Vergütungsantrag vorgelegten Tätigkeitsnachweises innerhalb des – unter Berücksichtigung der Feiertage – etwa einmonatigen Vergütungszeitraums Vertretungstätigkeiten im Umfang von rund 36 Stunden (2.164 Min.) wahrgenommen, während derer er eigene Mandate nicht weiterbearbeiten und hieraus die Kosten seiner Kanzlei decken konnte.
68
cc) Dagegen scheidet der Ansatz eines Kanzleikostenanteils im Hinblick auf die Tätigkeit von Rechtanwalt Ch.    K.    aus. Dieser war während des Vergütungszeitraums nur in einem Umfang von rund sieben Stunden (426 Min.) tätig. Hierdurch war er nicht gehindert, in üblichem Umfang eigene Mandate zu bearbeiten und hieraus die Kosten seiner Kanzlei zu decken.
69
dd) Rechtsanwältin Ka.   W.    war – wie die Beigeladene – im Vertretungszeitraum nicht Gesellschafterin der Kanzlei K.    & D.  , so dass im Hinblick auf ihre Tätigkeit ebenfalls der Ansatz eines Kanzleikostenanteils nicht in Betracht kommt.
70
d) Die Höhe des – nach den vorstehenden Ausführungen nur in Bezug auf die Tätigkeit von Rechtsanwalt A.      W.    festzusetzenden – Kanzleikostenanteils bestimmt sich nach dem Zeitraum, während dessen er in Folge der Vertretung nicht in der Lage war, durch die Bearbeitung eigener Mandate die in diesem Zeitraum anfallenden Kosten seiner Kanzlei zu decken. Hieraus ergibt sich vorliegend ein Kanzleikostenanteil von 1.260 € (36 Std. x 35 €).
71
7. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, bei der Bemessung der für den Vertreter festzusetzenden Vergütung sei der in dem Vergütungszeitraum von dem Vertretenen erzielbare Gewinn zu berücksichtigen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es ist nicht die vorrangige Aufgabe des amtlich bestellten Vertreters, einen Gewinn oder einen bestimmten Umsatz zugunsten des Vertretenen zu erwirtschaften, sondern die Interessen der Mandanten des Vertretenen wahrzunehmen, diese zu schützen und eine geordnete Rechtspflege in den Verfahren des vertretenen Rechtsanwalts zu gewährleisten (vgl. Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 53 Rn. 45). Findet etwa der Vertreter in der Kanzlei des Vertretenen eine desolate Büroorganisation vor oder kooperiert der Vertretene nicht, darf es dem Vertreter nicht zum Nachteil gereichen, wenn in dem Vergütungszeitraum – trotz eines hohen Vertretungsaufwands – kein oder nur ein geringer Gewinn erzielt werden kann.
72
In der Literatur wird teilweise – über die bisher in der Senatsrechtsprechung anerkannten Bemessungskriterien hinaus – die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vertretenen als Kriterium für die Bemessung der Vergütung des Vertreters nach § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO vorgeschlagen (Weyland/Nöker, aaO, § 53 Rn. 80d; Joachim in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 7. Aufl., § 53 BRAO Rn. 149). Der Vertretene soll durch die Vertretung nicht in den finanziellen Ruin getrieben werden, sondern seine Kanzlei nach Ende der Vertretung weiterführen können.
73
Ob diesem Ansatz zu folgen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn der Kläger hat bereits nicht vorgetragen, dass er im Hinblick auf die von der Beklagten festgesetzte Vergütung nicht leistungsfähig ist. Dementsprechend kann erst recht nicht davon ausgegangen werden, dass ihm in Bezug auf die vorstehend ermittelte – geringere – Höhe der Vergütung die finanzielle Leistungsfähigkeit fehlt.
74
8. Nach alledem ergibt sich eine festzusetzende Vergütung von 10.432,70 € netto (9.172,70 € zzgl. 1.260 € Kanzleikostenanteil) und mithin eine solche von 12.414,91 € brutto.
II.
75
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1, 2 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Limperg     
        
Remmert     
        
Grüneberg
        
Schmittmann      
        
Niggemeyer-Müller      
        


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