Arbeitsrecht

Befreiung von Pflichtmitgliedschaft in Anwaltskammer

Aktenzeichen  21 ZB 19.1002

Datum:
12.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 5362
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

Es besteht kein Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung bei durch Erklärung aufrechterhaltener Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Hessen.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 16.2841 2019-04-05 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 41.738,40 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … … 1981 geborene Kläger begehrt die Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in der beklagten Rechtsanwaltsversorgung in Bayern.
Der Kläger ist seit Juni 2007 Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen. Er war bis zum 30. September 2015 bei der Kanzlei L … … … in F … … … tätig. Zum 1. Oktober 2015 hat er eine Anstellung bei der Kanzlei H … … … … in M … aufgenommen. Zum 2. November 2015 wurde der Kläger in die Rechtsanwaltskammer M … in Bayern als Rechtsanwalt aufgenommen, woraufhin seine Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer F … zeitgleich endete.
Mit Bescheid des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen vom 16. März 2016 „über die Aufrechterhaltung der Pflichtmitgliedschaft nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen“ (Satzung (Hessen)) wurde bestätigt, dass der Kläger sein Wahlrecht gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung ausgeübt hat. Am 7. April 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Freistellung von der Pflichtmitgliedschaft gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (Satzung (Bayern)), hilfsweise die Festsetzung des Betrags für die Pflichtmitgliedschaft auf den möglichst minimalen Beitrag.
Mit Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2016 wurde die Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten seit 2. November 2015 festgestellt (Nr. 1) und der Antrag auf Befreiung von der Mitgliedschaft bei der Beklagten abgelehnt (Nr. 2). Der Befreiungstatbestand § 16 Abs. 1 Nr. 7 der Satzung Bayern setze voraus, dass der Kläger zu Beginn der Mitgliedschaft bereits Pflichtmitglied einer anderen öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung sei. Die Mitgliedschaft beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen erfülle aber nicht die Voraussetzungen einer Pflichtmitgliedschaft im Sinne der Satzung. Die Beklagte setzte mit Beitragsbescheid vom 25. Mai 2016 (ab April 2016; 1.159,40 EUR/ Monat) und darauffolgend mit jährlichen Bescheiden die monatlichen Pflichtbeiträge des Klägers fest.
Am 27. Juni 2016 erhob der Kläger Klage zum Bayer. Verwaltungsgericht München und beantragte insbesondere, ihn unter Aufhebung des Beitragsbescheids vom 25. Mai 2016 in der jeweils aktuellen Fassung rückwirkend zum 1. November 2015 von der Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten zu befreien, hilfsweise den Betrag für die Pflichtmitgliedschaft des Klägers auf den jeweils minimalen Betrag festzusetzen. Vom Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen wurde auf gerichtliche Anfrage hin die Auskunft gegeben, dass von einer nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung (Hessen) aufrecht erhaltenen Pflichtmitgliedschaft im Falle einer Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk außerhalb Hessens in der Regel problemlos Befreiung gem. § 9 Abs. 1 der Satzung (Hessen) erteilt werde. Voraussetzung sei, dass die Höhe des Beitrages zu dieser Einrichtung mindestens dem Pflichtbeitrag gem. § 27 der Satzung (Hessen) entspreche. Im Falle der Mitgliedschaft bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung sei dies der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. April 2019 abgewiesen. Der Kläger sei mit Wirkung vom 2. November 2015 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Bayern und Pflichtmitglied bei der Beklagten. Er erfülle weder einen Ausnahmetatbestand gem. § 15 Abs. 2 der Satzung (Bayern), noch werde er von einem Befreiungstatbestand erfasst. Insbesondere § 16 Abs. 1 Nr. 7 der Satzung (Bayern) sei nicht einschlägig, weil seit dem Wechsel von Hessen nach Bayern jedenfalls keine – wie von der Vorschrift gefordert – Pflichtmitgliedschaft in einer anderen öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung fortbestanden habe. Die vom Kläger fortgeführte Mitgliedschaft beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen stelle keine Pflichtmitgliedschaft im Sinne der Satzung der Beklagten dar. Die Beklagte habe zum 1. Januar 2006 im Rahmen einer Satzungsänderung das sog. Regional- bzw. Lokalitätsprinzip eingeführt. Dadurch werde der Grundsatz des Vorranges der Pflichtmitgliedschaft im örtlich zuständigen Versorgungswerk festgeschrieben und die Möglichkeit der Befreiung zugunsten eines örtlich unzuständigen Versorgungswerkes weitgehend beseitigt. Die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk solle gerade auf der Verknüpfung mit der zuständigen Berufskammer beruhen. Eine auf dem Solidaritätsprinzip beruhende leistungsfähige kollektive Versorgung sei wirtschaftlich nur durchführbar, wenn grundsätzlich alle Berufsangehörigen zur Teilnahme und Finanzierung verpflichtet seien. Es sei unter keinem grundrechtlichen Gesichtspunkt geboten, den in einem berufsständischen Versorgungssystem Versicherten die aus ihrer Sicht optimale Altersversorgung zukommen zu lassen. Grundrechtlicher Schutz gebiete es gerade nicht, dass Versicherte, die das Altersversorgungssystem wechseln; dabei von jedem rechtlichen Nachteil verschont blieben. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine geringere Beitragshöhe nach § 20 der Satzung (Bayern).
Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Das vom Kläger innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, die Berufung zuzulassen. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
1.1 Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO).
Der Senat teilt in vollem Umfang die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), die als Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (BRAStV) die berufsständische Versorgungseinrichtung der Rechtsanwälte in Bayern ist. Die angegriffenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat folgt in allen Punkten den ausführlichen und überzeugenden Darlegungen des Verwaltungsgerichts und sieht von einer eigenen Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) ab. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
1.1.1 Der Kläger beruft sich – wie bereits vor dem Verwaltungsgericht – insbesondere darauf, dass ihm ein Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7 der Satzung (Bayern) zustehe. Nach dessen Wortlaut werde von der Pflichtmitgliedschaft (§ 15 der Satzung) befreit, wer bei Beginn der Mitgliedschaft in der Versorgungsanstalt Pflichtmitglied einer anderen öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versorgungseinrichtung sei und zu dieser Pflichtbeiträge aus seinem gesamten beruflichen Einkommen entrichte. Er habe seine „Pflichtmitgliedschaft“ im Versorgungswerk des Landes Hessen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung (Hessen) durch Erklärung aufrechterhalten. Gleiche Rechtsbegriffe seien einheitlich auszulegen, damit Willkür vermieden und Rechtssicherheit gewährleistet sei. So habe ihn auf seinen Antrag vom 12. Juni 2018 die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 27. August 2018 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI aufgrund seiner Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen befreit.
Der Kläger ist aufgrund seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer M … am 2. November 2015 gem. Art. 30 Abs. 1, Art. 38 Nr. 1 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen – VersoG – i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung (Bayern) seit diesem Zeitpunkt Pflichtmitglied der BRAStV. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der seit 2. November 2015 bestehenden Pflichtmitgliedschaft in der BRAStV. Durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist geklärt, dass für eine berufsständische Versorgungseinrichtung eine Pflichtmitgliedschaft gesetzlich vorgesehen werden kann und Pflichtbeiträge erhoben werden können (vgl. u.a. BayVGH, U. v. 21.11.1995 – 9 B 93.1700 – juris m.w.N.; BVerfG, B.v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52 – juris, BVerfGE 10, 354, 370). Auch zu Versorgungswerken der Bundesländer für Rechtsanwälte ist entschieden, dass eine Zwangsmitgliedschaft mit Pflichtbeiträgen verfassungsgemäß ist. Berufsständische Versorgungswerke beruhen auf dem Solidaritätsprinzip. Weil diese jedes satzungsmäßige Risiko ohne Rücksicht auf individuelle Besonderheiten abdecken müssen und sich die Beitragsbemessung an der Leistungsfähigkeit der Mitglieder orientiert, ist eine derartige kollektive Versorgung wirtschaftlich nur durchführbar, wenn grundsätzlich alle Berufsangehörigen zur Teilnahme verpflichtet sind (vgl. BVerfG, B.v. 4.4.1989 – 1 BvR 685/88 – juris). Aus diesem Grunde liegt es innerhalb der Gestaltungsfreiheit des Gesetz- und des Satzungsgebers, den Kreis der Mitglieder so weit und die Befreiungstatbestände so eng zu fassen, dass im Hinblick auf eine angemessene Versorgung eine möglichst leistungsfähige Solidargemeinschaft entsteht (vgl. BVerfG, B.v. 25.9.1990 – 1 BvR 907/87 – juris Rn.7). Soweit im Gesetz und in der Satzung des Versorgungswerks Ausnahmen von der Pflichtmitgliedschaft oder Beschränkungen hinsichtlich der Versorgungsart vorgesehen sind, ist zu berücksichtigen, dass dem Normgeber bei der Ausgestaltung und Abgrenzung von begünstigenden Regelungen dieser Art ein besonders weiter Spielraum zuzubilligen ist. Zwar sind auch insoweit willkürliche Diskriminierungen und Privilegierungen nicht zulässig; der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist aber nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die abweichende Normierung nicht finden lässt (vgl. insbesondere BVerfG, B.v. 9.2.1977 – 1 BvL 11/74 u.a. – juris; BVerfG, B.v. 28.11.1997 – 1 BvR 324/93 – juris). Allerdings ergeben sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes Grenzen für die Beitragspflicht. Rücksicht zu nehmen ist insbesondere auf schwerwiegende Besonderheiten und unbillige Härten im Hinblick auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitglieds; bei bereits anderweitig versorgten Mitgliedern ist eine unzumutbare Überversorgung zu vermeiden (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.1991 – 1 C 11/89 – juris Rn. 25 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Diesen Anforderungen genügen die Satzungsregelungen der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung.
Der Vortrag des Klägers im Zulassungsverfahren – insbesondere zur Frage, ob es sich bei der Mitgliedschaft des Klägers beim Hessischen Versorgungswerk um eine Pflichtmitgliedschaft im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 7 der Satzung (Bayern) handelt – setzt sich zwar mit den Urteilsgründen auseinander, entspricht inhaltlich und argumentativ aber weitgehend seinem Vortrag in erster Instanz.
Das Verwaltungsgericht hat sehr ausführlich auf der Grundlage der obergerichtlichen Rechtsprechung und unter Einbeziehung der vom Kläger eingewendeten Argumente dargelegt (UA S. 21 bis 31), aus welchen Gründen die vom Kläger fortgeführte Mitgliedschaft beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen keine Pflichtmitgliedschaft im Sinne der Satzung der Beklagten darstellt. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Der Umstand, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund den Kläger „auf der Grundlage der Pflichtmitgliedschaft im Hessischen Versorgungswerk“ befreit hat, spielt für die vorliegende Frage keine Rolle. Es kommt nicht darauf an, von welchen Voraussetzungen der den Befreiungsbescheid erlassende Sachbearbeiter ausgegangen ist.
Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung hat zum 1.1.2006 das Regional- und Lokalitätsprinzip eingeführt, wonach die Pflichtmitgliedschaft im örtlich zuständigen Versorgungswerk vorrangig ist (UA S. 25). Eine gleichzeitige Pflichtmitgliedschaft der von der BRAStV erfassten Berufsgruppe in einem örtlich unzuständigen Versorgungswerk kommt daher nach dem der Satzung zugrunde liegenden Prinzip, das insoweit keine Ausnahme enthält, nicht in Betracht. Der vom Kläger eingewendete „Verstoß gegen den Grundsatz der einheitlichen Auslegung von Rechtsvorschriften durch die öffentliche Gewalt“ steht ebenso wenig im Raum wie ein „Verstoß gegen den Grundsatz der grundrechtskonformen Auslegung“. Die in der Satzung der Beklagten getroffenen Regelungen im Hinblick auf die Pflichtversicherung sowie die Befreiungstatbestände sind geeignet, erforderlich und zumutbar auf das Ziel gerichtet, eine leistungsfähige Solidargemeinschaft zu schaffen. Gäbe es ein Wahlrecht, das es dem den Standort wechselnden Rechtsanwalt ermöglichte, die jeweils günstigste Versorgungsmöglichkeit im Laufe seines Berufslebens festzuhalten und alle anderen Versicherungspflichten auszuschließen, würde sich das langfristig nachteilig auf diejenigen Versorgungswerke auswirken, die ein ungünstigeres Versicherungsrisiko mit einem geringeren Mitgliederbestand abdecken; ihr Mitgliederbestand und damit ihr Beitragsaufkommen würde zwangsläufig im Laufe der Zeit immer mehr zurückgehen. Wenn ein Versorgungswerk einer solchen Entwicklung rechtzeitig vorbeugen will, so ist das von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, B.v. 25.9.1990 – 1 BvR 907/87 – juris Rn. 8).
1.1.2 Der Kläger beruft sich mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG darauf, dass er entsprechend einem in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig pflichtversicherten Mitglied zu behandeln sei, bei dem nur ein Mindestbeitrag erhoben werde. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI würden auf Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer seien. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 der Satzung (Bayern) werde ein Mindestbeitrag in Höhe von einem Achtel des Höchstbetrags von Mitgliedern erhoben, die ihren rechtsberatenden Beruf im Angestelltenverhältnis ausübten und nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit seien. Derjenige, der demnach freiwillig ein Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung verbleibe – also keinen Antrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI stelle – müsse demnach nur den Mindestbeitrag zahlen. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts liege dieser Satzungsregelung der Sinn zugrunde, Doppelbelastungen durch die Beitragszahlung als Pflichtmitglied in der Rentenversicherung und in einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung zu vermeiden. Dies solle aber nach dem Verwaltungsgericht dann nicht mehr gelten, wenn jemand Pflichtmitglied von zwei Versorgungswerken sei, weil hier das Lokalitätsprinzip greife. Das Verwaltungsgericht habe dabei die Tatsache übersehen, dass auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung das Lokalitätsprinzip greife. Zudem berücksichtige das Verwaltungsgericht nicht, dass derjenige, der den Antrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht stelle, sich freiwillig für die gesetzliche Rentenversicherung entscheiden könne. Dies sei der Situation des Klägers vergleichbar, der sich für den Verbleib im Hessischen Versorgungswerk als Pflichtmitglied wegen sehr erheblicher wirtschaftlicher Nachteile entschieden habe. Hier würden identische Fallkonstellationen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich behandelt.
Der in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung (Bayern) geregelten Ermäßigungsmöglichkeit des Beitrags liegt der Sinn und Zweck zugrunde, dass Mitglieder, die für ihre Tätigkeit als Rechtsanwälte gesetzlich rentenversichert sind und zugleich Pflichtmitglied der berufsständischen Versorgung sind, nicht die doppelte Beitragspflicht in zwei verschiedenen Altersversorgungssystemen, d.h. in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der berufsständischen Versorgung leisten müssen. Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, kommt eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung (Bayern) vorliegend nicht in Betracht, da weder eine ungewollte Regelungslücke besteht, noch eine mit der Situation des Klägers vergleichbare Interessenlage. Die der Satzungsregelung zugrunde liegende Fallkonstellation weist gegenüber der vom Kläger vorgetragenen Konfliktsituation schon vom Ansatz her in verschiedener Hinsicht so erhebliche Unterschiede auf, dass vergleichbare Sachverhalte nicht vorliegen.
Wie in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 1.10.1995 (BT-Drs. 13/2590 S. 18) ausgeführt wird, beruht die Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auf folgenden Erwägungen:
In der Bundesrepublik Deutschland besteht ein gegliedertes System der sozialen Sicherheit. Im Bereich der Alterssicherung erfolgt die Altersversorgung für die Angehörigen der freien Berufe, z.B. Rechtsanwälte, traditionell nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern in berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die auf ländergesetzlicher Grundlage beruhen. Die in einem rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis angestellten Angehörigen dieser Berufsgruppen haben ein Befreiungsrecht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Hiermit wird verhindert, dass diese Personengruppe, die in der jeweiligen Versorgungseinrichtung – ohne die Möglichkeit der Befreiung – pflichtversichert ist, mit einer doppelten Beitragszahlungspflicht belastet wird. Gleichzeitig wird erreicht, dass diejenigen, die im späteren Verlauf ihres Berufslebens in die Selbständigkeit überwechseln, eine geschlossene Versicherungsbiographie in ihrer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufbauen können. Aufgrund jüngster Entwicklungen – wie die Erstreckung der berufsständischen Versorgung auf neue Berufsgruppen und die erweiterte Einbeziehung von Personengruppen in die berufsständische Versorgung, die als abhängig Beschäftigte traditionell der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung angehören – soll die Grenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme gefestigt werden. Berechtigtes Interesse der gesetzlichen Rentenversicherung ist, den durch die jüngste Entwicklung in der berufsständischen Versorgung drohenden Erosionsprozess in der Solidargemeinschaft der Rentenversicherten durch eine Beschränkung des Rechts auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu stoppen. Ein Recht zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht soll daher den Angehörigen der freien Berufe künftig u.a. nur noch dann zustehen, wenn neben der Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung eine Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer gegeben ist. Dabei bleiben auch die berufsständischen Interessen der berufsständischen Versorgung gewahrt, da mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird.
Folglich kann nur derjenige von der Versicherungspflicht befreit werden, der kraft Gesetzes sowohl Pflichtmitglied des berufsständischen Versorgungswerks als auch der entsprechenden Berufskammer ist. Eine freiwillige Mitgliedschaft bzw. der (freiwillige) Antrag einer Pflichtmitgliedschaft genügt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht den Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht.
Vor diesem Hintergrund hat der Satzungsgeber die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung (Bayern) erlassen. Danach wird auf Antrag ein Mindestbeitrag in Höhe von einem Achtel des Höchstbetrags von Mitgliedern erhoben, die ihren rechtsberatenden Beruf im Angestelltenverhältnis ausüben und nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGBVI von der Versicherungspflicht befreit sind. Damit wird letztlich die in § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI getroffene Regelung, die das Verhältnis zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung festlegt, ergänzt, indem auch für den Fall des Verbleibs des Mitglieds in der gesetzlichen Rentenversicherung und trotz Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung eine doppelte Beitragspflicht nicht entsteht, sondern die Ermäßigungsmöglichkeit des Beitrags der berufsständischen Versorgung besteht.
Dieser in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Ausgleich zwischen den insbesondere durch eine unterschiedliche Mitgliederstruktur sowie andersartige Finanzierungsmodelle geprägten Interessen der berufsständischen Versorgungssysteme einerseits und der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits ist mit der Interessenlage bei einer Konkurrenz zwischen berufsständischen Versorgungsträgern untereinander nicht vergleichbar. Der Einwand der Klägerseite, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch für die gesetzliche Rentenversicherung das Lokalitätsprinzip greife, ist in diesem Zusammenhang nicht verständlich. Aus der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wird vielmehr deutlich, dass zur Festigung der „Friedensgrenze“ zwischen den Angehörigen der gesetzlichen Rentenversicherung sowie denen der berufsständischen Versorgungswerke die Befreiungsmöglichkeit der Mitglieder einer berufsständischen Versorgung nur noch für den Fall zugelassen wurde, dass neben der Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk die Mitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer vorgeschrieben wurde (BT-Drs 13/2590 S. 18). Es wurde demnach auch insoweit die Kammerzugehörigkeit zum entscheidenden Kriterium.
1.1.3 Auch der weitere Einwand des Klägers, dass ihm eine doppelte Belastung mit Beiträgen unzumutbar sei, greift nicht. Der Kläger hat die Gefahr eine doppelten Beitragslast bewusst herbeigeführt und ist insoweit nicht unzumutbar belastet (vgl. (BVerwG, U.v. 29.1.1991 – 1 C 11/89 – juris Rn. 29). Entgegen seinem Vortrag kann sich der Kläger gem. § 9 Abs. 1 der Satzung (Hessen) von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen befreien lassen (vgl. UA S. 26). Dies hat auch die vom Verwaltungsgericht im Verfahren eingeholte Auskunft des hessischen Versorgungswerks bestätigt. Auch soweit sich der Kläger darauf berufen hat, dass ihm bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungswerk Hessen in Bezug auf die Höhe des Altersruhegeldes ein Nachteil zwischen 150.- bis 300.- EUR pro Monat drohe, ist für den Kläger keine Unzumutbarkeit erkennbar. Unterschiede bei der Höhe der von verschiedenen Versorgungswerken gewährten Versorgungsleistungen sind von den Mitgliedern grundsätzlich hinzunehmen. Wie bereits ausgeführt (s.o., UA S. 28 ff.) steht den in einem berufsständischen Versorgungssystem Versicherten kein Wahlrecht zu, das es ihnen ermöglichen würde, im Lauf eines Berufslebens die jeweils günstigste Versorgungsmöglichkeit zu wählen oder an ihr festzuhalten und die Anwendung aller anderen Versicherungspflichten auszuschließen, auch wenn die Fortsetzung der bestehenden Zugehörigkeit zu einem Versorgungswerk erheblich günstiger wäre als der satzungsrechtlich erzwungene Wechsel in ein anderes Versorgungswerk.
Zum Einwand des Klägers zu einer drohenden „Deckungslücke“ im Hinblick auf die Berufsunfähigkeitsrente bzw. das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 30) Bezug genommen. Wegen der unterschiedlichen Berechnungsmodelle des Ruhegelds bei Berufsunfähigkeit durch die beiden Versorgungswerke ergeben sich abweichende Beträge. Dabei handelt es sich nicht um eine einzelfallbezogene Unverhältnismäßigkeit, sondern um eine auf dem Lokalitätsprinzip beruhende systemische Ungleichbehandlung der Mitglieder verschiedener Versorgungssysteme, die vom Kläger hinzunehmen ist.
1.2 Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dem Darlegungsgebot genügend zu begründen, hat der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren und darzulegen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, weshalb sie klärungsbedürftig ist und inwiefern der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Der Kläger misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:
„Ist ein Pflichtmitglied der Beklagten von der Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten zu befreien, wenn er zugleich ein Pflichtmitglied einer anderen Versorgungseinrichtung ist, diese Pflichtmitgliedschaft jedoch auf einem Willensentschluss des Pflichtmitglieds in der bisherigen Versorgungseinrichtung zu verbleiben – wie im Rahmen der unterlassenen Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI – beruht?“
Diese Frage ist in dieser Formulierung einer Klärung nicht zugänglich und ließe sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten. Es kann nicht offen bleiben, bei welcher „Versorgungseinrichtung“ das Pflichtmitglied der Beklagten seine Mitgliedschaft fortsetzen will, weil die Rechtslage sich dementsprechend unterschiedlich darstellen kann. Dies zeigt bereits das vom Kläger herangezogene Beispiel der Pflichtmitgliedschaft bei der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Fortsetzung grds. nicht zu einer Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten führt, sondern zu einer Minderung des Beitrags.
Darüber hinaus ist diese Frage nicht klärungsbedürftig, da sie sich ohne Weiteres aus dem Gesetz und den darauf beruhenden verfassungsgemäßen Satzungsregelungen der Beklagten beantworten lässt (s.o.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat hat sich dabei an Nr. 14.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert, wonach als Streitwert der dreifache Jahresbetrag des Beitrags anzusetzen ist. Der Beitrag des Klägers für das Jahr 2016 wurde auf monatlich 1.159,40 EUR festgesetzt. Dementsprechend ergibt sich danach ein Streitwert von (1.159,40 EUR x 36 Monate) 41.738,40 EUR.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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