Arbeitsrecht

Befristung der Geltungsdauer einer Duldung; Erwerbstätigkeitsverbot für geduldeten Ausländer

Aktenzeichen  Au 1 K 17.1559

Datum:
14.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45727
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 4 Abs. 3, § 60a, § 61
BeschV § 32 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes ist grundsätzlich die Anfechtungsklage gegeben. Eine Ausnahme hiervon ist die Befristung einer Duldung, die nicht isoliert anfechtbar und aufhebbar ist. Denn eine Befristung ist ein Bestandteil der Duldung. Mit ihr wird nur auf vorübergehende Vollstreckungshindernisse reagiert. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist zulässig, dass die Ausländerbehörde mittels Festsetzung der Duldungslaufzeit auch den Fortgang und die Ergebnisse von Abschiebungsbemühungen kontrolliert. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AufenthG für eine Erwerbstätigkeitserlaubnis ist grundsätzlich – neben den in § 60a Abs. 6 S. 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangabe – auch in der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung zu sehen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von * bewilligt, soweit sich die Klage gegen die räumliche Beschränkung seiner Duldung richtet. Im Übrigen wird der Beschwerde nicht abgeholfen.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen räumliche und zeitliche Beschränkungen seiner Duldung und begehrt die Gestattung einer Erwerbstätigkeit sowie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Beschluss der Kammer vom 23. April 2018 verwiesen. In ihm wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf das Fehlen der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2018 legte der Bevollmächtigte des Klägers gegen diesen Beschluss Beschwerde ein und legte die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vor.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat zu einem geringen Teil Erfolg.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozessgewinn schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bewilligungsreife, die hier mit Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 11. Mai 2018 eingetreten ist.
Unter Zugrundelegung der oben genannten Grundsätze hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur hinsichtlich eines geringen Teils Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Duldung ohne zeitliche Befristung und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraussichtlich ebenso wenig zu wie der Anspruch auf Erlaubnis der Aufnahme einer Beschäftigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Offene Erfolgsaussichten bestehen lediglich hinsichtlich der Anordnung der räumlichen Beschränkung aufgrund bevorstehender konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung. Insoweit sind die Erfolgsaussichten der Klage offen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2017 unter Ziffer 1 beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2017 aufzuheben, fehlt diesem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Aufhebung der Duldung die Rechtsposition des Klägers verbessern könnte, da er bei ersatzloser Aufhebung der Duldung keinerlei Grundlage für einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet hätte.
2. Der Hilfsantrag in Ziffer 1 der Klageschrift vom 12. Oktober 2017, den Duldungsbescheid dahingehend zu ändern, dass dem Kläger keine räumlichen und zeitlichen Auflagen, weiter hilfsweise weniger belastende Auflagen, mit Genehmigung einer Erwerbstätigkeit erteilt werden, ist zulässig und zu einem kleinen Teil begründet. Unter Berücksichtigung des § 88 VwGO ist dieser Klageantrag dahingehend auszulegen, dass hinsichtlich der auflösenden Bedingung der Duldung sowie der räumlichen Beschränkung Anfechtungsklage und hinsichtlich der Befristung sowie der Erwerbstätigkeitserlaubnis Verpflichtungsklage erhoben wurde.
a) Gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes ist grundsätzlich die Anfechtungsklage gegeben (BVerwG, U.v. 22.11.2000 – 11 C 2/00 – BVerw-GE 112, 221). Eine Ausnahme hiervon ist die Befristung einer Duldung, die nicht isoliert anfechtbar und aufhebbar ist. Denn eine Befristung ist ein Bestandteil der Duldung. Mit ihr wird nur auf vorübergehende Vollstreckungshindernisse reagiert.
Somit ist der Duldungsentscheidung die Notwendigkeit und Zulässigkeit der Befristung immanent. Der Rechtsstreit hat sich auch nicht durch Ablauf der Gültigkeitsdauer der bei Klageerhebung vorliegenden Duldung erledigt, da davon auszugehen ist, dass auch die dem Kläger danach erteilten Duldungen eine Geltungsdauer von drei Monaten haben sowie die auflösende Bedingung und die räumliche Beschränkung enthalten.
b) Die Befristung der Duldung auf drei Monate ist nicht zu beanstanden, die Verpflichtungsklage auf eine längerfristige Duldung wird sich voraussichtlich als unbegründet erweisen.
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Der Regelungsgehalt der Duldung erschöpft sich in dem Verzicht auf die Abschiebung. Sie gewährt dem Ausländer kein Aufenthaltsrecht, sein Aufenthalt bleibt vielmehr unrechtmäßig (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Mit der Duldung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Ausreisepflicht des Ausländers derzeit nicht durchgesetzt werden kann. Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit und Zulässigkeit einer Befristung, die im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde liegt (vgl. Art. 36 Abs. 2 Nr. 1, Art. 40 BayVwVfG). Diese Ermessensentscheidung hat sich an den beiden Zwecken einer Duldung auszurichten, nämlich zum einen an dem materiell rechtlichen Kriterium, wie lange ein Abschiebungshindernis der Vollstreckung der vollziehbaren Ausreisepflicht voraussichtlich entgegenstehen wird, und zum andern an dem verfahrensrechtlichen Erfordernis, die Vollstreckung der vollziehbaren Ausreisepflicht zu ermöglichen, indem die Voraussetzungen für eine Abschiebung nicht erschwert werden, falls eine Änderung der Situation eintritt. Dabei erachtet es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich für zulässig, dass die Ausländerbehörde mittels Festsetzung der Duldungslaufzeit auch den Fortgang und die Ergebnisse von Abschiebungsbemühungen kontrolliert (BayVGH, B.v. 19.1.2015 – 10 C 14.1182 – juris Rn. 19). Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ist die Befristung der Duldung auf drei Monate voraussichtlich nicht zu beanstanden.
c) Hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen die auflösende Bedingung der Bekanntgabe des Abschiebetermins gegenüber dem Duldungsinhaber ist obergerichtlich geklärt, dass eine solche gemäß § 61 Abs. 1e AufenthG der Duldung als Nebenbestimmung beigefügt werden kann (BayVGH, a.a.O., Rn. 23).
d) Es wird jedoch im Klageverfahren aufzuklären sein, inwieweit der Beklagte die räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf die Vorschrift des § 61 Abs. 1c Nr. 3 AufenthG stützen kann. Hiernach kann eine räumliche Beschränkung angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen. Inwieweit dies zutrifft, ist weder der vom Beklagten vorgelegten Behördenakte noch den Ausführungen des angefochtenen Bescheids zu entnehmen. Dies wird im Hauptsacheverfahren näher aufzuklären sein.
2. Die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und einer Aufenthaltserlaubnis wird voraussichtlich erfolglos bleiben.
a) Grundlage der begehrten Beschäftigungserlaubnis ist die allgemeine Regelung des § 4 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 der Beschäftigungsverordnung (BeschV). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt. Über die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis entscheidet die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Im vorliegenden Fall steht einem solchen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung über die Erteilung einer Erwerbstätigkeitserlaubnis voraussichtlich das absolute Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, weil beim Kläger aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können. Ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist grundsätzlich – neben den in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangabe – auch in der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung zu sehen (BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 19 CE 17.1032 – juris Rn. 18). Im vorliegenden Fall wurde der Kläger spätestens seit Juni 2012 aufgefordert, an der Passbeschaffung mitzuwirken. Seit nunmehr nahezu sechs Jahren legt er keinen Pass vor, ohne jemals substantiiert dargelegt zu haben, woran die Passbeschaffung in seinem konkreten Fall scheitert. Dabei sind die Angaben des Klägers zum Fortgang seiner Bemühungen zur Beschaffung eines Reisepasses uneinheitlich. Während er bei einer Vorsprache am 22. Juni 2017 noch angab, nach Aussage der Botschaft dauere die Ausstellung seines Reisepasses noch an (Bl. 723 der Verwaltungsakte), räumte er am 18. September 2017 ein, nie einen Reisepass beantragt zu haben, da er hierzu Dokumente benötige, die er nicht habe (Bl. 761 der Verwaltungsakte).
b) Soweit der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt, käme allenfalls die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Nach § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis allerdings nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt dabei insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. Nachdem der Kläger seit nunmehr sechs Jahren sich nicht ausreichend um einen Reisepass bemüht und widersprüchliche Angaben zu seinen Anstrengungen macht, liegen die Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestandes voraussichtlich vor.
3. Der mit Schriftsatz vom 7. November 2017 gestellte Hilfsantrag, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über inhaltliche, zeitliche und räumliche Bestimmungen des Aufenthalts des Klägers mit einer Duldung neu zu entscheiden, wird sich voraussichtlich ebenfalls als erfolglos erweisen. Hinsichtlich der „inhaltlichen und zeitlichen“ Bestimmungen ist der Antrag zu unbestimmt. Im Übrigen sind weder die Befristung auf drei Monate noch die auflösende Bedingung ermessensfehlerhaft. Hinsichtlich der räumlichen Bestimmung ist die hilfsweise gestellte Verpflichtungsklage nicht statthaft, da eine räumliche Beschränkung mit einer Anfechtungsklage anzugreifen ist (Begründung siehe oben).
4. Da der Kläger nunmehr seine Bedürftigkeit durch Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt hat, war Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Anordnung der räumlichen Beschränkung der Duldung im Wege der Abhilfe nach § 148 Abs. 1 VwGO zu bewilligen. Die Anwaltsbeiordnung basiert auf § 121 Abs. 2 ZPO. Im Übrigen war der Beschwerde nicht abzuhelfen.


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