Aktenzeichen 3 B 16.355
BayBeamtVG Art. 19 Nr. 1 b, Art. 22 S. 4
BayVwVfG Art. 40
BeamtVG § 10, § 11, § 55, § 67 Abs. 2 S. 4
Leitsatz
1 Der Gesetzeshistorie kann an keiner Stelle entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Anrechnungsmöglichkeiten nach § 11 BeamtVG in erster Linie für die Übernahme von Lehrern aus dem Kirchendienst in den staatlichen Schuldienst geschaffen hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zum Ausfüllen des Begriffs „förderlich“ greift der Senat auf die Rechtsprechung zu § 67 Abs. 2 S. 4 HS. 1 BeamtVG bzw. Art. 22 S. 4 HS. 2 BayBeamtVG zurück. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Einwand des Beklagten, die Probezeit der Klägerin sei aufgrund der Vordiensttätigkeit nicht verkürzt worden, weshalb es an der Förderlichkeit fehle, ist eine sachfremde Erwägung; gleiches gilt für Verkürzung der Probezeit. (Rn. 28 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 12 K 14.1720 2014-07-31 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Ziff. I des Urteils des Verwaltungsgerichts München 31. Juli 2014 wird geändert und erhält folgende Fassung:
Der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 18. Juli 2013 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 18. März 2014 werden aufgehoben, soweit die Kirchendienstzeit der Klägerin (1.9.1967 bis 31.8.1972) nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt worden ist. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Berücksichtigung dieser Zeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Ziff. II des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2014 wird geändert. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Entscheidung über die Berücksichtigung der Kirchendienstzeiten der Klägerin ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Demnach war das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2014 abzuändern und der Bescheid vom 18. Juli 2013 teilweise (hinsichtlich der Berücksichtigung der Kirchendienstzeiten) und der Widerspruchsbescheid vom 18. März 2014 insgesamt aufzuheben. Die erneute Bescheidung über die Berücksichtigung der Kirchendienstzeiten der Klägerin hat unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erfolgen (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Nach Art. 19 Nr. 1 Buchst. b) 1. Alt. BayBeamtVG kann die Zeit, während der ein Beamter oder eine Beamtin hauptberuflich im Dienst öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften oder ihrer Verbände (Art. 140 des Grundgesetzes) tätig gewesen ist, als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Der Tatbestand dieser Norm ist erfüllt und zwischen den Parteien unstreitig.
2. Über die Berücksichtigung der Vordienstzeiten ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so hat sie das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Insoweit unterliegt die Ermessensausübung der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte (§ 114 Satz 1 VwGO). Danach muss eine Ermessensentscheidung über die Anerkennung berücksichtigungsfähiger Vordienstzeiten nach Art. 19 BayBeamtVG auf Erwägungen gestützt sein, die im Hinblick auf den Wortlaut und den Zweck der gesetzlichen Regelung sachgerecht sind (BVerwG, U.v. 16.7.2009 – 2 C 43.08 – juris Rn. 19 zur vergleichbaren bundesrechtlichen Bestimmung des § 11 BeamtVG).
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist nach Art. 19 Nr. 1 Buchst. b) 1. Alt. BayBeamtVG zum einen der Frage Bedeutung zuzumessen, ob die frühere Tätigkeit für die Wahrnehmung der später im Beamtenverhältnis ausgeübten Aufgaben förderlich war (2.1) und zum anderem ist dem Zweck dieser Bestimmung Rechnung zu tragen, der darin besteht, den Beamten mit berücksichtigungsfähigen Vordienstzeiten diejenige Altersversorgung zu ermöglichen, die sie erhalten würden, wenn sie die vordienstlichen Zeiten im Beamtenverhältnis erbracht hätten (2.2).
2.1. Art. 19 Nr. 1 Buchst. b) 1. Alt. BayBeamtVG entspricht § 11 BeamtVG mit redaktionellen Anpassungen (vgl. LT-Drs. 16/3200, S. 466). § 11 BeamtVG geht auf § 85 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 39) und dieser wiederum auf § 52 des Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten vom 31. März 1873 (RGBl. I S. 61) zurück. Ursprünglich wohl als eine Privilegierung des mittelbaren Staatsdienstes verstanden (vgl. Fischbach, Reichsbeamtengesetz, 1930, Anm. 1 zu § 52), hat der Bundesgesetzgeber im amtlichen Regierungsentwurf zum BBG [BT-Drs. 1/2846 (damals zu § 112 BBG)] ein anderes Verständnis zugrunde gelegt und sich von der Erwägung leiten lassen, dass die Möglichkeit der Berücksichtigung dieser Zeiten auf ihrer Förderlichkeit für die Wahrnehmung der Beamtenaufgaben beruht (vgl. BVerwG, U.v. 28.9.1967 – II C 115.64 – ZBR 1968, 54/55).
Der Gesetzeshistorie kann an keine Stelle entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Anrechnungsmöglichkeiten in erster Linie für die Übernahme von Lehrern aus dem Kirchendienst in den staatlichen Schuldienst geschaffen hat bzw. die Regelung darauf abzielt, „dass zwischen bestimmten kirchlichen und staatlichen Verwendungen etwa im Bereich der Seelsorge oder des Religionsunterrichts ein besonders enger Zusammenhang besteht und daher eine versorgungsrechtliche Sonderbehandlung gerechtfertigt ist“. Weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch aus den Gesetzesmaterialien lässt sich eine entsprechende gesetzgeberische Intention entnehmen. Der Beklagte hat hierfür keine Belegstelle nennen können.
Das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat hat mit Ziff. 19.1.1 Satz 1 zur Berücksichtigung von Kirchendienstzeiten eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift erlassen [BayVV-Versorgung vom 20. September 2012 (FMBl S. 394) ]:
„Zeiten nach [Art. 19 Nr. 1 BayBeamtVG] können berücksichtigt werden, wenn die Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang mit den dem Beamten oder der Beamtin zuerst übertragenen Aufgaben gestanden hat.“
Ein „innerer Zusammenhang“ in diesem Sinne ist zu bejahen, wenn die frühere Tätigkeit für die später im Beamtenverhältnis ausgeübten Aufgaben „förderlich“ war. Nur so verstanden hält sich die Verwaltungsvorschrift mit ihrer Forderung nach einem „inneren Zusammenhang“ zwischen Tätigkeit und den dem Beamten übertragenden Aufgaben im Rahmen des Gesetzeszwecks (BVerwG, U.v. 28.9.1967 – II C 115.64 – ZBR 1968, 54/55 zu § 116 BBG; U.v. 24.6.2008 – 2 C 5/07 – juris Rn. 7; B.v. 17.1.1991 – 2 B 91/90 – juris Rn. 4 letztere jeweils zur vergleichbaren bundesrechtlichen Regelung des § 11 BeamtVG; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Okt. 2017, § 11 BeamtVG Rn. 29).
Zum Ausfüllen des Begriffs „förderlich“ greift der Senat auf die Rechtsprechung zu § 67 Abs. 2 Satz 4, 1. HS BeamtVG bzw. Art. 22 Satz 4, 2. HS BayBeamtVG zurück. Dort ist die Förderlichkeit jeweils Tatbestandsmerkmal. Es liegt nahe, den unbestimmten Rechtsbegriff der Förderlichkeit innerhalb des Beamtenversorgungsrechts jeweils inhaltsgleich zu verstehen. Eine Tätigkeit ist danach „förderlich“, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich ist, also wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 C 22/14 – juris – Rn. 13; U.v. 14.3.2002 – 2 C 4/01 – juris Rn. 13; in diesem Sinne auch HessVGH, U.v. 18.5.1994 – 1 UE 679/91 – juris Rn. 29: funktioneller innerer Zusammenhang, wenn der Beamte gerade aufgrund bestimmter früher erworbener und in beruflicher Praxis betätigter Fähigkeiten die Aufgaben seines Amtes im funktionellen Sinne besser erfüllen kann, als wenn er die Vordienstzeit nicht vorweisen könnte; vgl. auch OVG LSA, U.v. 30.9.1998 – A 3 S 282/96 – juris Rn. 52).
2.2 Der Zweck der Berücksichtigungsvorschrift nach Art. 19 Nr. 1 Buchst. b) 1. Alt. BayBeamtVG besteht darin, den Beamten mit berücksichtigungsfähigen Dienstzeiten diejenige Altersversorgung zu ermöglichen, die sie erhalten würden, wenn sie die vordienstlichen Tätigkeiten im Beamtenverhältnis erbracht hätten (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 C 22/14 – juris Rn.15; U.v. 16.7.2009 – 2 C 43/08 – juris Rn. 20).
Dem Zweck der gesetzlichen Berücksichtigungsvorschrift entspricht eine Ausübung des Ermessens, die darauf angelegt ist, eine versorgungsrechtliche Gleichstellung mit „Nur-Beamten“ zu erreichen. Folgerichtig wird das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, wenn die Berücksichtigung von Vordienstzeiten abgelehnt wird, weil der Beamte andernfalls eine höhere Gesamtversorgung aus dem Ruhegehalt und aus einem anderen System der Alterssicherung erhalten würde, als wenn er diese Zeiten im Beamtenverhältnis abgeleistet hätte. Umgekehrt überschreitet der Dienstherr den gesetzlich eröffneten Ermessensspielraum durch eine Ermessenspraxis, die eine Schlechterstellung der Beamten mit berücksichtigungsfähigen Vordienstzeiten gegenüber „Nur-Beamten“ bewusst in Kauf nimmt (BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
Will der Dienstherr die Besserstellung eines Beamten, der durch vordienstliche Tätigkeiten einen anderen Anspruch auf Versorgung aus öffentlichen Mitteln erworben hat, gegenüber „Nur-Beamten“ verhindern, so muss er eine Vergleichsberechnung anstellen: Das Ermessen wird im Regelfall rechtsfehlerfrei ausgeübt, wenn die Berücksichtigung der Vordienstzeiten abgelehnt wird, soweit die dadurch erworbene andere Versorgungsleistung die Ruhegehaltseinbuße ausgleicht. Die Gesamtversorgung aus Ruhegehalt und anderer Versorgungsleistung darf nicht niedriger ausfallen als das Ruhegehalt bei Berücksichtigung der Vordienstzeiten. Handelt es sich bei der anderen Versorgung um eine Rente im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BeamtVG a.F., so muss die Behörde das Ermessen so ausüben, dass die Summe aus auszuzahlendem Ruhegehalt und Rente die Höchstgrenze gemäß § 55 Abs. 2 BeamtVG a.F. nicht unterschreitet. Die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten wird ermessensfehlerhaft, wenn sie dazu führt, dass dem Beamten ein Ruhegehalt unterhalb der gesetzlichen Höchstgrenze ausgezahlt und die Differenz nicht durch eine andere Versorgung ausgeglichen wird. Nur in diesem Rahmen – also unterhalb der Kappungsgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG – kann Raum dafür sein, im Rahmen der Ermessensausübung besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zugunsten des Beamten Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 18).
Allerdings darf die Ruhegehaltfähigkeit von Vordienstzeiten nicht deshalb ganz oder teilweise abgelehnt werden, weil der Beamte neben dem Ruhegehalt eine Versorgungsleistung erhält, die er ausschließlich oder weit überwiegend aus eigenen Mitteln finanziert hat. Das Ruhegehalt ist grundsätzlich ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob und inwieweit ein Beamter den amtsangemessenen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen. Daraus folgt auch, dass der Dienstherr gehindert ist, den Beamten durch die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten schlechter zu stellen, weil er mit eigenen Mitteln Altersvorsorge betrieben hat (BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 19).
3. Das Landesamt für Finanzen hat die Kirchendienstzeit der Klägerin ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt. Die Festsetzung der Versorgungsbezüge leidet hinsichtlich der Beurteilung der Förderlichkeit unter einem Ermessensdefizit (3.1). Ermessensfehlerhaft ist auch die Erwägung, die Förderlichkeit sei zu verneinen, weil weder der Vorbereitungsdienst noch die Probezeit der Klägerin verkürzt worden sind (3.2). Auch der Einwand, die Klägerin habe die für die spätere Beamtentätigkeit erforderlichen Kenntnisse ausschließlich im Vorbereitungsdienst erworben, verfängt nicht (3.3). Der Beklagte hat daher erneut über die Berücksichtigung der Kirchendienstzeit der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden (4.)
3.1 Das Landesamt für Finanzen hat im Widerspruchsbescheid vom 18. März 2014 seine Entscheidung, die Vordienstzeiten der Klägerin nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen, in erster Linie damit begründet, dass die Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums nach ihren eigenen Angaben sowie dem Dienstleistungszeugnis des ev.-luth. Kirchenamts vom 15. September 1970 überwiegend als so genannte Maschinenbucherin eingesetzt gewesen sei. Sie habe die Kirchsteuer-Soll-Stellung und Zahlungseingänge zu buchen sowie den Tagesabschluss zu erstellen und auszuwerten gehabt. Ein innerer Zusammenhang mit ihrer späteren Tätigkeit im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung sei damit nicht gegeben.
Der Widerspruchsbescheid vom 18. März 2014 enthält – sachlich unzureichende – Ermessenserwägungen. Er blendet zum einen aus, dass die Klägerin während ihrer Zeit beim ev.-luth. Kirchensteueramt (1.9.1967 – 30.9.1070) auch in der Veranlagung und im Mahnwesen eingesetzt war, zum anderen werden die Tätigkeiten der Klägerin bei der ev.-luth. Kirchenverwaltung (1.10.1970 – 31.8.1972) nicht berücksichtigt. Die Klägerin hatte bereits in ihrem Widerspruch vom 30. Juli 2013 darauf hingewiesen, dass sie während dieser Zeit im Bereich der Buchhaltung tätig war.
Die Klägerin hat zudem ihre Tätigkeiten im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. Schriftsatz v. 21.5.2014; v. 20.7.2014) als auch im Berufungsverfahren (Schriftsatz v. 21.3.2016; Niederschrift vom 17.1.2018 insbesondere auch hinsichtlich ihrer Aufgaben beim ev.-luth. Kirchensteueramt) näher beschrieben, ohne dass der Beklagte weitere Ermessenserwägungen angestellt hätte. Der Beklagte wird bei der neuen Beurteilung der Förderlichkeit der Kirchendienstzeiten unter Beachtung der Ausführungen unter 2.1 sämtliches Vorbringen der Klägerin zu berücksichtigen haben.
3.2 Der Einwand des Beklagten, die Probezeit der Klägerin sei nicht verkürzt worden, weshalb es an der Förderlichkeit fehle, ist eine sachfremde Erwägung (3.2.1). Gleiches gilt für Verkürzung der Probezeit (3.2.2).
3.2.1 Die Klägerin wurde mit Wirkung zum 1. September 1973 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Finanzanwärterin ernannt. Nach der seinerzeit maßgeblichen Fassung des § 33 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Laufbahnen der bayerischen Beamten vom 17. Oktober 1962 (GVBl S. 251) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1971 (GVBl S. 96), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Mai 1974 (GVBl S. 229), können auf den Vorbereitungsdienst auf Antrag Zeiten einer beruflichen Tätigkeit nach Vollendung des 16. Lebensjahres, die geeignet sind, die für die Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten zu vermitteln, sowie Dienstzeiten als Dienstanfänger, soweit sie zwei Jahre (in der Steuerverwaltung 18 Monate) übersteigen, bis zu einem Jahr angerechnet werden.
Die Voraussetzung „Zeiten, die geeignet sind, die für die Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten zu vermitteln“ ist wesentlich strenger, als die reine „Förderlichkeit“ im oben dargestellten Sinn (s. 2.1). Daher kann die Förderlichkeit nicht deshalb verneint werden, weil eine Anrechnung nicht erfolgt ist. Im Übrigen ist eine Anrechnung nur auf Antrag des Beamten vorzunehmen. Aus der unterlassenen Antragstellung kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.
3.2.2 Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 LBV in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung der Laufbahnverordnung vom 20. Juni 1978 (GVBl S. 39) kann die oberste Dienstbehörde mit Zustimmung des Landespersonalausschusses für Beamte mit erheblich über dem Durchschnitt liegenden Leistungen die Probezeit bis auf ein Jahr und sechs Monate kürzen. Die Bestimmung stellt allein auf Leistungen während der Probezeit ab, verhält sich nicht zur Frage der Förderlichkeit von Tätigkeiten der Vordienstzeit, und ist daher eine sachfremde Ermessenserwägung. Die dahinter stehende Annahme, eine förderliche Vordiensttätigkeit müsse auch stets zu über dem Durchschnitt liegenden Leistungen während der Probezeit führen, ist nicht sachgerecht, da sie an die Förderlichkeit zu große Anforderungen stellt (vgl. BVerwG, U.v. 8.4.1976 – II C 26.72 – Buchholz 232 § 114 BBG Nr. 5 zum „funktionellen“ Zusammenhang).
Gleiches gilt für § 34 Abs. 2 LVB 1978. Danach sollen Dienstzeiten im öffentlichen Dienst nach Vollendung des 16. Lebensjahres, die nicht schon auf den Vorbereitungsdienst angerechnet worden sind, auf die Probezeit angerechnet werden, soweit sie zwei Jahre übersteigen und die Tätigkeit nach Art und Bedeutung mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen hat. Da diese Bestimmung verlangt, dass die Vordiensttätigkeit nach Art und Bedeutung mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen hat, wird ein Maßstab angelegt, der wesentlich strenger ist als für die unter 2.1 dargelegte Förderlichkeit, sodass das Ermessen auf diesen Gesichtspunkt nicht gestützt werden kann.
In der Rechtsprechung wird daher auch – konsequent – die Tatsache der Verkürzung der Vorbereitungszeit lediglich bei der Frage der Beurteilung des funktionellen Zusammenhangs zwischen Vordienstzeit und der Ernennung zum Beamten auf Probe nach § 10 BeamtVG herangezogen (vgl. NdsOVG, U.v. 20.3.2012 – 5 LB 198/10 – juris Rn. 68 ff.). Bei der als „Soll-Vorschrift“ konzipierten Norm, die zudem auf eine Kausalität zwischen Vortätigkeit und Ernennung abstellt, ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden.
3.3 Der Senat (vgl. B.v. 11.5.1998 – 3 ZB 98.642 – juris Rn. 19) und weitere Oberverwaltungsgerichte (z.B. NdsOVG, U.v. 20.3.2012 a.a.O. juris 56) gehen im Falle des § 10 BeamtVG im Allgemeinen davon aus, dass die für eine Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse im Vorbereitungsdienst erworben und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesen werden. Kenntnisse und Erfahrungen, die vor Beginn des Vorbereitungsdienstes erworben wurden, treten regelmäßig in den Hintergrund und stehen nicht im erforderlichen funktionellen Zusammenhang zu dem maßgeblichen Beamtendienst. Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht auf § 11 BeamtVG bzw. Art. 19 Nr. 1 Buchst. b) Alt. 1 BayBeamtVG zu übertragen, da sie sich lediglich zur Frage verhält, worauf die Ernennung zum Beamten beruht (Vordiensttätigkeit oder erfolgreicher Abschluss der Vorbereitungsdienstes). Eine Kausalitätsfrage in diesem Sinne stellt sich bei der Beurteilung der Förderlichkeit i.S.d. Art. 19 Nr. 1 Buchst. b) Alt. 1 BayBeamtVG gerade nicht. Im Übrigen liefe die Bestimmung bei Laufbahnbeamten ansonsten regelmäßig leer.
3.4 Das Praktikum der Klägerin als Finanzschülerin wurde wegen einer insoweit anerkannten Förderlichkeit der Kirchendienstzeit um ein Jahr (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes vom 16.5.1961) verkürzt. Der Beklagte weist – zutreffend – darauf hin, dass das Praktikum nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigungsfähig ist, da es die geforderte allgemeine Schulbildung ersetzt (BayVGH, B.v. 26.9.2005 – 3 B 98.2852 – juris). Der weitere Schluss, damit stelle die Tätigkeit der Klägerin im Kirchendienst einen Ersatz für die allgemeine Schulbildung dar und könne deshalb ihrerseits nicht berücksichtigt werden (vgl. den verdeutlichenden Schriftsatz vom 27.10.2014), ist unzutreffend. Nur weil die Tätigkeit im Kirchendienst für die Ausbildung als förderlich erachtet wurde, hat dies nicht zur Folge, dass fünf Jahre im Kirchdienst den Charakter einer nicht zu berücksichtigenden Schulzeit erhalten hätten. Es gibt keinen Rechtssatz, der diese Auffassung trägt.
4. Der Beklagte hat daher erneut über die Berücksichtigung der Kirchendienstzeit der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (s. unter 2.) zu entscheiden. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass allein der Hinweis darauf, die streitige Zeit sei vollumfänglich bei der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden (vgl. Schriftsatz vom 26.5.2014) nicht den Anforderungen der unter 2.2 dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht. Der Umstand, dass die Kirchendienstzeit der Klägerin beim Besoldungsdienstalter nicht anerkannt worden ist, dokumentiert in erster Linie die Rechtsauffassung Beklagten, stellt jedoch kein Präjudiz dar. Als „Indiz“ stellt das Besoldungsdienstalter keine sachgerechte Ermessenserwägung dar.
5. Der Senat kann die mit dem ausdrücklich gestellten Antrag begehrte Verpflichtung des Beklagten, die Kirchdienstzeit als ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu berücksichtigen, nicht entsprechen, weil die Sache insoweit nicht spruchreif ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Entscheidung über die Berücksichtigung der Kirchendienstzeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte sein Ermessen rechtmäßig allein nur noch dahin ausüben könnte, die Kirchendienstzeit der Klägerin vollumfänglich anzuerkennen. Die Klage hatte aber mit dem in dem Verpflichtungsantrag als Minus enthaltenen Begehren, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), Erfolg.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2, § 191 VwGO und § 127 BRRG nicht erfüllt sind.