Aktenzeichen 7 Sa 588/21
Leitsatz
Bei der Beklagten besteht ein Versorgungswerk, wonach bei Teilzeitbeschäftigten für die Rentenberechnung das Beschäftigungsvolumen der letzten 10 Dienstjahre maßgeblich ist. Die Klägerin war ab 1984 in Vollzeit beschäftigt und ab 2005 mit 17,5 Stunden/Woche. Sie hat erfolglos gemeint, dass die Regelung, die ihre Vollzeitbeschäftigung unberücksichtigt lässt, gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verstößt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine solche Regelung vielmehr zulässig und unionsrechtskonform. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts lag im Übrigen auch nicht vor.
Verfahrensgang
1 Ca 1781/20 2021-05-12 Endurteil ARBGREGENSBURG ArbG Regensburg
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 12.05.2021 – 1 Ca 1781/20 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf dessen Ausführungen verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist das Folgende veranlasst:
1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Diese Regelung beruht auf dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt (vgl. BAG, 28.05.2013 – 3 AZR 266/11). Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit (BVerfG 27.11.1997 – 1 BvL 12/91; BAG 28.05.2013 – 3 AZR 266/11). Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft (BAG,22.10.2019 – 9 AZR 71/19; 26.01.2017 – 6 AZR 450/15). Das gilt auch, wenn sich dies lediglich mittelbar ergibt (vgl. etwa BAG, 10.02.2015 – 9 AZR 53/14 (F)).
a) Der Proratatemporis-Grundsatz, also die Gewährung von Arbeitgeberleistungen entsprechend dem Arbeitszeitanteil eines Teilzeitarbeitnehmers, erlaubt eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht, indem er dem Arbeitgeber gestattet, das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung für Teilzeitkräfte entsprechend ihrer gegenüber vergleichbaren Vollzeitkräften verringerten Arbeitsleistung anteilig zu kürzen. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leistet, kann nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (vgl. BAG, 19. 04.2016 – 3 AZR 526/14; 28.05.2013 – 3 AZR 266/11).
b) Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen aus einem Pensionsplan. Teilzeitkräfte können keine gleich hohen Leistungen aus einem Pensionsplan bzw. keine gleich hohe betriebliche Altersversorgung fordern wie Vollzeitkräfte. Vielmehr ist es zulässig, solche Leistungen anteilig nach dem Beschäftigungsumfang im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitnehmer mit gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit zu erbringen (vgl. BAG, 21.01.2020 – 3 AZR 565/18; 19.04.2016 – 3 AZR 526/14).
c) Eine Berechnung der Altersversorgung nach dem Proratatemporis-Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch unionsrechtskonform. Die Berücksichtigung des Umfangs der von einem Teilzeitbeschäftigten während seines Berufslebens tatsächlich geleisteten Arbeit im Vergleich zum Umfang der Arbeitsleistung eines Beschäftigten, der während seines gesamten Berufslebens in Vollzeit gearbeitet hat, stellt ein objektives Kriterium dar, das eine proportionale Kürzung der Altersversorgung des Teilzeitbeschäftigten zulässt (vgl. EuGH 13.07.2017 – C-354/16 – [Kleinsteuber] Rn. 30 mwN).
d) § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG regelt kein absolutes Benachteiligungsverbot. Eine proportionale Kürzung von Leistungen aus einem Pensionsplan bzw. der Altersversorgung des Teilzeitarbeitnehmers ist grundsätzlich zulässig (vgl. BAG, 21.01.2020 – 3 AZR 565/18; 28.05.2013 – 3 AZR 266/11). Die Vorschrift verbietet eine Abweichung vom Proratatemporis-Grundsatz zum Nachteil von Teilzeitkräften, wenn dafür kein sachlicher Grund besteht. Eine Schlechterstellung von Teilzeitarbeitnehmern kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich am Zweck der Leistung zu orientieren (vgl. BAG 22.10.2019 – 9 AZR 71/19).
e) Bei der betrieblichen Altersversorgung und entsprechend gestalteten Leistungen ist dabei zu berücksichtigen, dass das Versorgungsniveau nicht durch bestimmte Dienstjahre erdient ist, sondern durch die Betriebszugehörigkeit im gesamten Arbeitsverhältnis. Dies erlaubt es, Kürzungen des erreichbaren Versorgungsniveaus nach den Verhältnissen während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen (vgl. BAG, 19.04. 2016 – 3 AZR 526/14; 19.05.2015 – 3 AZR 770/13). Eine solche Regelung verstößt weder gegen das Verbot der Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG noch gegen § 75 Abs. 1 BetrVG (vgl. BAG,19.05.2015 – 3 AZR 770/13; vgl. zum Ganzen BAG, 03.06.2020 – 3 AZR 480/18).
2. Daran gemessen ist die Regelung in § 10 Nr. 5 mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar.
Die Regelung entspricht dem Proratatemporis-Grundsatz. Sie stellt in zulässiger Weise darauf ab, dass bei einer Teilzeitbeschäftigung der „Festrentenbetrag“ durch den Beschäftigungsgrad reduziert wird. Dass dabei auf die letzten 10 Jahre der Beschäftigungszeit abgestellt wird mit der Folge, dass vorherige Zeiten ggf. einer Vollzeitbeschäftigung unberücksichtigt bleiben, ist grundsätzlich zulässig, denn das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es nicht sachwidrig ist, wenn bei der Berechnung des durchschnittlichen Beschäftigungsgrades nur die letzten 120 Kalendermonate berücksichtigt werden (vgl. BAG, 17.04 2012 – 3 AZR 280/10; 03.11.1998 – 3 AZR 432/97). Mit dieser Regelung für die Ermittlung des rentenfähigen Arbeitsverdienstes bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern wird ein repräsentativer Zeitraum festgelegt und dies ist ein Zeitraum, in dem sich der durch den Arbeitsverdienst geprägte Lebensstandard verfestigt. Dieser soll durch die Altersrente gesichert werden (vgl. BAG, 17.04 2012 – 3 AZR 280/10). Insofern ist es unerheblich, dass die Klägerin vor über einem Jahrzehnt einen höheren Lebensstandard auf der Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung hatte, denn dieser hat sich durch die Zeit ihrer Teilzeitbeschäftigung, die im Übrigen für die letzten 15 Jahre ihrer Beschäftigung maßgeblich war, ganz erheblich und nachhaltig verändert und hieran muss sich die Klägerin messen lassen. Dies findet seien Berechtigung auch darin, dass die Klägerin, anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung, keine Beiträge in die betriebliche Altersversorgung zu leisten hatte und wenn ein Arbeitgeber ein solches Instrument der Altersversorgung einseitig schafft, wozu er nicht verpflichtet ist und diese mit finanziellen Mitteln ausgestaltet, dann steht es ihm auch frei, entsprechenden Leistungskonditionen bzw. Einschränkungen festzulegen, soweit diese nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich aus § 10 Nr. 5 der Richtlinie auch keine nach §§ 1, 3 Abs. 2, § 7 AGG unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nicht vor, da sie nicht an das Kriterium des Geschlechts anknüpft und es ist auch keine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts gegeben.
a) Nach § 3 Abs. 2 AGG ist eine mittelbare Benachteiligung gegeben, wenn dem An schein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – ua. wegen des Geschlechts – gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (vgl. BAG, 03.06.2020 – 3 AZR 480/18; 28.05.2013 – 3 AZR 266/11).
b) Eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts iSd. § 3 Abs. 2 AGG liegt nicht darin, dass möglicherweise -ein Sachvortrag der Klägerin liegt hierzu nicht vordie Mehrzahl der Teilzeitarbeitnehmer der Beklagten weiblichen Geschlechts sind und daher in besonderer Weise von der Bildung eines Beschäftigungsquotienten nach § 10 Nr. 5 der Richtlinie betroffen sind. Eine mittelbare Diskriminierung scheidet insoweit bereits deshalb aus, weil der Proratatemporis-Grundsatz gewahrt ist. Es fehlt daher an einer Benachteiligung iSd. § 3 AGG (vgl. BAG, 03.06.2020 – 3 AZR 480/18; 28.05.2013 – 3 AZR 266/11).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Kammer sieht sich veranlasst, die Revision zuzulassen. Auf die folgende Rechtsmittelbelehrungwird verwiesen.