Arbeitsrecht

Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe auf eigenen Antrag

Aktenzeichen  3 ZB 18.1584

Datum:
15.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30427
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
BayBG Art. 57 Abs. 1 S. 2
BayVwVfG Art. 12 Abs. 1 Nr. 1
BGB §§ 104 ff.
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
GKG § 40, § 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 2, S. 2, 3

 

Leitsatz

1. Mangels belastbarer Anhaltspunkte kann nicht der Schluss gezogen werden, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Entlassungsantrags in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der geistigen Tätigkeit befand (Rn. 6 – 9). (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit die Klägerin davon ausgegangen ist, sie könne ihre Entlassungserklärung ungeachtet eines vorherigen Zugangs der Entlassungsverfügung (Art. 57 Abs. 1 Satz 2 BayBG) innerhalb zweier Wochen schriftlich zurücknehmen, liegt ein unbeachtlicher Motiv- bzw. Rechtsfolgenirrtum vor (Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)
3. Bieten die Angaben der Klägerin in dem verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie zum Zeitpunkt ihres Entlassungsverlangens nicht geschäftsfähig gewesen sein könnte, liegt ein Verfahrensmangel wegen eines Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nicht vor (Rn. 12). (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis ist als Streitwert die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu bezahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen anzusetzen (Rn. 13). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 17.619 2018-06-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 31.949,35 Euro festgesetzt. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 19. Juni 2018 wird der Streitwert für den ersten Rechtszug auf 26.699,79 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr in erster Instanz erfolgloses Rechtsschutzbegehren, die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27. Oktober 2011, weiter, mit dem sie mit Ablauf des 31. Oktober 2011 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entsprechend ihres Antrags vom 21. Oktober 2011 entlassen wurde.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1.1 Die Klägerin rügt, sie sei zum Zeitpunkt des Entlassungsverlangens wegen ihrer damaligen ausweglosen Situation und ihres psychischen Ausnahmezustands nicht geschäftsfähig gewesen. Sie habe sich gemobbt gefühlt und ihr Gesundheitszustand sei durch ein Dutzend Unfälle, davon vier Dienstunfälle, stark angegriffen gewesen. Ihre behandelnde Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin habe ihr eine akute Belastungsreaktion mit depressiven Symptomen diagnostiziert, Dienstanweisungen hätten ihre erschöpften und depressiven Zustände verstärkt und sie habe am 24. Oktober 2011, als sie ihren schriftlichen Entlassungsantrag verfasst habe, an hohem Fieber gelitten. Ferner habe sie den Antrag irrtümlich gestellt. Zum einen habe sie die nach ihrer Bewerbung für eine offene Stelle an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen erhaltene Auskunft eines Mitarbeiters der Beklagten dahingehend verstanden, dass sie einen Antrag auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis stellen müsse, um den Dienstherrnwechsel über das „Ländertauschverfahren“ zu ermöglichen. Zum anderen habe sie ihre Entlassung beantragt, um einer vermeintlichen Vertragsstrafe aus einem befristeten Arbeitsvertrag mit einem Kommunalunternehmen zu entgehen, bei dem sie zum 1. November 2011 hätte beginnen sollen.
1.2 Damit kann die Klägerin nicht durchdringen.
1.2.1 Auf der Grundlage ihrer Zulassungsbegründung, in der im Wesentlichen die im Klageverfahren vorgetragenen Argumente wiederholt werden, gelingt es ihr nicht, die Ausführungen des Erstgerichts zur bestehenden Geschäftsfähigkeit (Art. 12 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG i.V.m. §§ 104 f. BGB) zum Zeitpunkt ihres Entlassungsverlangens mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen. Das Erstgericht, auf dessen Entscheidung in vollem Umfang Bezug genommen wird, hat zu Recht angenommen, die Klägerin habe keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Möglichkeit ergeben könnte, sie habe ihren Entlassungsantrag im Zustand der Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB), der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) gestellt. Nach allgemeiner Auffassung ist bei einem Volljährigen die Geschäftsfähigkeit als Regel zu unterstellen. Ihr Fehlen ist die Ausnahme. Insoweit liegt die Darlegungs- und Beweislast bei der Klägerin (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.1994 – 2 B 173.93 – juris Rn. 3; B.v. 6.3.2019 – 6 B 135.18 – juris Rn. 47; BGH, U.v. 5.6.1972 – II ZR 119/70 – juris Rn. 9; BAG v. 14.02.1996 – 2 AZR 234/95 – juris Rn. 23; Staudinger/Klumpp (2017) BGB § 105 Rn. 31).
Aus den von ihr geschilderten Umständen kann nicht der Schluss gezogen werden, dass sie sich zum Zeitpunkt des Entlassungsantrags in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der geistigen Tätigkeit befand.
Die vorgelegten „Bestätigungen“ der behandelnden Diplom-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin enthalten keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin zu gegebener Zeit eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Wider der in Betracht kommenden Gesichtspunkte nicht möglich und sie nicht in der Lage war, ihren Entschluss über die Beendigung ihres Beamtenverhältnisses von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (BGH, U.v. 5.12.1995 – XI ZR 70/95 – juris Rn. 11; U.v. 20.6.1984 – IVa ZR 206/82 – juris Rn. 12). Nach dem ärztlichen Attest vom 7. Dezember 2011 habe sich die Klägerin zweimal im September 2011 zu Beratungsgesprächen aufgrund ihrer beruflichen Belastungssituationen bei einer Diplom-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin befunden. Diese Beratungsgespräche hätten aufgrund des Wunsches des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Angelegenheit Probezeitbewertung und -verlängerung stattgefunden, nicht aufgrund des persönlichen Wunsches der Klägerin. Die Diplom-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin diagnostizierte bei der Klägerin in einer über sechs Monate später (30.4.2012) verfassten „Bestätigung zur Vorlage bei Gericht“ eine „Akute Belastungsreaktion mit depressiven Symptomen (ICD-10 F43.2)“. Die Klägerin habe sich am 15. und 21. September 2011 bei ihr zum psychologischen Gespräch befunden und dabei u.a. berichtet, dass sie sich aufgrund ihrer schwierigen Situation am Arbeitsplatz in einem starken Erschöpfungszustand befinde. Als psychologischer Befund wurde festgestellt: akute psychophysiologische Minderbelastbarkeit mit deutlich gedrückter Stimmung, eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit, reduzierter Antrieb, rasche körperliche und kognitive Ermüdung mit Konzentrationsmängeln, anhaltende starke Anspannung, Verlust der Erholungsfähigkeit, reduziertes Selbstwertgefühl, Grübelzwänge, depressiv getönte Denkmuster, Existenzängste, lebensmüde Gedanken. Aufgrund des deutlich erschöpften und depressiven Zustandes sei der Klägerin dringend ein stationärer Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik angeraten worden. Die Klägerin habe sich nach der vereinbarten Überlegungszeit hierzu nicht entschließen können. In der weiteren “Bestätigung zur Vorlage bei Gericht“ der behandelnden Diplom-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin vom 12. Juni 2018 wurde diese Diagnose und der psychologische Befund wiederholt. Wegen der Vermutung psychischer Ursachen sei die Klägerin nach einer urologischen Untersuchung bezüglich Harnwegsbeschwerden zu psychologischen Gesprächen am 15. und 21. September 2011 vermittelt worden. Dabei habe die Klägerin berichtet, dass sie in einer sehr belastenden beruflichen Situation sei. Ihr drohe die Entlassung aus dem Schuldienst. Es gebe Konflikte zwischen ihren pädagogischen Vorstellungen und denen der Fachbetreuung. Sie arbeite unter höchstem Druck daran, ihre Arbeit optimal zu gestalten und vorzubereiten. Wenn sie zum Schlafen komme, habe sie Durchschlafstörungen, müsse nachts grübeln und habe keinen Erholungseffekt. Durch den Schlafmangel habe sie massive Konzentrationsstörungen, auch körperlich sei sie ungeschickt und unkoordiniert geworden. Sie habe ihre sportliche Betätigung drastisch reduzieren müssen, wodurch eine wichtige Ressource zum Stressausgleich entfallen sei. Es habe zunehmender sozialer Rückzug und soziale Isolation stattgefunden. Sie leide unter großer Angst, aus dem Schuldienst entlassen zu werden, und habe zunehmend gesundheitliche Probleme, wie die aktuelle Stressharninkontinenz, Unterleibsschmerzen und Erschöpfung. Bei der Schilderung ihrer Existenzängste hätten sich depressiv-nihilistische, katastrophisierende Denkmuster gezeigt. Es bestünden keine konkreten Suizidabsichten, jedoch würden passive Todeswünsche eingeräumt. Den Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik habe sie aus Angst des Arbeitsplatzverlustes und einer damit fehlenden Möglichkeit zur Regenerierung während eines Klinikaufenthalts abgelehnt.
Aus diesen Ausführungen lässt sich nicht im Ansatz ableiten, die Klägerin sei zum Zeitpunkt ihres Entlassungsverlangens (Ende Oktober 2011) nicht in der Lage gewesen, ihren Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Dabei wird nicht verkannt, dass die Klägerin ihre seinerzeitige Situation als erheblich psychisch belastend empfunden hat. Gleichwohl erreichen die bei ihr diagnostizierten Leiden (u.a. Durchschlaf- oder Konzentrationsstörungen sowie ihr erschöpftes und depressives Befinden) nicht die Schwelle eines die Willensbildung ausschließenden Zustandes. Mit den „Bestätigungen“ der Diplom-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin wurden weder in zeitlicher noch inhaltlicher Hinsicht Tatsachen dargelegt, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Behauptung der Geschäftsunfähigkeit richtig sein könnte. Entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) F43.0 (die in den „Bestätigungen“ enthaltene Angabe „ICD-10 F43.2“ stimmt bereits nicht mit der Wortbeschreibung der Diagnose überein) ist eine akute Belastungsreaktion eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt, und die im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Die Symptome erscheinen im Allgemeinen innerhalb von Minuten nach dem belastenden Ereignis und gehen innerhalb von zwei oder drei Tagen, oft innerhalb von Stunden zurück. Damit liegen schon keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die akute Belastungssituation noch zum Zeitpunkt des Entlassungsverlangens, mithin vier Wochen nach dem letzten psychologischen Gespräch mit der behandelnden Therapeutin (21.9.2011), vorgelegen haben könnten. Aber auch inhaltlich geben die „Bestätigungen“ der Diplom-Psychologin nicht den geringsten Anlass, an der Geschäftsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt ihres Entlassungsantrags zu zweifeln. Abgesehen davon, dass die Folgen der akuten Belastungssituation mit depressiven Symptomen in den „Bestätigungen“ nur vage beschrieben werden, folgt aus ihnen nicht, dass die Klägerin dauerhaft oder auch nur vorübergehend einen freien Willen nicht hätte bilden können. Dies gilt umso mehr, als depressive Symptome bekanntermaßen in vielfältigen und völlig unterschiedlich ausgeprägten Formen vorkommen und depressive Erkrankungen regelmäßig Schwankungen unterliegen. Dass die Betroffene dauerhaft oder zumindest für einen längeren Zeitraum nicht mehr in der Lage war, Alltagstätigkeiten auszuführen, folgt daraus nicht. Die „Bestätigungen“ geben darüber hinaus weder Aufschluss über die Schwere der Krankheit noch über den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie). Zudem zog die Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin ihre Rückschlüsse allein auf der Grundlage der von der Klägerin selbst geschilderten Symptome. Ob diese noch zum Zeitpunkt ihres Entlassungsantrags vorlagen, konnte die behandelnde Psychotherapeutin nicht prüfen. Auch der Umstand, dass sich die Klägerin gemobbt gefühlt, sich ihr erschöpfter und depressiver Zustand durch Dienstanweisungen verstärkt habe und ihr Gesundheitszustand durch ein Dutzend Unfälle stark angegriffen gewesen sei, lässt nicht den Schluss zu, sie sei nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Denn – wie das Erstgericht zu Recht feststellte – waren sämtliche – umfangreiche – Schreiben der Klägerin seit dem 21. Oktober 2011 präzise, in sich widerspruchsfrei und vollständig nachvollziehbar abgefasst. Während dieser Zeit betrieb die Klägerin eine intensive Korrespondenz mit ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten. Ihr Entlassungsgesuch vom 21. Oktober 2011 war eindeutig und unmissverständlich. Als Begründung gab sie im Wesentlichen neben den von ihr als Mobbing empfundenen Vorgängen an, dass sie aufgrund des Beurteilungsbeitrags ihres Schulleiters, wonach sie sich als Lehrkraft nicht bewährt habe, die Aussicht auf Weiterbeschäftigung in der Schule als äußerst gering einschätze. Zudem liege ihr ein Beschäftigungsangebot zum 1. November 2011 vor. Die Schilderung dieser Beweggründe vermittelt nicht den Eindruck, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Entlassungsantrags in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befunden hätte, sondern legen vielmehr nahe, dass der Entlassungsantrag bewusst und unter rationaler Abwägung der dafür und dagegen sprechenden Gesichtspunkte gestellt wurde. Auch ihr Vortrag, wonach sie am 24. Oktober 2011, als sie ihren schriftlichen Entlassungsantrag verfasst habe, an hohem Fieber gelitten habe, stellt ihre damalige Geschäftsfähigkeit nicht in Frage. Die vorgelegte Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit (21. bis voraussichtlich 28.10.2011) der behandelnden Ärztin vom 21. Oktober 2011 enthält keine Diagnose. Eine nachträgliche ärztliche Stellungnahme über ihren damaligen Gesundheitszustand wurde nicht vorgelegt. Nach ihrer eigenen Schilderung des Zeitraums vom 19. bis 31. Oktober 2011 habe sie ihr Entlassungsschreiben am 24. Oktober 2011 im Schulsekretariat deponiert und anschließend ein Gespräch mit dem Schulleiter und mit dem Fachbetreuer im Anschluss der Fachschaftssitzung geführt. Daraufhin sei sie mit Hustenanfällen zusammengebrochen und, nachdem sie sich nach Hause geschleppt und Fieber gemessen habe, eingeschlafen. Die Krankheitsbilder einer Erschöpfungsdepression, Erschöpfungszuständen und/oder einer fiebrigen Erkrankung geben keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Ausschluss der freien Willensbestimmung, da diese durch den Verstand gesteuert wird (LAG RhPf, U.v. 14.1.2004 – 9 Sa 1020/03 – juris Rn. 33; Lange in jurisPK-BGB Band 1, 8. Aufl. 2017, § 105 Rn. 19). Nach alledem ist daher davon auszugehen, dass der Betroffenen die grundsätzliche Bedeutung eines Entlassungsantrags bekannt war. Es ist kein überzeugender Grund ersichtlich für die Annahme, dass dieses Wissen und das Bewusstsein der mit einer solchen Erklärung im Grundsatz verbundenen Rechtsfolgen bei der Betroffenen Ende Oktober 2011 nicht vorhanden waren. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht zu Recht keinen Anlass gesehen, diesbezüglich Beweis zu erheben.
1.2.2 Der im Zulassungsantrag erneut vorgetragene Einwand, die Klägerin habe sich wegen einer vermeintlichen Falschauskunft über die Voraussetzungen des Dienstherrnwechsels bzw. einer vermeintlich drohenden Vertragsstrafe aus einem befristeten Arbeitsvertrag zu seinem Entlassungsantrag veranlasst gesehen, vermag keine ernstlichen Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat diese Rüge unter Verweis auf eine fehlende ausdrückliche Anfechtungserklärung und eines nicht ersichtlichen Inhalts- oder Erklärungsirrtums zu Recht zurückgewiesen (vgl. UA S. 11 unter 2.b.cc). Hierzu verhält sich der Zulassungsantrag nicht. Insoweit hat die Klägerin den von ihr geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in einer § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Als Motiv- bzw. Rechtsfolgenirrtum ist der dargebrachte Anfechtungsgrund im Übrigen unbeachtlich (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: August 2019, Art. 57 BayBG Rn. 27). Dies gilt auch, soweit die Klägerin davon ausging, sie könne ihre Entlassungserklärung ungeachtet eines vorherigen Zugangs der Entlassungsverfügung (Art. 57 Abs. 1 Satz 2 BayBG) innerhalb zweier Wochen schriftlich zurücknehmen.
2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten) liegt nicht vor. Die Klägerin macht in ihrer Zulassungsbegründung schon nicht deutlich, in welchem konkreten rechtlichen Punkt das Urteil zweifelhaft oder in welcher tatsächlichen Hinsicht der Sachverhalt besonders schwierig zu ermitteln sein soll. Damit ist eine besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten nicht dem Erfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden. Mit dem Hinweis, dass nur ein Sachverständiger den psychischen Zustand der Klägerin hätte aufklären können, geht die Darlegung letztlich nicht über das hinaus, was zur Begründung der Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (1.) bzw. eines Verfahrensmangels wegen Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (3.) ausgeführt ist.
3. Ein Verfahrensmangel wegen eines Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ohne Erfolg beanstandet die Zulassungsbegründung, dass das Verwaltungsgericht kein Sachverständigengutachten über die seinerzeitige Geschäftsfähigkeit der Klägerin eingeholt habe. Die Art der Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das gilt auch für die Frage, ob es Anlass sieht, an der – grundsätzlich anzunehmenden – früheren Geschäfts- und Handlungsfähigkeit eines Beteiligten zu zweifeln und sich deshalb darüber durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beraten zu lassen (BVerwG, B.v. 11.2.1994 – 2 B 173.93 – juris Rn. 6). Das Erstgericht hat eingehend dargelegt, dass und aus welchen Gründen es auch unter Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Äußerungen der behandelnden Diplom-Psychologin und Psychologischen-Psychotherapeutin keinen Anlass zu Zweifeln und zur Anordnung einer Begutachtung gesehen hat (UA S. 9 f.). Diese Ausführungen lassen – wie unter 1.2.1. dargelegt – keinen zu beanstandenden Fehler erkennen. Im Übrigen hat es die Klägerin versäumt, durch geeignete Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung auf die von ihr für nötig gehaltene Sachverhaltsaufklärung hinzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 2 VwGO; stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7). Es ist zudem nicht ersichtlich, weshalb sich dem Verwaltungsgericht unter den dargestellten Umständen die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte weiter aufdrängen müssen. Die Angaben der Klägerin in dem verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren boten jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie zum Zeitpunkt ihres Entlassungsverlangens nicht geschäftsfähig gewesen sein könnte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Im ersten Rechtszug beträgt der Streitwert insgesamt 26.699,79 Euro. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 bis 3 GKG, wonach für die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis als Streitwert die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu bezahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen anzusetzen ist. Maßgeblich hierfür ist gemäß § 40 GKG der Zeitpunkt der Erhebung der Klage beim Verwaltungsgericht (7.3.2012). Die jährliche Sonderzahlung (Art. 82 ff. BayBesG) ist anteilig zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118). Damit ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 20.749,10 Euro (Grundgehalt Besoldungsgruppe A13 Stufe 08 zzgl. Strukturzulage, LoB Basisprämie Beamte und vermögenswirksame Leistungen (vgl. Art. 2 BayBesG) in Höhe von 4.221,31 Euro x 12 = 50.655,72 Euro zzgl. jährliche Sonderzahlung in Höhe von 2.743,85 Euro (0,65 x 4.221,31 Euro) = 53.399,57 Euro / 2 = 26.699,79 Euro). Die Abänderungsbefugnis für die Streitwertfestsetzung erster Instanz ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Für den zweiten Rechtszug beträgt der Streitwert im Ergebnis 31.949,35 Euro (§ 40, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 bis 3 GKG), da die Anlage 3 zum BayBesG im gemäß § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des Zulassungsverfahrens (26.7.2018) andere Besoldungssätze vorsah (5.051,28 Euro x 12 = 60.615,36 Euro zzgl. jährliche Sonderzahlung in Höhe von 3.283,33 Euro (0,65 x 5.051,28 Euro) = 63.898,69 Euro / 2 = 31.949,35 Euro).
5. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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