Arbeitsrecht

Entlassung einer Lehrerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe auf eigenes Verlangen

Aktenzeichen  M 5 K 17.619

Datum:
19.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23841
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 57 Abs. 1
BeamtStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ein Antrag auf Entlassung aus dem Bamtenverhältnis ist nicht schon deswegen unwirksam, weil er in einem Zustand einer akuten Belastungsreaktion mit depressiven Symptomen abgegeben wurde, da es keinen allgemeingültigen medizinischen Erfahrungssatz gibt, nach dem eine Person in einer depressiven Episode per se nicht geschäftsfähig wäre. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Streitgegenständlich ist vorliegend nur das klägerische Begehren nach Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 27. Oktober 2011 mit der Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2012, welches eindeutig aus der Klageschrift der Klägerin vom 7. März 2012 hervorgeht.
Ausweislich der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung nicht verfahrensgegenständlich geworden sind die vom Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Juni 2018 lediglich angekündigten weiteren Haupt- und Hilfsanträge (inkl. des „Hilfsantrags“ hinsichtlich Schmerzensgelds, der zuvor im Schriftsatz der Klägerin vom 30.12.2015 Erwähnung fand). Ob die nachträgliche Einbeziehung dieser Anträge in die vorliegende Klage im Wege sukzessiver Klagehäufung nach den Grundsätzen einer Klageänderung (§ 91 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – analog) mangels Einwilligung der Beklagten sachdienlich gewesen wäre, kann daher dahinstehen.
2. Die somit allein verfahrensgegenständliche Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2011 und deren Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte hatte die Klägerin ohne jegliches Ermessen aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zu entlassen, weil diese das von ihr wirksam verlangt hatte.
a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) sind Beamtinnen und Beamte zu entlassen, wenn sie die Entlassung in schriftlicher Form verlangen.
Beamte und Beamtinnen können jederzeit gegenüber ihrem Dienstvorgesetzten ihre Entlassung verlangen, Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG). Die Erklärung kann innerhalb zweier Wochen nach Zugang bei dem oder der Dienstvorgesetzten schriftlich zurückgenommen werden, mit Zustimmung der Entlassungsbehörde auch nach Ablauf dieser Frist, aber nur solange die Entlassungsverfügung noch nicht zugegangen ist, Art. 57 Abs. 1 Satz 2 BayBG.
b) Die Klägerin hat mit Schreiben vom 21. Oktober 2011, eingegangen am 25. Oktober 2011, eindeutig und unmissverständlich ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe bei der Beklagten verlangt. Etwas anderes konnte nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht gemeint sein, auch wenn die Klägerin es als „Ersuchen um Entlassung aus meinem Arbeitsverhältnis als StRin“ bezeichnete. Zwischen ihr und der Beklagten bestand einzig das zum … Februar 2008 durch Ernennung begründete Beamtenverhältnis auf Probe. Daneben existierte kein weiteres „Arbeitsverhältnis“ mit der Beklagten, dass die Klägerin unbeschadet des Beamtenverhältnisses auf Probe hätte isoliert kündigen können. Ebenso eindeutig und unmissverständlich legte die Klägerin ihre Motivation für ihr Entlassungsverlangen offen, nämlich von ihr als Mobbing empfundene Vorgänge und ihr rechtlich bereits bestehendes anderweitiges Arbeitsverhältnis ab dem 1. November 2011.
aa) Das Entlassungsverlangen war – als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung – auch wirksam.
Sämtliche – umfangreichen – Schreiben der Klägerin seit dem vom 21. Oktober 2011 sind präzise, in sich widerspruchsfrei und vollständig nachvollziehbar abgefasst. Keines der Schreiben der Klägerin enthält Anhaltspunkte dafür, dass sie damals – zumindest vorübergehend – nicht geschäftsfähig gewesen wäre.
Die Diagnose einer akuten Belastungsreaktion mit depressiven Symptomen durch die Psychologische Psychotherapeutin E.H. zu Gesprächen am 15. September 2011 und 21. September 2011 stellt die Geschäftsfähigkeit der Klägerin auch zu den damaligen Zeitpunkten nicht in Frage, zumal nicht mitgeteilt wurde, ob sich die Klägerin in einer leichten, mittelschweren oder schweren Episode befunden hat. Es gibt keinen allgemeingültigen medizinischen Erfahrungssatz, nach dem eine Person in einer depressiven Episode per se nicht geschäftsfähig wäre.
Aus dem Vorbringen der Klägerin, sie habe in den entscheidenden Tagen vom 21. Oktober 2011 bis 27. Oktober 2011 wegen fiebriger Erkrankung und unter dem Einfluss von Medikamenten stehend nicht gewusst was sie tat, ergibt sich nichts anderes.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass Geschäfts- und Handlungsfähigkeit eines Volljährigen die Regel, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit (§ 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) die Ausnahme bilden und die materielle Beweislast für diese Ausnahme denjenigen trifft, der Rechte daraus herleitet, geht die Nichterweislichkeit der Geschäftsunfähigkeit der Klägerin im oben genannten Zeitraum zu ihren Lasten (vgl. für den Fall eines ehemaligen Beamten mit einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis: VGH Mannheim, B.v. 17.4.2000 – 4 S 1588/98 – juris Rn. 14 f.).
Die Klägerin hat ihren damaligen Gesundheitszustand in psychischer Hinsicht zwar dramatisch, aber letztlich unsubstantiiert lediglich insoweit umschrieben, dass sie nicht gewusst haben will, was sie tat. Dagegen sprechen schon ihre ausführlichen und dezidiert abgefassten Schreiben, wie oben bereits dargelegt. Die Klägerin hat auch keinerlei ärztliche Nachweise für eine definitive Geschäftsunfähigkeit zur damaligen Zeit vorgelegt. Die früheren Stellungnahmen verschiedener Personen, auch der o.g. Psychologischen Psychotherapeutin E.H. von damals und nunmehr vom 12. Juni 2018, enthalten in dieser Hinsicht keinerlei Aussage oder auch nur Zweifel. Das Gericht war daher nicht gehalten, dieser Frage von Amts wegen weiter nachzugehen.
bb) Die Klägerin hat ihr Entlassungsverlangen jedenfalls bis zur Entgegennahme des Bescheids vom 27. Oktober 2011 nicht zurückgenommen. Das bis dahin von der Klägerin am 26. Oktober 2011 an die Beklagte gerichtete Fax sagte vielmehr Gegenteiliges aus. Dort heißt es auf Seite 2 unten, dass ihre Bitte um Entlassung, „die ich noch zurückholen hätte können“, im Postkorb geblieben sei.
Dass die Klägerin nach ihrem Vortrag der unzutreffenden Vorstellung unterlag, sie könne ihr Entlassungsverlangen „risikolos“ in jedem Fall innerhalb zweier Wochen zurücknehmen, ist jedenfalls bei überhaupt nicht erfolgter Rücknahmeerklärung rechtlich irrelevant.
cc) Eine im Falle eines Willensmangels grundsätzlich mögliche Anfechtung des Entlassungsantrags (Zängl in: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2018, § 23 BeamtStG Rn. 55 ff.) wurde von der Klägerin nie erklärt. Dazu hätte es einer ausdrücklichen Anfechtungserklärung gegenüber der Beklagten bedurft. Das einzige, was sich in dieser Hinsicht in den umfangreichen Akten zeitnah (die Anfechtung hätte unverzüglich erklärt werden müssen) findet, ist im Telefax der Klägerin vom 11. November 2011 deren Bitte an die Beklagte, angebliche Fehlauskünfte zu Arbeitslosengeld und Nachversicherung im Hinblick auf Mobbing, auf Art. 57 (BayBG) und § 119 (BGB) „zu prüfen“. Das erfüllt nicht das Erfordernis einer eindeutigen einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung, gerichtet auf rechtsgestaltende Wirkung. Es ist aber auch nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin einem Inhalts- oder Erklärungsirrtum unterlegen gewesen sein sollte. Ein Motivirrtum oder ein Rechtsfolgenirrtum würden ohnehin unbeachtlich gewesen sein.
dd) Der Vortrag der Klägerin, dass sie ihr Entlassungsgesuch „nicht ganz freiwillig“ gestellt habe, kann nach obigen Ausführungen zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führen. Dass sich die Klägerin durch die von ihr als Drucksituation und Mobbing empfundenen Vorfälle und Umstände veranlasst sah, aus gesundheitlichen Gründen „die Reißleine zu ziehen“, ist aus ihrer Perspektive nachvollziehbar, aber eben auch konsequent. Und die Aussage, „nicht ganz freiwillig“ beinhaltet auch, dass es letzten Endes doch eine freiwillige Entscheidung war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.


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