Arbeitsrecht

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts (bejaht)

Aktenzeichen  M 1 M 21.2294

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37330
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151
VwGO § 162 Abs. 1
VwGO § 165

 

Leitsatz

Tenor

I. Auf die Erinnerung der Antragstellerin hin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2021 dahingehend abgeändert, dass die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin in Ansatz gebrachten Reisekosten in Höhe von 196,40 EUR als erstattungsfähig anerkannt werden.
II. Die abschließende Kostenfestsetzung wird auf den Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München übertragen.
III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragspartei wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, soweit darin ihrem Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Reisekosten ihres Bevollmächtigten nicht entsprochen wurde.
Im Hauptsacheverfahren (M 1 K 16.690) begehrte die Antragstellerin im Wege der Untätigkeitsklage die Erteilung einer Baugenehmigung für zwei Werbeanlagen. Das Verfahren wurde am 21. Juni 2016 in der mündlichen Verhandlung eingestellt, nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen wurden dem Antragsgegner auferlegt. Der Streitwert wurde auf 10.000 EUR festgesetzt.
Mit am 2. Juli 2019 bei Gericht eingegangenem Schreiben beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin, dessen Kanzlei sich in B.befindet, die zu erstattenden Kosten auf 1.681,40 EUR festzusetzen. Darin sind unter anderem Reisekosten in Höhe von 196,40 EUR und Abwesenheitsgeld in Höhe von 70 EUR enthalten.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 bat der Urkundsbeamte den Bevollmächtigten der Antragstellerin, bis zum 18. Juli 2019 Belege für die beantragten Reisekosten nachzureichen und zu begründen, warum ein Unternehmen mit Sitz in S.einen Rechtsanwalt aus B.beauftrage.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin nahm mit Schreiben vom …. Juli 2019 dahingehend Stellung, dass sich der Sitz der Antragstellerin in K.befinde und diese vom Bevollmächtigten seit 20 Jahren vertreten werde, was ein besonderes Vertrauensverhältnis begründe und die geltend gemachten Reisekosten rechtfertige. Er legte zudem die angeforderten Belege vor.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. April 2021 setzte der Urkundsbeamte die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Aufwendungen auf insgesamt 1.552,80 EUR fest. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig sei, seien nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Anwalts zu erstatten. Es seien deshalb jene Reisekosten erstattungsfähig, die bei einer fiktiven Anreise des Prozessbevollmächtigten von dem am weitesten vom Gerichtssitz entfernten Ort des Gerichtsbezirks entstanden wären. Dies sei für den Gerichtssitz des Bayerischen Verwaltungsgericht Münchens Berchtesgaden, sodass lediglich fiktive Reisekosten in Höhe von 97,80 EUR festsetzbar seien. Das Abwesenheitsgeld sei nur für bis zu acht Stunden und damit in Höhe von 40 EUR erstattungsfähig, da eine Abwesenheitsdauer von ca. fünf Stunden vorgelegen habe. Die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten setze voraus, dass für die Auswahl des auswärtigen Rechtsanwalts ein hinreichend gewichtiger Grund bestanden habe. Das Interesse einer Partei, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu lassen, erlaube es jedoch nicht, einen Rechtsanwalt unabhängig davon, wie weit dessen Geschäftsräume vom Wohn- oder Geschäftssitz der Partei und dem Gerichtsort entfernt sei, zu beauftragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelte dies nur dann, wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt habe beauftragt werden müssen, weil die am Gerichtsort oder am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei ansässigen Rechtsanwälte nicht die erforderlichen Spezialkenntnisse hätten.
Mit Schriftsatz vom … April 2021 legte die Antragstellerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, „Beschwerde“ gegen den Beschluss vom 13. April 2021 ein, soweit dort die geltend gemachten Reisekosten nicht anerkannt wurden und beantragte sinngemäß
die Entscheidung des Gerichts.
Zur Begründung wiederholt der Bevollmächtigte seine Auffassung, dass das langjährige Vertrauensverhältnis zu der Antragstellerin die geltend gemachten Reisekosten rechtfertige und sich der Geschäftssitz der Antragstellerin in K.befinde. Unter der Adresse in S.unterhalte die Antragstellerin lediglich eine von mehreren Niederlassungen in Deutschland.
Der Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab und legte den Vorgang mit Schreiben vom 26. April 2021 der Kammer zur Entscheidung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Erinnerung hat Erfolg, da sie zulässig und begründet ist.
1. Der als Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten auszulegende Rechtsbehelf ist zulässig, § 165 VwGO i.V.m. § 151 VwGO.
2. Die Erinnerung ist begründet. Die geltend gemachten Reisekosten in Höhe von 196,40 EUR sind nach § 162 Abs. 1 VwGO als notwendig anzuerkennen.
Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht im Falle der Erledigung über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen. Mit Beschluss vom 21. Juni 2016 wurden dem Antragsgegner die Kosten auferlegt, zu denen nach § 162 Abs. 1 VwGO auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gehören. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Eine Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines nicht am Sitz des Gerichts tätigen oder wohnenden Rechtsanwalts nur erstattungsfähig sind, wenn seine Zuziehung notwendig war, kennt die Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Die für den Zivilprozess insoweit in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene Regelung findet über § 173 VwGO keine Anwendung. Der Gesetzgeber wollte die Beteiligten im Verwaltungsprozess nämlich bei der Wahl eines Rechtsanwalts ihres Vertrauens freier stellen (BVerwG, B.v. 11.9.2007 – 9 KSt 5/07, 9 KSt 5/07 (9 A 20/05) – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 10.6.2015 – 22 C 14.2131 – juris Rn. 10).
Dessen ungeachtet ist in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vorherrschend, dass die Anwendung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, was die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines Anwalts zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine angeht, unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO steht, wonach es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen handeln muss. Der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung sei bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten seien, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz bzw. Geschäftssitz seines Mandanten oder in dessen Nähe habe (BVerwG, B.v. 11.9.2007 a.a.O. Rn. 4 m.w.N.). Andernfalls sind Mehrkosten für einen auswärtigen Anwalt nur beim Vorliegen eines hinreichend gewichtigen Grundes erstattungsfähig, etwa wenn der Anwalt über Spezialkenntnisse aus dem betroffenen Fachgebiet verfügt oder ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant besteht (Schübel-Pfister in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 20), da es in diesen Fällen als unzumutbar anzusehen ist, lediglich zum Zwecke der Kostenersparnis einen Anwaltswechsel zu vollziehen (OVG Magdeburg, B.v. 1.11.2005 – 4 O 327/05 – juris Rn. 3).
So liegt es hier. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin und die Antragstellerin verfügen über ein besonderes Vertrauensverhältnis, infolgedessen die Mehrkosten erstattungsfähig sind. Ob die Antragstellerin ihren Sitz in K.hat und es sich bei der Firmierung in S.nur um eine von mehreren Niederlassungen in Deutschland handelt, kann deshalb dahingestellt bleiben.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin trägt vor, dass er die Antragstellerin bereits seit 20 Jahren vertritt. Es ist zudem gerichtsbekannt, dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin diese sowohl vor dem streitgegenständlichen Verfahren als auch danach in ähnlich gelagerten Streitigkeiten, die die Zulässigkeit von Werbeanlagen zum Inhalt haben, vertrat und auch in zum Zeitpunkt der Entscheidung im hiesigen Verfahren anhängigen Streitigkeiten vertritt. Dies spricht für ein über ein übliches Mandantenverhältnis hinausgehendes, besonderes Vertrauensverhältnis.
Die erstattungsfähigen Reisekosten belaufen sich entsprechend der vorgelegten Belege auf 196,40 EUR netto (192,32 EUR Flugkosten zuzüglich 29,00 EUR Parkgebühr sowie 12,40 EUR Tagesticket für den öff. Nahverkehr; jeweils abzüglich 19% Mehrwertsteuer, § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Kürzung des Abwesenheitsgeldes um 30,00 EUR war vom Antrag nicht umfasst.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG entsprechend. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es daher nicht (BayVGH, B.v. 7.4.2014 – 8 M 13.40028 – juris Rn. 7).


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