Arbeitsrecht

Erstattung von Krankenbehandlungskosten

Aktenzeichen  S 45 AS 2070/16

Datum:
13.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55104
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 21 Abs. 6, § 26, § 40 Abs. 1
SGB X § 44

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Der Kläger begehrt die Übernahme der Krankenbehandlungskosten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 03.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2016. Statthafte Klageart ist daher die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG.
Dem zulässigen Klagebegehren steht nicht entgegen, dass es sich bei dem in Betracht kommenden Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II ebenso wie bei dem Anspruch auf einen Zuschuss nach § 26 SGB II nicht um einen abtrennbaren, eigenständigen Streitgegenstand handelt, sondern hinsichtlich der Höhe der zu bewilligenden Leistungen im Bewilligungszeitraum geltend zu machen ist. Nachdem der Antrag auf Kostenerstattung am 11.01.2016 beim Beklagten eingegangen ist, kann dieser als Antrag auf Überprüfung des Änderungsbescheides vom 23.04.2015 für die Zeit vom 01.01.2015 bis 30.06.2015 und des Bewilligungsbescheides vom 19.06.2015 für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.12.2015 nach § 40 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB X ausgelegt werden, mit dem Ziel, höhere Leistungen für das Jahr 2015 zu erhalten.
Die Klage ist jedoch unbegründet und war daher abzuweisen. Der Bescheid vom 03.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Krankenbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 967,26 €.
Der Zuschuss zum Versicherungsbeitrag der privaten Krankenversicherung nach § 26 SGB II erstreckt sich nicht auf Aufwendungen zur medizinischen Versorgung, die in den Selbstbehalt fallen (vgl. Urteil des BSG vom 29.04.2015, B 14 AS 8/14 R in juris, Rn. 13).
Nachdem die Versicherungsbeiträge im Jahr 2015 in Höhe von monatlich 288,84 € unstreitig in voller Höhe vom Beklagten nach § 26 SGB II übernommen wurden, kommt als Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Krankenbehandlungskosten nur ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht.
Nach § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. a.a.O. Rn. 20) ist bei unter den Selbstbehalt der privaten Krankenversicherung fallenden Krankenbehandlungskosten ausnahmsweise, solange es an einer ausreichenden Beratung des zuständigen Grundsicherungsträgers über die Möglichkeiten des Wechsels in den Basistarif gefehlt hat und der Wechsel deshalb zunächst unterblieben ist und soweit in der gesetzlichen Krankenversicherung Kosten in entsprechender Höhe angefallen wären, eine Übernahme als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II möglich. Die Anerkennung als unabweisbarer Mehrbedarf setzt allerdings voraus, dass ein Wechsel in den Basistarif wegen einer fehlenden Beratung und nicht aus anderen Gründen, wie etwa bessere Leistungen im vereinbarten Tarif, unterblieben ist.
Kosten der medizinischen Versorgung sind nicht mehr unabweisbar ab dem Zeitpunkt, ab dem einem privat krankenversicherten Leistungsberechtigten der Wechsel in den Basistarif ohne Selbstbehalt zumutbar möglich ist. Nach der laufenden Rechtsprechung des BSG ist Leistungsbeziehern nach dem SGB II grundsätzlich der Wechsel in den Basistarif der privaten Krankenversicherung zumutbar (vgl. Urteil des BSG vom 16.10.2012, B 14 AS 11/12 R). Der Basistarif entspricht in seinen Leistungen denen der gesetzlichen Krankenversicherung, in der etwa 90% der Bevölkerung versichert sind. Diese deckt alle medizinisch notwendigen Leistungen ab.
Vorliegend ist der Beklagte nach Auffassung des Gerichts jedenfalls bis zur Übermittlung des Merkblatts zum Zuschuss nach § 26 SGB II mit Schreiben vom 06.07.2016 seiner Beratungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Wie aus dem Schreiben des Beklagten vom 24.03.2015 hervorgeht, hat der Beklagte die tatsächlichen Beiträge zur privaten Krankenversicherung übernommen, weil es sich dabei um die günstigste Variante handele. Dass es sich dabei um die günstigste Variante für den Beklagten handelte, wurde dem Kläger nicht mitgeteilt. Es wäre in diesem Zusammenhang erforderlich gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass auch die (für den Beklagten) ungünstigere Übernahme des Basistarifs ohne Selbstbehalt in Höhe von 319,69 € monatlich vom Beklagten hätte übernommen werden müssen. Es hätte allerdings auch der Hinweis darauf erfolgen müssen, dass die Leistungen im Basistarif nur denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen und damit der Leistungsumfang unter Umständen für den Kläger ungünstiger wäre.
Nachdem hier aber, wie vom Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2018 vorgetragen, ein Wechsel in den Basistarif angesichts der Schwerbehinderung des Klägers und der dann ausgeschlossenen Leistungen, beispielsweise eines Heilpraktikers, nie in Betracht gezogen wurde, fehlt es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen fehlender Beratung durch den Beklagten und einem deshalb unterbliebenen Wechsel in den Basistarif. Nachdem ein Wechsel in den Basistarif auch im Jahr 2015 wegen des schlechteren Leistungsumfangs nicht in Betracht gekommen wäre, ist davon auszugehen, dass auch eine entsprechende Beratung durch den Beklagten nicht zu einem Wechsel in den Basistarif ohne Selbstbehalt geführt hätte. Da ein solcher, wie bereits dargelegt, in jedem Fall zumutbar und auch möglich gewesen wäre, ist vorliegend nicht von einem unabweisbaren Mehrbedarf im Jahr 2015 auszugehen.
Ein Anspruch auf Kostenübernahme ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2015 erklärt hat, dass der aktuelle Tarif, weil am günstigsten, beibehalten werde. Aufgrund des Änderungsbescheides vom 23.04.2015 war für den Kläger eindeutig ersichtlich, dass aufgrund der Zusage lediglich die monatlichen Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 288,84 € übernommen und direkt an den Vater des Klägers überwiesen werden würden.
Soweit darüber hinaus gehende Leistungen begehrt werden, hätten diese dem Beklagten gegenüber mit der Rechnungstellung geltend gemacht werden müssen. Der Bedarf in Höhe der aufgrund des Selbstbehalts nicht gedeckten Krankenbehandlungskosten entsteht nicht bereits mit Vereinbarung eines Selbstbehalts, sondern jeweils erst mit der jeweiligen Rechnungstellung. In dem Zeitpunkt, in dem die Rechnungen beim Beklagten eingereicht wurden, war der Bedarf des Klägers aufgrund der unter dem Selbstbehalt liegenden Rechnungen in Höhe von 967,26 € jedoch bereits gedeckt, da der Vater des Klägers die Rechnungen jeweils zeitnah beglichen hat. Es ist weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich, dass die Rechnungen lediglich darlehensweise mit einer Rückzahlungsverpflichtung versehen, beglichen worden wären. Es ist vielmehr nach den Umständen davon auszugehen, dass der Vater des Klägers die Rechnungen laufend freiwillig beglichen hat, so wie er dies bereits mit den laufenden Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 94,47 € monatlich bis einschließlich Dezember 2014 getan hat. Im Übrigen wäre für eine entsprechende wirksame Darlehensvereinbarung die Einwilligung des Betreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge, Herrn B., erforderlich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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