Arbeitsrecht

Fiktive Kosten der BahnCard 50 als Berechnungsgrundlage für  Reisebeihilfe zwecks Familienheimfahrt

Aktenzeichen  14 B 16.2257

Datum:
6.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 115
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TGV § 1 Abs. 2, § 3, § 5 Abs. 1, Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Trennungsgeldberechtigte, die eine BahnCard 100 aus Anlass ihrer Abordnung zur Durchführung von Familienheimfahrten erwerben, können die Erstattung fiktiver Reisekosten in Höhe der billigsten Fahrkarte auch dann verlangen, wenn sich die BahnCard 100 im Hinblick auf die grundsätzlich erstattungsfähigen Familienheimfahrten nicht amortisiert. (Rn. 15)

Verfahrensgang

B 5 K 15.422 2016-06-07 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung einer Reisebeihilfe für die vom 23. bis 25. Januar 2015 durchgeführte Familienheimfahrt gemäß § 5 Abs. 4 TGV in Höhe der fiktiven Kosten einer BahnCard 50 sowie der fiktiven Fahrtkosten von 142 Euro (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat der Klage daher zu Recht im tenorierten Umfang stattgegeben.
1. Dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 6, § 3 TGV trennungsgeldberechtigten Kläger steht dem Grunde nach unstreitig ein Anspruch auf Gewährung einer Reisebeihilfe für eine monatliche Familienheimfahrt zu (§ 5 Abs. 1 TGV).
2. Die Höhe der zu gewährenden Reisebeihilfe bestimmt sich nach § 5 Abs. 4 Satz 1 TGV. Danach umfasst die Reisebeihilfe die Erstattung der entstandenen notwendigen Fahrauslagen bis zur Höhe der Kosten der für den Berechtigten billigsten Fahrkarte der allgemein niedrigsten Klasse ohne Zuschläge eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels vom Dienstort zum bisherigen Wohnort. Das Verwaltungsgericht hat die allein streitbefangene Frage, ob aufgrund der vom Kläger angeschafften BahnCard 100 noch erstattungsfähige Fahrtkosten im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 1 TGV für seine Familienheimfahrt vom 23. Januar bis 25. Januar 2015 angefallen sind, zutreffend bejaht. Die diesbezüglichen Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch.
a. Die Auslegung des § 5 Abs. 4 Satz 1 TGV lässt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Schluss zu, dass die tatsächlich angefallenen Kosten einer konkreten Fahrt zugeordnet werden müssen.
Der Wortlaut der Norm setzt voraus, dass Kosten tatsächlich angefallen sind, denn nur entstandene notwendige Fahrtkosten sind zu erstatten (so auch OVG Hamburg, B.v. 1.11.2007 – 1 Bf 64/06 – NJW 2008, 1242 m.w.N.). Hier sind dem Kläger durch die Verwendung der BahnCard 100 für seine Familienheimfahrten tatsächliche Kosten entstanden, da er die BahnCard am 14. Januar 2015 bezahlt hat (vgl. Bl. 7 der Behördenakte) und diese ihm nicht etwa unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 Satz 1 TGV lässt sich nicht zwingend entnehmen, dass für die Erstattungsfähigkeit der tatsächlich angefallenen Kosten deren Zuordnung zu einer konkreten Fahrt erforderlich ist. Die in § 5 Abs. 4 Satz 1 TGV genannten Begrifflichkeiten „Erstattung der entstandenen notwendigen Fahrauslagen“ können für die hier interessierende Frage kein eindeutiges Ergebnis herbeiführen. Laut Duden werden als bedeutungsgleich mit dem Begriff „Auslagen“ u.a. Unkosten bzw. der Geldbetrag, den jemand ausgelegt hat, gesehen (http://www.duden.de./rechtschreibung/Auslagen). Dieser Sinngehalt lässt jedoch nur darauf schließen, dass Unkosten überhaupt entstanden sein müssen. Auch aus der Verwendung des Begriffs „Fahrauslagen“ ergeben sich keine eindeutigen Anhaltspunkte auf den Zeitpunkt des Entstehens der tatsächlichen Kosten sowie den Umfang des Kostenanfalls für die einzelne Familienheimfahrt. Denn auch vorab für eine BahnCard 100 angefallene Kosten dienen – ebenso wie die Kosten einer vorab erworbenen BahnCard 50 – dem „Fahren“.
b. Die von der Beklagten angenommene ausschließlich formale Betrachtungsweise, aufgrund der BahnCard 100 seien für die Familienheimfahrten keinerlei Kosten mehr angefallen, widerspricht jedenfalls dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungs- und Sparsamkeitsgrundsatzes. Die Reisebeihilfe für Heimfahrten gehört zum Trennungsgeld nach den §§ 3 bis 5 TGV und soll als zusätzliche Fürsorgemaßnahme die Pflege der (famililiären) Beziehungen am Wohnort finanziell erleichtern. Die Heimfahrt bedarf keiner Anordnung oder Genehmigung (vgl. Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, Stand Mai 2018, § 5 TGV Rn. 1, 52). Damit gewährt der Dienstherr in begrenztem Umfang eine Beihilfe zu privat motivierten Heimfahrten, die aufgrund der dienstlich bedingten Trennung aus Anlass der in § 1 Abs. 2 TGV genannten Gründe unternommen werden. Als Reisebeihilfe werden bei regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln nur Kosten in Höhe der für den Berechtigten billigsten Fahrkarte der allgemein niedrigsten Klasse ohne Zuschläge erstattet. Dabei kommt sogar unter Umständen die Erstattung von Kosten für eine BahnCard insgesamt in Betracht. Sie sind immer dann dann zu erstatten, wenn die Behörde durch einen Kostenvergleich feststellt, dass deren Verwendung im Ergebnis zu geringeren Fahrtkosten führt als beim sonst notwendigen Lösen von Einzelfahrscheinen (vgl. Tz. 4.2.2 Satz 2 BRKGVwV – der für Reisebeihilfen für Heimfahrten entsprechend gilt, vgl. Kreutzmann in Meyer/Fricke, Reisekosten im öffentlichen Dienst, Stand August 2018, § 5 TGV Rn. 98 -, wonach die Kosten einer nicht aus dienstlichen Gründen gekauften BahnCard auf Antrag erstattet werden können, wenn sie sich vollständig amortisiert haben; eine anteilige Erstattung ist ausgeschlossen). Umgekehrt ist der Dienstherr für den Fall, dass der Berechtigte trotz einer diesbezüglichen Kostenerstattung durch den Dienstherrn keine BahnCard erwirbt, obwohl diese wirtschaftlich gewesen wäre, gehalten, nur die Fahrtkosten unter (fikiver) Verwendung einer BahnCard zu erstatten (vgl. OVG RhPf, U.v.15.8.2003 – 10 A 10575/03 – NVwZ-RR 2004, 274). Erstattet somit der Dienstherr unter Berücksichtigung des Sparsamkeitsgrundsatzes die Kosten für den Erwerb einer BahnCard, im Falle einer Amortisierung sogar für die Anschaffung einer BahnCard 100, erfolgt dies unabhängig davon, ob die Kosten für die BahnCard einer konkreten Fahrt zugeordnet werden können oder nicht. Die Beklagte hat weder einen Grund dafür angeführt noch ist ein solcher ersichtlich, weshalb im Fall des Klägers anders verfahren werden sollte. Dies zumal schon deshalb, weil vorliegend die Auslagen für eine BahnCard 50 erstattet worden wären, obwohl bei einer Zuordnung der diesbezüglichen Anschaffungskosten in Höhe von 255 Euro zur ersten Familienheimfahrt im Hinblick auf den Einzelfahrpreis ohne Ermäßigung in Höhe von 284 Euro im Vergleich zu 255 Euro zuzüglich 142 Euro Einzelfahrpreis mit Ermäßigung (gesamt 397 Euro) nicht die kostengünstigste Alternative vorläge und daher die Kosten im Hinblick auf den Sparsamkeitsgrundsatz nicht in voller Höhe erstattet werden dürften.
c. Dem Anspruch des Klägers steht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 – VI C 75.67 – (BVerwGE 34, 312) nicht entgegen (so auch HessVGH, B.v. 22.11.2006 – 1 UZ 156/06 – n.v.). Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betrifft eine Dienstreise, nicht aber eine Familienheimfahrt im Sinne der Trennungsgeldverordnung. In dem dort zugrunde liegenden Fall hatte der damalige Kläger die Netzkarte für das betreffende Tarifgebiet aus persönlichen Gründen erworben und war dann reisekostenrechtlich verpflichtet, diese Netzkarte auch für dienstliche Fahrten zu nutzen. Die vom Bundesverwaltungsgericht zum Reisekostenrecht entwickelten Grundsätze können somit nicht ohne Weiteres auf die vorliegende Fallgestaltung angewendet werden. Bei der Heimfahrt im Sinne des § 5 TGV handelt es sich weder um eine Dienstreise noch ist sie hinsichtlich des Auslagenersatzes wie eine Dienstreise zu behandeln (vgl. Kreutzmann in Meyer/Fricke, Reisekosten im öffentlichen Dienst, § 5 TGV Rn. 9).
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob auch für einen Anspruch auf Reisebeihilfe der Kauf der BahnCard 100 dienstlich veranlasst sein muss, jedenfalls weist der Erwerb der BahnCard 100 durch den Kläger vorliegend einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf (a.A. OVG Hamburg, B.v. 1.11.2007 – 1 Bf 64/06 – NJW 2008, 1242 m.w.N.). Auch wenn Familienheimfahrten zweifelsohne privat motiviert sind, liegt der Grund für die trennungsbedingten Heimfahrten und für den Erwerb der BahnCard 100 in der Abordnung des Klägers nach L.. Der Kläger hat die BahnCard am 14. Januar 2015 erworben (vgl. Bl. 7 der Behördenakte). Schon anhand der zeitlichen Abfolge ist erkennbar, dass der Erwerb der BahnCard 100 durch die Abordnung nach L. bedingt war und daher aufgrund dienstlicher Veranlassung erfolgte. Damit hatte der Kläger Mehraufwendungen zu tragen, die nicht allein in seiner, sondern auch in der Sphäre des Dienstherrn begründet waren (vgl. zur Sphärentheorie im Rahmen der Umzugskostenvergütung BVerwG, B.v. 1.9.1992 – 10 B 2.92 – Buchholz 261 § 6 BUKG Nr. 1; BayVGH, U.v.8.12.2016 – 14 B 16.46 – juris Rn. 17). Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach § 5 Abs. 1 TGV nur Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Familienheimfahrt pro Monat hat. Denn die Beschränkung auf eine Familienheimfahrt pro Monat dient lediglich der Deckelung der finanziellen Auswirkungen für den Dienstherrn, bezweckt aber nicht, die tatsächliche Zahl der – stets durch die Abordnung verursachten – Familienheimfahrten des Beamten zu beschränken.
d. Dem so gefundenen Auslegungsergebnis widerspricht nicht § 5 Abs. 1 Satz 4 TGV, wonach eine Reisebeihilfe nur gewährt wird, wenn die Reise im maßgebenden Anspruchszeitraum beginnt und damit für deren Gewährung auch tatsächlich durchgeführt werden muss. Hierfür kann der Dienstherr einen geeigneten Nachweis verlangen, den der Berechtigte bei Verwendung der BahnCard 50 durch Vorlage des reduzierten Tickets erbringen kann. Auch wenn bei Verwendung einer BahnCard 100 dieser Nachweis möglicherweise nicht erbracht werden kann, rechtfertigt dies keine unterschiedliche Behandlung. Denn zum einen erstattet der Dienstherr im Falle der Amortisierung auch die Kosten für eine BahnCard 100, zum anderen könnte der Nachweis für die tatsächlich angetretene Heimfahrt bei Verwendung der BahnCard 100 beispielsweise durch Vorlage einer Platzreservierung erbracht werden. Zwingend ist dies aber nicht. Vielmehr können schon entsprechende Versicherungen der jeweiligen Antragsteller ausreichen, dass die Heimfahrt tatsächlich durchgeführt wurde. Denn auch bei Heimfahrten unter Inanspruchnahme des privaten Kraftfahrzeugs kann der entsprechende Nachweis nicht in geeigneter Weise erbracht werden (zu den dienst- und strafrechtlichen Folgen bei unrichtigen Angaben vgl. Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, § 5 TGV Rn. 12). Einen sachlichen Grund, warum Trennungsgeldberechtigte, die unter Verwendung der BahnCard 100 die Bahn für ihre Familienheimfahrt benutzen, anders behandelt werden sollten, hat die Beklagte weder vorgetragen noch ist ein solcher ersichtlich.
e. Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass die Kosten für die streitgegenständliche Heimfahrt nur fiktiv berechnet werden können. Dabei ist zunächst anzuerkennen, dass Kosten für die BahnCard 100 tatsächlich angefallen sind und zwar mit zeitlichem Bezug zur dienstlichen Abordnung. Die Notwendigkeit zur Durchführung fiktiver Vergleichsberechnungen ergibt sich schon aus § 5 Abs. 4 Satz 1 TGV. Wird bei der Heimfahrt ein nicht regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel benutzt (z.B. mit dem privaten Kraftfahrzeug), werden die tatsächlich entstandenen und geltend gemachten Auslagen bis zur Höhe der Reisebeihilfe erstattet, die sich beim Benutzen regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 TGV ergeben hätte. Es ist daher stets ein Kostenvergleich erforderlich, auch der Kaufpreis für die BahnCard ist in die Vergleichsberechnung einzustellen (vgl. Kreutzmann in Meyer/Fricke, Reisekosten im öffentlichen Dienst, § 5 TGV Rn. 112 und Anhang 3 zu § 5 TGV). Es ist kein Grund ersichtlich, warum bei der Erstattung der tatsächlich angefallenen Kosten einer BahnCard 100 dieser fiktive Höchstbetrag nicht ebenso zugrunde gelegt werden kann. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass ein Berechtigter, der trotz prognostizierter Amortisation keine BahnCard 50 erwirbt, so behandelt würde, als ob er (fiktiv) im Besitz einer BahnCard 50 wäre.
Kostenentscheidung: § 154 Abs. 2 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Zulassung der Revision: § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.


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