Arbeitsrecht

Freistellungsphase nach dem  Sabbatjahrmodell

Aktenzeichen  W 1 K 20.1369

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34831
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayAzV § 8b Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayBG Art. 88 Abs. 4
BeamtStG § 34 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.    Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 31. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2020 verpflichtet, die Freistellungsphase der Klägerin im Sabbatjahrmodell auf den Zeitraum vom 11. März 2021 bis zum 10. März 2022 festzusetzen.
II.    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, § 101 Abs. 2 VwGO, ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 31. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass ihre Freistellungsphase auf den Zeitraum vom 11. März 2021 bis zum 10. März 2022 festgesetzt wird, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Die von der Klägerin in Anspruch genommene Teilzeitbeschäftigung beruht auf der Entwicklungsoffenheit des Beamtenrechts, der die Verpflichtung zur Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Beamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG nicht im Wege steht. Diese Verfassungsnorm gewährleistet nicht nur das Alimentationsprinzip und das Fürsorgeprinzip, sondern auch das Leistungsprinzip, so dass nicht einem dieser Grundsätze der Vorrang einzuräumen ist, sondern sie alle gemeinsam zu einer verfassungsrechtlichen Konkordanz zu führen sind (vgl. zum Ganzen Ziemske, Alimentation und Arbeitszeit, ZBR 2001, 1 ff.; VG Würzburg, U.v. 3.5.2005 – W 1 K 04.663 -, Rn. 24, juris).
Die von der Klägerin gewählte Form der Teilzeitbeschäftigung als Sabbat-Modell unterscheidet sich hinsichtlich der Berücksichtigung von Krankheitsfehlzeiten wesentlich von der Teilzeitbeschäftigung durch (kontinuierliche) Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit. Während bei der letztgenannten Beschäftigungsform Krankheitsfehltage keine besonderen Probleme aufwerfen, weil die Dienstbezüge im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt werden und die Interessenlagen des Beamten und des Dienstherrn zu allen Zeitpunkten des Teilzeitdienstverhältnisses dieselben sind, ist dies bei Teilzeitbeschäftigungen in Form des Sabbat-Modells nicht der Fall. Hier müssen drei Komponenten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen: Neben der (verminderten) Besoldung, die bei diesem Modell zu keinem Zeitpunkt dem Maß der täglichen Arbeitszeit entspricht, kommt es wesentlich auf das Verhältnis zwischen Ansparphase und Freistellungsphase an, bei denen die Interessen der Beteiligten jeweils völlig unterschiedlich sind (VG Würzburg, U.v. 3.5.2005 – W 1 K 04.663 -, Rn. 25, juris). Dies bringt es mit sich, dass Krankheitsfehlzeiten im Sabbat-Modell nicht taggenau berücksichtigt werden können, ohne die Ausgewogenheit der drei Komponenten des Modells zu beeinträchtigen oder unpraktikable Ergebnisse herbeizuführen.
Mit § 8b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAzV wurde daher eine pauschalierende Betrachtungsweise für Fälle der Leistungsstörungen durch Dienstunfähigkeit vorgenommen. § 8b Abs. 1 Nr. 3 BayAzV sieht vor, dass im Falle einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nach Art. 88 Abs. 4 BayBG eine Arbeitszeit nicht angespart werden kann während der Dauer des sechs Monate überschreitenden Zeitraums einer Dienstunfähigkeit. Gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 BayAzV verlängert sich die Ansparphase entsprechend, soweit sie nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen oder auf Antrag der Beamten vorzeitig beendet wird. Zeiten von sechs Monaten Dienstunfähigkeit sind überdurchschnittlich hoch. Mit dieser pauschalierenden Regelung konnte verhindert werden, dass sich einzelne Krankheitstage bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit über längere Zeiträume sofort unmittelbar auswirken und erheblichen Verwaltungsaufwand auslösen. Es ist zwar zuzugeben, dass über die Zeiten der Dienstunfähigkeit ohnehin genau Buch geführt werden muss, um zu ermitteln, ob diese sechs Monate insgesamt übersteigen oder nicht. Die Anzahl der Fälle, in denen diese Art der Leistungsstörung dann jedoch auch tatsächlich zu einer rückwirkenden Änderung von Teilzeitbeschäftigungen führen muss, dürfte durch diese Pauschalierung jedoch erheblich reduziert sein (VG München, U.v. 14.8.2018 – M 5 K 16.991 -Rn. 27, juris).
Solange die Krankheitsfehlzeiten (zusammengenommen) den Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten, begünstigt die Regelung eher den Beamten. Der Dienstherr rechnet diese Krankheitszeiten der Ansparphase zu, obwohl eine (Voraus-)Leistung durch dienstliche Tätigkeit nicht erfolgt. Er erspart sich allerdings auch die seinen Planungen hinderlichen Verschiebungen, die eine Verlängerung der Ansparphase mit sich brächte sowie komplizierte Besoldungsvorgänge. Tritt jedoch der Fall ein, dass eine länger als sechs Monate dauernde Erkrankung vorliegt – wie vorliegend -, ohne dass dauernde Dienstunfähigkeit gegeben ist oder die Teilzeitbeschäftigung aus wichtigem Grund abgebrochen wird, so führt zwar die Verlängerung der Ansparphase um den sechs Monate überschreitenden Zeitraum der Dienstunfähigkeit zu dem beschriebenen Besoldungsnachteil, der in der verlängerten Zahlung der abgesenkten Teilzeitbesoldung besteht. Nachdem aber auch in einem solchen Fall für die ersten sechs Monate an Krankheitsfehlzeiten eine Nachholung nicht verlangt wird, das Anwachsen des Arbeitszeitkontos in diesem zeitlichen Umfang also ohne dienstliche Tätigkeit des Beamten stattfindet, kann das Gesamtergebnis nicht als unangemessen erachtet werden. Es kommt dann zu Verschiebungen der Freistellungsphase mit entsprechenden Nachteilen für die Planungen des Beamten und des Dienstherrn; dies ist jedoch unvermeidlich, da eine zeitlich unbegrenzte Anrechnung von Krankheitszeiträumen auf die Ansparphase den Dienstherrn benachteiligen und ungünstige Anreize schaffen würden. Auch eine pauschalierende Lösung muss dies beachten, um als angemessener Interessenausgleich gelten zu können (VG Würzburg, U.v. 3.5.2005 – W 1 K 04.663 -, Rn. 28 – 29, juris). Eine Verkürzung der Freistellungsphase hingegen sieht § 8b BayAzV bei einer Erkrankung während der Ansparphase gerade nicht vor. Der Sinn und Zweck der Verlängerung der Ansparphase besteht darin, dass der Beamte sich die Freistellungphase in voller Länge, trotz der länger als sechs Monate andauernden Erkrankung, erdient und gerade nicht darin, dem Beamten zusätzlich zu einer Verlängerung der Ansparphase die Freistellungsphase zu verkürzen. Anhaltspunkte dafür, dass die Freistellungsphase, zusätzlich zu der Verlängerung der Ansparphase, gekürzt werden soll, sind dem Wortlaut § 8b BayAzV nicht zu entnehmen und würde den Beamten auch unangemessen benachteiligen. Insbesondere ist in der Verschiebung der Freistellungsphase gerade auch keine Verlängerung der Freistellungsphase zu sehen, da dem Beamten letztlich die Freistellungsphase in dem gleichen Umfang gewährt wird wie ursprünglich festgesetzt. Insoweit geht auch der Verweis der Beklagten, eine Verlängerung der Freistellungsphase erfolge gem. § 8b Abs. 2 BayAzV nur im Falle der sechs Monate überschreitenden Dauer einer Erkrankung während der Freistellungsphase, mithin gerade nicht bei einer Erkrankung in der Ansparphase, fehl. Die Freistellungsphase im vollen Umfang hat sich der Beamte gerade durch die Verlängerung der Ansparphase erdient. Zu einer Verlängerung der Freistellungsphase kommt es nicht.
Nach alledem musste vorliegend die Freistellungsphase der Klägerin für den vollen Zeitraum eines Jahres, somit vom 11. März 2021 bis zum 10. März 2022, festgesetzt werden. Die damit verbundenen entsprechenden Nachteile der Planung für den Beamten und den Dienstherrn sind nach bereits Ausgeführtem unvermeidbar und hinzunehmen.
Der Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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