Arbeitsrecht

Gebührenbemessung eines Rechtsanwalts

Aktenzeichen  S 28 SF 474/17 E

Datum:
3.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56769
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 14 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 56

 

Leitsatz

Hinsichtlich der Gebührenbemessung kommt es auf die Tätigkeiten des Rechtsanwalts in dem Zeitraum an, in dem er im Rahmen der Prozesskostenhilfe dem Kläger beigeordnet war (vgl. auch § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Auf die Erinnerung der Erinnerungsführer zu 1. und Erinnerungsgegner zu 2. wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des SG München vom 19.09.2017 dahingehend abgeändert, dass die von der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 782,43 Euro festgesetzt wird. Die Erinnerung des Erinnerungsgegners zu 1. und Erinnerungsführers zu 2. wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars, das den Erinnerungsführern nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist die Höhe der Verfahrens-, der Termins- und der Einigungsgebühr.
Die Erinnerungsführer zu 1. und Erinnerungsgegner zu 2. (im Folgenden: Erinnerungsführer) erhoben im Namen des Klägers am 04.10.2016 Klage wegen Leistungen nach dem SGB II (S 19 AS 2323/16). Mit Beschluss vom 14.06.2017 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe ab 02.06.2017 gewährt und die Erinnerungsführer beigeordnet. In der mündlichen Verhandlung am 25.07.2017 wurde ein verfahrensbeendender Vergleich geschlossen.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 02.08.2017 beantragten der Erinnerungsführer, die von dem Erinnerungsgegner zu 1. und Erinnerungsführer zu 2. (im Folgenden: Erinnerungsgegner) zu erstattenden Kosten auf 1.071,00 € festzusetzen:
Nr. 3102 VV RVG 300,00 €
Nr. 3106 VV RVG 280,00 €
Nr. 1005 VV RVG 300,00 €
Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme 900,00 €
Nr. 7008 VV RVG 171,00 € Gesamt 1.071,00 €
Der Kostenfestsetzungsantrag wurde nicht näher begründet.
Mit Schreiben vom 10.08.2017 wies der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Erinnerungsführer darauf hin, dass im Bewilligungszeitraum ab dem 02.06.2017 lediglich ein kurzes Schreiben an das Gericht übersandt worden sei. Insgesamt handele es sich um ein eher unterdurchschnittliches Verfahren und begründe den Ansatz unterhalb der Mittelgebühr. Im übrigen hätten die Erinnerungsführer eine Beratungsgebühr in Höhe von 85,00 € erhalten, die zur Hälfte anzurechnen sei.
Die Erinnerungsführer erklärten sich mit der beabsichtigten Gebührenkürzung nicht einverstanden. Alleine in dem Prozesskostenhilfeverfahren seien unzählige Schriftsätze bei Gericht eingereicht worden, die bei der Bewertung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit mit zu berücksichtigen seien. Zutreffend sei die Hälfte der Beratungshilfegebühr anzurechnen.
Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Vergütung mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.09.2017 auf 699,13 € fest:
Nr. 3102 VV RVG 200,00 €
Nr. 3106 VV RVG 210,00 €
Nr. 1006 VV RVG 200,00 €
Abzgl. Hälfte Beratungshilfe Nr. 2503 VV RVG -42,50
Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme 587,50 €
Nr. 7008 VV RVG 111,63 €
Gesamt 699,13 €
Es handele sich im vorliegenden Verfahren um einen Fall mit leicht überdurchschnittlicher Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, durchschnittlicher Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie weit unterdurchschnittlichem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Im Bewilligungszeitraum ab dem 02.06.2017 habe der Rechtsanwalt lediglich ein kurzes Schreiben an das Gericht übersandt. Vorherige Tätigkeiten könnten aufgrund des Wortlauts des Bewilligungsbeschlusses nicht berücksichtigt werden. Es sei von unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen. Das Haftungsrisiko wirke sich nicht erhöhend aus. Folglich handele sich um ein eher unterdurchschnittliches Verfahren und begründe den Ansatz aller Gebühren unterhalb der Mittelgebühr. Die Verfahrensgebühr und folglich auch die Einigungsgebühr seien mit 200 € sogar eher großzügig bewertet. Die Einbeziehung des gesetzlich eingeräumten Ermessens der Rechtsanwälte gem. § 14 Abs. 1 RVG sei im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen.
Gegen den am 22.09.2017 zugestellten Beschluss haben die Erinnerungsführer am selben Tag Erinnerung eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass die anwaltliche Tätigkeit die gerichtliche Interessenvertretung für ein Jahr seit Zustellung des angefochtenen Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 08.09.2016 am 14.09.2016 umfasse. Zugleich haben sie beantragt, den Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschluss vom 14.06.2017 dahingehend abzuändern, dass dem Kläger Prozesskostenhilfe nicht erst ab dem 02.06.2017, sondern ab der Antragsschrift vom 30.09.2016, bei Gericht eingegangen am 04.10.2016, bewilligt werde.
Der Erinnerungsgegner hat im Anschluss selbst Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.09.2017 eingelegt und beantragt die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 100,00 €, so dass sich eine Gesamtvergütung von 461,13 € ergebe. Eine Verfahrensgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr erscheine vorliegend ausreichend.
Die 19. Kammer des Sozialgerichts München hat die begehrte Änderung des PKH-Beschlusses als Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 14.06.2017 ausgelegt und diese mit Beschluss vom 24.01.2018 zurückgewiesen (S 19 AS 3036/17 RG).
Im Übrigen wird hinsichtlich des Sachverhalts auf die Gerichtsakte, auch in den Verfahren S 19 AS 2323/16 und S 19 AS 3036/17 RG, Bezug genommen.
II.
Die nach § 56 RVG zulässige Erinnerung der Erinnerungsführer hat in der Sache teilweise Erfolg. Hingegen bleibt die nach § 56 RVG zulässige Erinnerung des Erinnerungsgegners ohne Erfolg.
Im Ergebnis sind die den Erinnerungsführern zu erstattenden Kosten auf 782,43 € festzusetzen.
§ 14 Abs. 1 RVG lautet: „Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.“
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist vorliegend die Gebührenbestimmung der Erinnerungsführer als unbillig einzustufen.
Hinsichtlich der Gebührenbemessung kommt es auf die Tätigkeiten des Rechtsanwalts in dem Zeitraum an, in dem er im Rahmen der Prozesskostenhilfe dem Kläger beigeordnet war (vgl. auch § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG). Das BayLSG hat hierzu entschieden: „Was den Umfang des Vergütungsanspruchs betrifft, kann der beigeordnete Rechtsanwalt nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Maßgeblich ist derjenige Zeitpunkt, der im Beiordnungsbeschluss als Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beiordnung festgesetzt ist. (…) Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beiordnung ist für das Festsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG bindend; die inhaltliche Richtigkeit des Zeitpunktes kann nicht mehr überprüft werden (insoweit stehen dem unbemittelten Beteiligten Rechtsbehelfe im PKH-Verfahren zur Verfügung)“ (BayLSG, Beschluss vom 18.03.2015, Az. L 15 SF 241/14 E, Rn. 23 – juris; anders BayLSG, Beschluss vom 22.07.2010, Az. L 15 SF 303/09 B E, Rn. 21 – juris zu § 48 RVG a.F.).
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV):
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ab dem Zeitpunkt der Beiordnung ist als unterdurchschnittlich einzustufen. Zu berücksichtigen ist die Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung, der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs sowie die Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe (§ 48 Abs. 4 Satz 2 RVG). Letztere stellte sich hinsichtlich der Darstellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers in dem Verfahren als relativ aufwändig dar. Daneben ist nach Auffassung des Gerichts auch die Erstellung der Klagebegründung zu berücksichtigen, da der Antrag auf Prozesskostenhilfe zeitgleich mit der Klage(begründung) eingereicht wurde.
Nach Einschätzung des Gerichts ist die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als durchschnittlich zu bewerten.
Die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber ist als leicht überdurchschnittlich einzustufen. Streitgegenständlich war die Übernahme zusätzlicher monatlicher Mietkosten in Höhe von 123,26 € sowie die Nachzahlung eines Betrages von 211,50 €. Hierbei handelt es sich angesichts der finanziellen Situation des Klägers um nicht unerhebliche Beträge.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sind als unterdurchschnittlich zu bewerten (vgl. auch PKH-Beschluss vom 14.06.2017).
Anhaltspunkte für ein besonderes Haftungsrisiko der Prozessbevollmächtigten sind nicht ersichtlich.
Nach alledem handelt es sich gebührenrechtlich um einen unterdurchschnittlichen Fall. Unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände erscheint eine Verfahrensgebühr in Höhe von 200,00 € (zwei Drittel der Mittelgebühr) ausreichend und angemessen.
Terminsgebühr (Nr. 3106 VV)
Die Dauer des Termins ist das wesentliche Kriterium, denn damit wird der Aufwand des Rechtsanwalts in zeitlicher Hinsicht unmittelbar erfasst, den er für seine Anwesenheit bei dem Termin hat (BayLSG, Urteil vom 21. Januar 2015, Az. L 15 SF 100/14 E, Rn. 33 – juris). Vorliegend dauerte die mündliche Verhandlung, in der neben dem Verfahren S 19 AS 2323/16 auch das Verfahren S 19 AS 2689/14 verhandelt wurde, 95 Minuten. Mangels näherer Angaben ist für das vorliegende Verfahren die Hälfte, also 48 Minuten, zu veranschlagen. Hierbei handelt es sich um eine leicht überdurchschnittliche Dauer.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist als durchschnittlich zu bewerten, die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber als leicht überdurchschnittlich. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sind als unterdurchschnittlich einzustufen.
Die Terminsgebühr liegt nach alledem bei der Mittelgebühr (280,00 €).
Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV)
Eine Einigungsgebühr ist angefallen, da die Erinnerungsführer beim Abschluss des Vergleichs in der mündlichen Verhandlung mitgewirkt haben. Gem. Nr. 1006 VV entsteht die Gebühr in Höhe der Verfahrensgebühr. Maßgebend für die Höhe der Gebühr ist die im Einzelfall bestimmte Verfahrensgebühr in der Angelegenheit, in der die Einigung erfolgt. Folglich ist die Einigungsgebühr in Höhe von 200,00 € anzusetzen.
Die Postund Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV), war wie beantragt festzusetzen, die Hälfte der Beratungshilfegeschäftsgebühr (Nr. 2503 VV RVG) in Abzug zu bringen.
Die Gebührenbestimmung der Erinnerungsführer weicht um mehr als 20% von der Gebühr ab, die das Gericht für angemessen hält und ist daher als unbillig zu bewerten (vgl. zur Billigkeitskontrolle gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 315 Abs. 3 BGB analog BayLSG, Beschluss vom 01.04.2015, Az. L 15 SF 259/14 E, Rn. 29 – juris). Die Gebühr war aus diesem Grunde neu festzusetzen.
Demnach berechnet sich die Kostenerstattung wie folgt:
„Nr. 3102 VV RVG 200,00 €
Nr. 3106 VV RVG 280,00 €
Nr. 1006 VV RVG 200,00 €
Abzgl. Hälfte Beratungshilfe Nr. 2503 VV RVG -42,50
Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Zwischensumme 657,50 €
Nr. 7008 VV RVG 124,93 €
Gesamt 782,43 €
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.“


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