Arbeitsrecht

Gerichtskostenbefreiung, Gerichtskostenfreiheit, Eingezahlte Gerichtskosten, Erstattungsstreitigkeit, Sozialleistungsträger, Landessozialgericht, Beiträge zur Sozialversicherung

Aktenzeichen  L 12 SF 106/17 E

Datum:
24.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38139
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 64
SGB X § 64 Abs. 3 S. 2
SGG § 197a

 

Leitsatz

Träger der Sozialhilfe können nur in Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Sozialleistungsträgern Schuldner der Gerichtskosten sein.

Tenor

Die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 06.04.2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Streitig ist, ob der Erinnerungsgegner als überörtlicher Träger der Sozialhilfe Kostenschuldner der Gerichtskosten für das Verfahren L 19 R 405/14 ist.
Im Verfahren L 19 R 405/14 war streitig der Anspruch der Klägerin, einer Trägerin einer Werkstatt für behinderte Menschen, gegen den Erinnerungsgegner (nachfolgend Eg.) auf Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung nach § 179 Abs. 1 S. 2 SGB VI.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 04.06.2014 wurden beim Eg. sofort fällige Gerichtskosten aus einem Streitwert von 7.701,48 € in Höhe von 584,00 € erhoben. Die Zahlung ging am 03.09.2014 ein.
Mit Urteil vom 11.05.2016 hat das Bayerische Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts Würzburg aufgehoben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen, wo es unter dem Aktenzeichen S 15 SO 43/16 geführt wurde. Nach einem Anerkenntnis des Eg. vom 07.07.2016 erklärte die Klägerin am 03.08.2016 das Verfahren für erledigt. Der Streitwert für das Verfahren L 19 R 405/14 wurde mit Beschluss vom 06.04.2017 auf 7.701,48 € festgesetzt.
Mit einer weiteren Gerichtskostenfeststellung vom 06.04.2017 wurden dem E. die bereits eingezahlten Gerichtskosten in Höhe von 584,00 € erstattet, da es sich um keinen Fall des § 197a Abs. 3 SGG handele.
Der Erinnerungsführer (nachfolgend Ef.) legte am 07.04.2017 Erinnerung ein und beantragte, die vom E. aufgrund des Kostenanerkenntnisses de facto auch zu zahlenden Gerichtskosten anhand des mit Beschluss vom 06.04.2017 festgesetzten endgültigen Streitwertes auf 7.701,48 € auf 812,00 € festzusetzen. Vorsorglich werde die Aussetzung des Kostenverfahrens beantragt, bis die zuständige Kammer des Sozialgerichts Würzburg eine Kostengrundentscheidung nach § 197a SGG i.V.m. § 161 VwGO getroffen hat.
Die Staatskasse sei durch die Auszahlung der 584,00 € auch beschwert, obgleich die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die seit Jahren geübte Praxis am Bayerischen Landessozialgericht angewandt habe, die auf dem Beschluss des Gerichts vom 07.11.2007, Az. L 7 SF 55/07 AS beruhe. Danach hätten Sozialhilfeträger nur in Streitigkeiten mit anderen Sozialleistungsträgern Gerichtskosten zu zahlen.
Der Eg. hat sich nicht geäußert.
Die Gerichtsakten zum Verfahren L 19 R 405/14 lagen vor.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet.
1. Eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts – BayLSG -, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E und vom 15.12.2016, Az.: L 15 SF 331/16 E; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2016, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung.
2. Gerichtskosten für das Verfahren L 19 R 405/14 dürfen zu Lasten des Eg. gemäß § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X nicht erhoben werden.
Grundsätzlich hätte im Verfahren L 19 R 405/14 nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG auch für den Eg. Gerichtskostenpflicht bestanden, da weder der Eg. als Berufungskläger noch die Berufungsbeklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
Gemäß § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X sind in den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Sozialhilfe von den Gerichtskosten befreit. Der Eg. ist gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) ein überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Die Befreiung aus § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X gilt jedenfalls für alle Streitigkeiten, die in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den gesetzlichen Aufgaben des Trägers der Sozialhilfe stehen (BSG, Beschluss vom 28.01.2016, Az. B 13 SF 3/16 S, Rn. 7 – nach juris – unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 10.11.2005, Az. IX ZR 189/02). Dieser Zusammenhang besteht hier, da die Verpflichtung des Eg. als Kostenträger nach dem SGB XII zur Erstattung von Beiträgen gemäß § 179 Abs. 1 S. 2 SGB VI streitig war.
Eine Ausnahme von der Gerichtskostenbefreiung der Sozialhilfeträger nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X ergibt sich auch nicht aus § 64 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 SGB X, wonach § 197a SGG unberührt bleibt. Dieser Verweisung ist nur zu entnehmen, dass gemäß § 197a Abs. 3 SGG die Gerichtskostenfreiheit bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern nicht gilt. Eine darüber hinausgehende Gerichtskostenpflicht für die Träger der Sozialhilfe war vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt und ist auch aus den Gesetzesmaterialien nicht abzuleiten. § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X und § 197a Abs. 3 SGG sollen sicherstellen, dass die Träger der Sozialhilfe vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Sozialleistungsträgern zu den Gerichtskosten herangezogen werden können (BSG, Beschluss vom 28.01.2016, Az. B 13 SF 3/16, Rn. 9 – nach juris – unter Verweis auf Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 99. EL 2018, § 64 SGB X, Rn. 18; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 197a Rn. 2a; so auch Roos, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 64 Rn. 18d; Stotz, in: jurisPK-SGG, § 64 Rn. 20).
Um einen Erstattungsstreit im Sinne des § 197a Abs. 3 SGG handelte es sich im Verfahren L 19 R 405/14 nicht. Denn streitig war nicht die Erstattung von Sozialleistungen zwischen Sozialleistungsträgern, sondern die Erstattung der von der Klägerin bereits getragenen Beiträge zur Sozialversicherung durch den Eg. nach § 179 Abs. 1 S. 2 SGB VI. Die Klägerin war jedoch Trägerin einer Werkstatt für behinderte Menschen und kein Sozialleistungsträger.
Nach alledem ist die Gerichtskostenfeststellung vom 06.04.2017, mit welcher dem Eg. die bereits zu entgegen § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X erhobenen Gerichtskosten erstattet worden sind, nicht zu beanstanden.
Das LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt. Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung oder eine, die besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, liegt nicht vor.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Er ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).


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