Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Beihilfe für Aufwendungen für eine Sehhilfe

Aktenzeichen  AN 1 K 15.02405

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 96
BayBhV § 1 Abs. 2 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 1, § 22 Abs. 1
BeamtStG BeamtStG § 45

 

Leitsatz

Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollsteckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Beihilfe 1 – vom 7. Oktober 2015 – soweit angefochten (Versagung der Gewährung von Beihilfe zu Aufwendungen in Höhe von 196 EUR für die Beschaffung einer Brille) – in der Fassung des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 23. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragten Beihilfeleistungen für die Beschaffung einer Brille in der von ihm beantragten Höhe (Gläser: 144 EUR, Fassung: 52 EUR), da die Voraussetzungen für eine Beihilfefähigkeit nicht vorliegen und der hierdurch bewirkte Beihilfeausschluss rechtmäßig ist.
Ein Beihilfeanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus Art. 96 BayBG i. V. m. §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1 BayBhV. Nach Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG erhalten Beamte Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge. Nach § 7 Abs. 1 der gemäß Art. 96 Abs. 5 BayBG hierzu erlassenen Bayerischen Beihilfeverordnung sind Aufwendungen „nach den folgenden Vorschriften“ beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig sowie der Höhe nach angemessen sind und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. § 22 Abs. 1 BayBhV regelt als eine diesen Grundsatz konkretisierende Norm die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Sehhilfen. Danach sind diese beim volljährigen Kläger nur im Fall des Vorliegens einer der in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a bis d BayBhV genannten Indikationen beihilfefähig.
Darüber ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juli 2015, 14 B 13.654, zu der Erkenntnis gelangt, dass der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit für Sehhilfen für Volljährige nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV bzw. deren Beschränkung auf einige wenige Fälle von Blindheit oder der Blindheit nahekommender Sehschwächen in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV jedenfalls bei Vorliegen einer gravierenden Sehschwäche gegen das in § 45 Abs. 1 BeamtStG für die Beamten der Länder einfachgesetzlich geregelte und in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgeprinzip verstoße, wonach der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten zu sorgen habe (BayVGH, U. v. 14.07.2015, Az. 14 B 13.654, Rdnr. 22, juris).
Unzweifelhaft liegen beim Kläger keine der in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV genannten Indikationen vor. Auch handelt es sich hier nicht um einen auch nur annähernd vergleichbaren Fall einer dermaßen gravierenden Sehschwäche, welche dem Ausgangsfall des BayVGH zugrunde gelegen hatte. Diese hatte nämlich eine Stärke erreicht (Myopia per magna – hohe Kurzsichtigkeit, ca. -13 dpt.), die dem dortigen Kläger ohne eine Sehhilfe die wesentlichen Verrichtungen des täglichen Lebens unmöglich gemacht hätte. Hingegen liegt beim Kläger des gegenständlichen Verfahrens, dessen Kurzsichtigkeit laut ärztlicher Brillenverordnung vom 27. November 2014 -4,25 dpt und -4,00 dpt beträgt, nach den im Internet recherchierbaren Kategorien (vgl. www.brillensehhilfen.de) zwar eine das ständige Tragen einer Brille (oder Sehhilfe) erfordernde moderate Kurzsichtigkeit vor, die jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung auch ohne Sehhilfe nicht einer faktischen Blindheit gleichkäme. Insbesondere kann sich der Kläger auch nicht auch nicht auf die von ihm zur Klagebegründung zum Teil wortwörtlich übernommenen Ausführungen des BayVGH im oben genannten Urteil vom 14. Juli 2015 berufen, da die dortigen Feststellungen des BayVGH zu einem anders gelagerten und nach objektiven Kriterien, nicht mit dem Fall des Klägers (Minusstärken: 4,25 dpt. und 4,00 dpt) vergleichbaren Sachverhalt, nämlich dem Fall eines Beamten mit einer sehr hohen Kurzsichtigkeit von ca. -13 dpt. getroffen wurden.
Nachdem vorliegend kein Fall einer solchen gravierenden Sehschwäche gegeben ist, stellt sich auch nicht mehr die Frage, ob die Umsetzung der Entscheidung des BayVGH durch das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – sich als zu eng erweist, wenn eine solche erst ab einer Größenordnung von mindestens -10 dpt. angenommen wird.
Die Kammer hat – über die Notwendigkeit einer Beihilfeleistung für Fälle einer gravierenden Sehschwäche hinaus – keine Zweifel an der Wirksamkeit der Vorschriften der BayBhV und ihrer jeweiligen Ausführungsbestimmungen. Insbesondere ist der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Sehhilfen neben den oben genannten Ausnahmen mit höherrangigem Recht vereinbar.
Die Ablehnung der weitergehenden Beihilfeleistung über diese Fälle hinaus verletzt nämlich nicht die Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG). Die Beihilferegelungen sind selbst eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht, so dass Ansprüche aus dieser Pflicht des Dienstherrn nur abgeleitet werden können, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre (BVerwG, Urt. v. 10.6.1999, Az. 2 C 29/98, Rdnr. 22, juris, m. w. N.). Ihrem Wesen nach ist die Beihilfe eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Dabei ergänzt die Beihilfe nach der ihr zugrundeliegenden Konzeption lediglich die Alimentation des Beamten (BVerwG, U.v. 20.3.2008, Az. 2 C 49.07, Rdnr. 20, juris; vgl. auch VG Bremen, U. v. 10.11.2015, Az. 2 K 695/14, Rdnr. 23, juris). Der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten soll auch im Krankheits- und Pflegefall gesichert werden. Dem Dienstherrn ist es daher grundsätzlich nicht verwehrt, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten; das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen eines medizinisch notwendigen Arzneimittels in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Medikamente und Hilfsmittel ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet (BayVGH, a. a. O., Rdnr. 24, juris).
Insbesondere ist es dem Gesetz- und Verordnungsgeber nach Auffassung der Kammer rechtlich möglich, die Beihilfeleistungen für Hilfsmittel wie einer Brille ähnlich den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 33 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 12 Abs. 1 Spiegelstr. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie/HilfsM-RL) in der Neufassung vom 21. Dezember 2011 zu beschränken.
Dabei ergibt sich auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dadurch, dass nur für bestimmte Diagnosen ein Beihilfeausschluss bzw. eine Beihilfegewährung vorgesehen wird (noch offengelassen: BayVGH, a. a. O., Rdnr. 32, juris). Hinsichtlich der Schwere der Sehbeeinträchtigungen wurde nämlich nach Auffassung des Verordnungsgebers keine bloß quantitativ bedeutsame Unterscheidung getroffen. Vielmehr ergibt sich aus den in § 22 Abs. 1 Nr. 2 BayBhV genannten Ausnahmefällen – wie auch aus der vom BayVGH zusätzlich angenommenen Ausnahme der gravierenden Sehschwäche – ein qualitativer Unterschied in der Beeinträchtigung, weshalb ein genügender sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorliegt. Aus diesem Grund ist mit Art. 96 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 lit. b BayBG auch eine genügende Verordnungsermächtigung für den vorgenommenen Ausschluss der Beihilfegewährung gegeben, weil nach qualitativ unterschiedlichen Indikationen unterschieden wurde.
Auch liegt keine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht wegen einer unzumutbaren Belastung des Beamten durch die Aufwendungen für die Brille als medizinisches Hilfsmittel vor (vgl. zur Unzumutbarkeit BVerwG, Urt. v. 10.10.2013, 5 C 32/12, Rdnr. 25, juris, m. w. N.; VG Ansbach, Urt. v. 16.06.2010, AN 15 K 10.00165; VG Bayreuth, Urt. v. 23.02.2015, B 5 K 14.1, Rdnr. 28, juris). Eine derartige unzumutbare Belastung für den Kläger durch die von ihm begehrten ungedeckten Aufwendungen in Höhe von 196,00 EUR ist jedoch nach Auffassung des Gerichts keinesfalls gegeben, da es sich lediglich um einmalige Kosten innerhalb eines längeren Zeitraums handelt, die – auf diesen bezogen – jedenfalls als vom Beamten leistbar angesehen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Nach Auffassung der Kammer weicht das Urteil nicht von der oben genannten Entscheidung des BayVGH vom 14. Juli 2015, 14 B 13.654, ab (vgl. §§ 124 Abs. 2 Nr. 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO), da der dort entschiedene Fall einen objektiv anders gelagerten Sachverhalt (Myopia per magna von -13 dpt.) betrifft.
Zum anderen handelt es sich vorliegend nicht um eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage i. S. d. §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO, insbesondere fehlt es bereits an der Klärungsbedürftigkeit der Reichweite einer gravierenden Sehschwäche, nachdem es bei der Kurzsichtigkeit des Klägers von -4,25 dpt. und -4,00 dpt. ersichtlich kein derartiger Fall gegeben ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 196,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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