Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer im Rahmen der Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  13 T 4807/16

Datum:
30.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 104453
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 33 Abs. 3, § 55, § 56
ZPO § 104 Abs. 2 S. 3, § 122 Abs. 1 Nr. 3, § 126
UStG § 14 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Staatskasse stellt im Falle der Vorsteuerabzugsberechtigung der obsiegenden Partei dem Gegner wegen § 104 ZPO nur den Nettobetrag in Rechnung. (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

281 C 30021/14 2016-02-25 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 11.01.2016 wird zurückgewiesen.
2. Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.
3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der … Mit der Klage machte er einen Rückgewähranspruch aufgrund insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit gemäß §§ 129, 130 f., 134, 143 InsO in Höhe von 1.200 € zzgl. Zinsen geltend und beantragte Prozesskostenhilfe. Diese wurde ihm mit Beschluss des Landgerichts. München I vom 24.07.2015 bewilligt (Bl. 67/70 d. A.).
Am 15.09.2015 erließ das Amtsgericht München gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil, der hiergegen eingelegte Einspruch wurde zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 17.12.2015 beantragte der Klägervertreter gemäß § 55 RVG die Festsetzung der von der Staatskasse zu erstattenden Prozesskostenhilfe-Vergütung in Höhe von 227 € zuzüglich 43,14 € Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV (19%).(Bl. 72/73).
Mit Schreiben des Amtsgerichts München vom 28.12.2015 wurde der Klägervertreter um Mitteilung gebeten, ob die … zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, da in diesem Fall die Mehrwertsteuer als „durchlaufender Posten“ nicht erstattungsfähig sei.
Mit Schreiben vom 04.01.2016 (Bl. 75) führte der Klägervertreter aus, seiner Ansicht nach stehe dem Rechtsanwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG ein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gegen die Staatskasse auch dann zu, wenn seine Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, Vergütungsschuldner sei die Staatskasse, nicht die Partei. Anders als bei der Kostenerstattung von der Gegenseite sei die Umsatzsteuer daher nicht abzuziehen, § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO finde im Festsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG keine Anwendung.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 11.01.2016 (Bl. 76/77) wurde die aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfe auf 227 € festgesetzt. Die Mehrwertsteuer wurde dabei wegen offensichtlicher Vorsteuerabzugsberechtigung der Partei nicht erstattet, da der vom Prozessbevollmächtigten in Rechnung zu stellende Mehrwertsteuerbetrag bei Vorsteuerabzugsberechtigung der „armen“ Partei für diese ein durchlaufender Posten sei.
Mit Schreiben vom 15.01.2016 (Bl. 78/80) hat der Klägervertreter gegen diesen Beschluss Erinnerung nach § 56 RVG eingelegt. Darin wird ausgeführt, die vom Amtsgericht zitierte BGH – Rechtsprechung (Beschluss vom 12.06.2006, II ZB 21/05) beziehe sich auf das Verfahren nach § 126 ZPO gegen die unterlegene gegnerische Partei. Die dort dargelegten Grundsätze wurden gegenüber der Staatskasse nicht gelten.
Die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht München I hat mit Schreiben vom 02.02.2016 (Bl. 82/84) dahingehendend Stellung genommen, die vom beigeordneten Rechtsanwalt gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 13 a Abs. 1 Nr. 1 zu entrichtende Umsatzsteuer müsse gegenüber der eigenen Partei geltend gemacht werden. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers stünde sowohl im Verfahren nach § 104 ZPO als auch im Verfahren nach § 126 ZPO dem Ansatz der Umsatzsteuer entgegen. Die Gegenseite dürfe nicht mit der vom Kläger geschuldeten Umsatzsteuer belastet werden, weil dieser deren Erstattung vom Finanzamt verlangen könne. Der Schutzzweck des § 122 ZPO stünde dem nicht entgegen, weil diese Vorschrift systemkonform mit den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes teleologisch zu reduzieren sei. Dieselben Grundsätze gälten auch im Festsetzungsverfahren gegen die Staatskasse. Bei der Frage der Festsetzung der Umsatzsteuer komme es nicht darauf an, wer Vergütungsschuldner, sondern wer Auftraggeber sei. Die sei jedoch weiterhin die bedürftige Partei und nicht die Staatskasse. Da der beigeordnete Rechtsanwalt schon aus steuerrechtlichen Gründen verpflichtet sei, der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen, gebiete diese Sachbehandlung auch die Einheit der Rechtsordnung.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 25.02.2016 (Bl. 89/90) wurde die Erinnerung vom 15.01.2016 zurückgewiesen. Im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bestünde dieselbe Interessenlage wie im Verfahren nach § 126 ZPO, für das der BGH die Erstattungspflicht der eigenen Partei festgestellt habe.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 1, 2 i. V. m. 33 Abs. 3 RVG eingelegte Beschwerde ist zulässig. Zwar ist der Beschwerdewert von 200 € (§ 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG) nicht erreicht. Das Amtsgericht hat aber im angefochtenen Beschluss die Beschwerde gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassen. Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb von zwei Wochen gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG eingelegt worden.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht von der Festsetzung der Umsatzsteuer in Höhe von 43,13 € abgesehen. Bei der Festsetzung der Vergütung des dem Beschwerdeführer beigeordneten Rechtsanwalts ist die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen, da der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Mach § 55 Abs. 5 RVG gilt im Verfahren über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung § 104 Abs. 2 ZPO entsprechend. Gemäß § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO werden Umsatzsteuerbeträge im Kostenfestsetzungsverfahren dann berücksichtigt, wenn der Antragsteller erklärt, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Gegner einer vorsteuerabzugsberechtigten Partei nicht mit der Umsatzsteuer belastet wird, wenn diese selbst aufgrund der Vorsteuerabzugsberechtigung in dieser Höhe letztlich nicht belastet ist, weil sie den Betrag dem Finanzamt gegenüber geltend machen kann. Diese Regelung gilt entsprechend der Verweisung des § 55 Abs. 5 RVG auch im Verfahren über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung. Wie das Amtsgericht gemäß Aktenvermerk Bl. 81 zutreffend ausführt, kann die Staatskasse im Falle der Vorsteuerabzugsberechtigung der obsiegenden Partei dem Gegner wegen § 104 ZPO nur den Nettobetrag in Rechnung stellen. Würde man die Mehrwertsteuer im Verfahren nach § 55 RVG festsetzen, müsste die Landesjustizkasse die Mehrwertsteuer letztlich allein tragen, obwohl diese für den vorsteuerabzugsberechtigten Kläger ein durchlaufender Posten wäre. Dies widerspricht dem der Prozesskostenhilfe zugrundeliegenden Prinzip, eine mittelose Partei nur in dem Umfang zu entlasten, indem sie selbst nicht zur Kostentragung in der Lage ist. Soweit die Partei jedoch durch die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs zur Begleichung ihrer Rechtsanwaltskosten in der Lage ist, ist ein Schuldenübernahme durch die Staatskasse nicht erforderlich. Dies führt auch nicht, wie vom Klägervertreter vorgetragen, zu einer unbilligen Verkürzung der Anwaltsbezüge. Denn der seinerseits mehrwertssteuerpflichtige Rechtsanwalt kann die Mehrwertsteuer gegenüber seiner prozesskostenhilfe- und vorsteuerabzugsberechtigten Partei geltend machen.
Dem steht auch nicht die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entgegen. Zwar bewirkt nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte nicht mehr Ansprüche auf Vergütung gegen ihre Partei geltend machen können; dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 12.06.2006, II ZB 21/05 nicht für die Mehrwertsteuer, soweit die bedürftige Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist (so auch Thomas/Putzo; ZPO, 37. Auflage § 122 Rn. 3).
Der BGH führt in dieser Entscheidung aus, dass die Vorsteuerabzugsberechtigung einer Partei nicht nur dem Ansatz der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren zwischen dem Kläger und dem Beklagten (§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO), sondern auch in dem Verfahren nach § 126 Abs. 1 ZPO betriebenen Verfahren entgegensteht. Wie bei einer nicht bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei ist der Rechtsanwalt darauf verwiesen, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen und darf nicht die Gegenseite damit belasten; Zwar dürfe ein Rechtsanwalt grundsätzlich nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegenüber seiner Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Ansprüche auf Vergütung nicht geltend machen. Diese Vergütung umfasse nach § 1 Abs. 1 RVG neben Gebühren auch die Auslagen des Rechtsanwalts, zu denen nach Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auch die Umsatzsteuer auf die Vergütung gehört. Soweit die bedürftige Partei – ausnahmsweise – zum Abzug der Vorsteuer berechtigt sei, ist der Schutzzweck des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedoch nicht berührt; die Vorschrift mit ihrem zu weit gehenden Wortlaut ist systemkonform mit den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes teleologisch zu reduzieren. Dies gebiete auch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, da der Rechtsanwalt schon aus steuerrechtlichen Gründen – unter Drohung, wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 UStG) – verpflichtet ist, auch der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen. Die Rechnung habe der Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 UStG), also demjenigen zu erteilen, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH, Urt. v. 7. November 2000 – V R 49/99, DStR 2001, 212, 213 m.w.Nachw.). Das sei seine eigene Partei als Auftragsgeberin, nicht aber die Gegenpartei oder die Staatskasse.
Auf Basis dieser Rechnung könne eine solche Partei vom Finanzamt Erstattung der an den Rechtsanwalt zu zahlenden Umsatzsteuer verlangen, so dass der Betrag – als durchlaufender Posten – wirtschaftlich nicht von der bedürftigen Partei getragen werden muss, sie deshalb nicht belastet und an einer Prozessführung nicht hindert.
Diese vom BGH skizzierten Grundsätze gelten entgegen der Auffassung des Beschwerdeführervertreters auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG.
Dafür spricht zum einen schon der klare Wortlaut der Verweisungsnorm des § 55 Abs. 5 RVG, der keinerlei Einschränkung bezüglich § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO macht. Zu Recht weist in diesem Zusammenhang das OLG Celle (2 W 217/13, Beschluss vom 04.10.2013) darauf hin, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 55 RVG bei Erlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 in Kenntnis der Rechtsprechung und Kommentarliteratur unverändert gelassen hat. Die Entscheidung des OLG Hamburg, auf die sich der Klägervertreter primär stützt (Beschluss vom 19.06.2013, 4 W 60/13), erfolgte vor Erlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und konnte diese Entwicklung daher nicht berücksichtigen.
Eine teleologische Reduktion der Verweisungsnorm des § 55 Abs. 5 RVG ist zudem auch materiellrechtlich nicht erforderlich. Die Annahme des OLG Hamburg (a. a. O.), wegen der Auswechslung des Vergütungsschuldners im Prozesskostenhilfeverfahren bestehe nunmehr ein Anspruch auf Erstattung durch die Staatskasse, geht fehl, weil die Umsatzsteuerpflicht nicht an der Frage anknüpft, wer Vergütungsschuldner, sondern wer Auftraggeber ist; dies bleibt aber auch bei Gewährung von Prozesskostenhilfe stets die Partei selbst. Damit widerspricht eine Erstattung der Umsatzsteuer durch die Staatskasse der umsatzsteuerrechtlichen Systematik. Sie eröffnet zudem eine Missbrauchsgefahr dahingehend, dass die Partei den Vorsteuerabzug geltend machen könnte, ohne die Umsatzsteuer jemals selbst begleichen zu müssen.
Eine Erstattung durch die Staatskasse widerspräche zudem dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, die Partei nur insoweit zu entlasten, als sie auch tatsächlich bedürftig ist.
Gegen diese Entscheidung wird auf Antrag die weitere Beschwerde zugelassen, da zu dieser Problematik divergierende OLG – Entscheidungen vorliegen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG i. V. m. § 33 Abs. 6 RVG.


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