Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf verblockte Teilzeit für den Ferienmonat August

Aktenzeichen  12 Ca 2177/18

Datum:
9.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 26964
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TzBfG § 8 Abs. 1
BGB § 242
BEEG § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Ein Organisationskonzept des Arbeitgebers, nach dem die Arbeitnehmer nur bis zu 15 Tagen in den Sommerferien (die regelmäßig den August erfassen), im Übrigen aber in anderen Schulferien nehmen sollen, um so Personalengpässen im August vorzubeugen und eine gleichmäßige Belastung der Arbeitnehmer sicherzustellen, steht einem Anspruch auf verblockte Teilzeit nur im August jeden Jahres entgegen. (Rn. 18 – 20) (red. LS Ulf Kortstock)
2. Der Anspruch auf Teilzeit gem. § 8 Abs. 1 TzBfG besteht zwar auch für geringfügige Arbeistzeitreduzierungen, dann kann aber in der Ausübung einer formalen Rechtsposition, an deren Ausübung ein erkennbares Interesse nicht ersichtlich ist, eine unzulässige Rechtsausübung liegen; vorliegend ergibt sich dies aus dem Ziel, über den verblockten Teilzeitanspruch die Verteilung des Urlaubs auf den August jeden Jahres ohne Berücksichtigung der Interessen der anderen Arbeitnehmer durchzusetzen. (Rn. 21 – 23) (red. LS Ulf Kortstock)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.100,00 Euro festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Gründe

I.
Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Nürnberg ist gemäß § 48 Abs. 1 a ArbGG gegeben.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit um 1/12 bei einer jährlichen Freistellung im Kalendermonat August zuzustimmen.
1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten besteht länger als sechs Monate (vgl. § 8 Abs. 1 TzBfG). Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer (vgl. § 8 Abs. 7 TzBfG).
2. Dem Begehren des Klägers stehen allerdings betriebliche Gründe entgegen.
a) Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe hat (BAG 20.01.2015 – 9 AZR 735/13; 13.11.2012 – 9 AZR 259/11; LAG Köln 24.05.2017 – 3 Sa 830/16).
Nach der Rechtsprechung erfolgt die Prüfung der Gründe des Arbeitgebers regelmäßig in drei Stufen. Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt (erste Stufe). In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). Schließlich ist das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen (dritte Stufe). Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BAG 20.01.2015 – 9 AZR 735/13; 13.11.2012 – 9 AZR 259/11; LAG Köln 24.05.2017 – 3 Sa 830/16).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze stehen dem Begehren des Klägers betriebliche Gründe entgegen.
aa) Die Beklagte hat ein Konzept für die Arbeitszeit etabliert. Sie hat eine „Verfahrensanweisung Urlaubsantrag 2018“ vorgelegt. Das einfache Bestreiten der Existenz und des Inhalts der Verfahrensanweisung durch den Kläger ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend. Er hat keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich eine Unwirksamkeit der vorgelegten Verfahrensanweisung, eine abweichende Regelung oder eine abweichende tatsächliche Handhabung ergeben soll. Die Verfahrensanweisung bezieht sich zwar nicht unmittelbar auf Fallgestaltungen wie die vorliegende, in der die individuelle Verteilung der Arbeitszeit festgelegt werden soll. Sie enthält aber eine Regelung, welche die bayerischen Sommerferien betrifft, die regelmäßig den Kalendermonat August enthalten. Im Rahmen des Konzepts werden maximal 15 Arbeitstage für diesen Zeitraum als Urlaub gewährt. Dies zeigt, dass die Beklagte Instrumente entwickelt hat, um zum einen den Betriebsablauf im August zu sichern und etwaigen Personalengpässen vorzubeugen, sowie zum anderen die Mitarbeiter möglichst gleichmäßig an den entstehenden Belastungen zu beteiligen. Es wird deutlich, dass die Beklagte eine zu hohe Belastung der im Betrieb verbleibenden Mitarbeiter zu Gunsten einzelner Mitarbeiter verhindern will. Dieses Konzept spiegelt sich auch in der „gemeinsamen Protokollnotiz zu den Gesamtbetriebsvereinbarungen (GBV) 38 A/2010 und 38 B/2011 über die Führung und Abwicklung von Langzeitkonten“ wider. Hiernach sollen Entnahmen aus dem Langzeitkonto im Regelfall in den – in Absprache mit dem Gesamtbetriebsrat ausdrücklich als „Schwachlastphase“ bezeichneten – Monaten Oktober bis März gewährt werden. Mit beiden Regelungswerken verfolgt die Beklagte erkennbar das Ziel, außerhalb der „Schwachlastphase“, also auch im Monat August, die Abwesenheitszeiten zu regulieren und eine gerechte Verteilung der Arbeitslast auf die Mitarbeiter in diesen Zeiträumen zu ermöglichen. Die so gewährleistete gerechte Verteilung von Urlaubs- und Freizeitwünschen auf alle Mitarbeiter stellt ein betriebliches Organisationskonzept dar, das einem individuellen Teilzeitverlangen eines Mitarbeiters entgegenstehen kann (vgl. LAG Köln 24.05.2017 – 3 Sa 830/16 – Rn. 22).
bb) Das Organisationskonzept steht dem Verlangen des Klägers entgegen. Dieser begehrt jährlich wiederkehrend den Monat August arbeitsfrei zu bekommen. Gerade in diesem Zeitraum sollen arbeitsfreie Tage nach dem Konzept der Beklagten jedoch reduziert werden. Es kann deshalb offen bleiben, ob die von der Beklagten vorgetragenen und vom Kläger bestrittenen Zahlen zu Umsätzen, Mehrarbeit und abgelehnten Urlaubsanträgen im August zutreffen. Jedenfalls gehört der Monat August nicht zu der bei der Beklagten existierenden „Schwachlastphase“ zwischen Oktober und März. Naturgemäß gehört der August zu den Monaten, in denen zahlreiche Mitarbeiter Urlaub nehmen wollen und unstreitig werden auch bei der Beklagten für August zahlreiche Urlaubsanträge gestellt. Eine jährlich wiederkehrende Freistellung des Klägers für den gesamten August würde die Situation zu Lasten anderer Mitarbeiter deutlich verschlechtern.
cc) Das Organisationskonzept der Beklagten würde durch die vom Kläger gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt. Die entgegenstehenden betrieblichen Gründe überwiegen die Interessen des Klägers an der Durchsetzung seines Teilzeitbegehrens. Dieser hat zwar ein nachvollziehbares Interesse an einer Freistellung im August, da er ein schulpflichtiges Kind hat. Er befindet sich aber nicht in einer Sondersituation gegenüber vergleichbaren Mitarbeitern mit Kindern. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger nicht – wie die anderen Mitarbeiter – ihm zustehenden Urlaub teilweise in den Sommerferien und teilweise in anderen Schulferien nehmen kann, um Freizeit mit seinem Kind zu verbringen. Unabhängig davon, wie viele weitere Mitarbeiter Kinder haben – was zwischen den Parteien streitig geblieben ist -, geht das Begehren des Klägers erkennbar zu Lasten der vergleichbaren Mitarbeiter. Diese würden bei ihren Urlaubswünschen in den Sommermonaten noch stärker eingeschränkt als bisher, wohingegen der Kläger im gesamten Monat August freigestellt wäre. Eine derartige Umverteilung der begrenzten Freizeitkapazitäten zu Gunsten des Klägers und zu Lasten der anderen Mitarbeiter erscheint dem Gericht sachlich nicht gerechtfertigt. Nach alledem wiegen die betrieblichen Gründe der Beklagten im Ergebnis schwerer als das Interesse des Klägers an der Durchsetzung seines Teilzeitbegehrens.
3. Dem Teilzeitbegehren des Klägers steht darüber hinaus der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.
a) Der in § 8 TzBfG geregelte Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit und der in § 9 TzBfG geregelte Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit sollen den Wechsel von einer Vollzeit – in eine Teilzeitbeschäftigung oder umgekehrt erleichtern. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit dient der Schaffung von Teilzeitstellen und vor allem der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Anders als § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG enthält § 8 TzBfG keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung und knüpft den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nicht an ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung. Dies bewirkt, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch Anspruch auf eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit haben kann. Verlangt ein Arbeitnehmer, dass seine Arbeitszeit nur geringfügig reduziert wird, indiziert dies nicht per se einen Rechtsmissbrauch. Anderenfalls würde das Ziel des Gesetzgebers unterlaufen, der die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 TzBfG nicht an ein bestimmtes Restarbeitszeitvolumen gebunden hat. Liegen allerdings im Einzelfall besondere Umstände vor, die darauf schließen lassen, der Arbeitnehmer wolle die ihm gemäß § 8 TzBfG zustehenden Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und der Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, kann dies die Annahme eines gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlichen Verringerungsverlangens rechtfertigen (vgl. BAG 11.06.2013 – 9 AZR 786/11 – Rn. 11 m.w.N.). Ein Rechtsmissbrauch kann auch aus der sog. Zweck-Mittel-Relation folgen, wenn der Arbeitnehmer eine formale Rechtsposition nutzt, um einen Anspruch geltend zu machen, an dem er isoliert betrachtet kein erkennbares Interesse hat, um diesen wiederum zu nutzen, um eine unabhängig vom Arbeitszeitvolumen in seinem Interesse liegende Arbeitszeitgestaltung zu erreichen, auf die er isoliert betrachtet keinen Anspruch hat (vgl. BAG 11.06.2013 – 9 AZR 786/11 – Rn. 12).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze stellt das Verlangen des Klägers eine unzulässige Rechtsausübung dar. Der Umfang der gewünschten Arbeitszeitverringerung beträgt vorliegend 1/12 und ist damit noch als geringfügig anzusehen. Der vom Kläger begehrte Freistellungszeitraum im gesamten Kalendermonat August liegt in einem Zeitraum, in dem erfahrungsgemäß viele Mitarbeiter der Beklagten ihrerseits von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung urlaubsbedingt freigestellt werden wollen. Eine Freistellung ist regelmäßig allerdings nur im Wege eines Urlaubsantrages zu erreichen. Für die Bewilligung von Urlaub gilt in den Sommerferien die einschränkende Regelung der „Verfahrensordnung Urlaubsantrag 2018“, die eine möglichst gerechte Verteilung des knappen Gutes „Urlaub“ gewährleisten soll. Diesen für alle Arbeitnehmer geltenden Vergabemechanismus würde der Kläger mit seinem Teilzeitbegehren durchbrechen, welches ihm – zusätzlich zu seinem Urlaubsanspruch – eine blockweise Freistellung im August garantiert, ohne dass er an die bei der Beklagten geltende Einschränkung gebunden wäre. Letztlich würde der Kläger also eine nach § 8 TzBfG bestehende formale Rechtsposition nutzen, um einen Freistellungsanspruch durchzusetzen, der als Urlaubsanspruch nicht durchsetzbar wäre. Dies geschähe zu Lasten der anderen Mitarbeiter. Ein solches Vorgehen erachtet das Gericht als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.
4. Nachdem der Kläger sein Verringerungsverlangen von der gewünschten Arbeitszeitverteilung, nämlich der jährlichen Freistellung im August, abhängig gemacht hat, ist die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV.
Der Streitwert war gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO festzusetzen. Er beträgt drei Bruttomonatsgehälter.
V.
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ergeht gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG. Die Berufung kann gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG eingelegt werden. Umstände, welche die gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG begründet hätten, sind nicht gegeben.


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