Arbeitsrecht

Keine Besorgnis der Befangenheit

Aktenzeichen  24 O 9555/19

Datum:
15.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24036
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO §§ 42 ff.

 

Leitsatz

Verfahrensweise und Rechtsauffassung eines Richters sind nur in Ausnahmefällen Grund für eine Ablehnung; dies kommt in Betracht, wenn für die richterliche Handlung eine ausreichende gesetzliche Grundlage völlig fehlt und sie so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber einer Partei beruht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag des Klägervertreters vom 03.12.2019, die Einzelrichterin … wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 03.12.2019, Bl. 71 d.A., Gegenvorstellung gegen den von der Einzelrichterin … erlassenen Beweisbeschluss vom 15.11.2019 erhoben und diese zugleich als befangen abgelehnt, er hat beides mit dem genannten Schriftsatz begründet. Die Einzelrichterin … hat am 16.12.2019 eine dienstliche Stellungnahme abgeben (Bl. 80 d.A.). Beide Parteivertreter hatten die ihnen eingeräumte Gelegenheit hierzu Stellung zu nehmen genutzt, der Klägervertreter nahm mit Schriftsatz vom 10.01.2020 Stellung; der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 09.01.2020, in dem er sich dem Gesuch des Klägervertreters anschloss.
II.
Der Klägervertreter begründet seine Gegenvorstellung und seinen Befangenheitsantrag damit, dass der von der abgelehnten Richterin erlassene Beweisbeschluss vom 15.11.2019 (Bl. 68 d.A.) gegen fundamentale Grundsätze der ZPO verstößt. Es würde damit Beweis über unstrittige Tatschen erhoben werden. Zudem sei die Richterin in der Sitzung vom 15.11.2019 unvorbereitet gewesen, so habe sie beispielsweise nicht mehr in Erinnerung gehabt, dass die Beklagten vom persönlichen Erscheinen entbunden wurden und habe den Akteninhalt nicht mehr verinnerlicht gehabt, auch habe sie nicht geklärt, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Nr. 1 Satz 2 VOB/B vorlägen. Durch Erlass des Beweisbeschlusses am Verhandlungstag sei zudem rechtliches Gehör verletzt worden, weil schriftsätzlicher Vortrag nicht mehr gewürdigt werden konnte.
III.
Die Befangenheitsanträge gegen die Einzelrichterin … sind unbegründet.
Nach § 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn vom Standpunkt des Ablehnenden aus die Unparteilichkeit des Richters nicht gewährleistet ist. Hierzu bedarf es objektiver Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen scheiden aus (Zöller, 31. Aufl., § 42 Rn 9). Hierzu zählen Verstöße gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot, die negative Einstellung gegenüber einer Partei unter Bevorzugung der anderen Partei und unsachliche Äußerungen oder die willkürliche Benachteiligung oder Behinderung einer Partei bei der Ausübung ihrer Rechte. Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, weil dies den Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit berührt (OLG München 32 W 1544/19). Verfahrensweise und Rechtsauffassung eines Richters sind nur in Ausnahmefällen Grund für eine Ablehnung, und zwar dann, wenn für die richtliche Handlung eine ausreichende gesetzliche Grundlage völlig fehlt und sie so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber einer Partei beruht (KG NJW 2004, 2104; Zöller, 33. Aufl. § 42 Rn. 28).
Gemessen an diesen Voraussetzungen kann das Verhalten der abgelehnten Richter aus der objektiven Sicht einer Partei kein Misstrauen gegen die Parteilichkeit im Sinne von § 42 ZPO rechtfertigen.
Der Beweisbeschluss ist eine materielle Entscheidung der Richterin, die dem ureigensten Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit unterliegt und gegen den eine Gegenvorstellung und nicht ein Befangenheitsantrag statthaft ist. Das Befangenheitsverfahren kann so auch nicht zu der vom Kläger eigentlich begehrten Aufhebung des Beschlusses führen. Für die entscheidende Kammer sind auch die vom Kläger vorgetragenen Umstände seines Erlasses kein Anlass an der Unparteilichkeit der Richterin zu zweifeln, eine Benachteiligung einer Partei ist nicht ersichtlich. Die Richterin wäre zudem nicht gehindert, nach Eingang der Schriftsätze den Beweisbeschluss zu ändern. Auch die zusätzlich zur Begründung angeführten Gesichtspunkte der behaupteten ungenügenden Vorbereitung weisen – selbst bei Wahrunterstellung – für einen objektiven Beobachter nicht darauf hin, dass die Richterin nicht neutral war. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass ausweislich des Protokolls des frühen ersten Termins die Richterin in den Sach- und Streitstand eingeführt und Fragen an die Parteien gestellt hat. Es ist auch die Verfahrensart zu berücksichtigen: Ziel eines frühen ersten Termins ist ein erster Austausch und nicht eine endgültige rechtliche Erörterung.


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