Arbeitsrecht

Keine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken nach deutlich überlanger Vorbereitungsdauer

Aktenzeichen  10 CS 19.445

Datum:
16.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13683
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 16 Abs. 2 S. 4

 

Leitsatz

1. Eine deutlich überlange Dauer der Studienvorbereitung (hier durch Sprachkurse) schließt regelmäßig die Annahme aus, die anschließende bzw. erst kürzlich begonnene Ausbildung werde in angemessener Zeit beendet werden können (Rn. 7). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 4 S 18.4047 2019-02-05 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, eine chinesische Staatsangehörige, verfolgt mit ihrer Beschwerde ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2018 gerichteten Klage (M 4 K 18.4046) weiter, mit dem diese den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums abgelehnt und unter Bestimmung einer Ausreisefrist die Abschiebung angedroht hat.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, mit dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 5. Februar 2019 abgelehnt. Die Klage der Antragstellerin werde voraussichtlich erfolglos bleiben, da die Interessenabwägung zu ihren Ungunsten ausfalle. Die auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gerichtete Verpflichtungsklage werde aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 16 Abs. 2 Abs. 4 AufenthG lägen nicht vor. Angesichts der von der Antragstellerin bisher erzielten Lernerfolge sei nicht mit einem Abschluss des Studiums innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu rechnen. Sie habe bereits für die studienvorbereitenden Sprachkurse fast vier Jahre benötigt und damit die für die Studienvorbereitung regelmäßig erforderliche Zeit um nahezu das Doppelte überschritten. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen rechtfertigten nicht die Annahme, dass die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, die erforderlichen Sprachkenntnisse in der üblichen Zeit zu erwerben. Unabhängig davon, dass die vorgelegten Atteste unsubstantiiert seien, sei wegen der gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin auch mit weiteren Studienverzögerungen zu rechnen. Ihre Belastbarkeit sei offensichtlich stark eingeschränkt. Schließlich gehe das Gericht auch aufgrund seiner telefonischen und persönlichen Kontakte mit der Antragstellerin davon aus, dass ihre Deutschkenntnisse trotz des erfolgreichen Sprachtests nicht ausreichen würden, das Studium der Rechtswissenschaft ohne erhebliche Verzögerungen zu beenden.
Im Rahmen ihrer Beschwerde beantragt die Antragstellerin weiterhin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen, und führt zur Begründung aus, dass sie von Mitte Oktober 2017 bis Mitte Januar 2018 infolge einer Erkrankung ihrer Großmutter an einer schweren Depression gelitten habe, was die erfolgreiche Absolvierung der Sprachkurse verzögert habe. Sie habe in Vorbereitung für ihr Studium einen Gasthörerschein beantragt und sich um einen regelmäßigen Besuch von mehreren Lehrveranstaltungen bemüht. Unfallbedingt sei sie allerdings zuletzt nicht mehr reisefähig gewesen. Mittlerweile sei ihr ärztlich eine uneingeschränkte Studier- und Prüfungsfähigkeit attestiert worden und sie habe sich für das Sommersemester 2019 an der Universität Bonn im Fach Rechtswissenschaft immatrikuliert. Auch habe das Verwaltungsgericht nicht angemessen berücksichtigt, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit in Großbritannien erfolgreich studiert habe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht ist bei seiner im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO durchgeführten Interessenabwägung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zur Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Fortsetzung des Studiums der Rechtswissenschaft zu verpflichten, aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Denn die Voraussetzung, dass der Abschluss des Studiums in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann (§ 16 Abs. 2 Satz 4 AufenthG), liegt auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevorbringens nicht vor.
Der angemessene Zeitraum im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 AufenthG bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck und den persönlichen Umständen sowie dem Bemühen des Ausländers, das Ziel seines Aufenthalts in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen. Anhaltspunkte für die zu treffende Prognoseentscheidung sind unter anderem die üblichen Studien- und Aufenthaltszeiten und das bisherige Studienverhalten des Ausländers, vor allem bisher erbrachte Zwischenprüfungen und Leistungsnachweise (stRspr, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 6.12.2018 – 10 CS 18.2271 – juris Rn. 10; B.v. 20.8.2018 – 10 CS 18.789 – juris Rn. 10 m.w.N.). Spezifischen, vor allem sprachlichen Schwierigkeiten ausländischer Studierender ist angemessen Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.1994 – 1 B 10.94 – juris Rn. 4; U.v. 18.8.1981 – I C 88.76 – juris Rn. 30). Die Prüfung der Erreichbarkeit des Studienzweckes innerhalb angemessener Zeit ist im Vorfeld jeder Verlängerungsentscheidung vorzunehmen (Fleuß in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.11.2018, § 16 Rn. 32 m.w.N.; Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 16 Rn. 16).
Gemessen hieran hat das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass aufgrund der bisher erbrachten Lernerfolge und der gesundheitlichen Einschränkungen keine positive Prognose im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 AufenthG getroffen werden kann. Hinsichtlich der sprachlichen Schwierigkeiten ist zwar zu berücksichtigen, dass gemäß Nr. 16.1.2.1 AVwV nach erfolgreichem Abschluss des Sprachkurses die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Besuchs eines Studiums verlängert werden kann, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Allerdings darf nach Nr. 16.0.6 AVwV die für die Zulassung zum Studium erforderliche Teilnahme an Deutschsprachkursen in der Regel nicht länger als insgesamt zwei Jahre dauern. Ausgehend hiervon konnte das Verwaltungsgericht bei der anzustellenden Prognose auch den bisherigen Verlauf der Studienvorbereitung in den Blick nehmen und zugrunde legen, dass eine wie hier deutlich überlange Vorbereitungsdauer regelmäßig die Annahme ausschließt, die anschließende bzw. erst kürzlich begonnene Ausbildung werde in angemessener Zeit beendet werden können. Dem Beschwerdevorbringen sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass bei der Antragstellerin insofern nunmehr eine deutliche Leistungssteigerung zu verzeichnen wäre, so dass mit einem erfolgreichen Abschluss des Studiums in einem überschaubaren Zeitraum gerechnet werden könnte. Hiergegen sprechen schon die vom Gericht im Rahmen seiner Korrespondenz mit der Antragstellerin konstatierten sprachlichen Defizite (s. Vermerke v. 14.1.2019 und 11.2.2019, Bl. 69 f., 85 der GA – M 4 K 18.4046).
Das Verwaltungsgericht hat bei der erforderlichen Prognose auch nicht verkannt, dass selbst eine erhebliche Überschreitung der durchschnittlichen Studienzeit nicht notwendigerweise eine Verfehlung der Zielsetzung der Aufenthaltsgewährung bedeutet und persönliche Belange des Ausländers wie insbesondere krankheitsbedingte Verzögerungen des Abschlusses des Studiums in die dabei anzustellenden Erwägungen mit einzubeziehen sind (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2018 – 10 CS 18.2271 – juris Rn. 10 m.w.N.). Allerdings hat das Verwaltungsgericht berechtigten Anlass gehabt, an der Richtigkeit der vorgelegten, unsubstantiierten und jeweils nachträglich ausgestellten ärztlichen Atteste zu zweifeln. Hieran ändert auch das im Beschwerdeverfahren vorgelegte und wiederum nachträglich ausgestellte Attest vom 26. Februar 2019, welches eine „mittelgradige Depression“ in der Zeit von Mitte Oktober 2017 bis Mitte Januar 2018 bescheinigen soll, nichts.
Schließlich vermag die Antragstellerin auch mit ihrem Hinweis auf ihre Studien(eig-nungs) leistungen in Großbritannien im Zeitraum von 2011 bis 2014 die vom Erstgericht getroffene Prognose nicht in Frage zu stellen. Denn die insofern vorgelegten Bescheinigungen lassen keinerlei inhaltlichen Bezug zum Studium im Fach Rechtswissenschaft erkennen. Der im Beschwerdeverfahren ferner vorgelegte Gasthörerschein bestätigt allenfalls die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, ein Nachweis über tatsächliche Studienleistungen ist damit aber nicht erbracht. Ohnehin hat die Antragstellerin eingeräumt, mangels Reisefähigkeit die Veranstaltungen bereits seit Anfang Januar 2019 nicht mehr besucht zu haben.
Nach alledem rechtfertigen es die Dauer und der Verlauf der Studienvorbereitung nicht, einen Abschluss des erst kürzlich aufgenommenen Studiums innerhalb absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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