Arbeitsrecht

Krankenversicherung – Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids

Aktenzeichen  S 4 KR 366/17

Datum:
14.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 43557
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 28h, IV § 28e
SGG § 183, § 197 a
GKG § 3

 

Leitsatz

1 Für die Inanspruchnahme einer anderen Person als den Arbeitgeber bei der Einziehung des Gesamtversicherungsbeitrages durch einen sogenannten Haftungsbescheid fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 15.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Gerichtskosten zu tragen und der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Streitwert beträgt 33.458,98 Euro.

Gründe

1. Der Klage ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 15.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2017. Der angefochtene Haftungsbescheid ist fehlerhaft, weil keine Befugnis für den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes gegeben ist.
Der 5. Senat des Bay LSG führte hierzu in den Entscheidungen zur Aussetzung der Hauptsacheverfahren Folgendes aus:
„Für den Haftungsbescheid fehlt es an der wegen des Vermögenseingriffs (Art. 12 GG) erforderlichen, dem Gebot der Normenklarheit entsprechenden Rechtsgrundlage zu Gunsten der Beklagten. Die allgemeine Entscheidungsgrundlage nach § 28h SGB IV reicht nicht dafür aus, die handelnden Personen, nicht aber den Arbeitgeber (hier die GbR) für Beiträge haftbar zu machen, welche der Arbeitgeber nach der ausdrücklichen Regelung in § 28e SGB IV allein schuldet. Dafür bedürfte es einer ausdrücklichen Norm, wie sie im Beitragsrecht der Gesetzlichen Unfallversicherung in § 150 SGB VII sowie im Steuerrecht in § 191 A0 zu finden sind.
Zudem ergibt sich das Fehlen der Rechtsgrundlage für einen Haftungsbescheid auch aus den Gesetzgebungsmaterialien. Im Entwurf des SGB lV-Einordnungsgesetzes vom 02.05.1988 – BT-Drs. 11/2221 – war in § 28e Abs. 4 SGB IV eine entsprechende Regelung enthalten (aaO, S. 6 und 22). Diese Regelung wurde aber im Gesetzgebungsverfahren gestrichen (BT-Drs. 11/3445 vom 28.11.1988, S. 8 u. 35).“
Die 4. Kammer des Sozialgerichts Landshut schließt sich dieser Auffassung des 5. Senats des Bay LSG an.
2. Die Kostengrundentscheidung war von Amts wegen zu erlassen. Zur Anwendung kommen § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 VwGO, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehören.
Da die Klage erfolgreich war, hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens nach § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
3. In sozialrechtlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, ist nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 und 3 GKG der Streitwert festzusetzen.
In dem hier vorliegenden, nach § 197a Abs. 1 SGG kostenpflichtigen Klageverfahren werden gemäß § 1 Nr. 4 GKG Kosten erhoben, die sich nach dem Wert des Streitgegenstandes bestimmen, § 3 GKG. Dessen Höhe richtet sich gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache; die Höhe setzt das Gericht seinem Ermessen entsprechend fest. Betrifft die Klage des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend gemäß § 52 Abs. 3 GKG.
Festzusetzen ist der Streitwert der Klage auf Aufhebung des Haftungsbescheides der Beklagten vom 15.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2017 in Höhe von 33.458,98 Euro.
Es erscheint daher sachgerecht, den Streitwert entsprechend dem von der Beklagten vorliegend geltend gemachten Forderungsbetrag auf 33.458,98 Euro festzusetzen.


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