Arbeitsrecht

Kürzung der Dienstbezügen wegen Rückfalls in die “nasse Phase” einer Alkoholerkrankung

Aktenzeichen  16a D 14.2483

Datum:
18.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG BayDG Art. 3, Art. 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, S. 2, Art. 10 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 65 Abs. 2 S. 1, Art. 72 Abs. 1, Art. 128 Abs. 1 S. 1 – 3
VwGO VwGO § 99 Abs. 1 S. 1, S. 2
BeamtStG BeamtStG § 34 S. 1, § 35 S. 2, § 47 Abs. 1 S. 1
StGB StGB § 20, § 21
GDVG GDVG Art. 3 Abs. 2, Art. 5 Abs. 4 S. 1
GG GG Art. 1 Abs. 1,  Art. 2 Abs. 1, Abs. 2,  Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung durch Rückfall in die “nasse Phase” einer Alkoholerkrankung und gegen die Gehorsamspflicht durch die wiederholte Verweigerung einer Haaranalyse zur Überprüfung der Alkoholabstinenz ist die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge (Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayDG) angemessen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Disziplinarrechtliche Relevanz erhält der Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholsucht erst, wenn eine Entwöhnungstherapie erfolgreich war, so dass der Beamte im Zeitpunkt des Rückfalls in der Lage war, der Gefahr eines Rückfalls in die Alkoholsucht mit Erfolg zu begegnen, und wenn die erneute Abhängigkeit Folgen im dienstlichen Bereich hat (stRspr BVerwG BeckRS 2001, 31349482). Dies ist der Fall, wenn der Polizeibeamte nur noch eingeschränkt im Innendienst ohne Führen von Waffen und Fahrzeugen eingesetzt werden kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 13 DK 12.6122 2014-10-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung von Ziffer 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. Oktober 2014 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge um 1/20 auf die Dauer von drei Jahren erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. Sie führt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, mit dem der Beklagte nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayDG in ein Amt der Besoldungsgruppe A 7 zurückgestuft worden ist, zur Verhängung der Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG um 1/20 auf die Dauer von drei Jahren.
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind vom Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.
2. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist auch zur Überzeugung des Senats erwiesen:
2.1 Bezüglich des Anschuldigungspunkts 1 (Alkoholkonsum Ende 2010 bis Februar 2011) geht der Senat aufgrund des Akteninhalts davon aus, dass der Beklagte, der nach einem wiederholten Alkoholmissbrauch 2007 und 2008 von Oktober 2008 bis Februar 2009 erfolgreich eine Entziehungstherapie gemacht hat und in der Folge nachweislich alkoholabstinent war, entgegen der ihm aufgrund der festgestellten Alkoholerkrankung obliegenden Verpflichtung zu Alkoholabstinenz, über die er mit Schreiben vom 9. März 2009 auch ausdrücklich belehrt worden ist, von Ende 2010 bis Februar 2011 erneut Alkohol in einer Menge konsumiert hat, die als Rückfall in die sog. „nasse Phase“ der Alkoholerkrankung anzusehen ist, aufgrund der er zum Führen von Dienstfahrzeugen und Dienstwaffen gesundheitlich nicht geeignet war.
Aufgrund der Feststellungen im polizeiärztlichen Gesundheitszeugnis vom 7. April 2011 und im verkehrsmedizinischen Gutachten der AVUS vom 12. Juni 2013, die auf dem Ergebnis der von der Polizeiärztin angeordneten Haaranalyse vom 10. Februar 2011 (Gutachten des FTC vom 22. Februar 2011) beruhen, sowie der Einlassungen des Beklagten gegenüber der AVUS-Gutachterin steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte von Ende 2010 bis Februar 2011 nicht nur – entgegen seiner Behauptung, weiterhin vollständig alkoholabstinent zu sein, – erneut Alkohol zu sich genommen hat und damit rückfällig geworden ist, sondern auch, dass er regelmäßig mehr als 60 g Alkohol täglich konsumiert hat, so dass ein Alkoholmissbrauch und damit ein Rückfall in die sog. „nasse Phase“ vorlag.
Dies folgt aus dem Ergebnis der Haaranalyse vom 10. Februar 2011. Laut Gutachten des FTC vom 22. Februar 2011 ergab die beim Beklagten entnommene Haarprobe von 3-3,5 cm Länge eine EtG-Konzentration von 31 pg/mg. Ethylglucuronid (EtG) wird im Körper als unmittelbares Abbauprodukt von Alkohol gebildet und ist in den Haaren mehrere Monate nachweisbar. Der EtG-Wert stellt einen hochspezifischen Alkoholmarker dar, der es erlaubt, Alkoholabstinenz direkt nachzuweisen oder zu widerlegen (BayVGH, B.v. 14.11.2011 – 11 CS 11.2349 – juris Rn. 57). Bereits eine EtG-Konzentration ab 5 bis 7 pg/mg lässt sicher auf wiederholten Alkoholkonsum schließen (Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Auflage 2013, S. 256), so dass die Behauptung, der Beklagte habe weiterhin vollständige Alkoholabstinenz eingehalten, widerlegt ist; im Übrigen hat er gegenüber der AVUS-Gutachterin eingeräumt, von Ende 2010 bis Februar 2011 erneut Alkohol konsumiert zu haben. Die festgestellte EtG-Konzentration überstieg darüber hinaus den Wert von 25 bis 30 pg/mg, was für einen regelmäßigen Konsum von mehr als 60 g Alkohol täglich spricht (Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann a.a.O.), der von der WHO als Alkoholmissbrauch angesehen wird, und gibt weiter Aufschluss über einen erhöhten Alkoholkonsum in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten vor der Entnahme der Haarprobe am 10. Februar 2011 (BayVGH, B.v. 8.11.2016 – 3 CS 16.1553 – Rn. 16).
Hiergegen kann der Beklagte nicht einwenden, dass anhand des Ergebnisses der Haaranalyse lediglich mit 90%iger Wahrscheinlichkeit von einem Konsum von mehr als 60 g Alkohol täglich auszugehen sei und dass erst ab einer Konzentration von 1,0 ng/mg mit 100%iger Wahrscheinlichkeit ein erhöhter Alkoholkonsum anzunehmen sei. Der von ihm genannte Grenzwert gilt nur für die – ebenfalls zum Nachweis von Alkoholkonsum geeigneten – Fettsäureethylester (FSEE), ist jedoch nicht für die hier zugrunde gelegte EtG-Konzentration maßgeblich (vgl. Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann a.a.O.). Aufgrund der bei ihm festgestellten EtG-Konzentration steht auch mit hinreichender Gewissheit fest, dass der Beklagte im fraglichen Zeitraum mehr als 60 g Alkohol täglich konsumiert hat, was für den Nachweis eines Alkoholmissbrauchs ausreicht. Eine 100%ige Wahrscheinlichkeit ist hierfür nicht erforderlich. Die für die Überzeugungsbildung des Gerichts notwendige Gewissheit erfordert nur ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen, wobei die bloße Möglichkeit eines anderen, ggf. auch gegenteiligen Geschehensverlaufs die erforderliche Gewissheit nicht ausschließt (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 44).
Einer prozessualen Verwertung der in den polizeiärztlichen Unterlagen befindlichen Haaranalyse steht auch nicht entgegen, dass der Kläger diese trotz Aufforderung durch das Verwaltungsgericht gemäß Art. 3 BayDG i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO unter Berufung auf datenschutzrechtliche Gründe nicht vorgelegt und der Beklagte insoweit eine Schweigepflichtentbindung abgelehnt hat. Ob der Kläger die Vorlage nach Art. 3 BayDG i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO verweigern durfte, obwohl es um die Verletzung der Gesunderhaltungspflicht geht, so dass das Gericht auch Zugriff auf die Krankenakten haben muss (Weiß in: Fürst, GKÖD Bd. II, § 58 BDG Rn. 49), und ob sich der Beklagte diesbezüglich auf die ärztliche Schweigepflicht berufen kann (verneinend BVerwG, U.v. 18.10.1977 – 1 D 111.76 – juris Rn. 40, weil die durch die Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse dem Gutachter nicht i.S.v. § 203 StGB anvertraut sind), kann dahinstehen. Jedenfalls liegt in dem Umstand, dass der Beklagte sich freiwillig der Haaranalyse unterzogen hat, seine (konkludente) Zustimmung zu deren späteren Verwertung im dienstlichen Bereich (BVerwG a.a.O.).
Daher war die Polizeiärztin auch berechtigt, das Ergebnis der von ihr im Rahmen der polizeiärztlichen Untersuchung des Beklagten zur Klärung der Polizeidienstfähigkeit angeordneten Haaranalyse, auf das sie ihre Beurteilung maßgeblich gestützt hat, im Gesundheitszeugnis vom 7. April 2011 wiederzugeben. Dieses wurde dadurch zum Bestandteil der Personal- bzw. der Disziplinarakte, so dass der Senat es auch ohne Vorlage des Gutachtens des FTC vom 22. Februar 2011 verwerten kann. Beruht das Gutachten eines Sachverständigen neben seinen eigenen Erkenntnissen auch auf dem Ergebnis einer von ihm veranlassten Zusatzuntersuchung, so kann das Gericht dieses auch ohne Vorlage des Ergänzungsgutachtens verwerten, wenn dieser kraft seiner Sachkunde die Verantwortung für das Ergebnis der Zusatzuntersuchung übernimmt (vgl. BGH, U.v. 30.10.1968 – 4 StR 281/68 – juris Rn. 7), wie dies hier hinsichtlich des Ergebnisses der von der Polizeiärztin angeordneten Haaranalyse der Fall war. Diese hat den Beklagten aufgrund des durch die Haaranalyse festgestellten aktuellen Alkoholmissbrauchs gesundheitlich als nicht geeignet angesehen, derzeit Dienstfahrzeuge und Dienstwaffen zu führen, und damit (volle) Polizeidienstfähigkeit verneint. Hierfür war auch nicht erforderlich, dass sie das Gutachten förmlich unter dem Punkt „Zusätzliche Befunde erhoben durch“ anführte; es genügt, dass sie im Gesundheitszeugnis erkennbar darauf Bezug genommen hat. Bezugnahmen auf anderweitig erhobene Befunde sind zulässig, wenn – wie vorliegend – deutlich wird, in welchem Umfang der Amtsarzt sich ihnen anschließt.
Im Übrigen ergibt sich auch aus dem im Verfahren M 5 K 12.2977 eingeholten, vom Verwaltungsgericht im gerichtlichen Disziplinarverfahren beigezogenen Gutachten der AVUS vom 12. Juni 2013, dessen Verwertung der Beklagte nicht widersprochen hat, dass dieser aufgrund der bei ihm durch die Haaranalyse festgestellten EtG-Konzentration von 31 pg/mg von Ende 2010 bis Februar 2011 regelmäßig mehr als 60 g Alkohol täglich konsumiert hat. Diesbezügliche Mängel des Gutachtens hat der Beklagte nicht substantiiert dargetan, wenn er behauptet, die Gutachterin sei nicht über den Grund der Untersuchung informiert gewesen. Diese hat entsprechend dem Gutachtensauftrag u.a. zu der Frage Stellung genommen, ob beim Beklagten ein Rückfall in die Alkoholerkrankung vorlag. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn sie aus den Angaben des Beklagten, zwischen Ende 2010 und Februar 2011 Alkohol konsumiert zu haben, und dem Ergebnis der Haaranalyse den Schluss gezogen hat, dass in diesem Zeitraum ein Rückfall mit erhöhtem Alkoholkonsum stattgefunden hat. Die sonstigen Angriffe gegen das Gutachten betreffen nicht diesen Zeitraum, sondern stellen in Frage, dass der Beklagte aktuell Alkohol konsumiert hatte.
Der Nachweis des Alkoholmissbrauchs von Ende 2010 bis Februar 2011 wird auch durch die vom Beklagten vorgelegten Stellungnahmen nicht widerlegt. Entgegen seiner Behauptung wurde im Befundbericht der S* …-Klinik vom 16. Februar 2012 – übereinstimmend mit der Einschätzung im TÜV-Gutachten vom 31. August 2011 und im AVUS-Gutachten vom 12. Juni 2013 – Alkoholabhängigkeit bei ihm diagnostiziert. Wenn er insoweit darauf verweist, dass laut TÜV-Gutachten kein Alkoholmissbrauch festgestellt worden sei, weil die Leberwerte (GGT-, GOT-, GPT-, MVC- und CDT-Werte) im Normbereich gelegen hätten, vermag dies den Nachweis eines erhöhten Alkoholkonsums aufgrund des EtG-Werts im Zeitraum von Ende 2010 bis Februar 2011 nicht in Zweifel zu ziehen; gleiches gilt insoweit, als laut AVUS-Gutachten der GGT-Wert bei der Untersuchung im Normbereich gelegen habe. Im Übrigen sind die Leberwerte zu unspezifisch und daher gegenüber dem EtG-Wert nur eingeschränkt geeignet, eine Alkoholabstinenz nachzuweisen (BayVGH, B.v. 14.11.2011 a.a.O.). Darüber hinaus lag weder der S* …-Klinik noch dem TÜV-Süd das Ergebnis der Haaranalyse vom 10. Februar 2011 vor, so dass deren Einschätzung bezüglich der Frage der Alkoholabstinenz kein Aussagewert zukommt. Entsprechendes gilt auch für die Atteste und Laborberichte der Hausärzte des Beklagten vom 7. Juni 2011, 2. April 2013, 14. November 2013 und 6. Oktober 2014, die ebenfalls lediglich auf der Diagnose der Leberwerte beruhen und nicht den fraglichen Zeitraum betreffen.
2.2 Bezüglich der Anschuldigungspunkte 2 und 4 (Weigerung, Haaranalysen zur Überprüfung der Alkoholabstinenz durchführen zu lassen) geht der Senat aufgrund des Akteninhalts und der Einlassungen des Beklagten davon aus, dass dieser seine Mitwirkung an der vom Polizeiarzt im Rahmen der mit Schreiben vom 2. Dezember 2011 bzw. 23. Mai 2012 vom Dienstherrn angeordneten Untersuchung zur Klärung der Polizeidienstfähigkeit am 8. Dezember 2011 und 30. Mai 2012 für erforderlich gehaltenen Haaranalyse abgelehnt hat. Der Beklagte hat diesen Sachverhalt nicht bestritten, sondern erklärt, dass er seiner Ansicht nach nicht zur Mitwirkung an einer Haaranalyse verpflichtet sei, und die Abgabe einer Haarprobe deshalb verweigert.
2.3 Bezüglich Anschuldigungspunkt 3 (Nichterscheinen zu der für den 15. Mai 2012 angeordneten Nachuntersuchung) ist aus Sicht des Senats hingegen nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen, dass der Beklagte der Untersuchung durch den Polizeiarzt ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben ist. Der Beklagte hat für den Untersuchungstag zunächst am 21. Mai 2012 eine AU-Bescheinigung seiner Hausärzte vom 15. Mai 2012 und in der Folge am 4. Juni 2012 ein Attest seiner Hausärzte vom 31. Mai 2012 vorgelegt, in dem ihm bescheinigt wird, dass er sich am 15. Mai 2012 aufgrund eines Infekts in Behandlung befunden habe und ihm Bettruhe angeraten worden sei. Auch wenn sich hieraus nicht eindeutig ergibt, dass er am 15. Mai 2012 aus medizinischen Gründen strikt das Bett hüten musste und deshalb auch nicht reisefähig war, so dass er den Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen konnte, ist nachvollziehbar, dass der Beklagte aufgrund der ausgesprochenen ärztlichen Empfehlung an diesem Tag zu Hause geblieben ist, um seine Genesung nicht zu gefährden. Auch aus der nachträglichen Ausstellung des Attests kann nicht einfach gefolgert werden, dass es sich bei der privatärztlichen Bescheinigung um ein unglaubwürdiges sog. „Gefälligkeitsattest“ gehandelt hätte. Insoweit kann der Polizeiarzt auch nicht pauschal einwenden, dass die Ausführungen des Privatarztes nicht überzeugend seien. Der Polizeiarzt hat den Beklagten am 15. Mai 2012 nicht persönlich untersucht und kannte dessen Gesundheitszustand daher nicht. Der Privatarzt bestätigt demgegenüber, dass sich der Beklagte an diesem Tag in seiner Behandlung befunden hat und er an einem Infekt erkrankt war, so dass der polizeiärztlichen Einschätzung keine höhere Beweiskraft als dem privatärztlichen Attest zukommt. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass eine ausreichende Entschuldigung dafür vorliegt, warum der Beklagte am 15. Mai 2012 nicht an der angeordneten polizeiärztlichen Nachuntersuchung teilgenommen hat.
3. Durch das vom Senat festgestellte Verhalten hat der Beklagte sowohl gegen die Gesunderhaltungs- (§ 34 Satz 1 BeamtStG) als auch gegen die Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG).
3.1 Durch den Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholerkrankung hat der Beklagte gegen die Gesunderhaltungspflicht verstoßen (BayVGH, B.v. 7.8.2012 – 16a DZ 10.1377 – juris Rn. 7). Aus der Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG folgt, dass ein Beamter zur Erfüllung seiner Pflichten seinem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen und diese im Interesse des Dienstherrn erhalten muss. Dies bedeutet aber nicht, dass Beamte generell keinen Alkohol konsumieren dürften. Auch die Alkoholkrankheit als solche ist disziplinarrechtlich nicht vorwerfbar. Erst wenn deren Folgen in den dienstlichen Bereich hineinreichen, wird die Alkoholabhängigkeit disziplinarrechtlich relevant, sei es, dass der Beamte im Dienst oder kurze Zeit davor Alkohol zu sich nimmt, sei es, dass der Alkoholkonsum eine zeitweilige oder dauernde Dienstunfähigkeit zur Folge hat. Zudem müssen dem Beamten die dienstlichen Folgen der Alkoholkrankheit auch subjektiv vorwerfbar sein. Dies erfordert regelmäßig eine entsprechende Belehrung und Aufklärung über die aus der Alkoholkrankheit folgende Gesunderhaltungspflicht und die disziplinarrechtlichen Folgen der Verletzung dieser Dienstpflicht, so dass dem Beamten diese Pflicht und die Folgen ihrer Verletzung bei Tatbegehung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Außerdem muss der Beamte trotz seiner Alkoholkrankheit in der Lage gewesen sein, deren dienstliche Folgen zu vermeiden. Zu den dienstlichen Pflichten eines alkoholkranken Beamten gehört es, nach einer Entwöhnungsbehandlung den Griff zum „ersten Glas“ Alkohol zu unterlassen, weil jeder Genuss von Alkohol nach einer Entzugstherapie das Verlangen nach weiterem Alkohol wieder aufleben lässt und so erfahrungsgemäß in die „nasse Phase“ der Alkoholabhängigkeit zurückführen kann. Dennoch ist es nicht das „erste Glas“ selbst, das disziplinarrechtlich bedeutsam und als beamtenrechtliche Pflichtverletzung vorwerfbar ist. Disziplinarrechtliche Relevanz erhält der Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholsucht erst, wenn eine Entwöhnungstherapie erfolgreich war, so dass der Beamte im Zeitpunkt des Rückfalls in der Lage war, der Gefahr eines Rückfalls in die Alkoholsucht mit Erfolg zu begegnen, und wenn die erneute Abhängigkeit Folgen im dienstlichen Bereich hat (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2001 – 1 D 64.00 – juris Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind vorliegend beim Beklagten zu bejahen.
Der Beklagte ist nach übereinstimmender Einschätzung im Gesundheitszeugnis vom 7. April 2011 und 19. Juni 2012 sowie im Gutachten des TÜV-Süd vom 31. August 2011, im Befundbericht der S* …-Klinik vom 16. Februar 2012 und im Gutachten der AVUS vom 12. Juni 2013 alkoholabhängig. Er hat nach den Feststellungen im polizeiärztlichen Gesundheitszeugnis vom 7. April 2011 und im AVUS-Gutachten vom 12. Juni 2013 in der Zeit von Ende 2010 bis Februar 2011 einen Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholerkrankung erlitten, nachdem er von Oktober 2008 bis Februar 2009 erfolgreich eine Entziehungskur durchgeführt hatte (vgl. Bescheinigung des Bezirkskrankenhauses S* … vom 7. November 2008 und der Fachklinik Z* … vom 13. Februar 2009). Diese hatte ihn in die Lage versetzt, der Gefahr eines Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit zu begegnen. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Beklagte laut Gesundheitszeugnis vom 4. März 2009, 5. Mai 2009 und 22. Dezember 2009 sowie dem Ergebnis der MPU vom 1. Februar 2010 von Anfang 2009 bis Anfang 2010 nachweislich alkoholabstinent war und er seinen Alkoholkonsum auch bis Ende 2010 zumindest soweit im Griff hatte, dass es nicht zu alkoholbedingten Ausfällen kam und er seinen Dienst ordnungsgemäß verrichtete.
Der Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholkrankheit hatte zudem erhebliche dienstliche Auswirkungen, da infolge dessen die Polizeidienstfähigkeit des Beklagten in Frage gestellt wurde (BayVGH, B.v. 23.11.2006 – 3 CS 06.2376 – juris Rn. 32). Der Beklagte konnte deshalb nicht mehr (im vollen Umfang) im Polizeivollzugsdienst, sondern nur noch (eingeschränkt) im Innendienst ohne das Führen von Waffen und Fahrzeugen verwendet werden (BayVGH, U.v. 14.12.2005 – 16a D 04.3486 – juris Rn. 73). Nach Einschätzung der Polizeiärztin im Gesundheitszeugnis vom 7. April 2011 war der Beklagte infolge des Rückfalls in die Alkoholerkrankung gesundheitlich nicht mehr in der Lage, Dienstwaffen und Dienstfahrzeuge zu führen, so dass ihm das Polizeipräsidium M* … am 21. April 2011 zu Recht das Tragen von Dienstwaffen und das Führen von Dienstfahrzeugen untersagt hat und er seither nur mehr im Innendienst eingesetzt werden kann. Weil das Risiko eines Rückfalls bei einem nicht vollständig abstinenten Alkoholabhängigen etwa doppelt so hoch wie bei einem abstinenten Alkoholabhängigen, war es gerechtfertigt, dem Beklagten das Führen von Dienstwaffen und Dienstfahrzeugen zu untersagen, bis die Alkoholabstinenz eindeutig feststeht (SächsOVG, U.v. 28.3.2014 – D 6 A 456/11 – juris Rn. 36); eine Überprüfung, ob er vollständig alkoholabstinent ist, hat der Beklagte bislang durch seine Weigerung, an einer erneuten Haaranalyse mitzuwirken, verhindert.
Der Beklagte ist ferner auch ausdrücklich über seine Verpflichtung zur vollständigen Alkoholabstinenz und über die disziplinarrechtlichen Folgen der Verletzung dieser Dienstpflicht belehrt worden, so dass er subjektiv vorwerfbar (schuldhaft) handelte (BayVGH, B.v. 7.8.2012 a.a.O. Rn. 8). Aufgrund der schriftlichen Belehrung am 9. März 2009 war ihm bekannt, dass ein erneuter Alkoholkonsum einen Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholkrankheit zur Folge haben und so seine Dienstfähigkeit zeitweise oder dauerhaft beeinträchtigen bzw. ausschließen kann, was disziplinarrechtlich geahndet werden kann (BVerwG, U.v. 27.11.2001 a.a.O. Rn. 29). Er wusste aufgrund seiner langjährigen Alkoholerkrankung und der erfolgreichen Durchführung einer Entziehungskur auch, dass er zur Erhaltung seiner Dienstfähigkeit vollständig abstinent bleiben musste, handelte dem jedoch bewusst zuwider. Den Eintritt der alkoholbedingten Einschränkungen der Dienstfähigkeit und deren Fortdauer hat er dabei zumindest billigend in Kauf genommen, so dass er vorsätzlich gegen die Pflicht aus § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen hat. Vorsätzliches Verhalten erfordert nicht die Einsicht in die medizinische Tatsache der Alkoholkrankheit, sondern Kenntnis der Verpflichtung, die Dienstfähigkeit durch Alkoholabstinenz zu erhalten bzw. durch geeignete Maßnahmen wiederherzustellen, unabhängig davon, ob der Betroffene dies selbst für nötig hält oder nicht (BayVGH, B.v. 7.8.2012 a.a.O. Rn. 9; SächsOVG, U.v. 28.3.2014 a.a.O. Rn. 40).
Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit i.S.d. § 20 StGB bzw. für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB im Zeitraum von Ende 2010 bis Anfang 2011, weil der Beklagte wegen des alkoholbedingten Verlusts der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, einen Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholerkrankung zu vermeiden (BVerwG, U.v. 9.10.2001 – 1 D 50.00 – juris Rn. 42), liegen nicht vor.
3.2 Durch den Rückfall in die „nasse Phase“ der Alkoholerkrankung hat der Beklagte zugleich gegen die ihm mit Schreiben vom 9. März 2009 erteilte Weisung seines Dienstherrn, vollständige dauerhafte Alkoholabstinenz einzuhalten, verstoßen (OVG NRW, U.v. 17.2.2016 – 3d A 467/13.O – juris Rn. 70). Gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG sind Beamte verpflichtet, dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen. Der Beklagte hat dieser ihm bekannten Weisung bewusst zuwidergehandelt, indem er trotz ausdrücklicher Belehrung erneut Alkohol konsumiert hat, so dass er auch insoweit vorsätzlich gehandelt hat.
3.3 Durch seine Weigerung, an der vom Polizeiarzt zur Überprüfung seiner Polizeidienstfähigkeit im Rahmen der Nachuntersuchung am 8. Dezember 2011 sowie am 30. Mai 2012 für erforderlich gehaltenen Haaranalyse mitzuwirken, hat der Beklagte ebenfalls gegen die Gehorsamspflicht aus § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen (BayVGH, U.v. 20.5.2015 – 16a D 13.2359 – juris Rn. 100). Bestehen Zweifel über die Polizeidienst(un) fähigkeit eines Beamten, so ist dieser verpflichtet, sich nach Weisung des Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen (Art. 128 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG). Die Polizeidienst(un) fähigkeit i.S.d. Art. 128 Abs. 1 Satz 1 BayBG ist nach Art. 128 Abs. 1 Satz 2 BayBG aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens, das auf einer Untersuchung durch den polizeiärztlichen Dienst (Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Satz 1 GDVG) beruht, festzustellen. Der Polizeiarzt hat dabei in eigener Kompetenz zu beurteilen, ob er ggf. eine ergänzende Untersuchung bzw. ein ergänzendes Gutachten durch einen Facharzt für erforderlich hält (BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 3 CE 15.1042 – juris Rn. 40).
Aufgrund der Feststellungen im Gesundheitszeugnis vom 7. April 2011, dass der Beklagte von Ende 2010 bis Februar 2011 in die „nasse Phase“ der Alkoholsucht zurückgefallen ist, lagen tatsächliche Umstände vor, die Zweifel daran begründeten, ob der Beklagte polizeidienstfähig war (BayVGH, B.v. 23.11.2006 – 3 CS 06.2376 – juris Rn. 32). Demgemäß war der Kläger berechtigt, am 8. Dezember 2011 eine Nachuntersuchung zur Klärung der Polizeidienstfähigkeit anzuordnen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 19). In der Anordnung vom 2. Dezember 2011 wurde dabei auf das Gesundheitszeugnis vom 7. April 2011 Bezug genommen, in dem die Polizeiärztin aufgrund der Alkoholabhängigkeit eine Nachuntersuchung des Beklagten zur Überprüfung der Polizeidienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten empfohlen hatte. Dem Beklagten war somit der Anlass für die Nachuntersuchung bekannt, so dass er die Anordnung auch auf ihre Berechtigung hin überprüfen konnte (BVerwG, U.v. 26.4.2012 a.a.O. Rn. 20). Die Anordnung enthielt weiter Angaben zu Art und Umfang der angeordneten Untersuchung (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – juris Rn. 22). Sie bezog sich auf die Untersuchung des Beklagten zur Überprüfung der Dienstfähigkeit einschließlich einer nach Ansicht des Polizeiarztes ggf. erforderlichen Labordiagnostik mit Blutentnahme oder Haaranalyse. Die Anordnung des Polizeiarztes, zur Klärung der Alkoholabstinenz eine Haaranalyse durchführen zu lassen, um den aussagekräftigen EtG-Wert (BayVGH, B.v. 14.11.2011 a.a.O.) feststellen zu können, hielt sich in diesem Rahmen.
Da sich der Beklagte weigerte, im Rahmen der polizeiärztlichen Untersuchung vom 8. Dezember 2011 an der vom Polizeiarzt für erforderlich gehaltenen Haaranalyse mitzuwirken, konnte dieser keine sichere Einschätzung hinsichtlich der Frage der Alkoholabstinenz treffen, sondern nur vermuten, dass weiterhin Alkoholabhängigkeit vorliege. Dies kann der Beklagte dem Kläger jedoch nicht entgegenhalten, da er selbst treuwidrig die Klärung seiner Polizeidienstfähigkeit vereitelt hat. Da wegen der fehlenden Mitwirkung des Beklagten die seit Anfang 2011 bestehenden, von ihm nicht ausgeräumten Zweifel an der Polizeidienstfähigkeit fortbestanden, war vielmehr eine erneute Nachuntersuchung erforderlich, die der Kläger zunächst mit Schreiben vom 7. Mai 2012 für 15. Mai 2012 und – nachdem der Beklagte an diesem Tag nicht zur Untersuchung erschienen war – mit Schreiben vom 23. Mai 2012 nochmals für 30. Mai 2012 anordnete. Der – erneuten – Darlegung der laut Gesundheitszeugnis vom 20. Dezember 2011 mit Ergänzung vom 7. Februar 2012 weiterhin bestehenden Zweifel an der Polizeidienstfähigkeit bedurfte es dabei nicht, da dem Beklagten der Anlass für die Nachuntersuchung, die auf seinem Verhalten beruhte, bekannt war. Im Übrigen enthielt auch die wiederholte Anordnung Vorgaben zu Art und Umfang der Untersuchung, die Anordnung der Haaranalyse hielt sich im Rahmen des Auftrags.
Der Anordnung einer Haaranalyse zur Klärung der Polizeidienstfähigkeit stand auch nicht entgegen, dass der Beklagte laut Gutachten des TÜV-Süd vom 31. August 2011 anhand der dort überprüften Leberwerte als stabil abstinent angesehen wurde. Wie unter 2.1 ausgeführt, sind diese zu unspezifisch, um eine Alkoholabstinenz nachweisen bzw. ausschließen zu können. Hierzu hätte es vielmehr der Feststellung des EtG-Werts bedurft (BayVGH, B.v. 14.11.2011 a.a.O.). Entsprechendes gilt für die Laborwerte der Hausärzte vom 7. Juni 2011. Auch dem Befundbericht der S* …-Klinik vom 16. Februar 2012 kann ohne Feststellung des EtG-Werts entgegen der Diagnose „gegenwärtig (überwiegend) abstinent“ keine verlässliche Aussage hinsichtlich einer vollständigen Alkoholabstinenz im damaligen Zeitraum entnommen werden. Soweit das AVUS-Gutachten vom 12. Juni 2013 wegen des im Normbereich liegenden GGT-Werts aktuell keinen weiteren chronischen Alkoholkonsum feststellte, konnte es aufgrund der Weigerung des Beklagten, eine Haaranalyse durchzuführen, den EtG-Wert nicht weiter überprüfen, nachdem eine Urinuntersuchung keinen EtG-Nachweis ergab. Zudem fand die Untersuchung bei der AVUS am 28. März 2013 und damit erst nach den polizeiärztlichen Nachuntersuchungen statt, so dass hieraus nicht auf Abstinenz im Dezember 2011 bzw. Mai 2012 geschlossen werden kann.
Aufgrund der erneuten Weigerung des Beklagten am 30. Mai 2011, sich der vom Polizeiarzt für erforderlich gehaltenen Haaranalyse zu unterziehen, konnte dieser wiederum nicht sicher beurteilen, ob der Beklagte vollständig alkoholabstinent war, so dass die bestehenden, vom Beklagten weiterhin nicht ausgeräumten Zweifel an seiner Polizeidienstfähigkeit aufgrund der feststehenden Alkoholabhängigkeit weiter fortbestanden. Demgemäß hat der Polizeiarzt im Gesundheitszeugnis vom 19. Juni 2012 primär auch empfohlen, den Beklagten weiterhin im Innendienst ohne Führen von Dienstwaffen und Dienstfahrzeugen zu verwenden, bis man davon überzeugt sei, dass er vollständige und stabile Alkoholabstinenz einhalte. Soweit er alternativ die Möglichkeit gesehen hat, den Beklagten im Vollzugsdienst auch mit Führen von Dienstwaffen und Dienstfahrzeugen zu verwenden, sofern regelmäßige engmaschige Nachuntersuchungen auf Alkoholabstinenz im Abstand von drei Monaten stattfinden würden, liegt darin keine vorbehaltlose Bejahung der Polizeidienstfähigkeit, sondern nur ein unverbindlicher Vorschlag, der die – hier nicht gegebene – Bereitschaft des Beklagten voraussetzen würde, sich einer Haaranalyse zu unterziehen. Zudem ist der Kläger diesem Vorschlag auch nicht beigetreten, weil es ein unkalkulierbares Risiko darstellt, einen Beamten, bei dem aufgrund Alkoholmissbrauchs Zweifel über die Polizeidienstfähigkeit bestehen, mit Dienstwaffen und Dienstfahrzeugen Dienst tun zu lassen (SächsOVG, U.v. 28.3.2014 a.a.O. Rn. 36). Entgegen der Behauptung des Beklagten hat das Polizeipräsidium M* … ihm das Tragen von Dienstwaffen und das Führen von Dienstfahrzeugen mit Schreiben vom 21. April 2011 auch ohne Einschränkungen untersagt.
Die Anordnung der Haaranalyse war auch nicht unverhältnismäßig und verstieß nicht gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und 2 sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn unabhängig davon, ob die Entnahme einer Haarprobe mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist (bejahend: OLG München, B.v. 9.6.2010 – 3 Ws 457/10 – juris Rn. 12; verneinend: OLG München, B.v. 9.7.2010 – 2 Ws 571/10 – juris Rn. 10 ), ist der Beklagte gemäß Art. 128 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet, diese zur Klärung der Polizeidienstfähigkeit zu dulden (BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – juris Rn. 64). Dadurch wird nur verhältnismäßig gering in sein Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 und 2 GG eingegriffen. Sein Vorbringen, er werde gegenüber Beamten mit kurzen Haaren gleichheitswidrig behandelt, weil man diesen auch keine Haarprobe entnehmen könne, liegt neben der Sache.
Da die Anordnungen zur Durchführung einer Haaranalyse rechtmäßig waren, war der Beklagte verpflichtet, ihnen nachzukommen. Zudem besteht die Gehorsamspflicht grundsätzlich auch bei rechtswidrigen Weisungen (BVerfG, B.v. 7.11.1994 – 2 BvR 1117/94 u.a. – juris Rn. 5). Sollte der Beklagte die Rechtmäßigkeit der Anordnungen bezweifelt haben, hätte er sie verwaltungsgerichtlich überprüfen lassen können, was ihn allerdings nicht von der Pflicht zur Ausführung der Anordnungen entbunden hätte (BVerfG a.a.O. Rn. 6).
Der Beklagte hat damit vorsätzlich und subjektiv vorwerfbar (schuldhaft) gegen die Gehorsamspflicht aus § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen, indem er sich ohne Grund geweigert hat, zur Klärung seiner Polizeidienstfähigkeit an der vom Polizeiarzt für erforderlich gehaltenen Haaranalyse mitzuwirken.
4. Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, der sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würdigen. Das einheitliche Dienstvergehen führt zur Kürzung der Dienstbezüge um 1/20 auf drei Jahre (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Diese Disziplinarmaßnahme ist im Hinblick auf die Art und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen auf den dienstlichen Bereich sowie das Maß der Schuld unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beklagten zur Überzeugung des Senats zur Ahndung des verübten Dienstvergehens ausreichend, aber auch erforderlich.
Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 BayDG. Gegenstand der Bewertung ist, welche Maßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Diensts und die Integrität des Berufsbeamtentums aufrechtzuerhalten. Aus Art. 14 Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Maßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beamten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Pflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds ist Ausdruck des Schuldprinzips und für die Bewertung bedeutsam, ob der Beamte trotz des Dienstvergehens weiterhin im Beamtenverhältnis tragbar ist. Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:
Das Gewicht eines schuldhaften Rückfalls in die Alkoholsucht wird wesentlich durch die Schuldform und das Ausmaß der dienstlichen Auswirkungen bestimmt (BVerwG, U.v. 27.11.2001 – 1 D 64.00 – juris Rn. 34). Der Rückfall in die „nasse Phase“ kann je nach den Umständen des Einzelfalls eine Gehaltskürzung, eine Zurückstufung oder eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen. Bei einem lediglich fahrlässigen Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht kommt regelmäßig nur eine Gehaltskürzung in Betracht (BVerwG, U.v. 11.3.1997 – 1 D 68.95 – juris Rn. 29). Eine Zurückstufung kommt bei einschlägiger Vorbelastung in Frage (BVerwG, U.v. 21.7.1986 – 1 D 137.84 – juris Rn. 20). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wird i.d.R. nur bei vorsätzlichem Handeln verhängt werden können (BVerwG, U.v. 7.7.1987 – 1 D 104.86 – juris Rn. 33). Zu Lasten fällt insoweit ins Gewicht, dass der Beklagte vorsätzlich handelte und einschlägig wegen Alkoholkonsums vorbelastet ist. Erschwerend wirken sich auch die dienstlichen Folgen aus, die der Rückfall zeitigte, der dazu führte, dass der Beklagte seit Anfang 2011 nicht mehr im Vollzugsdienst, sondern nur mehr im Innendienst verwendet werden konnte. Zu seinen Gunsten ist zu berücksichtigen, dass er seither keine alkoholbedingten Ausfälle oder erheblichen Krankheitszeiten aufweist. Obwohl mit der Herbeiführung der Dienstunfähigkeit bei einem schuldhaften Rückfall in die Alkoholsucht das Dienstvergehen vollendet ist, ergibt sich hieraus eine günstige Zukunftsprognose, aus der sich Anhaltspunkte für eine Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit ergeben (BVerwG, U.v. 27.11.2001 a.a.O. Rn. 35), wie dies auch im Gesundheitszeugnis vom 19. Juni 2012 anklingt.
Hinzu kommt die vorsätzliche Nichtbefolgung zweier dienstlicher Anordnungen, zur Klärung der Polizeidienstfähigkeit an der vom Polizeiarzt für erforderlich gehaltenen Haaranalyse mitzuwirken. Die vorsätzliche Nichtbefolgung von Weisungen ist von erheblichem Gewicht, da die Gehorsamspflicht zu den Kernpflichten eines Beamten gehört (BVerwG, U.v. 13.12.2000 – 1 D 34.98 – juris Rn. 48), und kann im Einzelfall auch die Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen, v.a. wenn die Pflichtverletzung erhebliche Auswirkungen auf den Dienst hatte (BayVGH, U.v. 13.12.2006 – 16a D 05.3379 – juris Rn. 24 ff.). In minder schweren Fällen kommt hingegen regelmäßig nur eine Gehaltskürzung in Betracht (BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – juris Rn. 78). Insoweit ist zu Lasten des Beklagten zu werten, dass seine beharrliche Weigerung, zur Überprüfung der Alkoholabstinenz an der Haaranalyse mitzuwirken, zu erheblichen dienstlichen Auswirkungen geführt hat, da er deshalb bis auf weiteres nicht mehr im Vollzugsdienst, sondern nur mehr im Innendienst verwendet werden konnte. Auch insoweit ist allerdings mildernd zu berücksichtigen, dass der Beklagte seit Anfang 2011 nicht mehr alkoholauffällig geworden ist und seinen Dienst ohne erhebliche Krankheitszeiten beanstandungsfrei verrichtet hat, was den Schluss auf eine Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit zulässt.
Vor diesem Hintergrund kommt eine Entfernung des Beklagten aus dem Dienst nicht in Betracht. Aber auch eine Zurückstufung in ein niedrigeres Amt der BesGr A 7 ist nicht geboten. Zwar sprechen die schlechten dienstlichen Leistungen des Beklagten nicht für ihn. Zu Lasten des Beklagten spricht auch, dass er wegen Alkoholtaten strafrechtlich und disziplinarrechtlich vorbelastet ist und sich durch die wegen dieser Vortaten 2010 verhängte Gehaltskürzung nicht zu einer vollständigen dauerhaften Alkoholabstinenz anhalten hat lassen. Mildernd ist hingegen die Dauer des Disziplinarverfahrens seit Mai 2011 zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – juris Rn. 54), auch wenn der Beklagte bis zu der Erhebung der Disziplinarklage aufgrund der Weigerung, eine Haarprobe abzugeben, nur eingeschränkt dienstfähig war. In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände erscheint dem Senat deshalb die Kürzung der Dienstbezüge für die Höchstdauer von drei Jahren um 1/20 angemessen und geboten. Eine (nochmalige) Berücksichtigung der Verfahrensdauer nach Art. 9 Abs. 4 Satz 2 BayDG mit der Folge, dass der Beklagte entgegen Art. 9 Abs. 4 Satz 1 BayDG vor Ablauf von drei Jahren befördert werden könnte, erscheint demgegenüber aufgrund der gegen den Beklagten sprechenden erschwerenden Umstände nicht angezeigt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 BayDG. Da gegen den Beklagten im Verfahren der Disziplinarklage auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt worden ist, trägt er die Kosten des Berufungsverfahrens, auch wenn er mit seinem hilfsweise gestellten Antrag, eine mildere Disziplinarmaßnahme als die vom Verwaltungsgericht verhängte Zurückstufung in ein Amt der BesGr A 7 auszusprechen, obsiegt hat.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).
Dr. Wagner Dr. Neumüller Vicinus


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