Arbeitsrecht

Leistungen, Dienstleistungen, Streitwert, Erblasser, Verletzung, Ablehnung, Beteiligung, Betreuung, Vollstreckung, Mangelhaftigkeit, Anspruch, Entgeltanspruch, Klageschrift, Klage, Kosten des Rechtsstreits, schuldhafte Vertragsverletzung

Aktenzeichen  16 C 2756/19

Datum:
15.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52499
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 988,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.07.2019 sowie weitere 150,06 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 988,18 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht ist sachlich gem. § 23 Nr. 1 GVG und örtlich gem. §§ 12, 13 ZPO für die geltend gemachten Ansprüche zuständig.
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Die Klägerin hat einen Zahlungsanspruch i. H. v. 988,11 € € aus § 628 Abs. 1 BGB i.V. m. §§ 2, 13 RVG.
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist Dienstvertrag i. S. d. § 611 BGB. Dieser Vertrag wurde von der Beklagten wirksam mit der Email vom 28.05.2019 gekündigt. Maßgeblich ist hier § 627 BGB. Die Norm ist anwendbar, da der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag kein Arbeitsverhältnis i. S. d. § 622 BGB ist und die Klägerin als Anwaltsgesellschaft höhere Dienste i. S. d. § 627 BGB zu leisten pflegt (vgl. BGH, NJW 1987, 315, 316). Das Mandat war somit jederzeit kündbar, ohne dass es auf einen besonderen Grund i. S. d. § 626 BGB ankommt.
b) Die Klägerin kann daher gem. § 628 Abs. 1 S. 1 BGB einen ihrer bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gem. § 612 Abs. 2 BGB mangels vertraglicher Bestimmung nach dem RVG. In einem gerichtlichen Verfahren erster Instanz verdient ein Anwalt die Gebühr mit der jeweils ersten Tätigkeit im Abgeltungsbereich der Gebühr (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 23. Aufl. § 1 Rn. 103). Die Erstellung einer Klageschrift ist die Vorbereitung der Betreibung eines gerichtlichen Verfahrens und damit von dieser Regelung umfasst, spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Anspruch der Klägerin auf die Gebühr entstanden. Endet der Auftrag des Rechtsanwalts allerdings, bevor die Klage eingereicht wurde oder ein gerichtlicher Termin wahrgenommen wurde, beträgt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG lediglich 0,8. Unter Berücksichtigung einer 0,8 Gebühr aus 37.500 € zuzüglich der Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer beläuft sich der Anspruch auf 988,18 €.
c) Der Gebührenanspruch der Klägerin entfällt nicht nach § 628 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 BGB. Es liegt keine Veranlassung der Kündigung durch ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin vor, das den Entgeltanspruch der Klägerin entfallen lassen würde. Nicht jede geringfügige Vertragsverletzung lässt den Entgeltanspruch entfallen (BGH, NJW 2019, 1870 Rn. 22). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Beklagte als Dienstberechtigte, da sie sich auf die Ausnahme der grundsätzlichen Vergütungspflicht des § 628 Abs. 1 BGB beruft (BGH, NJW 2019, 1870 Rn. 22).
In ihrer Email vom 28.05.2019 stützt die Beklagte die Kündigung auf, die Ablehnung eines persönlichen Gesprächstermins (1) und die Qualität der entworfenen Klageschrift (2) sowie in der Klageerwiderung die Beteiligung eines Rechtsreferendars an dem Entwurf (3) und weitere Umstände der Betreuung und Beratung seitens der Klägerin (4). Keiner der genannten Gründe stellt eine schuldhafte Vertragsverletzung seitens der Klägerin dar, die hinreichendes Gewicht hat, um den Entgeltanspruch der Klägerin entfallen zu lassen.
(1) Die Ablehnung des persönlichen Gesprächstermins ist keine schuldhafte Vertragsverletzung seitens der Klägerin. Unstreitig ist, dass vor der Kündigung vier Gesprächstermine stattgefunden haben. Dass Rechtsanwältin … auf das Verlangen des Ehemanns der Beklagten in der EMail 26.03.2019 nach einem Gesprächstermin in der auf die E-Mail folgenden Woche mit der Begründung abgelehnt hat, dass in dieser Woche leider kein Besprechungstermin mehr möglich sei, stellt keine Pflichtverletzung dar. Der Ehemann der Beklagten hat in der E-Mail vom 26.03.2019 lediglich darauf hingewiesen, dass er vom Inhalt des Klageentwurfs überrascht sei und etliche Fragen aufgetreten sein. Umstände, die zwingend eine persönliche Besprechung erforderlich machen, lassen sich dieser E-Mail nicht entnehmen. Auf diese E-Mail hat Rechtsanwältin … nicht lediglich mit einer Versagung des geforderten Besprechungstermins reagiert, sondern Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten E-Mail Anlage 3.3 (Blatt 74 R d. A.) auch erklärt, aus welchem Grund auch ein Rechtsreferendar an der Bearbeitung der Akte beteiligt wurde. Ebenso hat Rechtsanwältin … erklärt, aus welchem Grund einige Argumente des Ehemannes der Beklagten in der Klageschrift nicht aufgegriffen wurden.
Auch dass Rechtsanwältin … auf die E-Mail des Ehemannes der Beklagten vom 31.03.2019 erst nach Monierung am 29.04.2019 reagiert hat, stellt zwar eine Verzögerung, aber noch keine Verletzung der vertraglichen Pflichten dar, die den Entgeltanspruch entfallen lassen würde. Unstreitig ist die Klägerin in dieser Zeit nicht untätig geblieben, sondern hat den vorherigen Klageentwurf überarbeitet und Anmerkungen des Ehemannes der Beklagten eingearbeitet. In der E-Mail vom 29.04.2019, in deren Anlage der Klageentwurf übermittelt wurde, ist Rechtsanwältin … auf die Fragen des Ehemannes der Beklagten aus der E-Mail vom 31.03.2019 zur Darstellung des Sachverhaltes und der Argumentation in den Klageentwurf eingegangen und hat das weitere Vorgehen erläutert. Die Frage, ob die sachgerechte Bearbeitung eines Mandats eine persönliche Besprechung erfordert, ist einzelfallabhängig. Dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt ist in diesem Zusammenhang ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen, ob eine persönliche Besprechung oder die Kommunikation via E-Mail, Telefon oder schriftlich den Fortgang der Sache fördert. Dass dieser Beurteilungsspielraum im vorliegenden Fall überschritten wurde, lässt sich den Vortrag nicht entnehmen.
(2) Auch die Qualität des Entwurfs der Klageschrift ist keine schuldhafte Vertragsverletzung seitens der Klägerin. Der Anwalt hat den Mandanten allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu beraten (BGH NJW-RR 2008, 1235, OLG Brandenburg NJOZ 2015, 210). Dabei muss der Anwalt die geeigneten Schritte zur Erreichung des Ziels vorschlagen, voraussehbare rechtliche Nachteile für den Auftraggeber vermeiden und den Mandanten über mögliche wirtschaftliche Gefahren belehren (BeckRA-HdB, Teil C. Kanzlei 1. Abschnitt. Mandatsverhältnis § 51. Der Anwaltsvertrag Rn. 21, beckonline). Weisungen des Mandanten sind zwar für den Anwalt im Grundsatz bindend (§§ 665, 675), er darf ihnen aber nicht blindlings folgen. Der Anwalt muss vielmehr selbstständig prüfen, ob dem Auftraggeber bei Ausführung der Weisung Nachteile drohen; sollte dies der Fall sein, muss er darauf hinweisen und die Antwort des Auftraggebers abwarten. Diese Pflichten gelten auch dann, wenn der Anwaltsvertrag ausnahmsweise in Form eines Werkvertrages abgeschlossen worden ist. Der Anwalt ist allerdings als Organ der Rechtspflege nicht verpflichtet, einen objektiv aussichtslosen Rechtsstreit zu führen oder fortzusetzen, und kann das Mandat bei Uneinsichtigkeit des Mandanten niederlegen (ohne seinen Vergütungsanspruch zu verlieren) (BeckOGK/Teichmann, 1.6.2020, BGB § 675 Rn. 853). Indem in den Klageentwurf nur der Sachvortrag beziehungsweise die rechtlichen Argumente aufgenommen wurden, die das Begehren der Beklagten stützten, ist die Klägerin diesen Pflichten gerade nachgekommen. Soweit der Ehemann der Beklagten in seiner E-Mail vom 28.05.2019 bemängelt, dass im Klageentwurf Zahlungen aufgeführt wurden, die einen möglichen Anspruch der Beklagten schmälern, ist anzumerken, dass der Kläger des Vorverfahrens zum wahrheitsgemäßen und vollständigen Vortrag verpflichtet war und sich andernfalls in die Gefahr einer Strafverfolgung wegen versuchten Prozessbetrugs begeben hätte.
Soweit der Ehemann der Beklagten die Mangelhaftigkeit der Klageschrift damit begründet, dass in der Klageschrift zwar eine Abschmelzung vorgenommen wurde bei der Schenkung an die Schwester seiner Ehefrau, nicht aber bei den Zahlungen, die seine Ehefrau vom Erblasser Beziehung was aus dem Nachlass erhalten hat, ist hinzuweisen auf §§ 2325 Abs. 3, 2327 BGB. Bei Eigengeschenken gilt die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 nach absolut hM in Rspr. und Lit. nicht – und damit auch seit der Erbrechtsreform die Abschmelzungsregelung nicht. Die Eigengeschenke sind ohne jede zeitliche Schranke und in voller Höhe bei der Bemessung des Ergänzungsanspruchs zu berücksichtigen (BeckOGK/A. Schindler, 1.6.2020, BGB § 2327 Rn. 19). Vor diesem Hintergrund stellen die rechtlichen Ausführungen in den Klageentwurf keine Verletzung von Vertragspflichten vor, die den Entgeltanspruch entfallen lassen würden. Dass der Bevollmächtigte der Beklagten diese Rechtsansicht nicht teilt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Den Anwalt trifft nicht die Pflicht einen den genauen Vorstellungen des Mandanten entsprechenden Schriftsatz zu fertigen, sondern nach umfassender rechtlicher Prüfung des Sachverhalts die rechtlich erfolgversprechenden Maßnahmen aufzuzeigen und zu ergreifen. Dem hat die Klägerin im Entwurf der Klageschrift hier entsprochen. Nach inhaltlich richtiger Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage ist der Rechtsanwalt sogar berechtigt die Durchführung eines Rechtsstreits abzulehnen, ohne durch eine anschließend erfolgte Mandatskündigung seinen Vergütungsanspruch zu verlieren (BGH, NJW 2017, 3376 Rn. 21 ff.). Die Ablehnung von Änderungen an einer Klageschrift stellt dazu ein weniger dar und rechtfertigt daher einen Verlust des Vergütungsanspruchs erst recht nicht. Insoweit ist auch die Nahelegung von Abschluss und Abrechnung seitens der Klägerin keine Vertragsverletzung.
Hinsichtlich der Kritik des Ehemannes der Beklagten zu dem Umstand, dass der Hilfsantrag auf 37.500 € lautet, in der Begründung dagegen eine Anspruchshöhe von 75.000 € erwähnt wird, ist auf die Anmerkungen im Klageentwurf hinzuweisen. Dort wird erläutert, dass der konkrete Betrag noch ergänzt werden wird, sobald die bereits erfolgten Auszahlungen und erhaltenen Schenkungen feststehen. Ersichtlich war der Entwurf hinsichtlich der Anspruchshöhe noch nicht abschließend geprüft.
(3) Auch die Beteiligung eines Rechtsreferendars an dem Entwurf der Klageschrift ist keine schuldhafte Vertragsverletzung seitens der Klägerin. In Justiz und Anwaltschaft gehört die Beschäftigung von Personen zu Ausbildungszwecken zum Alltag. § 5 RVG stellt klar, dass auch diese Tätigkeiten nach diesem Gesetz zu vergüten sind.
(4) Auch die weiteren Umstände der Betreuung durch die Klägerin stellen keine schuldhafte Vertragsverletzung dar. Durch den Vertrag wurde die Klägerin mit der Wahrung der Rechte der Beklagten betraut. Eine Pflicht zur fachanwaltlichen Betreuung durch eine spezielle bei der Klägerin beschäftigte Person enthält der Vertrag nicht und lässt sich auch nicht durch Auslegung ermitteln. Es bestand auch keine Offenlegungspflicht der Schwangerschaft der Fachanwältin.
d) Den Vergütungsanspruch der Klägerin steht daher § 628 Absatz 1 Satz 2 BGB nicht entgegen.
2. Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf Ersatz von Verzugszinsen gem. §§ 280 Abs. 1, 2 286 Abs. 1 BGB und zwar gem. § 288 Abs. 1 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Die Beklagte kam spätestens mit Verstreichenlassen der bis zum 05.07.2019 gesetzten Zahlungsfrist in Verzug. Sie schuldet daher Zinsen seit dem 06.07.2019.
3. Der Anspruch auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten ergibt sich ebenfalls aus § 82 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Die Beklagte schuldet eine 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 988,18 €. Unter Berücksichtigung der Postpauschale und der Mehrwertsteuer ergibt das einen Betrag von 147,56 €. Die vorgerichtlichen Mahnkosten, welche der Höhe nach pauschal nur mit 2,50 Euro pro Mahnung nach Verzugseintritt angesetzt werden können (§ 287 Abs. 1 ZPO), sind vorliegenden Höhe von 2,50 € zu erstatten. Nach dem klägerischen Vortrag wurde eine Mahnung am 25.06.2019 versandt.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nummer 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.


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