Arbeitsrecht

Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung des Verweisungsbeschlusses – Rechtsweg für Anmeldung zur Sozialversicherung und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

Aktenzeichen  7 Ca 582/18

Datum:
5.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14910
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, § 48 Abs. 1
SGB IV § 28a
GVG § 17a Abs. 2 S. 1, S. 3, Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

1 Für eine Klage betreffend die öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers auf Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung gem. § 28a SGB IV und über die Zahlungspflicht für Sozialversicherungsbeiträge ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und nicht den Arbeitsgerichten eröffnet. (Rn. 6 – 8) (red. LS Ulf Kortstock)
2 Ist der Beschluss zur Verweisung auf einen anderen Rechtsweg nicht mit einer von § 17a Abs. 4 S. 2 GVG geforderten Begründung versehen, die das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale, die dafür ausschlaggebenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe nebst einer Auseinandersetzung mit diesen und den Rechtsnormen enthält, wird die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses durch diese krasse Rechtsverletzung durchbrochen. (Rn. 9 – 11) (red. LS Ulf Kortstock)

Verfahrensgang

S 10 R 8056/17 2018-01-25 Bes SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben.
2. Der Rechtsstreit wird dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Gründe

I.
Die Klägerin war bei der Beklagten vom 01.12.2016 bis 28.02.2017 als Verkäuferin zur vorübergehenden Aushilfe beschäftigt. In ihrem ursprünglich bis 31.12.2016 befristet abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 09.12.2016, der nachfolgend bei gleichbleibendem Inhalt bis 28.02.2017 verlängert wurde, war eine Arbeitszeit von 34,77 Stunden monatlich bei einem Bruttostundenlohn von 10,98 € vereinbart. Im Dezember 2016 und Januar 2017 hat die Klägerin vereinbarungsgemäß mehr Arbeitsstunden geleistet und so jeweils 900,00 € brutto verdient, weswegen sie von der Beklagten für diese Zeit als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin angemeldet wurde.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei als geringfügig Beschäftigte eingestellt worden und damit nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Verdienstgrenze von 450,00 € habe sie in den Monaten Dezember 2016 und Januar 2017 zwar nicht eingehalten, habe diese aber einmal jährlich überschreiten dürfen ohne den Status als geringfügig Beschäftigte zu verlieren. Ihr stehe daher ein Anspruch gegen die Beklagte auf ungekürzte Auszahlung ihres Lohnes ohne den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen zu. Sie beantragt daher, die Beklagte zu verurteilen, ihre Anzeige zur Sozialversicherung gegenüber der Einzugsstelle zurückzuziehen und den Lohn abzugsfrei auszuzahlen.
Die Beklagte geht demgegenüber von einer Sozialversicherungspflicht der Klägerin aus.
Die Klägerin hatte eine entsprechende Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben, die dieses wegen „sachlicher“ Unzuständigkeit ohne Rechtsmittelbelehrungan das Arbeitsgericht Regensburg verwiesen hat. Wegen fehlender Anhängigkeit gem. § 202 S. 1 SGG iVm. § 17b Abs. 1 S. 1 GVG wurde der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückgegeben, das sodann mit Beschluss vom 25.01.2017 eine erneute Rechtswegverweisung an das Arbeitsgericht Regensburg vorgenommen hat und diesen mit nur einem Satz damit begründet, es handle sich „um eine Klage einer Arbeitnehmerin gegen ihre frühere Arbeitgeberin aus dem Arbeitsverhältnis“. Gegen den mit Rechtsmittelbelehrungversehenen und den Parteien zugestellten Beschluss ist kein Rechtsmittel eingelegt worden.
II.
Der Rechtsstreit wird in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
1. a) Das erkennende Gericht hält im vorliegenden Rechtsstreit eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a ArbGG mangels Vorliegen einer bürgerlichrechtlichen Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht für gegeben. Nicht ausreichend hierfür ist, wovon das Sozialgericht anscheinend ausgeht, das bloße Vorliegen eines früheren Arbeitsverhältnisses.
Ob eine Streitigkeit bürgerlichrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (so ausdrücklich BAG, 05. Oktober 2005 – 5 AZB 27/05).
b) Basierend auf dem angekündigten Klageantrag der Klägerin geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Auszahlung eines weiteren Lohnes an die Klägerin. Die Stundenzahl sowie der vereinbarte Stundenlohn und damit die Lohnhöhe an sich sind zwischen den Parteien völlig unstreitig. Strittig ist alleine deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung und damit die Frage des Bestehens einer sozialversicherungsrechtlichen, d.h. öffentlichrechtlichen Pflicht der Beklagten. Der Arbeitgeber hat nach § 28a SGB IV iVm. der gemäß § 28c SGB IV erlassenen Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) für jeden kraft Gesetzes in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherten Beschäftigten der Einzugsstelle bei Vorliegen der Voraussetzungen eine entsprechende Meldung zu erstatten. Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind kann allein unter Heranziehung dieser öffentlichrechtlichen Vorschriften beantwortet werden. Dies zu klären sind jedoch die Sozialgerichte berufen (so BAG, 05. Oktober 2005 5 AZB 27/05).
2. Der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 25.01.2017 kann keine Bindungswirkung entfalten.
a) Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. Eine Ausnahme erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung nur für offensichtlich gesetzwidrige Verweisungen an. Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluss (nur) dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefasst ist oder auf der Versagung des rechtlichen Gehörs beruht (BAG, 19. März 2003 – 5 AS 1/03 und 28. Februar 2006 – 5 AS 19/05, m.w.N.). Nur bei krassen Rechtsverletzungen kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ausnahmsweise in Betracht (ebenso BGH, 13. November 2001 – X ARZ 266/01 und 9. April 2002 – X ARZ 24/02).
b) Der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts C-Stadt ist nach hiesiger Ansicht nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern objektiv willkürlich im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Er verletzt bereits zwingendes Verfahrensrecht, weil er entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG nicht mit einer Begründung versehen ist. Die Gründe des Beschlusses beschränken sich auf die Nennung des § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG und die Erklärung der Anhörung der Parteien. Allein die Angabe der angewandten Rechtsnormen genügt ersichtlich nicht. Ansonsten findet sich nur die Formulierung, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Dies kann dem Begründungserfordernis nicht genügen. Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses führt nicht zwangsweise und in jedem Fall zur Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Vielmehr hat die Begründung mindestens auch die für erfüllt oder nicht erfüllt gehaltenen Tatbestandsmerkmale und die dafür ausschlaggebenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe zu bezeichnen und sich mit diesen und den Rechtsnormen auseinanderzusetzen (BSG, 18. Juli 2012 – B 12 SF 5/12 S – Rn. 7). Auch wenn die fehlende Begründung des Beschlusses nicht zur Nichtigkeit der Entscheidung führt, liegt doch bereits in dieser groben Missachtung der nicht zur Disposition des einzelnen Richters stehenden Begründungspflicht nach § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG regelmäßig eine krasse Rechtsverletzung, welche die Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ausnahmsweise rechtfertigt. Die Beschlussgründe geben Aufschluss über die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, auf denen der Verweisungsbeschluss beruht. Sie sind damit notwendiger Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, ob sich das verweisende Gericht bei seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (so ausdrücklich BAG, 16. Juni 2015 – 10 AS 2/15, Rn 6; BVerfG, 24. September 2002 – 2 BvR 742/02, Rn 28).


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