Arbeitsrecht

Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung eines Personalratsmitglieds

Aktenzeichen  M 20 P 18.5274

Datum:
27.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31535
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 47 Abs. 1, Abs. 2
BGB § 626

 

Leitsatz

Die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds des Personalrats ist in zwei Stufen durchzuführen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Gegenstandswert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2018 beantragte der Antragsteller,
die Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen Kündigung des mit der Beteiligten zu 2) bestehenden Arbeitsverhältnisses zu ersetzen.
Zur Begründung wurde ausgeführt:
Die Beteiligte zu 2) sei 53 Jahre alt, verwitwet und habe 2 Kinder (34 Jahre und 20 Jahre alt). Sie sei seit 1. September 1981 bei der Dienststelle beschäftigt. Sie sei Mitglied des Personalrates und gleichzeitig dessen Vorsitzende. Sie sei im vollen Umfange ihrer wöchentlichen vertraglichen Arbeitszeit von 12 Stunden freigestellt. Sie genieße mehrfachen Sonderkündigungsschutz. In der Zeit von 2011 und 2015 habe man mehrere Abmahnungen aussprechen müssen. Die einzelnen Abmahnungen und die Vorgeschichte bezüglich der eigentlichen Kündigungssachverhalte wurden dargestellt. Es wurde ausführlich erläutert, dass die Beteiligte zu 2) die Durchführung eines Lernprogramms zur Datenschutzgrundverordnung verweigert habe. Dies gelte auch für die Durchführung eines Lernprogramms zur Informationssicherheit. Sie habe sich zudem über eine Anordnung am 2. Oktober 2018 von Herrn K. hinweggesetzt und daher den Betriebsfrieden gestört. Als Kündigungssachverhalte wurden die wiederholte Verweigerung der Durchführung eines Lernprogramms zur Datenschutzgrundverordnung und der Durchführung eines Lernprogramms zur Informationssicherheit ausgeführt. Die Beteiligte zu 2) habe zwei gravierende Arbeitsvertragsverletzungen begangen, die jeweils einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB darstellten. Im Rahmen des Direktionsrechts sei der Antragsteller berechtigt gewesen, auch die Beteiligte zu 2) zur Teilnahme an den Lernprogrammen anzuweisen. Durch die Weigerung diese durchzuführen, habe sie ihre arbeitsvertragliche Pflicht verletzt, Anweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Sie sei vorher bereits wegen ähnlicher Sachverhalte abgemahnt worden. Die Interessenabwägung habe zu keinem anderen Ergebnis führen können. Das Arbeitsverhältnis sei inzwischen deutlich gestört. Andererseits sei die Beharrlichkeit des pflichtwidrigen Verhaltens der Beteiligten zu 2) zu ihren Lasten einzustellen, außerdem die Zahl der Verstöße und das Maß des beschädigten Vertrauens, nachdem die Beteiligte zu 2) letztlich ihre eigenen Entscheidungen zur Sinnhaftigkeit betrieblicher Abläufe über diejenigen des Antragstellers als ihren Dienstvorgesetzten stelle. Außerdem sei das Arbeitsverhältnis durch 7 „Störfälle“ deutlich gestört.
Mit Schriftsatz vom 19. November 2018 wurde ein weiterer Kündigungsgrund nachgeschoben. Nach einer Dienstanweisung sei es den Beschäftigten untersagt, die zur Verfügung gestellten Hilfsmittel zweckentfremdend einzusetzen. Zu diesen Hilfsmitteln gehörten auch die EDV-Systeme. Hierüber sei die Beteiligte zu 2) zuletzt mit einer Abmahnung vom 15. Juni 2015 informiert worden. Am 13. Mai 2015 habe die Beteiligte zu 2) eine E-Mail mit dem Betreff „Online-Befragung Wertschätzungsindex Deutschland“ an den zentralen Verteiler und damit an rund 260 Beschäftigte weitergeleitet. Deswegen sei die Beteiligte zu 2) abgemahnt worden. In einer Dienstanweisung sei explizit festgelegt, dass das Versenden von privaten E-Mails nicht zulässig sei. Am 7. November 2018 habe die die Beteiligte zu 2) mit dem Betreff „Hinweis auf Online-Petition“ über den zentralen Verteiler eine E-Mail, in der sie unter Hinweis darauf, dass sie diese Information nicht als Personalratsvorsitzende, sondern als Gewerkschaftsmitglied veröffentliche, ein als PDF angehängtes Flugblatt des v.-Landesverbandes mit der Überschrift „Online-Petition – Bayerisches Personalvertretungsgesetz“ versandt. In der E-Mail habe sie darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Änderung des auch für die Dienststelle geltenden Bayerischen Personalvertretungsgesetzes dringend notwendig sei. Sie habe erwähnt, dass wer sich an der Petition beteiligen wolle, dies nicht während der Arbeitszeit tun solle, sondern in der Freizeit. Das angehängte Dokument habe Hyperlinks zum einen zu der Online-Petition und zum zweiten zu einem weiteren Dokument enthalten, nämlich eine Landtagsdrucksache, mit der die SPD-Fraktion den Entwurf in den Landtag eingebracht habe. Das Handeln der Beteiligten zu 2) stelle eine Pflichtverletzung dar, da sie als Arbeitnehmerin der Dienststelle nicht befugt gewesen sei, den zentralen Verteiler zu verwenden. Mit der pflichtwidrigen Verwendung dieses Verteilers als Gewerkschaftsmitglied und nicht als Personalratsvorsitzende habe die Beteiligte zu 2) gegen die Bestimmungen der Dienstanweisungen verstoßen, wonach es untersagt sei, die zur Verfügung gestellten Hilfsmittel zweckentfremdet bzw. für private Mittel einzusetzen. Ferner sei das Handeln als unzulässige so genannte „Gruppenagitation“ zu werten.
Mit Schriftsätzen vom 21. November 2018 und 10. Januar 2019 erwiderte der Bevollmächtigte der Beteiligten zu 1) und 2): Beim Modul „Basiswissen“ über die Datenschutzgrundverordnung seien nur ganz rudimentäre allgemeine Kenntnisse über das Datenschutzrecht vermittelt worden. Die Beteiligte zu 2) habe an einem Tagesseminar „Datenschutzgrundverordnung“ teilgenommen. Die Bereiche seien detaillierter behandelt worden als im Basismodul der Dienststelle. Insofern habe sie sich Wissen im Datenschutz angeeignet, das über das Basiswissen hinausgehe. Sie habe sich deshalb auf diesem Gebiet ständig weitergebildet. Aus diesem Grund hätte es der Erinnerung der Beteiligten zu 2) mit E-Mail vom 1. Oktober 2018 nicht bedurft. Die Beteiligte zu 2) habe nicht vorgehabt, die Teilnahme an der Schulung zu verweigern. Allerdings habe sie das Basismodul und den Abschlusstest nicht unbezahlt in ihrer Freizeit absolvieren wollen, wenn sie gleichzeitig schon eine höherwertige Fortbildung vorweisen habe können. Dass für die Online-Schulung letztendlich keine Vergütung erfolgt sei, ergebe sich aus der Gegendarstellung vom 15. Oktober 2018 zur Abmahnung vom 28. September 2018. Aus diesem Schreiben gehe hervor, dass die 12 Wochenstunden, die die Personalratsvorsitzende freigestellt sei, zu wenig seien, um die Pflichtaufgaben, die mit dem Personalratsvorsitz verbunden seien, auch nur annähernd zu erledigen. Im Verlauf der letzten Jahre seien vom Personalrat verschiedenste Lösungsvorschläge für dieses Problem eingebracht worden. Diese seien aber abgelehnt worden. Ein längerer Freizeitausgleich für sie zum Abbau von Arbeitszeitguthaben sei wegen fehlender Vertretungsmöglichkeiten im Personalratsgremium nicht möglich. Die Dienststelle habe in den letzten 6 Jahren in jedem Jahr am 31. Mai auf ihrem Arbeitszeitkonto alles über 40 Plusstunden gekappt. Dadurch habe sie einen erheblichen finanziellen Verlust erlitten.
Hinsichtlich der angeblichen Störung des Betriebsfriedens am 2. Oktober 2018 sei der Sachverhalt nicht korrekt dargestellt worden. Als die Beteiligte zu 2) am Morgen des 2. Oktober 2018 auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz im Personalratsbüro der Geschäftsstelle eingetroffen sei, sei sie vor dem Personaleingang auf Herrn K. getroffen und habe somit gewusst, dass er an diesem Tag in V. gewesen sei (das Büro von Herrn K. sei in der Hauptstelle in R.*). Nachdem sie die wichtigsten Personalratsangelegenheiten erledigt habe, sei sie gegen 10.45 Uhr ein Stockwerk höher in die „Zentrale Marktfolge“ gegangen und habe dort Herrn K. getroffen und gefragt, ob er für ein Gespräch Zeit habe. Sie habe ihn gefragt, ob er zum Abteilungsleiter der „Zentralen Marktfolge“ ernannt worden sei, was dieser bejaht habe. Insofern habe sie ihn um etwas Schriftliches, z. B. einen Vorstandsbeschluss oder ähnliches, gebeten. Herr K. sei sichtlich verärgert gewesen und habe keine Antwort gegeben, sondern bloß gemeint, sie solle diese Frage schriftlich stellen. Er habe lautstark auf sie eingeschimpft. Er sei schließlich in das Büro der beiden Mitarbeiterinnen S. und L., geflüchtet. Er habe die Beteiligte zu 2) angeschrien und ihr schließlich Hausverbot erteilt. Zutreffend sei, dass Herr K. im Beisein der Beteiligten zu 2) sich telefonisch mit dem Antragsteller in Verbindung gesetzt habe. In diesem Telefongespräch habe er sie beschuldigt, dass sie zwei Mitarbeiterinnen drangsalieren würde, was von beiden umgehend verneint worden sei. Weiterhin habe er den Antragsteller um Unterstützung gebeten, die Beteiligte zu 2) aus dem Büro zu werfen. Bestritten werde, dass die Beteiligte zu 2) auch nach dem Telefonat mit dem Antragsteller sich weiter echauffiert habe und sich geweigert habe, die Abteilung „Zentrale Marktfolge“ zu verlassen.
Es sei zutreffend, dass die Beteiligte zu 2) aufgefordert worden sei, eine Online-Schulung zum Thema „IT-Sicherheit/Informationssicherheit“ durchzuführen. Die Online-Schulung sei gerade nicht für die Ausführung der Personalratstätigkeit erforderlich. Als Personalratsvorsitzende habe sie mit dem Kundenverkehr nichts zu tun. Sie sei nur intern tätig. Die Schulung vermittele nur ganz allgemeines Wissen über geeignete Passwörter und allgemeine Gefahren des Internets. Hinzukomme, dass ihr die Durchführung des Lernprogramms aufgrund ihrer 125 Plusstunden überhaupt nicht möglich gewesen sei. Es mache also keinen Sinn, eine Schulung zu absolvieren, die nicht erforderlich sei und zu einer weiteren Überlastung der Beteiligten zu 2) führe. Stattdessen hätte der Antragsteller forcieren müssen, dass die Überstunden abgebaut werden. Das Lernprogramm gehöre auch nicht zu den üblichen Aufgaben gemäß Art. 32 BayPVG.
Unstreitig sei, dass die Beteiligte zu 2) mit E-Mail vom 7. November 2018 den Flyer zur Online-Petition der Gewerkschaft v. versandt habe. Am 2. November 2018 habe die Beteiligte zu 2) über ihr E-Mail-Postfach ein E-Mail des v.-Bezirks O. mit den Informationen zur Online-Petition erhalten. Das E-Mail könne gerne weitergeleitet werden. Zudem erfolgte der Hinweis, dass sich eine tarifzuständige Gewerkschaft an Arbeitnehmer über deren betriebliche E-Mail-Adresse mit Werbung und Informationen wenden könne. Die Entscheidung einer Gewerkschaft, Arbeitnehmer auf diesem Wege anzusprechen, sei Teil ihrer im Grundgesetz geschützten Betätigungsfreiheit. Bei der nächsten Sitzung der Beteiligten zu 1) sei im Gremium darüber diskutiert worden, auf welche Weise die Gewerkschaftsinfos an die Mitarbeiter weitergeleitet werden könnten. Da von dem Gremium nach dem Ausscheiden von Frau B. nur noch die Beteiligte zu 2) die Berechtigung gehabt habe, E-Mails an alle Mitarbeiter weiterzuleiten, habe diese die Aufgabe übernommen. Aufgrund des Hinweises aus der E-Mail des v.-Bezirks O., dass die Weiterleitung dieser Werbung an betriebliche E-Mail-Adressen zulässig sei, sei die Beteiligte zu 2) davon ausgegangen, dass sie die Mail weiterleiten durfte. Um den rechtlichen Regelungen entsprechend zu handeln, habe sie bewusst darauf geachtet dass die E-Mail als gewerkschaftliche Mitteilung erfolgt sei, indem sie als Gewerkschaftsmitglied aufgetreten sei. Sie habe die Mail außerdem außerhalb ihrer Arbeitszeit versandt und keinerlei Druck ausgeübt. Ganz im Gegenteil, sie habe geschrieben, dass für den Fall der Teilnahme an der Petition dies außerhalb der Arbeitszeit erfolgen solle.
Es sei deshalb kein wichtiger Grund zur Kündigung nach § 626 BGB gegeben. Zudem sei die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 2) bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar.
Die Freistellung der Beteiligten zu 2) habe die Folge, dass sie in dem der Freistellung entsprechenden Umfang von ihrer Pflicht zur Dienstleistung aus dem zuvor innegehabten Dienstposten entbunden sei und nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliege. Gemäß Art. 32 Abs. 3 BayPVG sei die Beteiligte zu 2) für die Führung der laufenden Geschäfte zuständig. Hinzukomme, dass angesichts des hohen Stellenwerts, den der Gesetzgeber der Personalvertretung beimesse und die Ausgestaltung des Art. 46 BayPVG zeige, dass der Erfüllung der Aufgaben aus dem Personalratsamt ohnehin der Vorrang eingeräumt werden müsse.
Schließlich lasse sich auch mit dem Versand einer E-Mail zur Teilnahme an einer Online-Petition zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz keine ordentliche Kündigung begründen. Beschäftigte, die einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft angehörten, hätten das Recht, Informationsmaterial ihrer Gewerkschaft zu verteilen. Eine allgemeine Informationstätigkeit sei nur zulässig, wenn sie außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder während der Pausen stattfinde, den ordnungsgemäßen Dienstablauf nicht beeinträchtige, keine unsachlichen Angriffe gegen den Dienstherrn enthalte und von Drohungen gegenüber nicht- oder anderweitig organisierten Beschäftigten absehe. Schließlich dürfe die Informationsaktivität nicht vom Personalrat als solchem ausgehen. Zudem sei es erlaubt, E-Mails auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers und ohne vorherige Aufforderung seitens des Arbeitnehmers an die betrieblichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten zu versenden.
Auch eine Gruppenagitation sei nicht gegeben. Die E-Mail sei bewusst kurz konzipiert worden. Sie enthalte im ersten Absatz den Titel des Flyers zur Online-Petition. Es sei die Freiwilligkeit herausgestellt worden, sodass kein Zwang zur Teilnahme bestanden habe. Sofern eine Pflichtverletzung im Verhaltensbereich begangen worden sei, bedürfe es als milderes Mittel einer Abmahnung, bevor eine wirksame außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden könne. Der Beteiligten zu 2) seien zwar vor Ausspruch verschiedene Abmahnungen erteilt worden; diese seien aber allesamt unwirksam. Die Interessensabwägung sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Sie falle eindeutig zu Gunsten der Beteiligten zu 2) aus. Zunächst sei anzumerken, dass die Beteiligte zu 2) seit 37 Jahren in der Dienststelle beschäftigt sei und dort schon ihre Ausbildung absolviert habe. Bis 2011, also 30 Jahre, sei das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei gelaufen. Komischerweise seien bereits unberechtigte Abmahnungen, nachdem die Beteiligte zu 2) das Amt der Personalratsvorsitzenden übernommen hatte, erfolgt. Es erwecke den Anschein, als würden die Abmahnungen damit zusammenhängen. Jedenfalls habe sich die Beteiligte zu 2) nie etwas zu Schulden kommen lassen, was sich aus dem diesseitigen Vortrag ergebe. Sie verhalte sich weder beharrlich pflichtwidrig noch hätten eine enorme Zahl an Verstößen bzw. ein entsprechend geschädigtes Vertrauen bestanden. Der Ablauf in der Dienststelle sei nicht gestört. Zudem sei die Beteiligte zu 2) bereits 53 Jahre alt, verwitwet und eines ihrer Kinder würde nach wie vor studieren, weswegen sie auf ihren Arbeitsplatz angewiesen sei.
Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2019 wurde ein weiterer Kündigungsgrund nachgeschoben. Am 4. Januar 2019 seien der Vorstandsvorsitzende und ein weiteres Vorstandsmitglied abwesend gewesen. Die Beteiligte zu 2) habe an diesem Tage das Büro von Herrn K. betreten. Er sei Verhinderungsvertreter des Vorstands der Sparkasse. Sie habe erklärt, dass sie aktuell privat da sei, aber als Personalratsvorsitzende handele. Sie habe Herrn K. aufgefordert, einen Vorstandsbeschluss zur Umorganisation der Abteilung „Zentrale Marktfolge“ auszuhändigen. Dieser habe geantwortet, dass er den Sachverhalt zeitnah bis 12.00 Uhr klären werde, da hierzu eine Rücksprache mit dem zuständigen Abteilungsleiter erforderlich sei. Er habe sie gebeten, bis zur Erledigung der Klärung sein Büro zu verlassen. Sie habe sich geweigert das Büro zu verlassen. Erst wenn sie den genannten Vorstandsbeschluss ausgehändigt bekommen habe, werde sie dieser Aufforderung nachkommen. Sie habe sich geweigert das Büro zu verlassen mit den Worten: „Da muss mich dann schon jemand raustragen.“. Sie habe in süffisanter Weise gesagt: „Anscheinend hat der Verhinderungsvertreter Probleme mit der Erfüllung seiner Aufgaben“ und „Das wird auch für Dich persönlich ein Nachspiel haben.“
Herr K. habe die Sachbearbeiterin Frau S** angerufen, die mitgeteilt habe, dass Herr K. erst am Nachmittag wieder da sei. Frau S** sei in seinem Büro erschienen. Kurz daraufhin habe Frau S** angerufen und mitgeteilt, dass der Vorstandsbeschluss bereits am 28. Dezember 2018 an die Beteiligte zu 2) weitergeleitet worden sei. Dazu gebe es einen Nachweis. Frau S** habe sich in das Büro von Herrn K. begeben, um der Beteiligten zu 2) die Unterlagen auszuhändigen. Die Beteiligte zu 2) sei bereits wegen einer ähnlichen Pflichtverletzung mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 abgemahnt worden, nachdem sie am 2. Oktober 2018 ein von Herrn K. genutztes Büro trotz mehrerer Aufforderungen nicht verlassen habe. Die Beteiligte zu 2) habe eine Pflichtverletzung begangen, indem sie den Anweisungen von Herrn K. nicht gefolgt sei. Außerdem habe ihr Verhalten den Betriebsfrieden gestört.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2019 äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers zu dem Vorbringen im Schriftsatz vom 10. Januar 2019 des Bevollmächtigten der Beteiligten. Die Argumente wurden vertieft.
Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2019 wurde ein weiterer Kündigungsgrund nachgeschoben. Die Beteiligte zu 2) habe eine Online-Schulung „Geldwäsche-Prävention“ und „Betrugs-Prävention“ nicht absolviert.
Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2019 wurde ein weiterer Kündigungsgrund nachgeschoben, wonach am 27. Juni 2019 die Beteiligte zu 2) die Beschäftigte A. in der Personalabteilung aufgesucht und verlangt habe, eine Mitarbeiterliste angefertigt und ausgehändigt zu erhalten. Die Beteiligte zu 2) habe erwidert, sie brauche die Liste sofort. Frau A. habe mitgeteilt, sie möchte nicht, dass die Beteiligte zu 2) bei ihr stehe und auf sie warte. Sie kümmere sich sofort darum und bringe ihr die Liste. Die Beteiligte zu 2) habe geantwortet, sie warte hier auf die Liste. Herr K. sei aus dem Nachbarbüro gekommen und habe gefragt, ob es Probleme gebe. Die Beteiligte zu 2) habe mit den Worten gedroht „Wenn ich die Liste nicht innerhalb von 10 Minuten erhalte, dann informiere ich sofort v. und die Presse wegen Behinderung der Personalratsarbeit.“. Die Beteiligte zu 2) habe das Büro von Frau A. verlassen und angekündigt, auf dem Gang zu warten, was sie dann auch getan habe. Innerhalb von 5 Minuten sei ihr die Liste übergeben worden.
Im Anschluss an die Aushändigung der Mitarbeiterliste habe sie eine Vielzahl von Büros im Hauptstellengebäude in R. aufgesucht und die anwesenden Mitarbeiter persönlich befragt, ob diese an einer „Umfrage von v. für unsere Sparkasse“ teilnehmen wollten. Diejenigen Mitarbeiter, die dies bejahten, habe die Beteiligte zu 2) gebeten, auf der zuvor von Frau A. ausgehändigten Personalliste zu unterschreiben. Dann habe sie ihnen ein Teilnahmeblatt ausgehändigt. Sie habe am Nachmittag des 27. Juni 2019 sodann im Internet über den Zugang als Personalratsvorsitzende eine Information an alle Mitarbeiter versandt, mit der sie noch einmal alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle über die Umfrage informiert habe. Insbesondere habe sie alle interessierten Mitarbeiter gebeten, bei ihr baldmöglichst per E-Mail die persönliche Zusendung eines Fragebogens anzufordern. Die Beteiligte zu 2) habe angekündigt, dass sie diesen sofort per Dienstpost versenden würden.
Das Handeln stelle eine Nötigung, zumindest ein nötigungsähnliches Verhalten dar. Das Ansprechen einer Vielzahl von Beschäftigten zum Zwecke der Teilnahme an einer gewerkschaftlichen „Zufriedenheitsumfrage“ stelle eine unzulässige gewerkschaftliche Agitation in der Dienststelle dar. Die Veröffentlichung des Aufrufs zur Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Beschäftigtenumfrage sei ebenfalls eine Pflichtverletzung.
Mit weiterem Schriftsatz vom 24. Juli 2019 wurde ein weiterer Kündigungsgrund nachgeschoben. Frau A. habe am 6. Juli 2019 einen Supermarkt in R. aufgesucht. Während sie an der Wursttheke gewartet habe, sei die Beteiligte zu 2) erschienen und habe sie in lautem und aggressiv gehaltenem Ton angesprochen, ob sie denn wisse, auf was ihr Verhalten hinauslaufe, nämlich auf „meine Kündigung“. Frau A. habe sich massiv unter Druck gesetzt gefühlt. Sie habe abwehrend gesagt, dass sie jetzt im Urlaub sei und nicht mit ihr sprechen wolle. Die Verkäuferin hinter der Theke habe bereits auf die Bestellung von Frau A. gewartet, Kunden hinter ihr hätten merklich interessiert die lautstark von der Beteiligten zu 2) erhobenen Vorhaltungen verfolgt. Dies stelle eine Verletzung einer Nebenpflicht dar. Das unsachliche Verhalten habe nur dem Zweck gedient, Frau A. einzuschüchtern und auf sie dahingehend einzuwirken, nicht mehr an der Namhaftmachung von Pflichtverletzungen seitens der Beteiligten zu 2) mitzuwirken, um künftig derart unangenehme Vorfälle wie die an der Wursttheke zu vermeiden. Es sei der Betriebsfriede gestört worden.
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2019 erwiderte der Rechtsanwalt der Beteiligten: Es seien in der Vergangenheit Maßnahmen gegenüber der Führungsriege des Personalrats erfolgt. So sei die ehemalige stellvertretende Vorsitzende versetzt worden, sodass ihre Personalratsarbeit erschwert worden sei. Zudem habe durch das Verfahren M 20 P 17.623 der Ausschluss aus dem Personalrat erwirkt werden sollen. Sie habe dem Druck nicht mehr Stand gehalten und im Frühjahr 2018 die Dienststelle freiwillig verlassen. Der Antragsteller betreibe nun einen enormen Aufwand darin, die Beteiligten mit vielen Schriftsätzen und Kündigungsvorwürfen zu verwirren. Dies geschehe in der Hoffnung, dass irgendein Kündigungsgrund am Ende reichen werde. Es wirke schon bald so, als könne sich die Beteiligte zu 2) zu nichts mehr äußern und nichts mehr tun, ohne dass im Anschluss Abmahnungen erfolgten oder Kündigungsgründe nachgeschoben würden. Die Argumentation des Bevollmächtigten der Beteiligten wurde zu den Kündigungsgründen vertieft.
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2019 wurden weitere Kündigungsgründe vorgebracht.
Die Beteiligte zu 2) habe an einer Online-Schulung „Informationssicherheit“ nicht teilgenommen. Zudem habe sie der Reinigungskraft A. eine unerlaubte individualarbeitsrechtliche Weisung erteilt. Der Beteiligte zu 1) habe einen Initiativantrag zur Änderung des Arbeitszeitrahmens der eigenen Reinigungskräfte beschlossen. Nachdem der Antragsteller den Antrag noch nicht beantwortet habe, habe die Beteiligte zu 2) mit Mail vom 2. September 2019 an die Beantwortung erinnert und ausgeführt, sie werte die Tatsache, dass der Antragsteller noch keine schriftliche Ablehnung abgegeben habe als stillschweigende Zustimmung. Die Beteiligte zu 2) habe damit gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Sie habe Weisungen erteilt und damit ihre Kompetenzen überschritten. Dies stelle auch eine Störung des Betriebsfriedens dar.
Mit Schriftsätzen vom 15. November 2019 des Bevollmächtigten des Antragstellers und der Beteiligten wurden die Argumente weiter vertieft.
Am 27. November 2019 hörte das Gericht die Verfahrensbeteiligten mündlich an.
Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers stellte
den Antrag aus dem Schriftsatz vom 25. Oktober 2018.
Der Bevollmächtigte der Beteiligten stellte den Antrag,
den Antrag abzulehnen.
Es wird Bezug genommen auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag bleibt erfolglos.
Die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds des Personalrats ist in zwei Stufen durchzuführen. Danach bedarf es zunächst der Klärung, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls „an sich“, das heißt unter typisierender Betrachtung geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben (BayVGH, B.v. 9.3.2015 – 17 P 13.2526 – juris Rn. 20). Danach ist auf der zweiten, davon zu trennenden Stufe weiter zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist (Art. 47 BayPVG i.V.m. § 626 BGB).
Als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung kommen insbesondere schwerwiegende Vertragsverletzungen in Betracht. Soweit die Pflichtverletzung mit der Amtsführung des Personalrates im Zusammenhang steht, ist ein besonders strenger Maßstab anzuwenden (vgl. Schelter/Seiler, BayPVG, 3. Aufl. 2000, Art. 47 Rn. 8).
Hinsichtlich der in den Schriftsätzen vom 25. Oktober 2018, 13. Juni 2019 und 14. Oktober 2019 angeführten Kündigungsgründe der Nichtdurchführung der vier EDV-Schulungen (Lernprogramm zur Datenschutzgrundverordnung, zur Informationssicherheit, zur Geldwäscheprävention und zur Informationssicherheit) liegt schon keine Pflichtverletzung vor, die einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB darstellen könnte. Die Beteiligte zu 2) arbeitet 12 Wochenstunden und ist voll für die Personalratstätigkeit freigestellt. Insoweit unterliegt sie nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Art. 46 Rn. 106). Zudem ist in Art. 46 BayPVG geregelt, dass die Personalratstätigkeit Vorrang hat (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Art. 46 Rn. 8a).
Hinsichtlich des Kündigungsgrundes im Schriftsatz vom 19. November 2018, wonach die Beteiligte zu 2) am 7. November 2018 eine E-Mail mit dem Betreff „Hinweis auf Online-Petition“ über den zentralen Verteiler versandt hat, hat sie keine Pflichtverletzung begangen, die einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB darstellen könnte.
Vielmehr durfte sie auf die Information von v. vertrauen, dass sie berechtigt war, die Arbeitnehmer per E-Mail zu informieren. In der E-Mail vom 2. November 2018 (Anlage AG 24 zum Schriftsatz v. 10.1.2019) wurde darauf hingewiesen, dass „eine tarifzuständige Gewerkschaft sich an Arbeitnehmer über deren betriebliche E-Mail-Adressen mit Werbung und Information wenden kann. Die Entscheidung einer Gewerkschaft, Arbeitnehmer auf diesem Wege anzusprechen, ist Teil ihrer im Grundgesetz geschützten Betätigungsfreiheit.“ Zudem erfolgte auch vorher keine Abmahnung. Die Abmahnung vom 15. Juni 2015 bezog sich auf eine Online-Befragung „Wertschätzung“; dabei ging es aber nicht um ein gewerkschaftliches Anliegen, sondern um einen anderen Zusammenhang.
Hinsichtlich der weiter angeführten Kündigungsgründe war eine Beweisaufnahme der streitigen Tatsachen nicht erforderlich, da selbst wenn sich die von dem Antragsteller vorgetragenen Tatsachen so erwiesen hätten, wie in den Schriftsätzen ausgeführt, diese eine außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 2) nicht rechtfertigen.
Wenn sich die mit Schriftsatz vom 17. Januar 2019 angeführten Tatsachen als wahr erwiesen hätten, nämlich dass die Beteiligte zu 2) am 4. Januar 2019 das Büro von Herrn K. trotz seiner Anweisung nicht verlassen hat, um einen Vorstandsbeschluss zu erhalten und sie zudem gesagt haben sollte, dass man sie schon heraustragen müsse, dass der Verhinderungsvertreter Probleme mit der Erfüllung seiner Aufgaben habe und dass es ein persönliches Nachspiel für ihn haben werde, rechtfertigt dies dennoch eine außerordentliche Kündigung nicht.
Dabei kann offenbleiben, ob wenn sich diese Tatsachen erwiesen hätten, eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die im Zusammenhang mit der Personalratstätigkeit stand, vorgelegen hat.
Zumindest ist dem Antragsteller die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zumutbar.
Dabei sind die konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu berücksichtigen.
Sofern die Beteiligte zu 2) sich so verhalten haben sollte, ist dieses Verhalten noch nicht so schwerwiegend, dass im Hinblick auf ihr Alter, ihre lange Betriebszugehörigkeit und eines zumindest über 30 Jahre – bis 2011 – ungestörten Arbeitsverhältnisses, eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein könnte.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass – wie die Beteiligten selbst auch in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung mitteilten – das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten zu 2), aber auch zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 1) insgesamt sehr schwierig ist.
Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass bereits diverse arbeitsgerichtliche und personalvertretungsrechtliche Klagen zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 1), aber auch zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten zu 2) vor dem Arbeits- und Verwaltungsgericht anhängig waren. Dabei stellte sich auch heraus, dass einige unberechtigte Abmahnungen erteilt wurden, so zum Beispiel hinsichtlich des Sachverhalts bzgl. der Aussagegenehmigungen vom 27. September 2012.
Das Gericht geht dabei davon aus, dass alle Beteiligten ihren Anteil an dem schwierigen Arbeitsverhältnis haben. Aus den Schriftsätzen ergibt sich, dass die Beteiligte zu 2) keineswegs allein zu dem schlechten Arbeitsverhältnis beigetragen hat.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 2) als Personalratsmitglied handelte und daher ein besonders strenger Maßstab gilt.
Die Gesamtabwägung ergibt daher, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zumutbar ist.
Hinsichtlich des im Schriftsatz vom 19. Juli 2019 vorgetragenen Kündigungsgrundes, dass die Beteiligte zu 2) am 27. Juni 2019 eine Mitarbeiterliste von Frau A. verlangt haben soll und dabei Anweisungen von Herrn K. nicht gefolgt sei, ergibt sich ebenfalls bei der Gesamtabwägung, dass das Arbeitsverhältnis noch zumutbar ist.
Wenn der Tatsachenvortrag des Antragstellers richtig sein sollte, dass die Beteiligte zu 2) den Anweisungen von Herrn K. nicht gefolgt sei und gesagt habe, „Wenn ich die Liste nicht innerhalb von 10 Minuten erhalten, dann informiere ich sofort v. und die Presse wegen Behinderung der Personalratsarbeit“, könnte wohl ein wichtiger Grund für eine Kündigung grundsätzlich vorliegen. Letztlich kann aber offenbleiben, ob hier eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt.
Denn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist noch zumutbar.
Die Gesamtabwägung ergibt, dass die Verfehlung noch nicht so schwerwiegend ist. Zu berücksichtigen ist das Alter und die Betriebszugehörigkeit der Beteiligten zu 2) sowie das 30 Jahre lang unbelastet bestehende Arbeitsverhältnis. Außerdem haben – wie bereits ausgeführt – alle Beteiligten zu den Spannungen nach Auffassung des Gerichts beigetragen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 2) als Personalratsmitglied handelte und daher ein besonders strenger Maßstab gilt.
Hinsichtlich des weiteren Kündigungsgrundes vom 9. Juli 2019, nämlich der Teilnahmeaufforderung hinsichtlich des Fragebogens von der Gewerkschaft v. zum Betriebsklima in der Dienststelle, liegt keine Pflichtverletzung und damit auch kein wichtiger Grund zu einer Kündigung vor. V. hat für die Sparkasse R. diese Umfrage zum Betriebsklima extra entwickelt. Die Beteiligten konnten daher davon ausgehen, dass die Gewerkschaft geprüft hatte, ob eine solche Umfrage von der Personalratsvorsitzenden an die Mitarbeiter weitergegeben werden darf. Die Beteiligte zu 2) war daher in dem guten Glauben, dass sie berechtigt war, die Umfrage an ihre Mitarbeiter und Kollegen zu verteilen.
Hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 nachgeschobenen Kündigungsgrundes, wonach die Beteiligte zu 2) Frau A. in einem Supermarkt an der Wursttheke auf ihre Kündigung angesprochen haben soll, kann das Gericht keine Nebenpflichtverletzung – die einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB darstellen könne – feststellen.
Das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers wird erst dann kündigungsrelevant, wenn es sich auf die vertraglichen Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien konkret innerbetrieblich auswirkt. Grundsätzlich keine Auswirkung hat deshalb ein Verhalten, das nur die Privatsphäre betrifft, insbesondere dann, wenn der Bereich durch das AGG geschützt ist (Henssler/Willemsen/Kalb, Komm. zum Arbeitsrecht, 8. Auf. 2018, § 626 BGB Rn. 167).
Der Vorfall an der Wursttheke fand im Privatbereich der Beteiligten zu 2) und Frau A. statt. Nach dem Vortrag des Antragstellers dürfte den Umstehenden auch nicht klargewesen sein, dass es sich hier um Vorgänge in der Sparkasse gehandelt hat. Das Verhalten hat sich auch nicht auf vertragliche Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien konkret innerbetrieblich ausgewirkt. Zudem ergibt die Abwägung der Interessen der Vertragsteile, dass ein Arbeitsverhältnis noch zumutbar ist.
Selbst wenn sich die Vorwürfe in den Schriftsätzen vom 17. Januar 2019 (Nichtverlassen des Büros von Herrn K., Äußerungen gegenüber Herrn K.*) und die von dem Antragsteller vorgetragenen Tatsachen im Schriftsatz vom 9. Juli 2019 (Drohen mit Presse und v., Nichtbefolgung von Anweisungen von Herrn K.*) und die Tatsachen im Schriftsatz vom 24. Juli 2019 (Vorfall „Wursttheke“) als wahr erwiesen hätten, würde die Gesamtabwägung ergeben, dass die Verfehlungen – so sie so vorgefallen wären – nicht so schwerwiegend sind, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar wäre.
Dabei ist das Alter der Beteiligten zu 2), die Betriebszugehörigkeit, das 30 Jahre lang ungestörte Arbeitsverhältnis ebenso zu berücksichtigen, wie dass beide Parteien an dem schwierigen Arbeitsverhältnis ihren Anteil haben. Dies zeigt sich auch in den verschiedenen Prozessen arbeitsrechtlicher und personalvertretungsrechtlicher Art, die in der Vergangenheit geführt wurden.
Hinsichtlich des im Schriftsatz vom 14. Oktober 2019 angeführten Kündigungsgrundes, dass die Beteiligte zu 2) eine unerlaubte individualarbeitsrechtliche Weisung gegenüber einer Reinigungskraft abgegeben haben soll, stellt dies keine schwerwiegende Arbeitspflichtverletzung dar, die einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB begründen könnte.
Nach dem Inhalt der Mail der Beteiligten zu 2) vom 2. September 2019 befand sich die Beteiligte zu 2) vielmehr im Irrtum, dass – nachdem keine Rückmeldung vom Antragsteller hinsichtlich der Änderung der Arbeitszeiten der Reinigungskräfte erfolgt ist – die Zustimmung durch den Arbeitgeber als stillschweigend erteilt gilt. Dies ergibt sich auch aus dem Schreiben vom 7. Oktober 2019 des Antragstellers an den Personalrat der Sparkasse (Bl. 341 der Gerichtsakte), in dem der Personalrat zum Kündigungsgrund „Weisung an die Reinigungskraft“ angehört wurde. In diesem Schreiben ist ausgeführt, dass im Monatsgespräch vom 30. September 2019 der Initiativantrag zur Änderung der Reinigungszeiten von der Beteiligten zu 2) angesprochen worden sei. Im Rahmen dieses Wortwechsels habe die Beteiligte zu 2) geäußert, dass sie der Reinigungskraft „erlaubt habe“, abends bereits um 16.30 Uhr mit den Reinigungsarbeiten zu beginnen. Dieses Recht habe sie daraus abgeleitet, dass die Antwort der Sparkasse am 9. September 2019 zu spät erfolgt sei und durch diesen Formfehler die Zustimmung stillschweigend erteilt worden sei.
Daraus ergibt sich, dass die Beteiligte zu 2) subjektiv in dem Glauben war, dass eine Fiktion der Zustimmung eingetreten war, was objektiv jedoch nicht zutraf.
Unabhängig davon erfolgte auch nicht als milderes Mittel zunächst eine Abmahnung.
Die Gegenstandswertfestsetzung orientiert sich mit Zustimmung der Beteiligten an § 52 Abs. 2 GKG.


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