Arbeitsrecht

Rechtmäßige Reduzierung der Arbeitszeit um die Hälfte

Aktenzeichen  AN 1 K 15.01278

Datum:
5.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 88 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Änderung des Arbeitszeitstatus ist ausnahmsweise nachträglich zulässig, wenn durch die Genehmigung die reduzierte Arbeitszeit der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit angepasst wird. (Rn. 32 und 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit ist eine öffentlich-rechtliche, empfangsbedürftige, nicht formgebundene und bedingungsfeindliche Willenserklärung; nach der Genehmigung einer Änderung des Arbeitszeit kann der Beamte der getroffenen Entscheidung nicht mehr durch Rücknahme des Antrags die Grundlage entziehen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage kann offen bleiben, ob dem Kläger die hierfür erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zusteht, soweit seinem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit um die Hälfte seitens der … mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15. Juni 2011 entsprochen wurde.
Denn die Klage ist jedenfalls unbegründet.
Der Bescheid der … vom 15. Juni 2011 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 9. Juli 2015 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da ihm die Reduzierung der Arbeitszeit um die Hälfte gemäß Art. 88 Abs. 1 BayBG auf seinen eigenen Antrag vom 8. Juni 2011 hin genehmigt wurde (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zwar ist grundsätzlich eine rückwirkende Änderung des Arbeitszeitstatus‘ ausgeschlossen. Die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten im Beamtenrecht bewirkt, dass beispielsweise einer einmal ausgesprochenen Beurlaubung nach deren Ablauf nicht mehr die Grundlage entzogen werden darf (vgl. auch VG Frankfurt, Urteil vom 26.01.2006, Az. 9 E 2233/04, Rdnr. 10, zitiert nach juris, m.w.N.), da sich rückwirkend der Arbeitszeitstatus des Beamten ändern bzw. erhöhen würde. Gerade die im Beamtenrecht nicht mögliche Nachholbarkeit von Dienstleistungen erfordert diese Gegenseitigkeit und schließt eine rückwirkende Aufhebung aus (vgl. VG Ansbach, U.v. 12.5.2015 – AN 1 K 14.01563 -, S. 15).
Im konkreten Einzelfall ist jedoch von der Möglichkeit der auch nachträglichen Änderung des Arbeitszeitstatus‘ des Klägers auszugehen, weil es vorliegend speziell darum ging, dessen Rechte und Pflichten gerade an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen. So waren der Kläger selbst wie auch der Lehrstuhlinhaber übereinstimmend auch in der Zeit vom 1. März 2009 bis zum 8. Juni 2011 schon davon ausgegangen, dass der Kläger nur 50% der regulären Arbeitszeit Dienst leisten müsse. Damit führt eine nachträgliche Änderung des Arbeitszeitstatus‘ für diesen Zeitraum gerade dazu, dass Arbeitszeitstatus und tatsächlich geleistete Dienstzeiten nunmehr übereinstimmen. Soweit der Kläger in dem die Rückforderung überzahlter Dienstbezüge betreffenden Parallelverfahren AN 1 K 12.00825 vorgetragen hat, er habe streckenweise deutlich mehr als 50% der regulären Arbeitszeit Dienst geleistet, ist dies unschädlich, da er mit dem Lehrstuhlinhaber als Dienstvorgesetzten übereinstimmend davon ausgegangen ist, nur zu 50% Dienstleistung verpflichtet zu sein. Im Übrigen wohnt es der Tätigkeit eines Akademischen Rates an einem Lehrstuhl inne, dass auch eigene wissenschaftliche Projekte vorangebracht werden, weshalb die bloße Anwesenheit am Lehrstuhl keinesfalls als Nachweis ausreichen kann, es sei auch mehr als 50% der regulären Arbeitszeit erbracht worden.
Darüber hinaus hat zwar der Kläger in seinem Antrag vom 8. Juni 2011 nicht ausdrücklich erklärt, ob er eine Änderung des Arbeitszeitstatus‘ nur für die Zukunft oder auch für die Vergangenheit beantrage. Dem Wortlaut ist hierzu nichts zu entnehmen.
Seine Erklärung ist jedoch dahingehend auszulegen, dass auch für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 und damit rückwirkend eine Änderung des Arbeitszeitstatus‘ beantragt wurde.
Ein Antrag im Verwaltungsverfahren ist nach § 133 BGB bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht der Behörde und eines eventuellen Antragsgegners (Empfängerhorizont) sowie der Verkehrssitte und Treu und Glauben auszulegen (vgl. Schmitz in Stelkens/Bok/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 22 Rn. 46).
Unter Anwendung dieser Grundsätze kann die Erklärung des Klägers vom 8. Juni 2011 nach Auffassung der Kammer nur so auszulegen sein, dass auch rückwirkend eine Arbeitszeitänderung beantragt wurde. Hierfür sprechen zunächst die Umstände des gesamten Verfahrens, weil der Kläger den Antrag gerade nicht initiativ gestellt hat, sondern dieser erst auf die Bitte bzw. Aufforderung der … erfolgt ist. Nachdem der Kläger hierin aufgefordert worden war, einen solchen Antrag zu stellen, um rechtmäßige Zustände wiederherzustellen, ist seine offensichtliche Zustimmung zu diesem Vorgehen objektiv nur so zu verstehen, dass auch für die Vergangenheit eine Anpassung erfolgen soll.
Darüber hinaus lassen sich die Bezugnahmen des Klägers auf die Höhe der Rückforderung nur so verstehen, dass er von einer hiermit verbundenen Überzahlung für die Vergangenheit ausgegangen ist und deshalb selbst an der Behebung der Probleme aktiv mitzuwirken beabsichtigte. Hiervon abgesehen zeigt auch die vom Kläger bisher in erheblicher Höhe (ca. 35.000 EUR) erbrachte Rückzahlung der überzahlten Bezüge, dass er von einer rückwirkenden Richtigstellung seines Arbeitszeitstatus‘ ausging und gewillt war, die hieraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen in Form der Erstattung erhaltener Überzahlungen zu ziehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nach der erfolgten strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verurteilung nun die Auffassung vertritt, der damalige Antrag wäre anders zu verstehen gewesen. Eine nachträgliche Rücknahme des Antrags ist nicht möglich. Ein solcher Antrag ist eine öffentlich-rechtliche, empfangsbedürftige, nicht formgebundene und bedingungsfeindliche Willenserklärung; nach der Genehmigung einer Änderung des Arbeitszeitstatus‘ kann der Beamte der getroffenen Entscheidung nicht mehr einseitig durch Rücknahme des Antrags die Basis entziehen (vgl. zur Beurlaubung: Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 90 BayBG, Rdnr. 9, Stand: Juli 2014; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15.5.1997, Az 2 C 3/96, Rdnr. 23, zitiert nach juris). Der Antrag konnten auch keinesfalls nachträglich durch Anfechtung zu Fall gebracht werden. Dabei ist bereits in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob eine solche Anfechtung öffentlich-rechtlicher Willenserklärungen überhaupt möglich ist (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 22 Rdnr. 78 f. und Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 22 VwVfG, Rdnr. 54).
Jedenfalls fehlt es vorliegend an einem tauglichen Anfechtungsgrund entsprechend § 119 BGB, da für den Kläger als Volljuristen unzweifelhaft alle rechtlichen Konsequenzen einer solchen Antragstellung bewusst sein mussten.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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