Arbeitsrecht

Regress – Sozialhilfeträgers Leistungsvereinbarung §§ 75, 76 SGB XII

Aktenzeichen  L 18 SO 89/14

Datum:
4.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB XII SGB XII § 75 Abs. 3 S. 1, § 76
SGB X SGB X § 53, § 61 S. 1
BGB BGB § 280, 3§ 13

 

Leitsatz

1. Zum Schadensersatz bzw. Rückzahlungsanspruch eines Sozialhilfeträgers aus Vereinbarungen i. S. d.§ 75 Abs. 3 S. 1, § 76 SGB XII (amtlicher Leitsatz)
Sozialhilfeträger können gegen Wohnheimbetreiber mit Vereinbarung gem. § 75 Abs. 3 S. 1, § 76 SGB XII keinen Rückerstattungsanspruch mit der Begründung geltend machen, bei diesem seien wegen zu wenig oder unterqualifizierten Personleinsatzes geringere Personalkosten entstanden. (redaktioneller Leitsatz)
Vereinbarungen gem. § 75 Abs. 3 S. 1, § 76 SGB XII begründen kein sozialrechtliches Leistungsverhältnis zwischen den Beteiligten, so dass dort kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch entstehen kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 4 SO 53/12 2014-02-18 Urt SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 18.02.2014 wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Streitgegenständlich ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger aus den mit der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen einen Zahlungsanspruch i. H. v. 474.910,34 € – als Schadensersatz- oder Rückforderungsanspruch – für den Zeitraum 01.03.2009 bis 31.03.2011 hat. Nicht streitgegenständlich ist hingegen, ob einzelne durch die Beklagte mit Leistungsempfängern des Klägers abgeschlossene Heim- bzw. Betreuungsverträge pflichtgemäß erfüllt wurden bzw. ob sich aus diesen Verträgen Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche des Klägers ergeben könnten.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat aus dem von ihm bezeichneten Klagegrund gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatzzahlung von 474.910,34 € bzw. keinen Rückzahlungsanspruch in dieser Höhe wegen mutmaßlich an die Beklagte zu viel gezahlter Vergütung. Insbesondere besteht kein Schadenersatzanspruch des Klägers nach § 280 BGB und auch kein Rückgewährungsanspruch infolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.
Für den aus den Vereinbarungen mit der Beklagten erhobenen Zahlungsanspruch gibt es keine gesetzliche Grundlage.
1. Eine sozialrechtliche Grundlage für den vom Kläger behaupteten Anspruch gegenüber der Beklagten aus den zwischen den Beteiligten geschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Zusatzvereinbarungen ist nicht gegeben (vgl. dazu OVG Brandenburg, Urteil vom 27.01.2000 – 4 A 111/90 zum Anspruch eines überörtlichen Trägers der Sozialhilfe auf Erstattung von Pflegesatzzahlungen durch eine Pflegeeinrichtung).
a. Die vorliegenden zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarungen beinhalten keine vertraglichen Regelungen, nach denen der Kläger einen Schadensersatz- oder Rückforderungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend machen könnte. Das SGB XII enthält auch keine dem § 115 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) entsprechende Regelung.
b. Ebenso kommt eine Erstattung nach § 50 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht in Betracht. Diese Vorschrift, die die Erstattung von ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Leistungen regelt, ist – unabhängig davon, dass der Senat nicht feststellen kann, dass der Kläger an die Beklagte im Zusammenhang mit den bezeichneten streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse überhaupt Zahlungen an die Beklagte erbracht hat (siehe dazu unten 2. d.) – auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht anwendbar, weil sie die Erstattung von Sozialleistungen im subordinationsrechtlich strukturierten Sozialleistungsverhältnis betrifft (vgl. OVG Brandenburg a. a. O.; Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 50 SGB X Rn. 28 m. w. N.; siehe dazu auch BSG vom 18.03.1999 – B 14 KG 6/97 R m. w. N.). Ein solch subordinationsrechtlich strukturiertes Sozialleistungsverhältnis besteht zwischen den Beteiligten aber nicht.
Bei den zwischen den Beteiligten geschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Zusatzvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 i. V. m. § 76 SGB XII handelt es sich um sog. Normverträge (zur Rechtsnatur der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII siehe u. a. BSG v. 18.03.2014 – B 8 SF 2/13 R, juris; v. 18.11.2014 – B 8 SO 23/13 R, juris; v. 25.09.2014 – B 8 SO 8/13 R, juris m. w. N.). Dabei ist die von den Beteiligten am 05.03.2009 geschlossene Zusatzvereinbarung rechtlich als Prüfungsvereinbarung im Sinne des § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB XII und damit ebenfalls als Normvertrag zu qualifizieren. Denn die Vereinbarung diente nach dem Vorbringen des Klägers dazu, die den geschlossenen Leistungs- bzw. Vergütungsvereinbarungen zugrunde gelegten Personalkosten und eine Annäherung der von der Beklagten gezahlten Personalkosten an das Niveau des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst zu prüfen. Dies ergibt sich unter anderem aus einem Schreiben des Klägers vom 11.02.2009, dem das Angebot zum Abschluss der Zusatzvereinbarung beilag. Das vereinbarte Prüfungsrecht diente somit aus Sicht der Beteiligten, insbesondere aber aus Sicht des Klägers dazu festzustellen, ob die getroffenen Vergütungsvereinbarungen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen und die Qualität der von der Beklagten zu erbringenden Leistungen durch entsprechendes – teureres – Fachpersonal sichergestellt ist.
Diese zwischen den Beteiligten – im Gleichordnungsverhältnis (vgl. u. a. Neumann in Hauck/Noftz, SGB, 11/15, § 75 SGB XII Rn. 19) – geschlossenen Normverträge modifizieren lediglich die zivilrechtlichen Pflichten aus zwischen Leistungsempfängern des Klägers und der Beklagten geschlossenen Verträge (zu dieser rechtlichen Wirkung der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII vgl. u. a. BSG v. 18.03.2014 – B 8 SF 2/13 R). Sie setzen die Rahmenbedingungen für die zwischen den Leistungsempfängern und der Beklagten abschließbaren (zivilrechtlichen) Betreuungs- bzw. Heimverträge, begründen aber kein sozialrechtliches Leistungsverhältnis zwischen den Beteiligten (siehe dazu noch unter 2. a.).
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger an die Beklagte Sozialleistungen erbracht hat oder erbringen wollte, sondern allenfalls Zahlungen zur Erfüllung zivilrechtlicher Ansprüche (siehe dazu noch unter 2. d.).
c. Der Kläger kann sich bezüglich des von ihm geltend gemachten Zahlungsanspruchs auch nicht auf einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch berufen (zur Unanwendbarkeit des Rechtsinstituts „allgemeiner öffentlichrechtlich Erstattungsanspruch“ als Grundlage für Rückzahlungsansprüche von Sozialhilfeträgern gegenüber Einrichtungen wegen erbrachter Leistungsentgelte siehe u. a. Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, 11/15, § 75 SGB XII Rn. 32a m. w. N.). Denn der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch setzt als Kehrseite des Anspruchs auf Leistung das Vorliegen eines sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses und die vorherige Erbringung von Sozialleistungen voraus (vgl. OVG Brandenburg a. a. O.; zu den Voraussetzungen des öffentlichrechtlich Erstattungsanspruchs siehe auch BSG v. 29.10.1986 – 7 RAr 77/85). Da die zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarungen jedoch kein sozialrechtliches Leistungsverhältnis zwischen den Beteiligten begründet haben und auch keine Sozialleistungen vom Kläger an die Beklagte erbracht wurden (s. o.), kann hieraus kein Erstattungsanspruch des Klägers resultieren.
d. Zwischen den Beteiligten stehen auch nicht Kosten für zu Unrecht erbrachte Leistungen der Sozialhilfe im Streit, so dass auch § 104 SGB XII als mögliche Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch des Klägers ausscheidet.
2. Auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann der Kläger seinen Anspruch ebenfalls nicht stützen. Insbesondere besteht der Anspruch nicht als Schadensersatzanspruch nach § 61 S. 2 SGB X i. V. m. § 280 BGB oder als Rückzahlungsanspruch nach § 61 S. 2 SGB X i. V. m. § 313 BGB.
Die Vorschriften der §§ 53 ff. SGB X, und somit auch des § 61 S. 2 SGB X, sind grundsätzlich auch auf Normverträge – wie die vorliegenden Vereinbarungen zwischen den Beteiligten – anwendbar. Auch bei diesen handelt es sich um Verträge, durch die ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts gestaltet wird (vgl. u. a. Jaritz/Eicher in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII Rn. 89; Neumann in Hauck/Noftz, SGB, 11/15, § 75 SGB XII Rn. 19; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 75 Rn. 30).
Nach § 61 S. 2 SGB X sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend und ergänzend zu den Regelungen über den öffentlichrechtlichen Vertrag (§§ 53 – 60, § 61 S. 1 SGB X) anzuwenden.
Die Formulierung „entsprechend“ in § 61 S. 2 SGB X bedeutet, dass jeweils zu prüfen ist, ob der Rechtsgedanke, der der Vorschrift des BGB zugrunde liegt, deren ergänzende Anwendung erwogen wird, auch unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Unterschiede zwischen einem Privatrechtsverhältnis und einem öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnis auf den umstrittenen öffentlichrechtlichen Vertrag übertragen werden kann (Becker in Hauck/Noftz, SGB, 09/14, § 61 SGB X Rn. 69; ähnlich Hissnauer in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 61 SGB X Rn. 11). Für die ergänzende entsprechende Anwendung muss also bei jeder BGB-Regelung geprüft werden, ob bei dem öffentlichrechtlichen Vertrag eine vergleichbare Interessenlage besteht, die eine Heranziehung rechtfertigt (von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 61 Rn. 8a).
a. Dies zugrunde legend kommt eine entsprechende Anwendung des § 280 BGB auf die zwischen den Beteiligten geschlossenen streitgegenständlichen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nicht in Betracht.
Gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.
Der Senat lässt dahingestellt, ob eine Anwendung der Vorschriften des § 280 BGB (i. V. m. § 61 S. 2 SGB X) auf Sachverhalte wie den vorliegenden, in denen der Kostenträger eine Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen aus den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII durch die Einrichtung geltend macht, bereits deshalb ausgeschlossen sein könnte, weil insoweit die Regelung in § 78 SGB XII (außerordentliche Kündigung der Vereinbarungen) als abschließend zu sehen wäre. Dem Kostenträger bliebe nach dieser Regelung zwar nur die Möglichkeit, wegen einer groben Verletzung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Leistungsberechtigten und deren Kostenträgern durch die Einrichtung die Vereinbarungen fristlos zu kündigen. Daneben bestünde aber auch noch die Möglichkeit, Maßnahmen nach dem Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (PfleWoqG) in die Wege zu leiten und etwaige Ansprüche aufgrund des Vertrages zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer geltend zu machen (siehe dazu noch im Folgenden und auch unter 3.).
Jedenfalls steht die Eigenart der Vereinbarungen i. S. d. § 75 Abs. 3 SGB XII einer Geltendmachung vertraglicher Schadensersatzansprüche entsprechend § 280 BGB entgegen.
§ 280 findet sich im Buch 2 (Recht der Schuldverhältnisse), Abschnitt 1 (Inhalt der Schuldverhältnisse), Titel 1 (Verpflichtung zur Leistung) des BGB; er ist eine gesetzliche Vorschrift des sog. Leistungsstörungsrechts. § 280 regelt den Fall, dass der Schuldner seinen Pflichten aus einem Schuldverhältnis nicht nachkommt und hieraus dem Gläubiger ein Schaden entsteht. Er gilt für öffentlichrechtliche Rechtsverhältnisse nur insoweit, als diese schuldrechtsähnliche Leistungsbeziehungen begründen und die Eigenart des öffentlichen Rechts nicht entgegensteht (Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 280 Rn. 10).
Die Beteiligten haben durch den Abschluss der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII jedoch keine schuldrechtsähnliche Leistungsbeziehungen begründet.
Wie der Senat bereits ausgeführt hat, stellen diese Vereinbarungen Normverträge dar, die die zivilrechtlichen Pflichten aus zwischen Leistungsberechtigten und Leistungserbringern geschlossenen Verträgen modifizieren. Sie setzen damit die Rahmenbedingungen für zukünftige Betreuungs- bzw. Heimverträge zwischen den Leistungsberechtigten des Klägers und der Beklagten. Dem liegt zugrunde, dass das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe im Bereich der stationären und teilstationären Leistungen, namentlich bei der Eingliederungshilfe wie auch der Heimpflege, durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt ist. In diesem Dreiecksverhältnis erbringt der Sozialhilfeträger nach dem gesetzlichen Gesamtkonzept die ihm obliegende Leistung grundsätzlich nicht als Geldleistung. Er zahlt gerade nicht an den Sozialhilfeempfänger, um diesem die Zahlung des im Heimvertrag vereinbarten Heimentgelts an den Einrichtungsträger zu ermöglichen; vielmehr ist dem Gesetzeskonzept eine Zahlung ohne Umweg über den Sozialhilfeempfänger direkt an die Einrichtung zu entnehmen. Der Sozialhilfeträger erbringt die Leistungen also nicht selbst an den Leistungsempfänger, sondern verschafft diesem über Verträge mit Leistungserbringern die Sachleistung. Untrennbarer Bestandteil dieser Sachleistungsverschaffung ist die „Übernahme“ der der Einrichtung zustehenden Vergütung. „Übernahme“ der Unterbringungskosten bedeutet damit Schuldübernahme durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung, allerdings in der Form eines Schuldbeitritts (kumulative Schuldübernahme). Der Schuldbeitritt hat dann zum einen unmittelbaren Zahlungsanspruch der Einrichtung gegen den Sozialhilfeträger, zum anderen einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an die Einrichtung zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers. Vor der Kostenübernahme durch Bewilligungsbescheid besitzt die Einrichtung keinen Vergütungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger (BSG v. 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R, juris; vgl. auch BSG v. 02.02.2010 – B 8 SO 20/08 R, juris; v. 18.11.2014 – B 8 SO 23/13 R, juris; v. 18.03.2014 – B 8 SF 2/13 R, juris; siehe dazu auch BGH v. 07.05.2015 – III ZR 304/14, juris), insbesondere nicht aus einer mit dem Sozialhilfeträger geschlossenen Vergütungsvereinbarung.
Demzufolge wird allein durch den Abschluss von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen kein Schuldverhältnis begründet. Weder ist der Sozialhilfeträger aufgrund dieser Vereinbarungen verpflichtet, Vergütung zu zahlen, noch ist die Einrichtung bzw. der Dienstleister verpflichtet, Leistungen – insbesondere an den Sozialhilfeträger – zu erbringen. Ein Schuldverhältnis entsteht vielmehr erst durch den Abschluss eines Heim- bzw. Betreuungsvertrages zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungserbringer, und durch den daran anknüpfenden Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers auch zwischen ihm und dem Leistungserbringer. Erst hierdurch entfaltet die Vergütungsvereinbarung ihre Gestaltungswirkung hinsichtlich der Vergütung der aufgrund des Betreuungs- bzw. Heimvertrages zu erbringenden Leistungen (zur Gestaltungswirkung siehe BSG v. 25.09.2014 – B 8 SO 8/13 R). Zugleich bestimmt die geschlossene Leistungsvereinbarung die Pflichten des Leistungserbringers gegenüber dem Leistungsempfänger aus dem Heim- und Betreuungsvertrag. Dadurch wird einerseits die (bedarfsdeckende) Erfüllung der Sachverschaffungspflicht des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Leistungsempfänger sichergestellt. Zum anderen wird gewährleistet, dass der Leistungsberechtigte auch die seinen Bedürfnissen entsprechenden Leistungen im notwendigen Umfang und in angemessener Qualität erhält. Ergänzend hierzu hat der Gesetzgeber – für den Bereich der stationären Leistungserbringung – eine Regelung in § 15 Abs. 2 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) geschaffen (vgl. auch die weiteren Regelungen in § 7 Abs. 2 S. 3 und § 8 Abs. 2 S. 1 WBVG), wonach die Vereinbarungen in Verträgen mit Verbrauchern, die Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen, den aufgrund des Zehnten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch getroffenen Regelungen – §§ 75 ff. SGB XII – entsprechen müssen; tun sie dies nicht, sind sie unwirksam. Letztlich wird somit deutlich, dass erst durch den Abschluss eines Heim- und Betreuungsvertrages und den Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers im Einzelfall ein Schuldverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer entsteht. Dieses ist dann ohnehin – also ohne Inanspruchnahme des § 61 S. 2 SGB X – nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (vgl. u. a. BSG v. 18.11.2014 – B 8 SO 23/13 R, juris; v. 18.03.2014 – B 8 SF 2/13 R, juris).
Überdies entfalten die Normverträge nicht nur zwischen den Vertragsparteien Bindungswirkung, sondern auch für alle übrigen Träger der Sozialhilfe (vgl. § 75 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB XII). Auch dieser Umstand lässt sich schwer mit der Annahme einer schuldrechtsähnlichen Leistungsbeziehung mit Gläubiger und Schuldner vereinbaren.
Bedingt durch die Eigenart der Normverträge i. S. d. § 75 Abs. 3 SGB XII gleicht die Interessenlage somit nicht derjenigen, die bei zivilrechtlichen Schuldverhältnissen besteht. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des sog. Leistungsstörungsrechts des BGB kommt daher nicht in Betracht, und somit auch nicht des § 280 BGB.
b. Auch § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) findet im vorliegenden Fall keine Anwendung.
Bei einer Veränderung der Verhältnisse, die einer Vergütungsvereinbarung zugrunde lagen, sieht § 77 Abs. 3 SGB XII unter engen Voraussetzungen die Möglichkeit einer Neuverhandlung der Vergütung vor. Diese spezielle, auf die Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII, § 76 Abs. 2 SGB XII zugeschnittene Ausnahmeregelung schließt daneben eine Anwendung des § 61 S. 2 SGB X i. V. m. § 313 BGB aus. Überdies könnte § 313 BGB allenfalls i. V. m. § 346 Abs. 1 BGB (Wirkungen des Rücktritts) zu dem vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Rückzahlungsanspruch für den Zeitraum März 2009 bis März 2011 führen. Der Senat kann aber nicht feststellen, dass der Kläger den Rücktritt von den mit der Beklagten abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen erklärt hätte.
c. Der Senat kann des Weiteren nicht feststellen, dass die vom Kläger behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten bei der Durchführung der getroffenen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII vorliegen. Es fehlt schon an entsprechenden vertraglichen (Neben-)Pflichten der Beklagten. Die zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen, insbesondere die Leistungsvereinbarungen und die Prüfungsvereinbarung, enthalten weder die Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger, die in den Vertragsverhandlungen überschlägig berechneten Personalkosten – die vom Kläger selbst als Personaldurchschnittskosten bezeichnet werden – auch tatsächlich an die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer zu zahlen, noch die Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Personen zu beschäftigen.
Solche – gegebenenfalls einklagbare – Verpflichtungen ergeben sich nicht aus dem Wortlaut der zwischen den Beteiligten geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen. Dort wurden lediglich unter der prospektiven Schätzung einer bestimmten Anzahl an Bewohnern mit einem bestimmten Hilfebedarf ein „Personalschlüssel“ bzw. „Planstellen“ nach einem Personalplan vereinbart. Schon aus der Begriffwahl ergibt sich, dass es sich nicht um einen von der Beklagten abschließend zugesicherten Personalbedarf handelt, sondern lediglich um die Annahme eines voraussichtlichen durchschnittlichen Personalaufwands, der als Kalkulationsgrundlage für die Vergütungsvereinbarung dienen soll. Diesem Umstand, dass einer Vergütungsvereinbarung stets auf die Zukunft bezogene Aufwandsschätzungen zugrunde gelegt werden müssen, hat der Gesetzgeber sowohl in der Formulierung als auch im Regelungsgehalt des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB XII Rechnung getragen: Danach sind lediglich bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Entscheidung über die Vergütung zugrunde lagen, die Vergütungen auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln.
Auch die zwischen den Beteiligten getroffenen Zusatzvereinbarung (Prüfungsvereinbarung, vgl. oben) vom 05.03.2009 enthält ihrem eindeutigen Wortlaut (s. o. Tatbestand) nach keine Verpflichtung der Beklagten, Personalkosten bzw. Löhne in bestimmter Höhe an die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer zu zahlen oder Personal in einem bestimmten Umfang zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Beteiligten ausdrücklich besprochen wurde, dass Inhalt der Zusatzvereinbarung die Budgetüberprüfung, nicht aber die Überprüfung einzelner Planstellen ist (vergleiche Protokoll über die Verhandlung zwischen den Beteiligten vom 06.03.2009, Band I der Verwaltungsakten des Klägers, Blatt A 97). Damit entsprach der Zweck der Zusatzvereinbarung vom 05.03.2009 der Regelung in § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 3 SGB XII bzw. den §§ 15 ff. des Bayerischen Rahmenvertrags (gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII), der u. a. zwischen dem Kläger und dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., dem die Beklagte angehört, geschlossen wurde. Danach ist Gegenstand einer Prüfungsvereinbarung zum einen die Prüfung der Qualität der vertraglich vereinbarten Leistungen, zum anderen die Wirtschaftlichkeit im Hinblick auf das Verhältnis der Vergütungsbestandteile zu den vereinbarten Leistungen, nicht aber die Leistungserbringung selbst.
Zudem spricht auch der Charakter der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 als Normverträge, die zudem über die Beteiligten hinaus für alle Träger der Sozialhilfe Bindungswirkung haben (s. o.), dagegen, dass sich – ohne ausdrückliche vertragliche Regelung – aus solchen Vereinbarungen die vom Kläger behaupteten Pflichten der Beklagten ergeben können. Wie ausgeführt, begründen die Vereinbarungen für sich keine Ansprüche der Vertragspartner auf Leistungen oder Vergütung. Dies steht der Annahme entgegen, dass der Leistungserbringer allein aufgrund solcher Vereinbarungen und unabhängig davon, ob und in welchem Umfang im Einzelfall Heim- und Betreuungsverträge geschlossen werden, verpflichtet sein könnte, Personal in einem bestimmten Umfang zu beschäftigen oder in einer bestimmten Höhe zu entlohnen. Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schriftsatz an das SG vom 21.08.2012 selbst ausgeführt, dass eine bestimmte Bezahlung der Mitarbeiter durch die Beklagte, insbesondere nach TVöD, zu keiner Zeit vereinbart worden sei.
d. Letztlich kann der Senat auch die vom Kläger behaupteten Überzahlungen (für Personalkosten), auf die er seinen Schadensersatzanspruch bzw. seinen Rückzahlungsanspruch stützt, nicht feststellen.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind (insbesondere) im streitgegenständlichen Zeitraum keine Zahlungen an die Beklagte zur Deckung von Personalkosten erfolgt. Die mit der Klageschrift vom 28.12.2011 – nach stichprobeartiger Überprüfung einzelner Arbeitsverträge der Beklagten mit Arbeitnehmern – vorgelegten Berechnungen zur Überfinanzierung von Personalkosten der Beklagten durch den Kläger im Zeitraum 01.03.2009 bis 31.03.2011 sind rein fiktiver Natur. Wie ausgeführt, bestand ein Vergütungsanspruch der Beklagten und dementsprechend eine Zahlungsverpflichtung des Klägers aufgrund der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vereinbarungen, insbesondere der Vergütungsvereinbarungen nicht. Soweit der Kläger Zahlungen an die Beklagte erbracht hat, erfolgten diese zur Befriedigung von Vergütungsansprüchen aus den einzelnen Heimverträgen von Leistungsempfängern des Klägers mit der Beklagten nach erfolgtem Schuldbeitritt des Klägers. Die Erfüllung bzw. eine etwaige Verletzung der vertraglichen Pflichten aus diesen Heimverträgen ist aber nicht streitgegenständlich, wie sich auch aus dem Schriftsatz der Klägerseite vom 02.10.2013 unzweifelhaft ergibt. Für eine Klage im Zusammenhang mit diesen Verträgen wäre der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ohnedies nicht gegeben (vgl. BSG, Beschluss v. 30.09.2014 – B 8 SF 1/14 R, juris; BSG Beschluss v. 18.03.2014 – B 8 SF 2/13 R, juris).
3. Nach alledem lässt es der Senat dahingestellt, ob dem vom Kläger behaupteten Schadensersatz- bzw. Rückzahlungsanspruch auf Grundlage öffentlichrechtlicher Normen (gegebenenfalls in Verbindung mit den Vorschriften des BGB) auch entgegenstünde, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 WBVG – wenn auch erst zum 01.10.2009 – eine gesetzliche Regelung geschaffen hat, wonach die Möglichkeit zur Kürzung des vereinbarten Entgelts bis zu 6 Monate rückwirkend besteht, wenn der Leistungserbringer die vertraglichen Leistungen aus einem Heim- bzw. Betreuungsvertrag an einen Leistungsempfänger ganz oder teilweise nicht erbringt oder diese nicht unerhebliche Mängel aufweisen. Nach Abs. 5 S. 1 der Vorschrift steht dieser Kürzungsbetrag bis zur Höhe der an den Leistungsempfänger erbrachten Leistungen vorrangig dem Träger der Sozialhilfe zu. Diese Vorschriften könnten als abschließende speziell gesetzliche Regelung zu sehen sein. Für Ansprüche nach § 10 WBVG wäre aber ebenfalls der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben.
Nach alledem hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 18.02.2014 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe dafür, die Revision entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG), sind nicht gegeben.


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