Arbeitsrecht

Rente, Beschwerde, Rentenversicherung, Versorgungsausgleich, Versorgung, Einkommen, Ehezeitanteil, Ehezeit, Anrecht, Rentenanspruch, Scheidungsantrag, Ehe, Auskunft, FamFG, gesetzlichen Rentenversicherung, Ende der Ehezeit, Vermeidung von Wiederholungen

Aktenzeichen  10 UF 308/21

Datum:
8.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45951
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

001 F 533/20 2021-03-03 Bes AGCHAM AG Cham

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Abt. f. Familiensachen – Cham vom 03.03.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.095,92 € festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Abänderung eines vor dem 01.09.2009 durchgeführten Versorgungsausgleichs auf Antrag des per saldo ausgleichsverpflichteten Ehegatten nach dem Tod der Ausgleichsberechtigten.
Auf den am 21.10.1983 zugestellten Scheidungsantrag wurde die am … 61 geschlossene Ehe des im Jahr 1936 geborenen Antragstellers und seiner verstorbenen früheren Ehefrau durch Endurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 31.10.1984 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 29.04.1994, Az 871 F 6969/86 wurde das Endurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 31.10.1984 in Ziffer 3 betreffend den Versorgungsausgleich abgeändert und zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei dem Freistaat Bayern, vertreten durch die …, auf dem Versicherungskonto Nr. … der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in B. Rentenanwartschaften von monatlich 631,39 DM bezogen auf den 30.09.1983 begründet. Aus den übertragenen Rechten hat die Ehefrau seit 01.07.2003 bis zu ihrem Ableben am 24.01.2019 Leistungen bezogen.
Mit am 29.10.2020 eingegangenem Antrag begehrt der Ehemann, der selbst bereits Pensionseinkünfte bezieht, die Abänderung des Versorgungsausgleichs dahingehend, dass ab 01.11.2020 ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat sich der Ausgleichswert der damals ausgeglichenen Versorgungen geändert. Das Anrecht des Antragstellers aus der Beamtenversorgung hatte im Vorverfahren einen Ausgleichswert von 839,68 DM und bei Eingang des Abänderungsantrags von 806,54 DM. Das Anrecht der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hatte im Vorverfahren einen Ausgleichswert von 202,34 DM und bei Eingang des Abänderungsantrags von 204,10 DM.
Das als Rechenposten in der Ausgangsentscheidung ebenfalls berücksichtigte Anrecht aus einer Direktzusage bei der Firma P. GmbH bzw. nunmehr der U. D. Holding GmbH war im Vorverfahren mit einen Ehezeitanteil nominal von 72,20 DM und dynamisiert von 11,90 DM berücksichtigt worden. Laut aktueller Auskunft des Versorgungsträgers war die frühere Ehefrau vom 15.11.1977 bis 31.12.1994 bei der P. GmbH beschäftigt. Der Rentenanspruch kam mit Vollendung des 60. Lebensjahrs ab 01.07.2003 bis 31.01.2019 als laufende betriebliche Leistung in Höhe von 107,62 € brutto monatlich zur Auszahlung.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Cham hat mit Beschluss vom 03.03.2021 den Antrag auf Abänderung als unzulässig zurückgewiesen. Auch das Anrecht bei der P. GmbH eröffnet nach Ansicht des Amtsgerichts den Zugang zum Abänderungsverfahren nicht. Von den 205,5 Monaten an Beschäftigungszeit entfielen 70,5 Monate auf die Ehezeit. Der Ehezeitanteil der laufenden Bruttorente betrage deshalb 107,62 € x 70,5 / 205,5 = 36,92 Euro und weiche von dem dynamisierten und gemäß § 51 Abs. 3 VersAusglG auf das Datum der Antragstellung (27.10.2020) aktualisierten Wert des Ehezeitanteils von 11,9 DM * 34,19 € / 16,26228 € = 25,02 DM oder 12,79 Euro um 47,18 DM oder 24,12 Euro ab. Die Abweichung erreiche damit nicht den Grenzwert nach § 51 Abs. 3 VersAusglG bei Eingang des Abänderungsantrags von 124,59 DM oder 63,70 Euro. Die Wertabweichung rechtfertige deshalb nicht die Abänderung der Vorentscheidung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG. Die Abänderung könne auch nicht auf § 51 Abs. 1, 2 VersAusglG gestützt werden. Rechtliche und tatsächliche Veränderungen der Versorgung, die auf den Ausgleichswert zurückwirkten (§ 225 Abs. 2 FamFG), lägen nicht vor. Soweit die Beschäftigung der früheren Ehefrau bei dem Versorgungsträger vor der Verrentung beendet worden sie, wirke sich diese Abänderung nicht zugunsten des Antragstellers aus.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Cham vom 03.03.2021 Bezug genommen.
Gegen diesen, der Bevollmächtigten des Antragstellers am 09.03.2021 zugestellten Beschluss wendet sich dieser mit seiner am 26.03.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Die Abänderung werde auf eine wesentliche Erhöhung des Ausgleichswertes der Betriebsrente der geschiedenen Ehefrau nach § 51 Abs. 1, 2 VersAusglG gestützt. Die Wertdifferenz erfülle sowohl die relative als auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze des § 225 Abs. 3 FamFG. Die damalige ehezeitliche Jahresrente bei der P. AG habe 715,41 DM betragen, das seien monatlich 59,62 DM. Nach Dynamisierung ergebe sich ein Monatsbetrag von 11,90 DM und die Hälfte davon stelle den damaligen Ausgleichswert dar, also 5,95 DM. Der Ehezeitanteil aus heutiger Sicht belaufe sich auf monatlich 72,21 DM. Die Hälfte davon sei der Ausgleichswert aus heutiger Sicht, also 36,11 DM. Die Differenz zwischen 36,11 DM und 5,95 DM erreiche 30,16 DM. Die Werterhöhung sei an der relativen und absoluten Wesentlichkeitsgrenze gemäß § 225 Abs. 3 FamFG zu messen. Die Wertdifferenz von 30,16 DM übersteige 0,30 DM, so dass die relative Wesentlichkeitsgrenze erfüllt sei. Im Jahr 1983 sei die monatliche Bezugsgröße bei 2.580,00 DM gelegen. 1% davon seien 25,80 DM. Die Wertdifferenz von 30,16 DM übersteige 25,80 DM, so dass auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze erreicht werde II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 58 ff., 228 FamFG statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat hat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, da die Beteiligten rechtliches Gehör hatten und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 68 Abs. 3, § 221 Abs. 1 FamFG).
Vom Amtsgericht zutreffend festgestellt und auch von der Beschwerde nicht moniert ist die Wesentlichkeitsgrenze weder bei der Beamtenversorgung des Antragstellers noch bei der gesetzlichen Rente seiner Ehefrau überschritten. Auch die Wertgrenze für eine Abänderung des betrieblichen Anrechts nach § 51 Abs. 3 Satz 3 VersAusglG ist nicht erreicht.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist aber auch hinsichtlich des betrieblichen Anrechts die Wesentlichkeitsgrenze des § 51 Abs. 2 VersAusglG in Verbindung mit § 225 Abs. 2, 3 FamFG nicht überschritten.
Mit dem Bundesgerichtshof und der Beschwerde ist der Senat zwar der Ansicht, dass auch in Fällen des erweiterten Splittings im Falle einer wesentlichen Wertänderung des betrieblichen Anrechts eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG möglich ist (FamRZ 2019, 1314 Rn. 17 ff.; FamRZ 2018, 1233 Rn. 26 f., FamRZ 2015, 1688 Rn. 28 f.).
Zutreffend ist insoweit auch, dass die Überschreitung der relativen Wesentlichkeitsgrenze nach § 225 Abs. 3 Alt. 1 FamFG auf der Grundlage von Rentenbeträgen zu überprüfen ist, wobei dieser Rentenbetrag nach den veränderten rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen, aber zum Stichtag Ehezeitende zu ermitteln ist (BGH FamRZ 2018, 176 Rn. 19; FamRZ 2019, 1314 Rn. 24).
Schließlich ist mit der Beschwerde auch davon auszugehen, dass für die Bestimmung des aktuellen Werts nach § 41 Abs. 2 VersAusglG die tatsächlichen Werte einer laufenden Versorgung auch dann anzusetzen sind, wenn die Leistungsphase – wie hier – erst nach Ehezeitende begonnen hat. Maßgeblich ist der Ehezeitanteil der Rente und nicht derjenige der bei Ehezeitende noch bestehenden Anwartschaft (BGH FamRZ 2019, 1314 Rn. 22). Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, sind nach § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG zu berücksichtigen. Dem wird bei einer laufenden Rente dadurch Rechnung getragen, dass der Ehezeitanteil der tatsächlich erzielten Rente ausgeglichen wird.
Mit dem Amtsgericht und der Beschwerde geht der Senat deshalb davon aus, dass als aktueller Ausgleichswert 36,92 € oder 72,21 DM anzusetzen sind.
Entgegen der Beschwerde geht der Senat allerdings davon aus, dass für die Ermittlung der Wertdifferenz nach § 225 Abs. 3 FamFG nicht der dynamisierte, sondern der nominale Wert der Ausgangsentscheidung zu berücksichtigen ist.
Die Beschwerde beruft sich im Wesentlichen auf Siede und eine Entscheidung des OLG Koblenz vom 19.02.2021 (Az. 11 UF 11/21 – juris).
Siede (FamRZ 2018, 729, 731 f.) befasst sich mit der Frage, ob der nominale oder der dynamisierte Wert einzustellen wäre und führt aus, dass es zwar am einfachsten wäre, unmittelbar auf den Ehezeitanteil der auszugleichenden Rente vor Dynamisierung und Umrechnung in eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen. Dagegen spreche aber, dass der in der Ehe erworbene Monatsbetrag der Rentenanwartschaft des Ausgleichspflichtigen nicht in die Saldierung eingestellt wurde. Der Ausgleichswert entspreche also der Hälfte des Rentenbetrags, der in der Ausgangsentscheidung nach Umrechnung und Dynamisierung als gesetzliche Rente aus der gesetzlichen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ausgleich eingestellt worden sei (so auch ohne nähere Begründung OLG Koblenz a.a.O). Siede räumt allerdings ein, dass dieser Wert mit der Systematik von §§ 225 Abs. 3 FamFG, 51 Abs. 2 VersAusglG nur wenig zu tun habe; denn diese Vorschriften knüpften daran an, wie der Ehezeitanteil und der Ausgleichswert nach den für die auszugleichende Versorgung geltenden Bestimmungen zu berechnen ist (§§ 5 I, 10 III VersAusglG). Dementsprechend werde auch ein Wertunterschied in vielen Fällen mehr auf die Umrechnung gemäß § 1587a Abs. 3 BGB a. F. in eine Anwartschaft auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zurückzuführen sein als auf eine nachträgliche Änderung der rechtlichen oder der tatsächlichen Verhältnisse.
Nach anderer Ansicht (etwa Götsche in Götsche/Rehbein/Breuers, 3. Aufl., § 51 VersAusglG Rn. 33) ist Anknüpfungspunkt der veränderte Ausgleichswert des Anrechts. Da dem früheren Recht ein Ausgleichswert in diesem Sinne an sich fremd war, ist an den halben Ehezeitanteil anzuknüpfen. Hier wird die damalige Dynamisierung also nicht mehr beachtet. Ob Siede selbst an seiner Auffassung festhält ist angesichts seiner Kommentierung (bei Palandt, BGB, 80, Aufl. § 51 VersAusglG unter Rn. 9) fraglich – er zitiert sich selbst unter „kritisch hierzu“, nachdem er zuvor die Gegenmeinung vertritt und als herrschende Meinung bezeichnet.
Der Senat folgt der Gegenauffassung. Würde man etwa bei der gesetzlichen Rente, bei der auf den Rentenwert abzustellen ist, die damalige ehezeitliche Rente schlicht mit der ehezeitlichen Rente vergleichen, die bei Eingang des Abänderungsantrags ausbezahlt wird (den Stichtag Ende der Ehezeit also außer Betracht lassen) dürfte man in einer Vielzahl von Fällen zur Abänderung gelangen. Die Dynamik der gesetzlichen Rente in der Zwischenzeit darf aber eben nicht berücksichtigt werden. Das zeigt sich im Übrigen auch bei dem (im Rahmen des § 51 Abs. 2 VersAusglG nicht anwendbaren) Wertvergleich nach § 51 Abs. 3 VersAusglG, bei dem die „reale“ Dynamik der gesetzlichen Rente herausgerechnet und nur die über diese Dynamik hinausgehende damals erwartete Dynamik berücksichtigt wird. Dann kann aber auch bei einer betrieblichen Altersversorgung bei § 51 Abs. 2 VersAusglG nicht einfach der damals auf das Ehezeitende bezogene dynamisierte Wert mit dem bei Eingang des Abänderungsantrags ausbezahlten Wert verglichen werden. Hier würde allein die zwischenzeitliche Dynamik des Anrechts und die hierauf beruhende Wertänderung zum Abänderungsgrund. Abzuändern ist aber nur bei auf das Ehezeitende zurückwirkenden tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen. Richtig ist es deshalb den Wertvergleich mit dem früheren nicht dynamisierten (zu halbierenden) Wert durchzuführen.
Die Wertänderung berechnet sich aus der Differenz der Hälfte von 59,62 DM, dem nicht dynamisierten Wert aus der Ausgangsentscheidung, das sind 29,81 DM und den bereits genannten 36,22 DM. Die Differenz beträgt 6,41 DM. Die absolute Wesentlichkeitsgrenze gemäß § 225 Abs. 3 FamFG beträgt 25,80 DM. Damit liegt keine wesentliche Wertänderung vor, so dass der Antrag auf Abänderung unzulässig ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 1 1. Alt. FamGKG, wobei vom Einkommen des Antragstellers ausgegangen wurde (2.328,80 €) und drei Anrechte zu berücksichtigen waren.
Im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (11 UF 11/21, Beschluss vom 19.02.2021) war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG).


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