Arbeitsrecht

Rückforderung von überzahlten Versorgungsbezügen wegen nicht angegebenen Rentenbezugs

Aktenzeichen  AN 1 K 16.01064

Datum:
14.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X SGB X § 69
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 2, Art. 7 Abs. 2, Art. 8, Art. 10, Art. 85, Art. 114
BeamtVG BeamtVG § 55, § 61 Abs. 2, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
BGB BGB § 818 Abs. 3, Abs. 4, § 820 Abs. 1 S. 2
BayAGBGB BayAGBGB Art. 71

 

Leitsatz

1 Die Erlangung und Verwertung der von der Deutschen Rentenversicherung Bund übermittelten und zum Erlass des Bescheids führenden Daten stellt keine unzulässige Durchbrechung des Sozialdatenschutzes dar.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Erhält der Ruhestandsbeamte neben seinen Versorgungsbezügen auch eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ruht der über die Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVg normierte Höchstgrenze hinausgehende Betrag der Versorgungsbezüge.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Für überzahlte Versorgungsbezüge haftet der Ruhestandsbeamte verschärft nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 BayBeamtVG iVm § 818 Abs. 4, § 820 Abs. 1 S. 2 BGB und kann sich somit nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.   (redaktioneller Leitsatz)
4 Für eine Billigkeitsentscheidung nach Art. 7 Abs. 2 S. 3 BayBeamtVG genügt es, dass dem Ruhestandsbeamten Ratenzahlung eingeräumt worden ist.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Versorgung – vom 20. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 19. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Erlass des Bescheides begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken.
Anknüpfungspunkte für ein Verwertungsverbot für die von der Deutschen Rentenversicherung Bund übermittelten Daten bestehen nicht.
Die Erlangung und Verwertung der von der Deutschen Rentenversicherung Bund übermittelten und zum Erlass des Bescheids führenden Daten stellt keine unzulässige Durchbrechung des Sozialdatenschutzes dar. Wie aus § 69 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGB X hervorgeht, ist das Landesamt für Finanzen als Stelle, die Leistungen nach dem Beamtenversorgungsgesetz zu erbringen hat, den Stellen, bei denen eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig ist, gleichgestellt. Davon abgesehen ist nach § 69 Abs. 5 SGB X die Übermittlung von Sozialdaten auch für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Rechnungshöfe zulässig. So aber liegt der Sachverhalt hier. Denn das Landesamt für Finanzen hat die Kenntnisse über den Rentenbezug des Klägers aufgrund eines anlässlich der durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof im März/April 2015 im Bereich der Behörde stattfindenden Prüfung des Vollzugs der Ruhensregelung gem. Art. 85 BeamtVG (vgl. Prüfungsmitteilung vom 28.4.2015) durchgeführten Datenabgleichs erlangt und sich nachfolgend zur Ermittlung der Rentenhöhe an den Rentenversicherungsträger gewandt.
Auch materiell-rechtlich unterliegt der Bescheid vom 20. August 2015 keinen Bedenken.
Die rückwirkende Ruhensberechnung ab 1. Januar 2015 (Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides) findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 85 BayBeamtVG (§ 55 BeamtVG).
Nach der bis 31. Dezember 2010 maßgebenden Vorschrift des § 55 Abs. 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in § 55 Abs. 2 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Der über die Höchstgrenze hinausgehende Betrag ruht. Der Kläger hat seit 1. März 2001 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Regelaltersrente erhalten, also eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG, die auf seine Versorgungsbezüge anzurechnen ist. Nach der seit 1. Januar 2011 maßgebenden Vorschrift des Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten ebenfalls nur bis zum Erreichen der in Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG normierten Höchstgrenze gezahlt. Die vom Kläger seit 1. März 2001 bezogene Regelaltersrente, ist eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch i.S.d. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG, die auf seine Versorgungsbezüge anzurechnen ist.
Der Beklagte durfte rückwirkend die Versorgungsbezüge des Klägers kürzen.
Die für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte entwickelten Rechtsgrundsätze über den Schutz des Vertrauens des Begünstigten auf den Fortbestand des ihn begünstigenden Verwaltungsakts gelten bei Anwendung der Ruhensvorschriften nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nicht, weil die Festsetzung und Zahlung von Versorgungsbezügen ebenso wie die Ruhensberechnung selbst unter dem gesetzlichen Vorbehalt stehen, dass die Bezüge infolge späterer Anwendung der Rechtsvorschriften gekürzt und Überzahlungen zurückgefordert werden (BVerwG, U.v 29.6.1980 – 6 C 43/78 -, juris Rn. 34, m.w.N.; VG Berlin, U.v. 20.6.2016 – 28 K 27.13, Rn. 39, juris).
Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der zu viel gezahlten Versorgungsbezüge ist Art. 7 Abs. 2 BayBeamtVG i.V.m. den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung.
a) Im Falle des Klägers wurden Versorgungsbezüge (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 BayBeamtVG) überzahlt i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG. Versorgungsbezüge sind „zu viel gezahlt“ in diesem Sinne, wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 23). Dies ist hier der Fall, soweit eine Zahlung über die Höchstgrenzen der Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG und § 55 Abs. 2 BeamtVG hinaus erfolgte (s.o.). Bei der monatlichen Auszahlung der Versorgungsbezüge an den Kläger wurde nicht berücksichtigt, dass er daneben seit 1. März 2001 eine Regelaltersrente erhält. Aufgrund der Nichtberücksichtigung wurden die Versorgungsbezüge des Klägers falsch berechnet und über die Höchstgrenzen der Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG und § 55 Abs. 2 BeamtVG hinaus ausbezahlt. Hierdurch ergab sich im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2015 eine ohne rechtlichen Grund geleistete Überzahlung i.H.v. insgesamt 26.521,07 EUR.
Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Der Kläger ist nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m § 818 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung des überbezahlten Betrags i.H.v. 26.521,07 EUR verpflichtet. Dabei ist nicht entscheidend, ob er entreichert i.S.d. § 818 Abs. 3 BGB ist. Denn der Beklagte hat vorliegend unabhängig vom Wegfall der Bereicherung einen Anspruch auf Rückzahlung der überbezahlten Bezüge.
Der Kläger haftet verschärft nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB und kann sich somit nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Nach §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Hierunter fällt auch die Überzahlung von unter Vorbehalt gezahlten Versorgungsbezügen (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 21). Solch ein Vorbehalt liegt hier vor.
Die Auszahlungen der Versorgungsbezüge an den Kläger wurden unter dem immanenten Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Der Ruhegehaltsfestsetzung und der Zahlung von Versorgungsbezügen ist nämlich hinsichtlich der Ruhensvorschriften ein gesetzlicher Vorbehalt immanent. Dabei ist ohne Belang, ob sich der Kläger dieses gesetzlichen Vorbehalts im Zeitpunkt der Überzahlung bewusst gewesen ist. Denn es kommt allein darauf an, dass er Versorgungsbezüge nach dem BayBeamtVG erhält und damit diesen Vorschriften unterliegt (BayVGH, B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 21). Die verschärfte Haftung des § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB erstreckt sich auch auf Überzahlungen von Versorgungsbezügen, die unter Vorbehalt gezahlt wurden. Hierzu gehören auch solche Zahlungen, für die – wie hier – aufgrund von Ruhensvorschriften rückwirkend eine höhere Anrechnung von Einkommen in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2011 a.a.O.).
Unabhängig davon, ob der Rückforderungsanspruch erst mit Erlass des Ruhensbescheids (so OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2015 – OVG 7 B 16.14 – juris Rn. 27 f.) oder direkt mit der Überzahlung im jeweiligen Auszahlungsmonat (so OVG Saarland, B.v. 29.4.2015 – 1 A 307/14 – juris Rn. 9; offen gelassen von BayVGH, B.v. 24.9.2015 – 3 ZB 12.2556 – juris Rn. 6 ff.) entsteht, ist der Rückforderungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht verjährt.
Im ersten Fall würde sich die Verjährung sämtlicher Überzahlungen nach Art. 8 BayBeamtVG richten, und zwar unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem 1. Januar 2011 ausbezahlt wurden. Hiernach verjähren Ansprüche auf Rückzahlung von Versorgungsbezügen regelmäßig in drei Jahren und in zehn Jahren, wenn durch vorsätzlich oder leichtfertig unrichtige oder unvollständige Angaben oder das vorsätzliche oder leichtfertige pflichtwidrige Unterlassen von Angaben die Gewährung oder Belassung von Versorgungsbezügen bewirkt wurde. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Geht man davon aus, dass der Rückforderungsanspruch erst mit Erlass des gegenständlichen Bescheids vom 20. August 2015 entsteht, so hat die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des 31. Dezember 2015 zu laufen begonnen. Damit ist die streitgegenständliche Rückforderung des Beklagten gegen die Klägerin in diesem Fall weder bei Anwendung der dreijährigen noch bei Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist verjährt.
Im zweiten Fall würde sich die Verjährung der vor 1. Januar 2011 ausbezahlten Überzahlungen nach Art. 114 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Art. 8 BayBeamtVG beginnend ab 1. Januar 2011 richten. Denn auch wenn der Anspruch auf Rückforderung schon mit der jeweiligen Überzahlung entstanden ist, fehlt es für einen Beginn des Fristlaufs vor 1. Januar 2011 an den subjektiven Voraussetzungen des Art. 114 Satz 2 BayBeamtVG i.V.m. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB.
Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB beginnt die dreijährige Erlöschensfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, jedoch nicht vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 3 AGBGB ist hierfür die Kenntnis der zuständigen Behörde erforderlich, vorliegend die des Landesamts für Finanzen (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2008 – 3 BV 07.1268 – juris Rn. 19). Dieses hat jedoch erst durch das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 14. April 2015, mit dem diese den Erstrentenbescheid des Klägers vom 6. August. 2001 vorgelegt hat, definitiv Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen erhalten, da nur aus diesem sowohl der genaue Zeitpunkt, ab dem dem Kläger eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewilligt worden ist (1. März 2001), als auch die konkrete Höhe der vom Kläger ab diesem Datum bezogenen Regelaltersrente (650,98 DM monatlich) entnommen werden konnten. Die Angaben müssen so konkret sein, dass die Behörde den Sachverhalt überprüfen, über die Anwendung der Ruhensregelungen entscheiden und hieran Rechtsfolgen – insbesondere die Kürzung der Versorgungsbezüge – knüpfen kann (vgl. BGH, B.v. 21.2.2013 – 1 StR 633/12 – juris Rn. 32). Erst mit der Übersendung des Rentenbescheids wurde das Landesamt für Finanzen in die Lage versetzt, eine konkrete Ruhensberechnung nach § 55 BeamtVG (Art. 85 BayBeamtVG) vorzunehmen, um überprüfen zu können, ob die vom Kläger bezogene Altersrente zusammen mit den Versorgungsbezügen die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG (Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG) übersteigt, um überzahlte Versorgungsbezüge ggf. zurückzufordern. Dem Beklagten kann insoweit auch keine grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden. Grob fahrlässige Unkenntnis i.S.d. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist und der Gläubiger auch nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, U.v. 27.9.2011 – VI ZR 135/10 – juris Rn. 10 zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Diese Voraussetzungen liegen hier offenkundig nicht vor. Den Beklagten trifft keine Verpflichtung, das Bestehen etwaiger Rentenansprüche von Amts wegen zu prüfen und ggf. Indizien hierfür nachzugehen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 7.8.2013 – 5 LA 291/12 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 24.9.2015 – a.a.O.). Vielmehr war der Kläger selbst nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG (Art. 10 Satz 1 BayBeamtVG) verpflichtet, den Bezug sowie jede Änderung von Renten i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG (Art. 85 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG), die zu einer Ruhensregelung führen, unverzüglich mitzuteilen (vgl. HessVGH, U.v. 18.4.2012 – 1 A 1522/11 – juris Rn. 39). Demgemäß ist es nicht grob fahrlässig i.S.d. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB, dass der Beklagte im Folgenden darauf vertraut hat, dass der Kläger seiner gesetzlichen Anzeigepflicht nachkommt. Damit wird nicht etwa ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten dadurch kompensiert, dass dem Kläger seinerseits grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist; vielmehr handelt der Beklagte nicht grob fahrlässig, wenn er sich darauf verlässt, dass der Kläger seine Pflichten einhält. Der Grad der von der Versorgungsbehörde anzuwendenden Sorgfalt hängt ebenso wie das Maß des Vorwurfs im Fall eines Sorgfaltspflichtverstoßes davon ab, welche Pflichten dem Versorgungsempfänger seinerseits obliegen. Gesetzliche Mitteilungspflichten des Versorgungsempfängers und Sorgfaltspflichten der Behörde stehen in Korrelation zueinander. Hinsichtlich der Ruhensvorschriften hat der Gesetzgeber den Versorgungsempfängern eindeutige Anzeigepflichten auferlegt. Angesichts dessen durfte das Landesamt für Finanzen seine Organisation und die Gestaltung seiner Arbeitsabläufe im Rahmen eines sog. „Massengeschäfts“ deshalb an der Erwartung ausrichten, dass der Kläger seinen Pflichten aus § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG (Art. 10 Satz 1 BayBeamtVG) nachkommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2015 – a.a.O.; VG Frankfurt, U.v. 17.11.2011 – 9 K 1109/11.F – juris Rn. 15, VG München; U.v. 28.1.2016 – M 12 K 15.4783 – juris Rn. 43 ff.).
Nachdem die regelmäßige Erlöschensfrist des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGBGB somit nicht vor dem 31. Dezember 2010 begonnen hat, richtet sich die Verjährung nach Art. 114 Satz 1 i.V.m. Art. 8 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG. Danach verjähren Ansprüche in zehn Jahren, wenn durch vorsätzlich oder leichtfertig unrichtige oder unvollständige Angaben oder das vorsätzliche oder leichtfertige pflichtwidrige Unterlassen von Angaben die Gewährung oder Belassung von Versorgungsbezügen bewirkt wurde. Der Kläger hat es vorliegend pflichtwidrig unterlassen, seinen ab 1. März 2001 erfolgten Rentenbezug anzugeben, und dadurch die Gewährung und Belassung von Versorgungsbezügen bewirkt, da dem Beklagten dadurch eine Ruhensberechnung nicht möglich war. Dieses Unterlassen war auch leichtfertig. Leichtfertig ist eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße und insoweit der groben Fahrlässigkeit vergleichbar. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Angaben nicht nur entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung gem. § 61 Abs. 2 BeamtVG (Art. 10 Abs. 2 BayBeamtVG) unterlassen. Er wurde vielmehr bereits im Oktober 1993 während des Verfahrens zur Festsetzung seiner Versorgungsbezüge sowie in jeder Bezügemitteilung über seine diesbezügliche Mitteilungspflicht informiert. Dass er dennoch die Mitteilung seines Rentenbezugs an den Beklagten unterlassen hat, stellt eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße dar. Denn vor dem Hintergrund der zahlreichen Hinweise auf die Mitteilungspflicht – nicht zuletzt in jeder Bezügemitteilung – hätte jedermann erkennen müssen, dass er zur Meldung des Rentenbezugs verpflichtet ist. Umso mehr hätte dies der Kläger als ehemaliger Beamter des damaligen gehobenen Dienstes (Technischer Amtmann BesGr. A 11) erkennen müssen. Auch aus dem allgemein gehaltenen Attest des Dr. med. …, Facharzt für Neurologie, Manuelle Therapie, Chirotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, …, …, vom 24. August 2015, wonach sich der Kläger seit 5. November 2001 dort in fortlaufender ambulanter fachärztlicher Behandlung befindet und aufgrund der bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Störungen die Tatsache der doppelten Rentenzahlung nicht überblicken und deshalb auch nicht von sich aus korrigieren habe können, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten, zumal der Kläger die Regelaltersrente bereits am 9. März 2001, also über ein halbes Jahr vor Beginn der ärztlichen Behandlung beantragt hat.
Nach Art. 114 Satz 1 Hs. 1 BayBeamtVG in der zweiten Fallkonstellation hat somit die zehnjährige Verjährungsfrist des Art. 8 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG am 1. Januar 2011 begonnen, die durch Erlass des Rückforderungsbescheids vom 20. August 2015 gemäß Art. 53 Abs. 1 BayVwVfG gehemmt wurde; die zehnjährige kenntnisunabhängige Höchstfrist nach bisherigem Recht (Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB) war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht abgelaufen. Für den ab dem 1. Januar 2011 entstandenen Rückforderungsanspruch ist Art. 8 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG direkt anwendbar, so dass der Rückforderungsanspruch für den gesamten geltend gemachten Zeitraum (ab 1.1.2005) noch nicht verjährt war.
Die Billigkeitsentscheidung des Beklagten i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG ist nicht zu beanstanden.
Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG ermöglicht es, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für den Beklagten zumutbare und für den Kläger tragbare Lösung zu entwickeln (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – juris Rn. 24, zum BBesG). Bei dieser Entscheidung ist nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Es kommt auf die Lage des Klägers im Zeitpunkt der Rückabwicklung, v.a. auf seine wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, sowie auf den Grund der Überzahlung, insbesondere auf ein etwaiges Mitverschulden der leistenden Behörde, an (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 31; BayVGH, B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 24). Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass keine Billigkeitsgründe vorliegen, aufgrund derer von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden könnte. Von der Rückforderung ist in der Regel teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – juris Rn. 26, zum BBesG). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr liegt die Überzahlung im Verantwortungsbereich des Klägers. Aus § 61 Abs. 2 BeamtVG (Art. 10 Abs. 2 BayBeamtVG) ergibt sich die Verpflichtung des Klägers zur Mitteilung des Rentenbezugs. Er kann sich nicht auf ein Mitverschulden oder Organisationsverschulden der Behörde mangels automatischen Datenaustauschs mit der gesetzlichen Rentenversicherung berufen. Es lag vielmehr am Kläger, seine eigene Mitteilungspflicht zu erfüllen und für die rechtzeitige und vollständige Mitteilung sämtlicher Änderungen Sorge zu tragen.
Auch aus den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des Klägers ergeben sich keine Billigkeitsgründe, aufgrund derer nach Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG von der Rückforderung teilweise abgesehen werden könnte. Dass der Kläger durch die Rückforderung der überbezahlten Bezüge unzumutbar belastet ist, ist nicht vorgetragen worden und angesichts der Höhe seiner Versorgungsbezüge auch nicht ersichtlich.
Es genügt daher für eine Billigkeitsentscheidung, dass der Beklagte dem Kläger Ratenzahlung eingeräumt hat (vgl. BayVGH, U.v.14.10.1992 – 3 B 92.00891 – juris Rn. 19). Insbesondere wurde bei der Bemessung der Raten darauf geachtet, dass die Ratenhöhe nicht über dem pfändbaren Betrag liegt. Angesichts der Höhe des Rückforderungsbetrags von über 25.000 EUR und insbesondere unter Berücksichtigung des Alters des Klägers erscheint daher eine monatliche Rate von 750 EUR angemessen. Seitens des Klägers ist bislang nichts vorgetragen worden, was eine Reduzierung der Rückforderungsrate nahelegen könnte.
Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711. ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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