Arbeitsrecht

Rückforderung von Versorgungsbezügen wegen rückwirkender Kürzung des Witwengeldes

Aktenzeichen  M 12 K 16.254

Datum:
9.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 7 Abs. 2 S. 1, Art. 8, Art. 85 Abs. 2
BGB BGB § 818 Abs. 4, § 820 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Der Zahlung von Versorgungsbezügen ist hinsichtlich der Ruhensvorschriften ein gesetzlicher Vorbehalt immanent (VGH München BeckRS 2011, 32870). Der Beamte haftet deshalb verschärft und kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn es infolge des Bezuges einer großen Witwenrente zum Ruhen der Versorgungsbezüge kommt. Unerheblich ist, ob er sich der Überzahlung bewusst war. (redaktioneller Leitsatz)
Der Anspruch auf Rückzahlung der Versorgungsbezüge verjährt in zehn Jahren, wenn die Überzahlung durch leichtfertiges pflichtwidriges Unterlassen von Angaben bewirkt wurde. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene es trotz Hinweisen im Bescheid, den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzuzeigen, unterlässt, den Bezug einer großen Witwenrente mitzuteilen. (redaktioneller Leitsatz)
Bei der im Rahmen der Rückforderung zu treffenden Billigkeitsentscheidung kommt es maßgeblich auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Leistungsempfängers im Zeitpunkt der Rückabwicklung an. Weiter sind der Grund der Überzahlung und ein etwaiges Mitverschulden der Behörde zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist überwiegend zulässig, aber unbegründet.
I.
Soweit sich die Klage gegen die Rückforderung eines Betrags wendet, der über 4.649,71 Euro hinausgeht, ist sie unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2016 zu Protokoll erklärt, dass er die Rückforderung in Höhe von 4.728,77 Euro um 79,06 Euro (für die Monate Oktober und November 2005) reduziere. Damit hat er die Klägerin insoweit klaglos gestellt. Eine Erledigterklärung oder Antragsumstellung der Klägerin erfolgte insoweit jedoch nicht.
II.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 28. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2015 und in Gestalt der Erklärung des Beklagtenvertreters, die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2016 zu Protokoll gegeben wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Nr. 1 des angegriffenen Bescheids ist rechtmäßig.
Nach der bis 31. Dezember 2010 maßgebenden Vorschrift des § 55 Abs. 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in § 55 Abs. 2 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Der über die Höchstgrenze hinausgehende Betrag ruht. Die Klägerin hat seit …. Januar 1998 eine große Witwenrente erhalten, also eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i. S. d. § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG, die auf ihre Versorgungsbezüge anzurechnen ist.
Nach der seit 1. Januar 2011 maßgebenden Vorschrift des Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten ebenfalls nur bis zum Erreichen der in Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG normierten Höchstgrenze gezahlt. Die große Witwenrente, die die Klägerin seit …. Januar 1998 erhalten hat, ist eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i. S. d. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG, die auf ihre Versorgungsbezüge anzurechnen ist.
Der Beklagte durfte rückwirkend die Versorgungsbezüge der Klägerin kürzen, da die Festsetzung und Zahlung der Versorgungsbezüge unter dem immanenten Vorbehalt stehen, dass die spätere Erzielung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen zu einem Ruhen der Versorgungsbezüge führt. Vorliegend führte der Bezug der großen Witwenrente zum Ruhen der Versorgungsbezüge der Klägerin. Fehler in der Berechnung sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
2. Nr. 2 des angegriffenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der zu viel gezahlten Versorgungsbezüge ist Art. 7 Abs. 2 BayBeamtVG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung.
a) Es wurden Versorgungsbezüge (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 BayBeamtVG) überbezahlt i. S. d. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG. Versorgungsbezüge sind „zu viel gezahlt“ in diesem Sinne, wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 23; vgl. auch BVerwG, U.v. 24.4.1959 – VI C 91.57 – juris Rn. 32). Dies ist hier der Fall, soweit eine Zahlung über die Höchstgrenzen der Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG und § 55 Abs. 2 BeamtVG hinaus erfolgte (vgl. oben, I.). Bei der Bewilligung durch Bescheid vom 29. Januar 1998 und der späteren monatlichen Auszahlung des Witwengelds an die Klägerin wurde nicht berücksichtigt, dass sie daneben seit …. Januar 1998 eine große Witwenrente erhält. Aufgrund der Nichtberücksichtigung wurden die Versorgungsbezüge der Klägerin falsch berechnet und über die Höchstgrenzen der Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG und § 55 Abs. 2 BeamtVG hinaus ausbezahlt. Hierdurch ergab sich im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 30. Juni 2015 eine ohne rechtlichen Grund geleistete Überzahlung i. H. v. insgesamt 4.649,71 Euro. Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
b) Die Klägerin ist nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m § 818 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung des überbezahlten Betrags i. H. v. 4.649,71 Euro verpflichtet. Dabei ist nicht entscheidend, ob sie entreichert i. S. d. § 818 Abs. 3 BGB ist, so dass es auf den diesbezüglichen Vortrag des Prozessbevollmächtigten nicht ankommt. Denn der Beklagte hat vorliegend unabhängig vom Wegfall der Bereicherung einen Anspruch auf Rückzahlung der überbezahlten Bezüge.
Die Klägerin haftet verschärft nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i. V. m. §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB und kann sich somit nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Nach §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Hierunter fällt auch die Überzahlung von unter Vorbehalt gezahlten Versorgungsbezügen (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 21). Solch ein Vorbehalt liegt hier vor.
aa) Die Auszahlungen des Witwengelds an die Klägerin wurden unter dem immanenten Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Der Ruhegehaltsfestsetzung und der Zahlung von Versorgungsbezügen ist nämlich hinsichtlich der Ruhensvorschriften ein gesetzlicher Vorbehalt immanent. Dabei ist ohne Belang, ob sich die Klägerin dieses gesetzlichen Vorbehalts im Zeitpunkt der Überzahlung bewusst gewesen ist. Ebenso wenig ist relevant, dass die Klägerin selbst keine Beamtin ist. Denn es kommt allein darauf an, dass sie Versorgungsbezüge nach dem BayBeamtVG erhält und damit diesen Vorschriften unterliegt (BayVGH, B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 21). Die verschärfte Haftung des § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB erstreckt sich auch auf Überzahlungen von Versorgungsbezügen, die unter Vorbehalt gezahlt wurden. Hierzu gehören auch solche Zahlungen, für die – wie hier – aufgrund von Ruhensvorschriften rückwirkend eine höhere Anrechnung von Einkommen in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2011 a. a. O.).
bb) Unabhängig von dem immanenten Vorbehalt wurden die Zahlungen an die Klägerin auch ausdrücklich unter den Vorbehalt der Rückforderung gestellt. Im Bescheid vom 29. Januar 1998 wird ausdrücklich auf die Anlage „Vorbehalte und Anzeigepflichten“ verwiesen, die zum Bestandteil des Bescheids erklärt wurde. Nach dieser Anlage, die auch eindeutig als solche zu erkennen ist, da in der rechten oberen Ecke explizit „Vorbehalte und Anzeigepflichten“ steht, erfolgte die Festsetzung der Versorgungsbezüge unter dem Vorbehalt, dass deren rückwirkende Rücknahme oder der Erlass eines rückwirkenden Ruhensbescheids erforderlich ist. Dem Vortrag der Klägerin, dass die dem Bescheid beigefügte Anlage „Hinweise zum Bescheid über die Festsetzung der Versorgungsbezüge“, auf deren rechten oberen Ecke „Vorbehalte und Anzeigepflichten“ stand, nicht als die Anlage „Vorbehalte und Anzeigepflichten“ erkennbar gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Die Anlage „Vorbehalte und Anzeigepflichten“ wird ausdrücklich zum Bestandteil des Bescheids erklärt. Dass sich der Titel der Anlage „Vorbehalte und Anzeigepflichten“ in der rechten oberen Ecke, nicht aber in der Mitte des Schreibens befand, schadet nicht. Es ergibt sich zudem schon aus dem Gesamtzusammenhang, dass es sich um die im Bescheid in Bezug genommene Anlage handelte. Sollte die Klägerin den Zusammenhang tatsächlich nicht erkannt haben, so wäre es ihr ein Leichtes gewesen, beim Beklagten diesbezüglich nachzufragen.
c) Unabhängig davon, ob der Rückforderungsanspruch erst mit Erlass des Ruhensbescheids (so OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2015 – OVG 7 B 16.14 – juris Rn. 27 f.) oder direkt mit der Überzahlung im jeweiligen Auszahlungsmonat (so OVG Saarland, B.v. 29.4.2015 – 1 A 307/14 – juris Rn. 9; offen gelassen von BayVGH, B.v. 24.9.2015 – 3 ZB 12.2556 – juris Rn. 6 ff.) entsteht, ist der Rückforderungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht verjährt.
aa) Im ersten Fall würde sich die Verjährung sämtlicher Überzahlungen nach Art. 8 BayBeamtVG richten, und zwar unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem 1. Januar 2011 ausbezahlt wurden. Hiernach verjähren Ansprüche auf Rückzahlung von Versorgungsbezügen regelmäßig in drei Jahren und in zehn Jahren, wenn durch vorsätzlich oder leichtfertig unrichtige oder unvollständige Angaben oder das vorsätzliche oder leichtfertige pflichtwidrige Unterlassen von Angaben die Gewährung oder Belassung von Versorgungsbezügen bewirkt wurde. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Geht man davon aus, dass der Rückforderungsanspruch erst mit Erlass des Ruhensbescheids entsteht, so hat die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des 31. Dezember 2015 zu laufen begonnen. Damit ist die streitgegenständliche Rückforderung des Beklagten gegen die Klägerin in diesem Fall weder bei Anwendung der dreijährigen noch bei Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist verjährt.
bb) Im zweiten Fall würde sich die Verjährung der vor 1. Januar 2011 ausbezahlten Überzahlungen nach Art. 114 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. Art. 8 BayBeamtVG beginnend ab 1. Januar 2011 richten. Denn auch wenn der Anspruch auf Rückforderung schon mit der jeweiligen Überzahlung entstanden ist, fehlt es für einen Beginn des Fristlaufs vor 1. Januar 2011 an den subjektiven Voraussetzungen des Art. 114 Satz 2 i. V. m. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB, da der Beklagte von der Überzahlung erst im Jahr 2015 Kenntnis erlangte und er vor diesem Zeitpunkt auch nicht ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Beklagten keine Verpflichtung dahingehend trifft, das Bestehen etwaiger Rentenansprüche von Amts wegen zu prüfen, sondern dass er darauf vertrauen darf, dass die Klägerin ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht nachkommt (BayVGH, B.v. 24.9.2015 – 3 ZB 12.2556 – juris Rn. 18 f.). In diesem Fall würde aber jedenfalls die 10jährige Höchstfrist des Art. 114 Satz 1 Halbs. 2 i. V. m. Art. 71 AGBGB greifen. Der vom Beklagten zurückgeforderte Betrag seit Dezember 2005 unterfällt dieser Frist jedoch nicht, da der Fristlauf durch den Rückforderungsbescheid vom 28. Oktober 2015, zugestellt am 2. November 2015, gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gehemmt war.
Die Verjährung der seit 1. Januar 2011 ausbezahlten Überzahlungen würde sich im zweiten Fall nach Art. 8 BayBeamtVG richten. Hiernach verjähren Ansprüche auf Rückzahlung von Versorgungsbezügen in drei Jahren und in zehn Jahren, wenn durch vorsätzlich oder leichtfertig unrichtige oder unvollständige Angaben oder das vorsätzliche oder leichtfertige pflichtwidrige Unterlassen von Angaben die Gewährung oder Belassung von Versorgungsbezügen bewirkt wurde. Dies bedeutet vorliegend, dass der Anspruch des Beklagten auf Rückzahlung der zu viel bezahlten Versorgungsbezüge gegen die Klägerin erst in zehn Jahren seit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, verjährt. Denn die Klägerin hat es leichtfertig pflichtwidrig unterlassen, den Bezug der großen Witwenrente gegenüber dem Beklagten anzuzeigen.
Eine Person handelt leichtfertig, wenn sie besonders sorglos handelt, ohne sich darum zu kümmern, inwieweit ihre Angaben unrichtig oder unvollständig sind. Auch wenn die Klägerin geschäftlich unerfahren sein mag, musste sie die „Hinweise und Anzeigepflichten“ zum Bescheid vom 29. Januar 1998 lesen. Die Hinweise sind entgegen dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten nicht kryptisch, sondern legen ausführlich die Anzeigepflichten der Klägerin dar. Dass auf gesetzliche Anzeigepflichten (§ 62 BeamtVG) hingewiesen wurde – die auch völlig ohne Hinweis im Bescheid Geltung entfalten -, ohne den Gesetzestext abzudrucken, macht die Hinweise nicht unverständlich. Es wäre ein Leichtes gewesen, den Gesetzestext nachzulesen. Darüber hinaus wird unter 2.1 der streitgegenständlichen Anlage explizit darauf hingewiesen, dass der Bezug von Renten anzuzeigen ist. Hierunter fällt auch der Bezug einer großen Witwenrente. Es bedurfte keines zusätzlichen Hinweises, dass die „Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ anzuzeigen ist. Es wäre nämlich nicht praktikabel, auf jede anzeigepflichtige Rente im Einzelnen hinzuweisen, der Beklagte durfte verallgemeinern. Sollte die Klägerin die Hinweise dennoch nicht verstanden haben, war sie verpflichtet, sich professionellen Rat zu holen oder beim Beklagten nachzufragen. Sie durfte nicht einfach darauf vertrauen, dass dem – wie sie vorträgt – „allwissenden Staat“ ohnehin bekannt ist, welche Renten sie bezieht. Hinzu kommt, dass die Klägerin in jeder Bezügemitteilung auf ihre Anzeige- und Mitteilungspflichten hingewiesen wurde. Aus den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten ergibt sich, dass sie diese Hinweise nicht einmal gelesen hat. Holt die Klägerin keinen fachlichen Rat ein und kümmert sie sich auch sonst nicht um ihre Angelegenheiten, dann schließt dies nicht die Leichtfertigkeit aus, sondern sie muss die Konsequenzen ihres Verhaltens tragen. Es wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen, den Bezug der großen Witwenrente gegenüber dem Beklagten anzuzeigen. Durch ihre Untätigkeit hat die Klägerin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen und bewusst leichtsinnig und oberflächlich – mithin leichtfertig – gehandelt.
d) Die Billigkeitsentscheidung des Beklagten i. S. d. Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG ist nicht zu beanstanden. Sie steht im Ermessen der Behörde und hat die Aufgabe, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Dabei ist nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Insoweit kommt es nicht entscheidend auf die Lage des Beamten in dem Zeitraum, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf dessen Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung an. Es sind vor allem die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Besoldungsempfängers und der Grund der Überzahlung zu berücksichtigen. Auch ein etwaiges Mitverschulden der leistenden Behörde an der Überzahlung ist grundsätzlich in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen (BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 31).
Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass keine Billigkeitsgründe vorliegen, aufgrund derer von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden könnte. Die Überzahlung ist vollständig dem Verantwortungsbereich der Klägerin zuzuschreiben. Die Klägerin war zur Mitteilung des Rentenbezugs verpflichtet und kann sich nicht auf ein Mitverschulden oder Organisationsverschulden der Behörde mangels einer Überprüfung der Rentenansprüche von Amts wegen berufen. Es oblag allein der Klägerin, für die rechtzeitige und vollständige Mitteilung sämtlicher Änderungen Sorge zu tragen.
Aus den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Klägerin ergeben sich keine Billigkeitsgründe, die ein (teilweises) Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten. Es ist weder ersichtlich noch wurde vorgetragen, dass sie durch die Rückforderung der überbezahlten Bezüge unzumutbar belastet wäre.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 4.728,77 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).


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