Arbeitsrecht

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Aktenzeichen  13 Ca 6905/16

Datum:
15.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 139448
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 6.012,67.

Gründe

Die Klage ist bereits nicht zulässig, wäre aber wohl auch unbegründet.
I.
Die Voraussetzungen für eine Klage auf künftige Zahlung gemäß §§ 257, 259 ZPO liegen nicht vor. Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO für den Hilfsantrag ist nicht gegeben.
1. Die Klage ist weder gemäß § 257 ZPO noch gemäß § 259 ZPO zulässig.
a. Gemäß § 257 ZPO kann Klage auf künftige Zahlung erhoben werden, wenn die Geltendmachung einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung an den Eintritt eines Kalendertages geknüpft ist. Außerdem kann gemäß § 259 ZPO Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Die §§ 257, 259 ZPO ermöglichen trotz fehlender Fälligkeit eines Anspruch jedoch nur dann eine Klage auf zukünftige Zahlung, wenn der Anspruch bei Klageerhebung zumindest entstanden ist, denn § 257 ZPO stärkt lediglich bestehende Ansprüche (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, BAG, Urteil vom 22.10.2014 – 5 AZR 731/12). Sinn und Zweck der §§ 257, 259 ZPO ist es nicht, die Gerichte über noch völlig offene Ansprüche entscheiden zu lassen, deren Entstehen von weiteren Faktoren abhängig ist.
b. Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage einen noch nicht existenten Anspruch geltend. Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Unter Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dessen rechtliche Beendigung zu verstehen und nicht etwa der Wechsel in ein Altersteilzeitverhältnis oder der Wechsel im Rahmen eines Altersteilzeitverhältnisses in die Freistellungsphase (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 16.10.2012 – 9 AZR 234/11). Eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende günstigere Regelung enthält § 15 des MTV nicht.
c. Abgesehen davon, dass vorliegend ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch noch gar nicht entstanden ist, ist hier aber auch fraglich, ob ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch vorliegend nicht gemäß § 257 ZPO „von einer Gegenleistung“ abhängig ist. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht als Altersteilzeitverhältnis noch bis zum 30.06.2017. Gemäß Ziffer 1.4 des Altersteilzeitvertrages hat der Kläger zumindest grundsätzlich ein Rückkehrrecht mit der Folge, dass das Altersteilzeitverhältnis bei dessen Ausübung wieder in ein normales Arbeitsverhältnis umgewandelt würde. In diesem Fall könnte der Kläger noch Urlaubsansprüche, soweit sie nicht verfallen sind, einbringen. Sein Urlaubsabgeltungsanspruch setzt daher quasi als „Gegenleistung im weitesten Sinne“ voraus, dass das Arbeitsverhältnis bis zu seinem Ende als Altersteilzeitverhältnis fortgesetzt wird und der Kläger nicht von seinem Rückkehrrecht Gebrauch macht.
2. Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig, da es insoweit an einem Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO fehlt. Zu Recht führt die Beklagte aus, dass Sachurteilsvoraussetzung insoweit ist, dass ein Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung haben muss. Kann ein Kläger sein Leistungsziel genau benennen und ist deshalb bei Fälligkeit eine Klage auf Leistung möglich, fehlt in der Regel das Feststellungsinteresse mangels Vollstreckbarkeit des Feststellungsurteils (sogenannter Vorrang der Leistungsklage). Der Kläger kann vorliegend sein Leistungsziel tatsächlich beziffern. Schon aus diesem Grund ist ein Feststellungsinteresse für eine Feststelungsklage nicht ersichtlich. Im Übrigen fehlt es an der Notwendigkeit einer alsbaldigen Feststellung, da eine aktuelle Gefährdung nicht zu besorgen ist. Auch mit einer Feststellungsklage kann der Kläger einen etwaigen Verfall seiner Urlaubsansprüche nicht verhindern, da ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen wird. Der Kläger kann vorliegend darauf verwiesen werden, einen etwaigen, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch mit seiner Fälligkeit nochmals gerichtlich im Rahmen einer Leistungsklage geltend zu machen.
II.
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers annehmen würde, dass die Klage als zulässig anzusehen ist, sein Arbeitsverhältnis noch bis 30.06.2017 fortbesteht und er bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub aus dem Jahr 2015 mehr einbringt, wäre ein Urlaubsabgeltungsanspruch nicht gegeben.
1. Urlaubsansprüche verfallen gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG bei Arbeitsunfähigkeit im Urlaubsjahr grundsätzlich jeweils am 31.03. des auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres. Dies gilt auch für den gesetzlichen Zusatzurlaub und tariflichen Mehrurlaub, wenn der Tarifvertrag keine vom Bundesurlaubsgesetz abweichende, für den Arbeitnehmer günstigere Frist- oder Verfallsbestimmungen vorsieht (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 12.11.2013 – 9 AZR 646/12). Vorliegend enthält der Tarifvertrag keine insoweit abweichenden Regelungen, so dass im Hinblick auf den Verfall auf § 7 Abs. 3 BUrlG zurückgegriffen werden muss. Insbesondere § 15 Ziffer 6 MTV enthält keine Regelung, aus der man schließen könnte, die Tarifvertragsparteien hätten ein unbegrenztes Ansammeln der Urlaubsansprüche bis zum Ausscheiden eines Arbeitnehmers, ohne Rücksicht auf ein Verfallregime, vereinbaren wollen.
2. Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen andauernd an seine Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (vgl. im Einzelnen: BAG, Urteil vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10).Zu Gunsten des Klägers kann weiter unterstellt werden, dass – selbst wenn er mit Beginn der Freistellungsphase wieder arbeitsfähig war und damit sein Urlaubsanspruch eigentlich spätestens bereits am 31.03.2016 verfallen wäre – krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Unerfüllbarkeit des Urlaubs in der Freistellungsphase des Blockmodells gleichzustellen sind (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 16.10.2012 – 9 AZR 234/11).
Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Altersteilzeitbeschäftigung im Blockmodell anderes gelten könnte, gibt es nicht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung vom 22.11.2011, Aktenzeichen C-214/10, festgestellt, dass spätestens 15 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, nicht in Anspruch genommener Urlaub verfällt. Zwar betraf die Entscheidung eine Konstellation, bei der der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugs- und Übertragungszeitraums dienstunfähig war. Die hierfür maßgebende Erwägung, dass der Zweck des Urlaubsanspruchs dann nicht mehr vollständig erreicht werden kann, gilt aber auch für Arbeitnehmer, die Altersteilzeit im Blockmodell gewählt haben und wegen der Freistellung ihren Urlaub nicht mehr einbringen können. Eine Verlängerung des Übertragungszeitraums kommt insoweit nicht in Betracht. Dies würde zu einer Besserstellung gegenüber Arbeitnehmern in Vollzeitbeschäftigung nach sich ziehen, für die ein entsprechender Urlaubsverfall im Krankheitsfall einträte (vgl. hierzu zu einem vergleichbaren Fall im Beamtenrecht: BVerwG, Urteil vom 19.11.2015 – Aktenzeichen 2 C 3/15).
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
2. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG. Da sowohl der Zahlungsantrag als auch der Feststellungsantrag den wirtschaftlich identischen Sachverhalt betreffen, wurde der sich aus dem Zahlungsantrag ergebende Streitwert nur einmal angesetzt.
Gegen dieses Endurteil steht dem Kläger das Rechtsmittel der Berufung nach Maßgabe nachfolgender Rechtsmittelbelehrung zu.


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