Arbeitsrecht

Unabweisbarer Grund für Fachrichtungswechsel im Masterstudium

Aktenzeichen  B 3 K 14.858

Datum:
9.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45137
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 7 III

 

Leitsatz

1 Für Master- oder Magisterstudiengänge iSv § 6 findet nach § 7 Abs. 1a S. 1 BAföG der § 7 Abs. 3 Nr. 1 BAföG keine Anwendung. Ein Fachrichtungswechsel im Rahmen eines Masterstudiengangs ist daher nur dann förderunschädlich, wenn er aus einem unabweisbaren Grund erfolgt. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ein Auszubildender wechselt gem. § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG die Fachrichtung, wenn er einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsgangs an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Der Begriff der Fachrichtung wird daher maßgeblich durch den Ausbildungsabschluss und den Ausbildungsgegenstand bestimmt. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Ein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel liegt nur dann vor, wenn Umstände eintreten, die die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung oder die Ausübung des bisher angestrebten Berufs objektiv und subjektiv unmöglich machen (BVerwG BeckRS 1981, 30435303). Dabei sind an die Tatbestandsmerkmale strenge Anforderungen zu stellen, um die Privilegierung gegenüber denjenigen Auszubildenden, die aufgrund eines Fachrichtungswechsels aus “wichtigem Grund” ihren Förderanspruch nach Beginn des 4. Fachsemesters verlieren, zu rechtfertigen. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Die Klägerin hat nach dem Wechsel aus dem Masterstudiengang „Wirtschaftsrecht“ an der Technischen Universität Dresden in den Masterstudiengang „Personal und Arbeit“ an der Hochschule Hof keinen Förderungsanspruch nach § 7 Abs. 3 BAföG.
Ausbildungsförderung wird gemäß § 7 Abs. 1a BAföG für einen Masterstudiengang im Sinne des § 19 des Hochschulrahmengesetzes grundsätzlich dann geleistet, wenn er auf einem Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang aufbaut (…) und der Auszubildende bislang ausschließlich einen Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang abgeschlossen (…) hat.
Diese Voraussetzungen liegen bei beiden Masterstudiengängen vor.
1.1. Allerdings hat ihr Wechsel des Masterstudienganges ohne Vorliegen eines unabweisbaren Grundes den Verlust des Förderungsanspruches zur Folge (§ 7 Abs. 1a Satz 2, § 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG).
Nach § 7 Abs. 3 BAföG hat ein Ausbildungsabbruch oder Fachrichtungswechsel in aller Regel die Einstellung der Förderung aufgrund des Verbrauchs des Förderungsanspruchs für eine Erstausbildung zur Folge, es sei denn er erfolgt aus einem wichtigen Grund (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 BAföG) oder aus einem unabweisbaren Grund (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG). Allerdings findet bei Ausbildungen nach § 7 Abs. 1a Satz 1 BAföG (d. h. für Master- oder Magisterstudiengänge im Sinne des § 19 des Hochschulrahmengesetzes) § 7 Abs. 3 Nr. 1 BAföG (wichtiger Grund) keine Anwendung (vgl. § 7 Abs. 1a Satz 2 BAföG). Ein Fachrichtungswechsel im Rahmen eines Masterstudienganges ist deshalb nur dann förderungsunschädlich, wenn er aus einem unabweisbaren Grund erfolgt.
1.1.1. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein Fachrichtungswechsel vor.
Ein Auszubildender wechselt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BAföG die Fachrichtung, wenn er einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsganges an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Die Definition Fachrichtung wird demnach maßgeblich durch den Ausbildungsabschluss und den Ausbildungsgegenstand bestimmt (Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2013, § 7 Rn. 47).
Beide maßgeblichen Studiengänge sind staatlich geregelte Ausbildungsgänge an der Ausbildungsstättenart „Hochschule“ (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG). Es kann offen bleiben, ob der berufsqualifizierende Abschluss an der Hochschule Hof wie an der Technischen Universität Dresden der „Master of Laws“ (LL.M.) ist (vgl. § 28 der Prüfungsordnung für den konsekutiven Master-Studiengang Wirtschaftsrecht – Unternehmen zwischen Freiheit und staatlicher Steuerung (abgekürzt Prüfungsordnung – PO Dresden -) oder – wie an der Hochschule Hof zusätzlich möglich (vgl. § 11 der Studien- und Prüfungsordnung für den Masterstudiengang Personal und Arbeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof (abgekürzt Prüfungsordnung – STPO Hof -) – der Master of Arts (M.A.).
Das Auswechseln des Studienabschlusses „Master of Arts“ statt „Master of Laws“ ließe von vorneherein keine Zweifel am Vorliegen einen Fachrichtungswechsel. Aber auch die beiden Studiengänge (mit dem gleichen Abschluss „Master auf Laws (LL.M)“) unterscheiden sich deutlich in Ausbildungsziel bzw. -gegenstand, so dass jedenfalls aus diesem Grund ein Fachrichtungswechsel gegeben ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
So unterscheiden sich die Ausbildungsziele im Vergleich der beiden Studienordnungen erheblich. Während in § 2 der Studienordnung für den konsekutiven Master-Studiengang Wirtschaftsrecht – Unternehmen zwischen Freiheit und staatlicher Steuerung vom 10.12.2008 und 13.03.2015 (abgekürzt Studienordnung – StO Dresden -) „vertiefte Kenntnisse auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts“, „die Fähigkeit, interdisziplinäre Fragestellungen darzustellen, sie mit wissenschaftlichen Methoden zu analysieren sowie selbstständige Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten“ und die Fähigkeit „wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden anzuwenden und ihre Reichweite zur Lösung komplexer wissenschaftlicher und praktischer Fragestellungen heranzuziehen, „ein breites fachliches Wissen“ und praxisorientierte Ausbildung“ als Ausbildungsziel definiert ist, steht in § 4 der StPO Hof (unabhängig von der Schwerpunktsetzung im rechts- oder im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich) die Vorbereitung auf „anspruchsvolle Leitungs- oder Fachaufgaben im Personalwesen und in der Rechtsabteilung von Unternehmen, Behörden und sonstigen Organisationen“ im Mittelpunkt. Weiterhin nennt die STPO Hof in § 4 Abs. 2 „vertiefte Kenntnisse auf allen das Personalwesen betreffenden Teilgebieten des Arbeits- und Sozialrechts sowie fundiertes personalwirtschaftliches Wissen“ bzw. „vertiefte wirtschaftswissenschaftliche Qualifikation für Managementaufgaben in der Personalwirtschaft mit den dafür relevanten arbeits- und sozialrechtlichen Kenntnissen“ und in § 4 Abs. 3 „berufsfeldbezogene Kompetenzen zu den Bereichen „Compliance, Corporate Social Responsibility und Unternehmensethik“. In „besondere Weise“ berücksichtigen die Studieninhalte die „internationale Perspektive global agierender Unternehmen“.
Der Vergleich beider Studienziele zeigt deutlich, dass das Masterstudium an der Technischen Universität Dresden ein weitaus breiteres Spektrum an Aufgabenfeldern und Ausbildungsinhalten abdeckt, insbesondere Wert auf wissenschaftliche Methodik legt und aus diesem Grund auf eine umfassende Einsatzbreite der Absolventen abzielt. Demgegenüber beschränkt sich das Ausbildungsziel an der Hochschule Hof der eigenen Definition zufolge auf eine vertiefte Ausbildung im Bereich Personalrecht – oder auch Personalwirtschaft und Arbeitsrecht; dementsprechend beschränkt sich auch der anvisierte, ausdrücklich genannte Einsatzbereich der Studienabsolventen auf diesen Bereich. Die Ausbildungsziele sind deshalb augenscheinlich unterschiedlich.
Dies spiegelt sich auch in den Ausbildungsinhalten wider:
So fehlen beispielsweise die Lehrinhalte der Module an der TU Dresden wie z. B. „Einführung in das Steuerrecht“ (WR-3), „Rechtsfragen des Strukturwandels im Unternehmen“ (WR-4), „Erschließung spezieller Forschungsgebiete“ (WR-7), „Wirtschaft und Steuern“ (WR-WF-1) und „Regulierte Märkte in Energie, Umwelt, Technik, und Verkehr“ (Wr-WF-2) an der Hochschule Hof. Dort sind demgegenüber u. a. „Sozialrecht“, „Arbeitsschutz und Datenschutz“ sowie „arbeitsgerichtliche Verfahren und Mediation“ (M 1 Arbeitsrecht), „Gesundheitsmanagement“ und „Arbeitsschutz“ (M 2 Personalmanagement) oder „Kommunikation, Gesprächsführung, Konfliktmanagement“ (M 3 Schlüsselqualifikation) Ausbildungsinhalt. Dieser Vergleich zeigt ebenfalls deutlich, dass der Masterstudiengang „Personal und Arbeit“ an der Hochschule Hof (nur) einen Teilbereich der Ausbildung des Masterstudienganges Wirtschaftsrecht an der Technischen Universität Dresden abdeckt. Wenn die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung die „Spezialisierung“ als Argument gegen das Vorliegen eines Fachrichtungswechsels anführt, so verkennt sie, dass dieser Begriff die gesamte Breite der Ausbildung voraussetzt, woraus ein Teilbereich vertieft gelehrt wird. Hingegen fehlt der Ausbildung an der Hochschule Hof aber gerade die Breite der Ausbildung an der Technischen Universität Dresden und beschränkt sich von vorneherein auf bestimmte (Teil-)Bereiche. Auch wenn diese (Teil-)Bereiche an der Hochschule Hof inhaltlich vertiefter als an der Technischen Universität Dresden gelehrt würden, so unterscheiden sich Ausbildungsziel und Ausbildungsinhalt so deutlich, dass sich die Annahme eines Fachrichtungswechsels nahezu aufdrängt.
Aus diesem Grund erschließt sich auch ohne weiteres, dass eine Anrechnung der beiden Semester des Masterstudienganges „Wirtschaftsrecht“ an der Technischen Universität Dresden auf das Masterstudium „Personal und Arbeit“ an der Hochschule Hof nicht erfolgte.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass auch ein Vergleich der in den beiden Studiengängen zu erzielenden ECTS-Punkte aufzeigt, dass ein Fachrichtungswechsel gegeben ist. Während an der Technischen Universität Dresden im Studiengang Wirtschaftsrecht ausweislich der Anlage 2 (Studienablaufplan) der StO Dresden insgesamt 120 ECTS-Punkte vorgesehen sind, sind es an Hochschule Hof (lediglich) 90 ECTS-Punkte (Anlage 1 und 2 zu § 6 Satz 2 und Satz 3 StPO Hof).
1.1.2. Der Fachrichtungswechsel der Klägerin erfolgte ohne unabweisbaren Grund i. S. d. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG.
Ein unabweisbarer Grund liegt nur dann vor, wenn Umstände eintreten, die die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung oder die Ausübung des bisher angestrebten Berufs objektiv und subjektiv unmöglich machen (vgl. BVerwG, U. v. 30.04.1981, Az 5 C 36/79 in BVerwGE 62, 174). Dabei sind an dieses Tatbestandsmerkmal strenge Anforderungen zu stellen, damit die Privilegierung gegenüber solchen Auszubildenden, die einen „wichtigen Grund“ für sich in Anspruch nehmen können, aber bei einem Fachrichtungswechsel nach Beginn des vierten Fachsemesters jedweden Förderungsanspruch verlieren, gerechtfertigt ist. Ein solcher „wichtiger Grund“ genügt für den Fachrichtungswechsel im Masterstudium deshalb gerade nicht (§ 7 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. BAföG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Grund für einen Fachrichtungswechsel nur dann unabweisbar, wenn er die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulässt und er die Fortführung der bisherigen Ausbildung objektiv und subjektiv unmöglich macht (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 19.02.2004, Az. 5 C 6/03 in BVerwGE 120, 149). Es können daher nur solche Umstände berücksichtigt werden, die zu einem Wegfall der Eignung des Auszubildenden für die künftige Ausübung des bisher angestrebten Berufs und die dahin zielende noch zu absolvierende Ausbildung geführt haben (BVerwG, U. v. 19.02.2004 a. a. O.). Ein diesen gesteigerten Anforderungen entsprechender, unabweisbarer Grund kann etwa angenommen werden für den Fall, dass ein Sportstudent bei einem Unfall ein Bein verloren hat oder eine Musikstudentin während der Ausbildung zur Pianistin krankheitsbedingt eine Hand nicht mehr bewegen kann (vgl. hierzu Rothe/Blanke, BAföG, § 7 Rn. 43).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt bei der Klägerin ein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel im Masterstudiengang nicht vor. Soweit das vorgelegte Attest bestätigt, dass die Klägerin vom 15.01. bis 07.05.2014 psychologische Beratung in Anspruch genommen habe, ist schon nicht ersichtlich, inwiefern ihre psychosomatischen Beschwerden die Fortsetzung gerade des Masterstudiengangs „Wirtschaftsrecht“ objektiv (und subjektiv) unmöglich gemacht haben sollen, da diese bereits abklangen, als die Doppelbelastung durch Abgabe der Bachelorarbeit weggefallen war und die Klägerin den anderen Masterstudiengang in Hof offenbar psychisch als auch physisch bislang ohne psychosomatische Beschwerden bewältigen konnte. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass eine (bloße) Überlastung keinesfalls einen unabwendbaren Grund nach den oben genannten Maßstäben darstellen kann; umso weniger eine absehbar zeitlich befristete Überlastung; denn die Ausführungen im Attest sowie die Einlassung der Klägerin lassen den Schluss zu, dass die zeitweise Überschneidung von Bachelorarbeit und Vorlesungen im Masterstudiengang zu dieser offensichtlich zeitlich befristeten Überlastung führten; denn nach Abschluss der Bachelorarbeit gingen nach den Ausführungen im Attest die psychosomatischen Symptome der Klägerin dann auch zurück, so dass allerspätestens danach keinesfalls von einem unabweisbaren Grund gesprochen werden kann. Die nicht näher ausgeführten psychosomatischen Beschwerden stellen deshalb offenkundig keinen unabweisbaren Grund für einen Fachrichtungswechsel dar.
2. Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.


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