Arbeitsrecht

Urlaubsabgeltung und Mehrarbeitsvergütung im Beamtenrecht

Aktenzeichen  B 5 K 19.14

Datum:
4.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27615
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1 u. 2, Art. 15
UrlMV § 8, § 9
BayBG Art. 61 Abs. 1 S. 1, Art. 87 Abs. 2 S. 3
BeamtStG § 21 Nr. 4
BayVwVfG Art. 38 Abs. 1 S. 1
BGB § 242
VwGO § 117 Abs. 3 S. 2, § 154 Abs. 1
ZPO § 708 f.

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung (dazu unter I.) und Mehrarbeitsvergütung (dazu unter II.).
I.
1. Ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage ergibt sich vorliegend weder aus § 9 UrlMV noch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG.
Nach früherer Rechtsprechung (vgl. u.a. BVerwG, B.v. 31.7.1997 – 2 B 138/96 – juris) wurde ein Urlaubsabgeltungsanspruch eines Beamten mangels nationaler Regelung abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist aber mittlerweile geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind und damit einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben (EuGH, B.v. 14.7.2005 – Rs. C-52/04 – Slg. 2005, I-7111, Rn. 57ff.; U.v. 3.5.2012 – Rs. C-337/10, Neidel – Abl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688, Rn. 22).
Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG hat zwar unmittelbar nur den Inhalt, dass der in Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG geregelte bezahlte Mindesturlaub von vier Wochen (bei einer 5-Tage-Woche somit 20 Tage) „außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden“ darf. Durch die Regelung wird aber ein Urlaubsabgeltungsanspruch für diesen Mindesturlaub begründet, da die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand nach § 21 Nr. 4 BeamtStG eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 2 C 10/12 – NVwZ 2013, 1295). Ob im vorliegenden Fall mit der Versetzung der Klägerin zu einem anderen Dienstherrn ebenfalls eine Beendigung des „Arbeitsverhältnisses“ im vorgenannten Sinne eingetreten ist, kann hier dahinstehen. Denn ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin scheitert letztlich auch aus anderen Gründen. Für die Annahme einer Beendigung spricht jedoch, dass infolge der Versetzung der Klägerin zu einer anderen Gemeinde keine Dienstleitungspflicht mehr gegenüber der Beklagten und daher auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 2 C 10/12 – NVwZ 2013, 1295 Rn. 12).
Nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 1.12.2005 – Rs. C-14/04, Dellas – Slg. 2005, I-10253, Rn. 53) bleibt zwar nach Art. 15 RL 2003/88/EG u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG hat der EuGH auch entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse. Dies führe zur Verpflichtung, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten.
Aus diesem Grund weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt ist. Der EuGH hat im Urteil vom 03.05.2012 (Rs. C-337/10 – NVwZ 2012, 688 Rn. 35ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 2 C 10/12 – NVwZ 2013, 1295 Rn. 12).
Entsprechendes sieht nunmehr auch § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV vor. Demnach ist, soweit bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses die vorherige Einbringung von Erholungsurlaub auf Grund einer Dienstunfähigkeit nicht möglich war, der Urlaub der einzelnen Kalenderjahre in dem Umfang abzugelten, in dem der eingebrachte Erholungsurlaub jeweils hinter einem Mindesturlaub von 20 Tagen zurückbleibt. Mithin beschränkt sich auch die nunmehr geschaffene nationale Abgeltungsregelung auf den Mindesturlaub.
Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 2 C 10/12 – NVwZ 2013, 1295 Rn. 24). Von der Regel, dass es nicht auf den Rechtsgrund für die genommenen Urlaubstage ankommt, gibt es nur insoweit eine Ausnahme, als Mindesturlaub des laufenden Jahres nicht die Urlaubstage sein können, die Mindesturlaub des vorangegangen Jahres sind. Ohne dass es einer genauen Zuordnung zum laufenden oder vorangegangenen Urlaubsjahr bedarf, können Urlaubstage noch dem Vorjahr zugeordnet werden, wenn der Mindesturlaub des Vorjahres noch nicht eingebracht wurde (vgl. VG Regensburg, U.v. 10.10.2014 – RN 1 K 13.1973 – juris Rn. 52).
Gemessen an diesen Maßstäben steht der Klägerin eine finanzielle Abgeltung der nicht eingebrachten Urlaubstage nicht zu. Denn sie hat jedenfalls in der Gesamtschau den ihr jährlich zustehenden Mindesturlaub von 20 Tagen in Anspruch genommen. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der von Beklagtenseite vorgelegten und von Klägerseite nicht bestrittenen Urlaubsstatistik:
Jahr
Urlaubsanspruch
Genommene Urlaubstage
Saldo Mindesturlaub
2008
22
10
– 10
2009
29
10
– 20
2010
29
27
– 13
2011
30
27
– 6
2012
30
28
Mindesturlaub ausgeglichen +2
2013
30
32
Jahr
Urlaubsanspruch
Genommene Urlaubstage
Saldo Mindesturlaub
2014
30
24
2015
30
36
2016
30
39
2017
30
20
bis 31.03.2018
30
18
Unterjähriger Wechsel und Urlaubsanspruch 2018 ohnehin durch Gemeinde H* … übernommen
Demnach hat die Klägerin zwar in den Jahren 2008 und 2009 nicht den vollen Mindesturlaub in Anspruch genommen. Das entstandene Defizit im Hinblick auf den 20-tägigen Mindesturlaub wurde jedoch jedenfalls in den Folgejahren ausgeglichen. So hat die Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 jeweils 27 Urlaubstage, im Jahr 2012 sogar 28 Urlaubstage eingebracht und auf diese Weise den ihr aus den Vorjahren zustehenden Mindesturlaub in der Gesamtschau in Anspruch genommen. Ein darüber hinaus gehender Abgeltungsanspruch, d.h. für über den Mindesturlaub hinausgehende nicht in Anspruch genommene Urlaubstage, ergibt sich weder aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG noch aus § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV.
Damit kommt es auf die Frage eines etwaigen Verfalls des Urlaubsanspruchs der Klägerin bereits nicht mehr an (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 4 UrlMV bzw. EuGH, U.v. 22.11.2011 – C-214/10 – NJW 2012, 290; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 2 C 10/12 – NVwZ 2013, 1295 Rn. 20f.). Zumal ein Verfall nach der neueren Rechtsprechung des EuGH eine förmliche Aufforderung zur Urlaubsinanspruchnahme seitens des Dienstherrn erfordert, die hier nicht vorliegen dürfte (vgl. EuGH, U.v. 6.11.2018 – C-684/16 – NZA 2018, 1474; U.v. 29.11.2017 – C-214/16 – NJW 2018, 33).
2. Soweit die Klägerseite darüber hinaus einen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Treu und Glauben gemäß § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geltend macht, kann sie auch damit nicht durchdringen.
Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Urlaubsgewährung nicht im Einklang mit den beamtenrechtlichen Vorschriften steht. Denn die Beklagte schrieb die Resturlaubstage ihrer Beamten jeweils antragslos fort, ohne insoweit die Regelungen der §§ 7ff. UrlMV zu beachten. Nach § 7 Abs. 1 UrlMV soll der Erholungsurlaub möglichst im laufenden Kalenderjahr voll eingebracht werden. Urlaub, der nicht bis zum 30.04. des folgenden Jahres angetreten ist und nicht nach § 8 UrlMV angespart wird, verfällt. Diese Frist kann angemessen verlängert werden, jedoch lediglich, wenn dienstliche Belange es zulassen. Eine Ansparung nicht eingebrachten Erholungsurlaubs nach § 8 UrlMV kommt ebenfalls nur in Betracht, wenn dienstliche Belange dies zulassen und der Beamte einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Auch der angesparte Erholungsurlaub ist nach § 8 Satz 4 UrlMV grundsätzlich spätestens bis zum Ablauf des dritten Jahres anzutreten, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem Urlaubsanspruch entstanden ist. All diesen Vorgaben hat die Beklagte im Rahmen ihrer Urlaubsgewährung nicht Rechnung getragen, sondern stattdessen den nicht eingebrachten Erholungsurlaub antragslos und zeitlich unbegrenzt fortgeschrieben. Auf diese Weise hat sie nachvollziehbarer Weise Begehrlichkeiten auf Seiten ihrer Beamten geschaffen.
Gleichwohl kommt die Annahme einer Abgeltungspflicht für die auf diese Weise fortgeschriebenen Resturlaubstage auch unter Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht in Betracht. Nach dem Sinn und Zweck der Gewährung von Erholungsurlaub verfallen (Rest-)Urlaubsansprüche mit Ablauf des Zeitraums, bis zu dem Urlaub maximal übertragen werden kann, ausnahmslos und auch ohne Rücksicht auf die Gründe, aus denen der Urlaub nicht rechtzeitig eingebracht werden konnte. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die den Beamten im Übrigen nicht vor jedem (unverschuldeten) Rechtsverlust bewahrt, ist auf dem Gebiet des Urlaubsrechts durch die jeweils geltenden Rechtsvorschriften konkretisiert. Darüber hinausgehende Ansprüche wie insbesondere auf Urlaubsabgeltung in Geld bestehen für den Beamten grundsätzlich nicht (BVerwG, B.v. 27.10.1982 – 2 B 95.81 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.7.2016 – 3 ZB 15.1469 – juris Rn. 14). Zwar sind die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 2.5.2012 a.a.O. Rn. 36) nicht gehindert, eine finanzielle Vergütung für den Fall zu gewähren, dass der über den Mindesturlaub hinausgehende Urlaub nicht genommen werden kann. Eine solche Regelung ergibt sich aber auch nicht daraus, dass Urlaub nach § 8 UrlMV angespart wurde. D.h. selbst wenn vorliegend eine wirksame Ansparung auf Klägerseite – durch eine entsprechende Antragstellung – vorgelegen hätte, ergäbe sich kein finanzieller Abgeltungsanspruch.
§ 8 UrlMV sieht eine solche Abgeltung nicht vor. In der Beantragung und Genehmigung der Urlaubsansparung nach § 8 UrlMV liegt auch keine „vertragliche Vereinbarung“, mit der der Klägerin zugleich eine Abgeltung des von ihr etwaig angesparten Erholungsurlaubs für den Fall, dass diese ihn krankheitsbedingt oder aus anderen von ihrem Willen unabhängigen Gründen nicht nehmen kann, zugesichert worden wäre. Insoweit würde es schon an der erforderlichen Schriftform der von Klägerseite behaupteten Abgeltungsregelung (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG -) fehlen. Im Übrigen könnten solche Abgeltungsansprüche im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnisses ohne entsprechende Rechtsgrundlage nicht wirksam vertraglich vereinbart werden. Ein Vertrauen der Klägerin darauf, dass die ihrer Auffassung nach konkludent angesparten Urlaubstage nach ihrer Versetzung zu einer anderen Gemeinde nicht ersatzlos verfallen, ist daher nicht schützenswert. Ein Verweis darauf, dass die offenen Urlaubstage nach der Versetzung nicht abgegolten werden können, war nicht erforderlich, da dies der Rechtlage entspricht, die die Klägerin erfragen hätte können. Hierin liegt kein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 BeamtStG (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2016 – 3 ZB 15.1469 – juris Rn. 13).
II.
Darüber hinaus hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung.
1. Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayBesG.
Nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren, wenn der Beamte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können Beamtinnen und Beamte an ihrer Stelle nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG eine Vergütung erhalten. Gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayBesG setzt eine Vergütung nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG voraus, dass sich die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit auf konkrete, zeitlich abgrenzbare und messbare Dienste bezieht. Darüber hinaus kann die Mehrarbeitsvergütung gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres möglich war.
Im Fall der Klägerin liegt eine angeordnete oder genehmigte Mehrheit nicht vor, da die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG nicht erfüllt sind. Weder aus den vorgelegten Unterlagen, noch aus dem Vortrag der Klägerin lässt sich eine schriftliche Anordnung von Mehrarbeit oder deren schriftliche Genehmigung entnehmen.
Zwar ist der Inhalt der vorgeschriebenen schriftlichen Anordnung der Mehrarbeit gesetzlich nicht näher umschrieben, aber aus dem Erfordernis einer der Rechtsklarheit dienenden schriftlichen Anordnung wird gefolgert, dass die schriftliche Anordnung ausdrücklich ergehen muss, d.h. dass Mehrarbeit nur vergütungspflichtig und damit auch vergütungsfähig ist, wenn sie ausdrücklich als solche, also als Mehrarbeit, angeordnet worden ist (vgl. VG München, U.v. 2.10.2013 – M 5 K 12.3848 – BeckRS 2014, 48462 m.w.N.). Zudem handelt es sich bei der Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit um einen Verwaltungsakt, der sich auf konkrete, zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen und von einem entsprechenden Willen des Dienstherrn getragen sein muss (vgl. VG München, U.v. 16.12.2008 – M 5 K 07.3707 – juris; OVG NRW, U.v. 5.8.1998 – 12 A 3011/95 – juris). Beides sind Ermessenentscheidungen, die unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände zu treffen sind. Der Dienstherr muss dabei prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll.
Eine einzelfallbezogene Entscheidung in Bezug auf die Mehrarbeit der Klägerin erging vorliegend jedoch nicht, da die Beklagte keinen konkret bestimmbaren Willen äußerte, dass die Klägerin Mehrarbeit zu leisten hat. Für die Anordnung von Mehrarbeit genügt die Aufstellung eines Dienstplans bzw. die Vorgabe bestimmter Gemeindeverwaltungsöffnungszeiten – entgegen der klägerischen Auffassung – nicht (BVerwG, U.v. 28.5.2003 – 2 C 35/02 – juris). Dass der Beklagte die Mehrarbeit der Klägerin in Kauf genommen hat, ist nicht ausreichend, um deren ausdrückliche Anordnung zu begründen. Freilich darf der Dienstherr nicht auf Dauer einen Teil seines Personalbedarfs durch Heranziehung der Beamten zur Dienstleistung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus decken. Mehrarbeit muss sich auf Ausnahmefälle beschränken und bei erheblicher zusätzlicher Belastung grundsätzlich durch Freizeit ausgeglichen werden. Gegen eine rechtswidrige übermäßige zeitliche Beanspruchung kann der Beamte sich jedoch durch Rechtsbehelfe – einschließlich der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes – mit dem Ziel alsbaldiger Unterlassung zur Wehr setzen (BVerwG, U.v. 28.5.2003 – 2 C 35/02 – juris).
Der Hinweis der Klägerseite auf die ausgehändigte, seitens einer Gemeindemitarbeiterin unterzeichnete Monatsabrechnung bzw. Zeiterfassungskarte, mit der die tatsächlich geleisteten Überstunden erfasst wurden, begründet nicht das Vorliegen des hier maßgeblichen Tatbestandsmerkmals einer „dienstlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit“ (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2010 – 3 ZB 08.86 – juris Rn. 11; B.v. 10.5.2019 – 3 ZB 17.275 – juris Rn. 6). Auch kommt der Klägerin kein Anspruch auf die Erteilung einer nachträglichen Genehmigung der von ihr geleisteten Überstunden als Mehrarbeit zu (vgl. BayVGH, B.v. 10.3.2013 – 3 ZB 09.531 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 2.4.1981 – 2 C 1.81 – juris Rn. 19f.; BayVGH, B.v. 10.5.2019 – 3 ZB 17.275 – juris Rn. 6). Eine – wie hier – über Jahre hinweg anfallende ständige Mehrarbeit kann nicht nachträglich genehmigt werden, weil die dabei vom Dienstherrn zu treffende Ermessensentscheidung nur in einem relativ engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den die Mehrarbeit rechtfertigen Umständen sachgerecht getroffen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 10.5.2019 – 2 ZB 17.275 – juris Rn. 6). Auch kann die Klägerin letztlich keine Nachweise dafür liefern, bestehende Ansprüche auf Dienstbefreiung beim Dienstherrn geltend gemacht zu haben. Der (primär) auf Freizeitausgleich gerichtete Anspruch wird nur dann um einen (sekundären) Vergütungsanspruch ergänzt, wenn und soweit die Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung (innerhalb eines Jahres) ausgeglichen werden konnte (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 – 3 ZB 13.1516 – juris Rn. 8f.; B.v. 10.5.2019 – 3 ZB 17.275 – juris Rn. 7).
2. Weiterhin steht der Klägerin auch kein unionsrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden gemäß Art. 6 Buchst. b RL 2003/88/EG zu. Zunächst stellt sich schon grundsätzlich die Frage, ob ein derartiger Anspruch auch dann in Betracht kommt, wenn im Falle einer Teilzeitkraft eine wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden überschritten wird. Jedenfalls scheitert ein dahingehender Anspruch der Klägerin aber an dem Umstand, dass sich die vorgenannte Vorschrift mit (rechtswidrig) angeordneter wöchentlicher Höchstarbeitszeit befasst. Die Klägerin hat die in Rede stehenden Überstunden jedoch ohne Anordnung und Genehmigung geleistet. Daher kann von einer „Heranziehung“ unter Verstoß gegen Unionsrecht nicht die Rede sein (vgl. BVerwG, U.v. 26.7.2012 – 2 C 24.11 – juris Rn. 4, 14). Zudem erscheint vorliegend weiter fraglich, ob die Klägerin ihrer auch aus Gründen der Rechtssicherheit bestehenden Obliegenheit, Ansprüche gegen die Beklagte zeitnah schriftlich geltend zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 2 C 40.17 – juris Rn. 29) nachgekommen ist.
3. Schließlich ergibt sich ein Mehrarbeitsvergütungsanspruch der Klägerin auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Verwaltungsorganisation der Beklagten auch im Hinblick auf die Erfassung und Fortschreibung der Gleitzeitsalden äußerst fragwürdig erscheint. Denn diese werden offenbar ebenfalls unbegrenzt fortgeschrieben. Eine Kappungsgrenze sieht die Gleitzeitvereinbarung nicht vor. Vielmehr schafft die Beklagte auch insoweit durch die Aushändigung gegengezeichneter „Mitarbeitermonatsabrechnungen“, die jeweils eine Auflistung der angefallenen Gleitzeitsalden aufweisen, Begehrlichkeiten. Gleichwohl kann die Klägerin aus dem Umstand, dass ihr die Beklagte in den Jahren 2010 und 2012 insgesamt dreimalig Überstunden finanziell ausgeglichen hat, keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung aus betrieblicher Übung o.ä. herleiten. Als betriebliche Übung bezeichnet man im Arbeitsrecht den Umstand, dass ein Arbeitnehmer aus der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu Recht ableiten darf, dass der Arbeitgeber sich auch in Zukunft bzw. auf Dauer auf diese Art verhalten wird – etwa bei der Gewährung von Leistungen und Vergünstigungen – und dadurch Rechtsansprüche auf solche Leistungen begründet werden. Das Entstehen von individuellen, einklagbaren Ansprüchen aus Betrieblicher Übung setzt neben einem Umstandsfaktor (vorbehaltlose Gewährung einer Leistung) immer auch einen Zeitfaktor (regelmäßige Wiederholung) voraus. Jedenfalls an letzterem fehlt es hier. Denn seit 2012 hat eine finanzielle Abgeltung von Überstunden seitens der Beklagten unstreitig nicht mehr stattgefunden. Soweit die Klägerseite unter Bezugnahme auf stattgefundene Gespräche mit dem Ersten Bürgermeister der Beklagten im März 2018 und eine in diesem Zusammenhang etwaig erteilte Zusicherung verweist, fehlt es dieser Erklärung wiederum an der nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG erforderlichen Schriftform.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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