Arbeitsrecht

Verfahren nach § 7a SGB IV sowie Betriebsprüfungen nach §§ 28p und 28q SGB IV

Aktenzeichen  S 20 BA 62/19

Datum:
29.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32581
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Klageverfahren S 20 BA 62/19 durch Klagerücknahmefiktion gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beendet ist.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der endgültige Streitwert wird auf € 31.697,74 festgesetzt.

Gründe

Es wird festgestellt, dass der vorliegende Rechtsstreit S 20 BA 62/19 durch die Fiktion der Klagerücknahme am 11.01.2021 beendet ist.
I.
Gemäß § 105 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Vorliegend geht es zunächst einzig um die Frage, ob der Rechtsstreit S 20 BA 62/19 durch Klagerücknahmefiktion beendet ist oder nicht.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden. Dem Antrag des Klägers, nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG (gemeint wohl Satz 2) eine mündliche Verhandlung durchzuführen, war nicht stattzugeben, weil dieser Antrag nur dann statthaft ist, wenn bereits per Gerichtsbescheid entschieden worden ist und gegen diesen nicht die Berufung statthaft ist.
II.
Nach § 102 Abs. 2 Satz Sozialgerichtsgesetz (SGG) gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt.
Hierbei muss es sich um eine konkrete und klare Betreibensaufforderung handeln und auf die Rechtsfolge der Rücknahmefiktion hingewiesen werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. A. § 102, RdNr. 8c).
Dies ist vorliegend der Fall.
Es ist hierbei ausreichend, wenn in der Betreibensaufforderung zur Erledigung einer in einem konkret bezeichneten, früheren gerichtlichen Schreiben enthaltenen Handlungsaufforderung aufgefordert wird (vgl. (LSG Sachsen-Anhalt, 05.11.2020, Az.: L 1 R 172/19).
Vorliegend hat sich die Betreibensaufforderung vom 06.10.2020 auf die „Beantwortung“ der gerichtlichen Verfügung vom 15.01.2020 bezogen. Dieses wiederum hat um Stellungnahme zum Beklagtenschriftsatz vom 14.01.2020 gebeten.
Bei verständiger Würdigung durch einen rechtlich bewanderten Bevollmächtigten ist hiermit hinreichend klar, dass sich mit den von der Beklagten vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt werden soll. Dies bedeutet „Stellungnahme“ zu einem Schriftsatz. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, jeden einzelnen Punkt zu wiederholen, zu dem Stellung zu nehmen ist, wenn eine Stellungnahme zum gesamten Schriftsatzinhalt für erforderlich erachtet wird.
Der Klägerbevollmächtigte übersieht, dass weder im Rahmen der Anhörung, noch in der Widerspruchsbegründung noch bis zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.01.2020 klägerseitig zu den folgenden Beweismitteln Stellung genommen worden ist:
* Anmeldung der meisten Arbeitnehmer bei der Unfallversicherung zur Gefahrtarifstelle „1066“ (Dacharbeiten aller Art) durch den Kläger
* arbeitgeberseitige Firmierung als „Dachbau L.“ in den übersandten Arbeitsverträgen und auch im Kündigungsschreiben vom 10.01.2015 Auch hat sich die Klägerseite bis zu diesem Zeitpunkt nicht damit auseinandergesetzt, dass der Kläger aus Beklagtensicht aufgrund der im Schriftsatz vom 14.01.2020 genannten Indizien im Rechtsverkehr den Eindruck erweckt hat, ein Dachdeckerbetrieb zu sein.
Wenn der Klägerbevollmächtigte schon feststellt, dass die Beklagte angeblich nur ihre bisherigen Standpunkte wiederholt habe, so wird der Klägerbevollmächtigte nicht umhin kommen festzustellen, dass nach derselben Aktenlage bislang keine inhaltliche Auseinandersetzung der Klägerseite mit diesen Argumenten stattgefunden hat.
Dies nachzuholen, ist Sinn der Aufforderung vom 15.01.2020 gewesen und auch hinreichend konkret und erkennbar.
Es handelt sich dabei auch um gebotene Mitwirkungshandlungen des Klägers: Schließlich hat er sich bislang nicht mit für die Sache nicht unerheblichen Indizien und Beweismitteln nicht inhaltlich auseinandergesetzt. Dies kann aber erwartet werden, zumindest auf Aufforderung.
Zudem sind weitere Umstände bis zur Betreibensaufforderung hinzugetreten, die objektiv den Schluss zugelassen haben, dass der Kläger kein Interesse mehr an der Fortführung des Klageverfahrens hat: So hat der Kläger zwei gerichtliche Erinnerungsschreiben unbeantwortet gelassen.
Wenn denn dem Klägerbevollmächtigten aufgrund dieser Erinnerungsschreiben und nach erfolgter Einsicht in die Beklagtenakte nicht klar gewesen sein sollte, wozu er denn Stellung nehmen soll, so hätte aus Sicht des Gerichts erwartet werden dürfen, dass der Klägerbevollmächtigte entweder eine entsprechende Nachfrage an das Gericht richtet oder zumindest mitteilt, dass eine Stellungnahme nicht beabsichtigt ist.
Die Nichtreaktion auf die gerichtliche Aufforderung vom 15.01.2020 trotz zweimaliger Erinnerung indiziert dagegen den Wegfall des Interesses am Rechtsstreit, so dass Anlass für die Betreibensaufforderung vom 06.10.2020 bestanden hat.
Diese ist ordnungsgemäß zugestellt worden am 09.10.2021, so dass die Frist am 11.01.2021 ablief.
Auch das weitere Verhalten hat einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses indiziert: Auf Ersuchen vom 27.10.2020 hat das Gericht nochmals die Verfügung vom 15.01.2020 übersandt und auf die offene Betreibensfrist hingewiesen.
Bis zum Fristablauf ist erneut keine Reaktion erfolgt, obwohl auch hier durchaus eine solche bei weiterem Interesse am Rechtsstreit hätte erwartet werden dürfen. Im Falle der inzwischen zugestellten Betreibensaufforderung gilt dies umso mehr als nur nach den beiden gerichtlichen Erinnerungen.
Infolge fruchtlosen Verstreichens der Betreibensfrist gilt die Klage als zurückgenommen.
Es wird daher festgestellt, dass das vorliegende Klageverfahren S 20 BA 62/19 durch die Fiktion der Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 SGG beendet ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 entsprechend § 161 Abs. 1 u. § 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostentragung beruht auf dem Umstand, dass die Klage durch Klagerücknahmefiktion als zurückgenommen gilt.
IV.
Die Festsetzung des endgültigen Streitwertes erfolgt nach § 197a SGG i.V. m. § 52 Abs. 1 u. 3, § 63 GKG in Höhe der mit dem angefochtenen Prüfbescheid geltend gemachten Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben