Arbeitsrecht

Vergütung eines berufsmäßigen Verfahrensbeistandes

Aktenzeichen  11 WF 548/19

Datum:
28.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 1733
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 158 Abs. 7 S. 2

 

Leitsatz

Die Vergütung eines berufsmäßigen Verfahrensbeistandes gemäß § 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG fällt grundsätzlich nur an, wenn das Verfahren die Hauptsache betrifft; „Rechtszug“ im Sinne dieser Vorschrift setzt die Befassung des Gerichts bzw. Beschwerdegerichts mit der Hauptsache voraus. Eine eigene Vergütung des Verfahrensbeistandes entsteht daher nicht, wenn das Beschwerdegericht etwa nur über den einen Befangenheitsantrag abweisenden Beschluss des Amtsgerichts – nicht in der Kindschaftssache selbst – zu entscheiden hat und der Verfahrensbeistand sich hierzu äußert.

Tenor

Auf die Erinnerung des Antragstellers wird der Kostenansatz KR III vom 04.03.2019 – Vergütung des Verfahrensbeistandes, § 158 Abs. 7 Satz 5 FamFG – aufgehoben.

Gründe

I.
In dem vorliegenden Verfahren betreffend das elterliche Sorgerecht für die beiden Kinder der Parteien bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 29.05.2018 – unter Übertragung der zusätzlichen Aufgaben gemäß § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG – einen Verfahrensbeistand. Im Verlaufe des Verfahrens stellte der Antragsteller gegen den zuständigen Richter des Familiengerichts einen Befangenheitsantrag, den das Gericht mit Beschluss vom 05.10.2018 teilweise verwarf, teilweise als unbegründet zurückwies. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller sofortige Beschwerde, die er im Wesentlichen damit begründet, der abgelehnte Richter habe entgegen seinem Wunsch einen Termin nicht abgesetzt. Im Übrigen sei der entscheidende Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Beschluss über das Ablehnungsgesuch nicht zuständig. Es sei davon auszugehen, dass die übrigen Beteiligten in dem Termin „weitere Gespräche zu Lasten des Antragstellers“ geführt hätten; der abgelehnte Richter hege „irgendwelche Befindlichkeiten“ gegen den Antragsteller.
Nach Eingang der Akte beim OLG als Beschwerdegericht gewährte dieses den Parteien, ferner dem Jugendamt und dem Verfahrensbeistand der beiden Kinder Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Verfahrensbeistand teilte hierauf am 12.11.2018 mit, der im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch stehende Gerichtstermin sei auf Anfang August bestimmt und dann in Absprache mit den Beteiligten verschoben worden. Die von den Kindern erwünschten Umgänge und die Gesundheitsfürsorge hätten mit beiden Elternteilen erörtert werden müssen; der Befangenheitsantrag sei aus Sicht des Verfahrensbeistands nicht gerechtfertigt.
Mit Beschluss vom 19.12.2018 wies das OLG die sofortige Beschwerde zurück; das Amtsgericht habe in der richtigen Besetzung über den Befangenheitsantrag entschieden und aus dem Verhalten des Familienrichters könne die Besorgnis einer Befangenheit nicht hergeleitet werden. Entsprechendes gelte für die Verhandlungsführung.
Das weitere Verfahren vor dem Amtsgericht wurde sodann einvernehmlich beendet, ohne dass weitere Rechtsmittel eingelegt wurden.
Mit Ansatz vom 10.01.2019 stellte die Kostenbeamtin des OLG dem Antragsteller zunächst die gerichtliche Beschwerdegebühr in Höhe von 60,00 € nach KV-FamGKG Nr. 1912 in Rechnung; mit Schlusskostenrechnung vom 04.03.2019 setzte sie sodann die nach § 158 Abs. 7 Satz 5 FamFG an den Verfahrensbeistand für deren Tätigkeit im Beschwerdeverfahren bezahlten Beträge in Höhe von 1.100,00 € nach KV-FamGKG Nr. 2013 gegenüber dem Antragsteller als Auslage fest. Gegen letztgenannten Ansatz wendet sich der Antragsteller mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten.
II.
Deren nicht näher bezeichnetes und lediglich mit fehlender „Nachvollziehbarkeit“ begründetes Schreiben ist als Erinnerung im Sinne von § 57 Abs. 1 FamGKG auszulegen; dieses Rechtsmittel hat in der Sache auch Erfolg, weil eine Vergütung für den Verfahrensbeistand im Sinne von § 158 Abs. 7 FamFG hier nicht angefallen ist.
1. Richtig ist zunächst der Hinweis von Kostenbeamtin und Bezirksrevisor auf die Bedeutung einer auskömmlichen Vergütung des Verfahrensbeistandes (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 27.09.2017 – XII ZB 420/16 Tz 14 m.w.N.), ferner dass sich der Gesetzgeber ganz bewusst gegen ein aufwandsbezogenes Vergütungssystem entschieden und demgegenüber eine Abrechnung nach Fallpauschalen als vorzugswürdig angesehen hat, insbesondere um eine unaufwändige und unbürokratische Handhabung zu ermöglichen (s. insbes. BGH, Beschl. v. 09.10.2013 – XII ZB 667/12 Tz 9 ff.). Für berufsmäßig tätige Verfahrensbeistände sieht das Gesetz daher eine Mischkalkulation vor, wobei die Pauschalen für jeden Rechtszug, für jedes vom Verfahrensbeistand vertretene Kind und beispielsweise auch für Hauptsache- und Eilverfahren jeweils gesondert entstehen. Es liegt deshalb auf der Hand, dass § 158 Abs. 7 Satz 2-4 FamFG in bestimmten Fällen eine Vergütung auch dann gewähren, wenn dies von dem tatsächlichen Aufwand des Verfahrensbeistandes her nicht „nachvollziehbar“ wäre (BGH, Beschl. v. 09.10.2013, a.a.O., Tz 15, 19). Der Verfahrensbeistand kann damit auch in letztlich eher unkomplizierten Angelegenheiten ebenso die Fallpauschale verdienen, wie in langwierigen und schwierigen Kindschaftssachen (s. etwa Senatsbeschluss vom 29.09.2015 – 11 WF 717/15 m.w.N.). Hierfür erforderlich ist lediglich, dass er mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben begonnen hat, also in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist (BGH, Beschl. v. 09.10.2013, a.a.O., Tz 18; vom 19.01.2011 – XII ZB 400/10; Senat, Beschl. v. 23.03.2012 – 11 WF 522/12; Beschl. v. 20.02.2010 – 11 WF 570/10 Tz 7 ff., = FamRZ 10, 1757). Maßgeblich für die Bestimmung eines Falles ist der „Verfahrensgegenstand“ im Sinne der Rechtsprechung des BGH (s. etwa Beschl. v. 01.08.2012 – XII ZB 456/11 und dazu Senatsbeschluss vom 27.02.2013 – 11 WF 250/13, = FamRZ 13, 966).
2. Aus diesen Grundsätzen folgt indes nicht, dass auch in dem hier vorliegenden Fall einer bloßen Stellungnahme des Verfahrensbeistandes gegenüber dem OLG als Beschwerdegericht in einer Zwischenentscheidung über die Befangenheit eine zweifache Fallpauschale in Höhe von insgesamt € 1.100,00 entstanden ist:
a) Maßgeblich ist dabei, dass das OLG in dem Beschwerdeverfahren nicht mit der Hauptsache selbst, also der Entscheidung über ein Sorgerecht, befasst war, sondern lediglich mit der verfahrenstechnischen Frage einer Befangenheit des Familienrichters. Dies bedeutet, dass ein „Rechtszug“ im Sinne von § 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG nicht eröffnet ist. Mit der Aufnahme dieses Begriffes in den Gesetzeswortlaut sollte lediglich eine Vergütung des Verfahrensbeistandes auch dann sichergestellt werden, wenn die Streitigkeit vor eine weitere Instanz gelangt; andernfalls nämlich wäre, wegen der Fortwirkung der Bestellung, die Vergütung nur einmal angefallen (s. BT-Drucksache 16-12717, S. 61, li.Sp. unten). Richtiger Ansicht nach ist mit dem Begriff „Rechtszug“ daher nur die Instanz in der Hauptsache selbst zu verstehen, also wenn die Beschwerde gegen eine Endentscheidung in der Kindschaftssache erhoben wird, nicht jedoch wenn – wie hier – nur ein Zwischenstreit betroffen ist (so OLG Köln, Beschl. v. 21.03.2013 – 12 WF 193/12 Tz 6 m. Anm. Menne, FamRB 14,132 – für den Fall der Beschwerde gegen einen die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss). Der Senat teilt die dortige Auffassung, wonach als gebührenrechtlich relevanter „Rechtszug“ jeweils nur die Instanz in der Hauptsache zu verstehen ist, die mit einem Beschluss über den (eigentlichen) Gegenstand des Kindschaftsverfahrens endet. Mit einem solchen Beschluss war das Beschwerdegericht hier nicht befasst, weshalb die Fallpauschale auch nicht angefallen ist.
b) Dem steht insbesondere der auch vom BGH betonte Gesichtspunkt einer „Mischkalkulation“ nicht entgegen, denn es ist kaum denkbar, dass ein Verfahrensbeistand in derartigen Zwischenstreitigkeiten eine aufwändige Tätigkeit entfalten müsste. Aus diesem Grund kann hier nicht alleine auf den – auch vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen – Gesichtspunkt einer „auskömmlichen Vergütung“ des Verfahrensbeistandes abgestellt werden, sondern ist vielmehr auch die Belastung der Parteien mit den, in der Praxis nahezu durchwegs gemäß § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG erhöhten, Vergütungen zu berücksichtigen. Die Pauschale nach § 158 Abs. 7 FamFG deckt etwa auch Aufwendungen des Verfahrensbeistandes für Fahrten, Dolmetscher etc. sowie die Umsatzsteuer ab, so dass es auch nicht zwingend erscheint, für die Mitteilung, man halte einen Richter nicht für befangen, die Pauschale als gerechtfertigt anzusehen (s. hierzu auch Bork/Jacoy/Schwab-Zorn, FamFG, 3. Aufl., § 158 Rn. 37).
Der Verfahrensbeistand hätte auch bei einer Aufhebung einer Sachentscheidung des Amtsgerichts und Zurückweisung an die erste Instanz keine zusätzliche Vergütung erhalten. Gerade im hier gegebenen Fall erscheint die Relation zwischen Gerichtskosten (60,00 €) und Auslagen für den Verfahrensbeistand (1.100,00 €) unangemessen.
Dabei wird nicht verkannt, dass der Person des entscheidenden Richters eine erhebliche Bedeutung für den Verfahrensausgang zukommen kann – jedenfalls die verfahrenstechnischen Fragen, wie sie hier eine Befangenheit des Familienrichters begründen sollen, haben mit den Aufgaben des Verfahrensbeistandes jedoch nichts zu tun.
c) Analogien zur Rechtsanwaltsvergütung, hier läge etwa § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG nahe, sind im Bereich der Vergütung des Verfahrensbeistandes nach Fallpauschalen zum einen ohnehin problematisch, weil das System des RVG anders ausgestaltet ist, insbesondere etwa auch Anrechnungsvorschriften kennt (BGH, Beschl. v. 27.09.2017 – XII ZB 420/16 Tz 13); zum anderen würde eine Analogie zu § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG ohnehin gegen den Anfall einer Verfahrensgebühr in dem Beschwerdeverfahren sprechen; eine solche Analogie taugt hier sogar als Argument gegen den Anfall einer Vergütung.
Soweit der Senat, von der Kostenbeamtin zutreffend erkannt, in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 22.03.2017 (11 WF 242/17 und 11 WF 243/17) – ohnehin in einer etwas anderen Konstellation – eine abweichende Auffassung vertreten hat, wird daran nicht festgehalten.
Im Sinne einer klaren und praktikablen Handhabung ist damit der Begriff „Rechtszug“ im Sinne von § 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG dahin zu verstehen, dass nur der Rechtszug in der Hauptsache gemeint ist (überzeugend OLG Köln, Beschl. v. 21.03.2013, a.a.O.).
3. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 57 Abs. 8 FamGKG).


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