Arbeitsrecht

Verpflichtung zur Unterrichtsgenehmigung für Lehrerin mit österreichischem Examen

Aktenzeichen  M 3 K 17.2186

Datum:
3.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG BayEUG Art. 92 Abs. 2 Nr. 2, Art. 94 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Art. 99 Abs. 1
BayLBG BayLBG Art. 7 Abs. 4
RL 2005/36/EG RL 2005/36/EG Art. 14
EGRiLV-Lehrer EGRiLV-Lehrer § 4
GG GG Art. 7 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

1 Die Einstellung des Lehrpersonals an privaten Ersatzschulen bedarf als wesentliche Änderung (Art. 99 Abs. 1 S. 1 BayEUG) der staatlichen Genehmigung (ebenso BayVGH BeckRS 1997, 19385). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Voraussetzungen der “Gleichartigkeit” einer Ausbildung und Prüfung bzw. der “Gleichwertigkeit” freier Leistungen, deren Vorliegen die Behörde zu der Genehmigung der Einstellung einer Lehrkraft verpflichten (Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 iVm Art. 94 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BayEUG), dürfen im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG nicht zu eng ausgelegt werden. Der staatliche Genehmigungsvorbehalt hat die Aufgabe, in Abwägung mit der Privatschulfreiheit zum Schutz der Beteiligten das Niveau der Ersatzschule zu sichern, ohne sie der öffentlichen Schule völlig anzugleichen. Gleichartigkeit bzw. Gleichwertigkeit verlangt daher nicht, dass Vor- und Ausbildung sowie Prüfungen mit denen für das entsprechende öffentliche Lehramt identisch sein müssen. Entscheidend sind vielmehr Kriterien wie Zulassungsanforderungen, Dauer der Ausbildung, Fächerkanon und Prüfungsanforderungen. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Anerkennung EU-ausländischer Berufsqualifikationen erfolgt nach der Diplomanerkennungs-Richtlinie (RL 2005/36/EG) nicht aufgrund der Gleichwertigkeit der Ausbildungen, sondern aufgrund des Umstands, dass die von der Richtlinie erfassten Berufsqualifikationen im Herkunftsstaat den Berufszugang oder dessen Aufnahme ermöglichen. (Rn. 33 und 37) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Verweis der EGRiLV-Lehrer auf die bayerischen Lehramtsprüfungsordnungen ist mit den Vorgaben der EU-Diplomanerkennungs-RL (RL 2005/36/EG) nicht vereinbar. Dies gilt namentlich für § 4 Abs. 2 S. 1 EGRiLV-Lehrer, der in einem Wertungswiderspruch zu dem im Hinblick auf das Europäische Recht später eingefügten § 4 Abs. 2 S. 3 EGRiLV-Lehrer steht. Dieser Wertungswiderspruch kann nur durch das alleinige Abstellen auf die EU-Diplomanerkennungs-RL (RL 2005/36/EG) aufgelöst werden. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Beklagten vom 26. April 2017, der Klägerin eine Genehmigung des Unterrichtseinsatzes von Frau … in der Fächerverbindung Mathematik/ Geschichte/ Sozialkunde/ Physik/ Chemie zu erteilen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 26. April 2017. Dieser stellt keine lediglich wiederholende Verfügung dar, die nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre. Er nimmt zwar Bezug auf vorhergehende, die Genehmigung ablehnende Entscheidungen, enthält aber eine umfangreiche, in Teilen auch neue Begründung, die aktuelle Entwicklungsschritte, wie zum Beispiel die ergänzende Aussage von Dr. … vom 16. März 2017 berücksichtigt. Tritt eine Behörde in eine erneute Sachprüfung ein – dies steht in ihrem Ermessen und wird auch nicht durch eine etwaige Rechtskraftbindung vorgehender Bescheide (§ 121 VwGO) untersagt – so trifft sie damit eine erneute Sachentscheidung, gegen die eine Klagemöglichkeit bestehen muss. Selbst im Fall einer Ablehnung eines wiederholenden Antrags („Zweitbescheid“) und einer bereits vorhergehenden Klage, wäre die erneute Klage aufgrund der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Aufhebungsbegehren dennoch zulässig (Eyermann/ Rennert, 12. Auflage 2006 § 121, Rn. 10, 33). Schließlich enthalten sämtliche vorangegangenen Bescheide der Beklagten keine Rechtsbehelfsbelehrung:, sodass auch die vorangegangenen Schreiben der Beklagten vom 26. Juli 2016 und vom 29. August 2016 im Zeitpunkt der Klageerhebung am 17. Mai 2017 noch angreifbar waren.
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung für den Einsatz von Frau … als Lehrkraft an der …-Realschule M., § 113 Abs. 5 VwGO.
Rechtsgrundlage der begehrten Genehmigung sind Art. 99 Abs. 1 i.V.m. Art. 94 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch § 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2017 (GVBl. S. 362) geändert worden ist.
Gemäß Art. 99 Abs. 1 Satz 1 BayEUG bedürfen wesentliche Änderungen in den Voraussetzungen für die Genehmigung der Schule (Art. BayEUG) der Genehmigung. Zu den wesentlichen Änderungen im Sinne dieser Vorschrift gehört auch eine Änderung beim Lehrpersonal (vgl. u.a. BayVGH, U.v.19.2.1997 – 7 B 95.3048 – BeckRS 1997, 19385). Dieser Genehmigungsvorbehalt für die Einstellung von Lehrern an privaten Ersatzschulen ist mit höherrangigem Recht vereinbar. In Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG ist vorgesehen, dass die Genehmigung einer privaten Ersatzschule davon abhängig gemacht werden kann, dass sie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht. Die Einstellung von Lehrkräften kann daher einem gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden (vgl. BayVGH, U.v.19.2.1997, a.a.O.).
Maßstab dafür, ob nach Art. 99 Abs. 1 Satz 1 BayEUG die Genehmigung für die Einstellung einer Lehrkraft zu erteilen ist, sind die Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 94 BayEUG. Voraussetzung ist demnach, dass eine fachliche und pädagogische Ausbildung sowie Prüfungen nachgewiesen werden, die der Ausbildung und den Prüfungen der Lehrkräfte an den entsprechenden öffentlichen Schulen gleichartig sind oder ihnen im Wert gleichkommen (Art. 94 Abs. 1 BayEUG). Auf diesen Nachweis kann verzichtet werden, wenn die Eignung der Lehrkraft durch gleichwertige freie Leistungen nachgewiesen wird (Art. 94 Abs. 2 BayEUG). Ob die Genehmigungsvoraussetzungen im Sinne der oben genannten Vorschriften vorliegen, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung; im Hinblick auf die weitgehende Objektivierbarkeit der für die Feststellung der Genehmigungsvoraussetzungen maßgeblichen Kriterien steht der Verwaltung weder ein Ermessensnoch ein Beurteilungsspielraum zu (BayVGH, U.v.19.2.1997, a.a.O.).
Die Begriffe der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit in Art. 94 Abs. 1 BayEUG sind mit Blick auf Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG auszulegen. Dessen Erfordernis, dass die wissenschaftliche Ausbildung von Privatschullehrkräften nicht hinter der von Lehrkräften an öffentlichen Schulen zurückstehen darf, markiert das Mindest- und zugleich das Höchstmaß der zu stellenden Anforderungen. Eine Ausbildung ist im Sinne des Art. 94 Abs. 1 BayEUG gleichartig zur regulären Lehrerausbildung, wenn sie auf einem wissenschaftlichen Hochschulstudium beruht, das in seinem fachlichen Niveau dem Studium nach dem Lehrerbildungsgesetz entspricht. Mit Rücksicht auf die Garantie der Privatschulfreiheit dürfen die Genehmigungsvoraussetzungen nicht zu eng ausgelegt werden. Der staatliche Genehmigungsvorbehalt hat die Aufgabe, in Abwägung mit der Privatschulfreiheit zum Schutz der Beteiligten das Niveau der Ersatzschule zu sichern, ohne sie der öffentlichen Schule völlig anzugleichen (BayVGH, U.v. – 7 B 93.1536 – m.w.N. BeckRS 1994, 15272). Wenn Art. 94 Abs. 1S. 1, Abs. 2 BayEUG Gleichartigkeit bzw. Gleichwertigkeit verlangt, so bedeutet dies daher nicht, dass Vor- und Ausbildung sowie Prüfungen mit denen für das entsprechende öffentliche Lehramt identisch sein müssen (BayVGH, U.v.19.2.1997, a.a.O.). Entscheidend sind vielmehr Kriterien wie Zulassungsanforderungen, Dauer der Ausbildung, Fächerkanon und Prüfungsanforderungen (vgl. BayVGH U.v. 27.7.1994, a.a.O.).
Vor dem Hintergrund des europäischen Grundsatzes der Beseitigung von Hindernissen für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr und der damit einhergehenden besseren Nutzung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen, wie sie in der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (im Folgenden: EU-Berufsanerkennungsrichtlinie) ihren Niederschlag gefunden hat, ist die im streitgegenständlichen Fall von der Lehrerin in Österreich erworbene Ausbildungsbefähigung zur Unterrichtung an österreichischen Realschulen, als fachliche Eignung im Sinne des Art. 94 Abs. 1 S. 1 BayEUG anzusehen. Die Ausbildung der Lehrerin beruht auf einem wissenschaftlichen Hochschulstudium, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat zur Aufnahme und Ausübung des reglementierten Berufs berechtigt.
Die Voraussetzungen zur Befähigung für ein Lehramt in Bayern regelt Art. 7 Bayerisches Lehrerbildungsgesetz (BayLBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 1995 (GVBl. 1996 S. 16, 40, BayRS 2238-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 26. April 2016 (GVBl. S. 74) geändert worden ist. Für Personen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ein Diplom erworben haben, das eine Ausbildung für den Beruf des Lehrers abschließt, oder die die Berechtigung erworben haben, den Beruf des Lehrers auszuüben, sind für die Feststellung der Lehramtsbefähigung die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie in der jeweils geltenden Fassung sowie die nach diesem Gesetz ergehenden Ausführungsvorschriften maßgebend (s. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayLBG). Dem Grundsatz folgend, vor dem allgemeinen Gesetz zunächst die spezielle Regelung zu prüfen, ist zunächst auf die bayerische Ausführungsverordnung einzugehen. Bereits ihr zufolge liegen die Anerkennungsvoraussetzungen im streitgegenständlichen Fall vor, ebenso liegen sie unter direktem Rückgriff auf die EUBerufsanerkennungsrichtlinie vor. Festzuhalten bleibt, dass sich der bayerische Landesgesetzgeber darauf beschränkt hat, unmittelbar auf die Geltung der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie Bezug zu nehmen und im Übrigen allein eine Rechtsgrundlage für die Exekutive, hier das Staatsministerium, zur Ausgestaltung von Einzelheiten des Vollzugs geschaffen hat.
Art. 7 Abs. 4 Satz 4 BayLBG stellt die entsprechende Ermächtigungsgrundlage dar, aufgrund derer das Staatsministerium die EG-Richtlinienverordnung für Lehrer (EGRiLV-Lehrer) vom 23. Juli 1992 (GVBl. S. 245, BayRS 2238-1-1-K), die zuletzt durch § 1 Nr. 281 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286) geändert worden ist, erlassen hat. Die Anerkennung der österreichischen Lehrerausbildung entspricht im streitgegenständlichen Fall den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 EGRiLV-Lehrer, wonach erforderlich ist, dass
– das erworbene Diplom Art. 13 i.V.m. Art. 11 Buchst. c bis e der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie entspricht (Nr. 1),
– die erworbene Qualifikation im Herkunftsland zur Ausübung des Lehrerberufs berechtigt (Nr. 2),
– die erworbene Qualifikation dem Lehramt laut Antrag zugeordnet werden kann oder eine Zuordnung zu einem anderen Lehramt nach dem Bayerischen Lehrerbildungsgesetz möglich ist (Nr. 3).
Die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGRiLV-Lehrer besteht unstreitig. Der Beklagte teilte der Lehrerin auf deren Antrag, noch vor deren Anstellung an der Schule der Klägerin, mit Schreiben vom 5. Dezember 2014 mit, dass eine abgeschlossene Lehramtsqualifikation gemäß der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie vorliegt. Ein näheres Eingehen auf die in Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie geregelten europarechtlichen Anerkennungsbedingungen zur Ausübung eines reglementierten Berufs im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a EU-Berufsanerkennungsrichtlinie, der im Falle des Berufs als Lehrkraft unstreitig vorliegt, erübrigt sich damit.
Die in Österreich erworbenen Hochschulabschlüsse berechtigen die Lehrerin in Österreich zur Ausübung des Lehrerberufs für die 5. bis 10. Schulstufe, sodass auch keine Zweifel am Vorliegen der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGRiLV-Lehrer bestehen. Den Abschlusszeugnissen der pädagogischen Hochschule … vom 29. Juni 2009 und 30. Juni 2010 zufolge, hat die Lehrerin das österreichische Bachelorstudium Lehramt für österreichische Hauptschulen in den Fächern Mathematik/ Geschichte und Sozialkunde sowie den Lehrgang zur Erweiterung der Lehrbefähigung für österreichische Hauptschulen in den Fächern Physik/ Chemie erfolgreich absolviert. Ergänzend dazu findet sich im Verwaltungsvorgang eine Bestätigung der pädagogischen Hochschule … vom 28. November 2014, wonach sie das Bachelorstudium mit einem Notendurchschnitt von 1,11 und das Erweiterungsstudium mit einem Notendurchschnitt von 1,30 erfolgreich abgeschlossen hat. Schließlich bestätigt der Landesschulrat für die … mit Schreiben vom 30. Juni 2016, betitelt mit „Bestätigung dient zur Vorlage beim bayrischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst“, dass die Lehrerin mit ihren erworbenen Lehrbefähigungen in Österreich berechtigt ist, an allen Hauptschulen und Neuen Mittelschulen sowie an Realschulen (5. bis 10. Schulstufe) zu unterrichten. Angemerkt sei hierzu, dass sich die österreichische Schulorganisation während des von der Lehrerin im Jahre 2006 begonnen Studiums grundlegend geändert hat. § 3 des Bundesgesetz vom 25. Juli 1962 über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz) zufolge, gliedern sich die österreichischen Schulen ihrem Bildungsinhalt nach in Primar- und Sekundarschulen. Die Sonderschulen ausgegliedert, stellt die Primarschule die Volksschule bis einschließlich der 4. Schulstufe dar, Sekundarschulen sind u.a. die Oberstufe der Volksschule, die Hauptschule (mit Ende des Schuljahrs 2018/19 als Neue Mittelschule geführt), die Neue Mittelschule, die Polytechnische Schule, die mittleren und die höheren Schulen. Eine mit „Realschule“ betitelte Schule existiert aktuell nicht. Der von dem Beklagten unbestrittenen Äußerung der Klägerseite zufolge, ist die Neue Mittelschule in Österreich nicht mit der bayerischen Mittelschule, die den Ersatz der früheren Hauptschule darstellt, zu vergleichen. Die Mittelschulen Österreichs stünden immer in Kooperation mit einem Gymnasium oder einem Polytechnikum; im Zuge solcher Kooperationen würden zum Teil die Unterstufen des Gymnasiums gar nicht mehr separat fortgeführt.
Auch die dritte Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGRiLV-Lehrer ist jedenfalls in ihrer zweiten Alternative erfüllt. Die im EU-Land erworbene Qualifikation muss der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGRiLV-Lehrer zufolge nicht zwingend der angestrebten Schulart zugeordnet werden können (Alt. 1); es genügt die Möglichkeit einer Zuordnung zu einem anderen Lehramt nach dem Bayerischen Lehrerbildungsgesetz (Alt. 2). Letzteres liegt hier vor. Die Lehrerin hat sich in Österreich durch ein dreijähriges Bachelorstudium, ein ergänzendes einjähriges Lehramtsstudium und ein zweijähriges Masterstudium im Hauptstudienfach Schulpädagogik zum Lehramt für österreichische Schulen der 5. bis 10. Schulstufe ausgebildet. Dementsprechend wurde der Lehrerin mit Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2014, die Möglichkeit der Anerkennung ihrer in Österreich erworbenen Lehramtsbefähigung zu dem Lehramt an Mittelschulen in Bayern in Aussicht gestellt. Auch wenn die Feststellung der Befähigung für das Lehramt an Mittelschulen in Bayern an die Durchführung von Fachgesprächen gekoppelt wurde, so wurde die Möglichkeit einer Zuordnung und damit § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGRiLV-Lehrer unstreitig bejaht. Die Frage, ob eine Feststellung der Zuordnung der Qualifikation der Lehrerin zum Lehramt an Mittelschulen in Bayern erfolgte – bezüglich des Fachgesprächs mit der Lehrerin wurden bereits von der Regierung von Oberbayern zwei Prüfer für das Schwerpunktfach Mathematik und das Didaktikfach Chemie ausgewählt – kann daher dahinstehen.
Nachdem innerhalb der Anerkennungsprüfung über die EGRiLV-Lehrer bereits inzident die Anerkennungsvoraussetzungen der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie geprüft und bejaht wurden, bleibt nur klarzustellen, dass über die Feststellungsprüfung der Lehramtsbefähigung unter direktem Zugriff auf die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie, erst recht von einer Anerkennung der Ausbildung im streitgegenständlichen Fall im Gebiet des Beklagten auszugehen ist. So geht nämlich die Zuordnungsmöglichkeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 EGRiLV-Lehrer, noch über die Anerkennungsforderungen der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie hinaus. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 EU-Berufsanerkennungsrichtlinie genügt die Bestätigung der zuständigen Behörde, dass die Lehrerin in ihrem Mitgliedstaat die Erlaubnis zur Aufnahme und Ausübung des reglementierten Berufs erhalten hat. Die Erlaubnis der Lehrerin zur Unterrichtung in Österreich an allen Hauptschulen und Neuen Mittelschulen sowie an Realschulen (5. bis 10. Schulstufe) wird durch das Schreiben vom 30. Juni 2016 des Landesschulrats für die … unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Eine Gleichwertigkeitsprüfung erübrigt sich somit.
Aus dem europäischen Primärrecht folgt bereits das Verbot, die Aufnahme oder Ausübung beruflicher Tätigkeiten in einem EU-Mitgliedstaat (im Folgenden: Aufnahmestaat) allein mit dem bloßen Hinweis auf das Fehlen der für diese Tätigkeit dort erforderlichen und ausgestellten Berufsqualifikationen zu behindern. Eine Anerkennung konnte jedoch versagt werden, wenn die EU-ausländischen Qualifikationen in fachlicher Hinsicht nicht gleichwertig waren (zum Leitgedanken der Anerkennung von Berufsqualifikationen Kocher/Kubicki, ZTR 2012, 427-433 m.w.N.). Die Berufsanerkennungsrichtlinie verschiebt nun diesen Grundsatz der Grundfreiheiten, der auf fachliche Gleichwertigkeit abstellt, zu Gunsten der berufsbedingten Freizügigkeit der EU-Bürger. Die Anerkennung EU-ausländischer Berufsqualifikationen erfolgt danach nicht aufgrund der Gleichwertigkeit der Ausbildungen, sondern aufgrund des Umstands, dass die von der Richtlinie erfassten Berufsqualifikationen im Herkunftsstaat den Berufszugang oder dessen Aufnahme ermöglichen (s. Kocher/Kubicki, ZTR 2012, 427-433 a.a.O). So betont der Europäische Gerichtshof, dass die von den anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Diplome keine Ausbildung bescheinigen müssen, die der im Aufnahmemitgliedstaat vorgeschriebenen ähnlich oder vergleichbar ist (EuGH U.v.29.4.2004, C-102/02, Beuttenmüller, juris, Rn. 48). Ein Diplom wird nicht „aufgrund des ihm innewohnenden Wertes anerkannt, sondern weil es in dem Mitgliedstaat, in dem es ausgestellt oder anerkannt worden ist, den Zugang zu einem reglementierten Beruf eröffnet. Unterschiede in der Organisation oder im Inhalt der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Lehrerausbildung im Verhältnis zur Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat können daher nicht ausreichen, um eine Ablehnung der Anerkennung der betreffenden beruflichen Qualifikation zu rechtfertigen“ (EuGH U.v.29.4.2004, a.a.O., Rn. 52). Inhaltliche Unterschiede sind dagegen, sofern sie wesentlich sind, dazu geeignet, Ausgleichsmaßnahmen zu rechtfertigen. Zur Intention der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie sei ergänzend auf die jüngste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen (BVerwG, B.v. 6.6.2017 – 3 B 42/16 – juris, Rn. 12f. zu der für die Ausstellung von Befähigungs- oder Ausbildungsnachweisen zuständigen Stelle).
An der Anerkennung der Berufsqualifikation als Lehrerin bestehen somit keine Zweifel; offen bleibt allein die Frage, der Rechtfertigung etwaiger Ausgleichsmaßnahmen. Hierzu ist nicht auf einen Vergleich zu den bayerischen Lehramtsprüfungen, sondern auf Art. 14 der Anerkennungsrichtlinie abzustellen. Denn der Verweis der EGRiLV-Lehrer auf die bayerischen Lehramtsprüfungsordnungen ist mit den Vorgaben der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie nicht vereinbar.
Sind die Bedingungen des § 4 Abs. 1 EGRiLV-Lehrer wie im streitgegenständlichen Fall erfüllt, sieht § 4 Abs. 2 EGRiLV-Lehrer für die zuständige Behörde eine Feststellungspflicht vor, ob und gegebenenfalls welche Defizite gegenüber den gemäß Lehramtsprüfung I und Lehramtsprüfung II vorgeschriebenen Anforderungen hinsichtlich Vorbildung, Ausbildung und Prüfungen bestehen und ob die wesentlichen Defizite durch die vom Bewerber während seiner Berufserfahrung erworbenen Kenntnisse ganz oder teilweise ausgeglichen werden (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EGRiLV-Lehrer). Für diese Feststellung kann nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EGRiLV-Lehrer ein Fachgespräch mit dem Bewerber erforderlich sein. Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 EGRiLV-Lehrer richtet sich die Beurteilung, ob Defizite vorliegen, nach Art. 14 Abs. 1, 4 und 5 der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie in der jeweils geltenden Fassung. Der Verordnungsgeber, das Staatsministerium, fügte Satz 3 zur Umsetzung der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie im Jahr 2008 in seine bereits seit dem Jahre 1992 bestehende EGRiLV-Lehrer ein (s. § 1 Nr. 4 lit. b) aa) Dritte Verordnung zur Änderung der EGRiLV-Lehrer vom 10. Januar 2008 – GVBl. S. 17). Die zuvor bereits existenten Sätze 1 und 2 blieben dabei – was zu Missverständnissen führt – unverändert bestehen, insbesondere Satz 1, der zur Defizitfeststellung gerade nicht auf die EU-Vorgaben abstellt, sondern auf die Lehramtsprüfungsordnungen (LPO I und LPO II), die wiederum allein Verordnungsrecht darstellen. Das Staatsministerium hat damit zwei sich widersprechende Vorgaben geschaffen. Ein – wie im vorliegenden Fall geschehen – Abstellen allein auf die Vorgaben der LPO steht im Widerspruch zu den in der EU-Anerkennungsrichtlinie vom 7. September 2005 niedergelegten europäischen Gedanken der Anerkennung von Berufsqualifikationen (siehe a.a.O.) und ist daher nicht zulässig.
Der zwischen den Sätzen 1 und 3 von § 4 Abs. 2 EGRiLV-Lehrer liegende tiefgreifende Wertungswiderspruch kann durch das alleinige Abstellen auf den Verweis auf die europäische Richtlinie gelöst werden. Entscheidend für das Vorliegen etwaiger Defizite ist damit Art. 14 EU-Berufsanerkennungsrichtlinie. Hierbei sei gleich vorab erwähnt, dass Art. 14 EU-Berufsanerkennungsrichtlinie (Ausgleichsmaßnahmen) allein zu dem Erfordernis eines höchstens dreijährigen Anpassungslehrgangs oder einer Eignungsprüfung kommen kann, keineswegs dagegen zu einer vollständigen Untersagung der Lehrtätigkeit. Im streitgegenständlichen Fall wurde die Tätigkeit der Lehrerin nicht von erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen abhängig gemacht, sondern in Gänze untersagt. Die Klägerin wurde vom Beklagten darauf verwiesen, die Lehrerin habe die in Bayern erforderliche Lehramtsprüfung zu durchlaufen, obwohl sie in Österreich voll ausgebildet wurde zur Lehrerin an der Sekundarstufe. Möglichkeiten, die Befähigung als Lehrerin unter Beweis zu stellen oder eine Nachqualifizierung vorzulegen, wurden nicht gegeben. Die entscheidende Grundkonzeption der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie wurde damit verkannt.
Abgesehen davon, dass es aufgrund der Anerkennungsrichtlinie schon nicht mehr auf die Gleichwertigkeit der Ausbildungen ankommt (siehe a.a.O.), sind die in der LPO I aufgestellten Voraussetzungen auch ganz konkret ungeeignet, etwaige Defizite einer in Österreich absolvierten Lehramtsausbildung zu einer bayerischen Lehramtsausbildung festzustellen; dies wird anhand nur zweier Beispiele offensichtlich. Während Bayerns Lehramtsausbildung eine Erste und Zweite Staatsprüfung vorsieht, setzt das österreichische Recht ein Bachelorstudium voraus. Die vom Beklagten zitierten Zulassungsvoraussetzungen des § 22 LPO I beziehen sich auf die Zulassung eines bayerischen Lehramtsstudenten zur Ersten Staatsprüfung und knüpfen an Leistungspunkte an; das österreichische Bachelorstudium umfasst bereits die abschließende Prüfung und gründet sich insgesamt auf ECTS-Leistungspunkte. Die Bachelorkonzeption verfolgt mit den ECTS-Punkte einen Perspektivwechsel, wonach Maßstab nicht der Lehrende und seine Präsenzzeit in der Veranstaltung ist, sondern der Studierende und seine aufzubringende, effektive Lernzeit (s. www…de/…de). Abgesehen davon geht die LPO I in keiner Weise auf die Vergleichbarkeit zu Lehramtsausbildungen anderer Studienkonzeptionen ein.
Vorliegend besteht keine Veranlassung von dem Erfordernis von Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie auszugehen. Hiernach kann der Aufnahmemitgliedstaat in nachstehenden Fällen Ausgleichsmaßnahmen verlangen,
a) wenn die bisherige Ausbildung des Antragstellers sich hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch den Ausbildungsnachweis im Aufnahmemitgliedstaat abgedeckt werden,
b) wenn der reglementierte Beruf im Aufnahmemitgliedstaat eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die im Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des entsprechenden reglementierten Berufs sind, und wenn sich die im Aufnahmemitgliedstaat geforderte Ausbildung auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis des Antragstellers abgedeckt werden.
Eine wesentliche Unterscheidung der Fächer der von der Lehrerin in Österreich erbrachten Ausbildung mit den in Bayern geforderten Fächern besteht nicht (lit. a).
Art. 14 Abs. 4 der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie gibt eine Begriffsdefinition der „Fächer, die sich wesentlich unterscheiden“. Wesentliche Abweichungen sind dann angezeigt, wenn sich die Ausbildungsinhalte des reglementierten Berufs in Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat wesentlich unterscheiden. Angeknüpft wird somit an inhaltliche Abweichungen der Ausbildungen der EU-Mitgliedstaaten. Damit wird gerade sichergestellt, dass ein Lehrer eines Mitgliedstaats, der nicht in Fächern ausgebildet wurde, die denen der bayerischen Schulart entsprechen, nicht ohne Ausgleichsmaßnahmen unterrichten darf. Die streitgegenständliche Genehmigung betrifft jedoch eine Lehrerin, die in inhaltsgleichen Fächern ausgebildet wurde.
Exemplarisch an dem Fach Mathematik festgemacht, besteht sogar zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass sich inhaltlich die Ausbildungen in Österreich und in Bayern nicht wesentlich unterscheiden. Hierfür kann auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Gegenüberstellung herangezogen werden, in der die an der … M. bestehenden Module Mathematik, mit den Modulen Mathematik der Pädagogischen Hochschule … verglichen werden. Hiernach finden sämtliche an der … geforderten Fachmodule, in Modulen an der Pädagogischen Hochschule … eine Entsprechung. Die Gegenüberstellung hat die Lehrerin zusammen mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses Mathematik (Lehramt Realschule) der … M., Dr. …, aufgestellt, der darüber hinaus in seiner Bestätigung vom 25. Juli 2016 und seiner hierzu ergänzenden Stellungnahme vom 16. März 2017 ausführt, dass die fachwissenschaftlichen wie fachdidaktischen Studieninhalte im Unterrichtsfach Mathematik für das Lehramt an Realschulen in Bayern auch im Studienplan der Pädagogischen Hochschule … für das Fach Mathematik (mit bisweilen anderer Gewichtung) eine Entsprechung finden.
Der Beklagte beruft sich jedoch darauf, dass der Umfang der im österreichischen Studium erbrachten Leistungen nicht den bayerischen Erfordernissen genügen würde. Im Bescheid vom 26. April 2017 führt der Beklagte entsprechend aus, dass mindestens mit Blick auf den Studienumfang, die Aussage von Dr. … jeder Grundlage entbehre. Im Folgenden legt der Bescheid ausschließlich dar, inwiefern der Umfang der Lehrleistungen der von der Lehrerin absolvierten Ausbildung in Österreich nicht der bayerischen Ausbildung entspräche – inhaltliche Gesichtspunkte bleiben ausgeklammert. Zwar mögen die Studienschwerpunkte in den Ausbildungssystemen Bayerns und Österreich unterschiedlich gewichtet sein, so legt das Bachelorstudium stärkeres Gewicht auf die pädagogische Ausbildung, während das bayerische Lehramtsstudium den fachwissenschaftlichen Bereich betont. Diese Unterschiede in der Gewichtung, sollen aber gerade nicht dazu führen, Gemeinschaftsangehörige am Zugang zum Lehrerberuf im betreffenden Aufnahmemitgliedstaat zu hindern, obwohl sie über die erforderliche Befähigung zur Ausübung dieses Berufs in ihrem Herkunftsmitgliedstaat verfügen (s. EuGH U.v.29.4.2004, C-102/02, Beuttenmüller, Rn. 53, in dem der EuGH die dortige streitgegenständliche Umsetzungsmaßnahme – die Forderung einer zweifachen Unterrichtsbefähigung als Anerkennungsvoraussetzung – als Verstoß gegen EU-Recht wertete). Der Beklagte hat bei seiner Betrachtung allein die im jeweiligen fachwissenschaftlichen Bereich erworbenen Punkte berücksichtigt und die ECTS-Punkte mit den in der bayerischen Lehrerausbildung üblichen Leistungspunkten gleichgesetzt ohne der europarechtlichen Regelung, dass der Berufszugang im Herkunftsland grundsätzlich auch im Aufnahmemitgliedstaat anzuerkennen ist, Rechnung zu tragen.
Schließlich ist der Umstand, dass die Lehrerin seit dem Jahr 2009 ihre Fähigkeiten als Lehrerin unter Beweis gestellt hat in die Prüfung des Vorliegens wesentlicher Unterschiede einzustellen. Der Aspekt, bereits gewonnene Berufserfahrung zu berücksichtigen, kommt unmittelbar in Art. 14 Abs. 5 der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie zum Ausdruck. Hiernach ist bei der Anwendung des Art. 14 Absatzes 1 nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verfahren (Satz 1). Insbesondere muss der Aufnahmemitgliedstaat, wenn er beabsichtigt, dem Antragsteller einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung aufzuerlegen, zunächst prüfen, ob die vom Antragsteller im Rahmen seiner Berufspraxis oder durch lebenslanges Lernen in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen, die hierfür von einer einschlägigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden, den wesentlichen Unterschied in Bezug auf die Fächer im Sinne des Absatzes 4 ganz oder teilweise ausgleichen können (Satz 2). Im Fall der Lehrerin wurde weder ein Fachgespräch durchgeführt noch ein Unterrichtsbesuch absolviert. Eine Prüfung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen der Lehrerin ist unterblieben.
Ebenso liegt kein Fall des Art. 14 Abs. 1 lit. b der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie vor. Denn auch hier wird jedenfalls in der kumulativ geforderten, zweiten Voraussetzung auf eine wesentliche Unterscheidung der Fächerausbildung Bezug genommen.
Durch die Änderungshistorie der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie kommt des Weiteren zum Ausdruck, dass auch eine unterschiedliche Ausbildungsdauer kein Kriterium zur Versagung der Berufsanerkennung sein darf. So sah die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie bis Anfang des Jahres 2014 noch in ihrem Art. 14 Abs. 1 eine weitere Fallgruppe vor, nach der Ausgleichsmaßnahmen verlangt werden durften, wenn die Ausbildungsdauer, mindestens ein Jahr unter der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildungsdauer lag. Diese Fallgruppe entfiel mit Wirkung vom 17. Januar 2014 durch Nr. 12 der Richtlinie 2013/55/EU vom 20. November 2013 (ABl. Nr. L 354 S. 132). Somit hinderte bereits bis 2013 eine Abweichung der Ausbildungsdauer von einem Jahr nicht die Anerkennung; inzwischen wurde hierauf nun gänzlich verzichtet.
Unter Beachtung der Vorgaben der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie bestehen somit keine Zweifel an der Anerkennung der Lehrerin als Realschullehrrein in Bayern.
Somit ist die fachliche Eignung nach Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG zu bejahen.
Darüber hinaus sind die in Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG genannten Eignungsvoraussetzungen in Bezug auf die Lehrerin gemäß Art. 94 Abs. 2 BayEUG durch den Nachweis gleichwertiger freier Leistungen erfüllt. Ihre fachliche und schulpädagogische Qualifikation und Eignung resultiert aus ihren mit sehr guten Erfolgen abgeschlossenen Ausbildungsstudien sowie ihrer bisherigen Unterrichtstätigkeit.
Das zum Bachelorstudium gehörige Diploma-Supplement der Pädagogischen Hochschule … vom 25. Juni 2009 weist 180 ECTSPunkte aus. Aufgrund ihres Masterstudiums hat die Lehrerin weitere 120 ECTSPunkte erworben (s. Diploma-Supplement der …-Universität … vom 22. Oktober 2012). Schließlich wird auch der Erweiterungslehrgang der Pädagogischen Hochschule … zur Lehrbefähigung in den Fächern Physik / Chemie; mit 47 ECTS-Punkten ausgezeichnet. Auf die Darstellung weiterer Ausbildungs- und Berufserfahrungsnachweise, kann mangels ihrer Entscheidungserheblichkeit im Detail verzichtet werden. So sei lediglich ein Empfehlungsschreiben des Instituts Ideum vom 21. November 2007 herausgegriffen, wonach die Lehrerin als Trainerin im Projekt „Persönlichkeitsbildung für Jugendliche“ vom 25. September bis 15. Oktober 2007 für 42 Einheiten in Mathematik tätig war, ein erfolgreicher Abschluss des Projekts festgestellt wurde und der Lehrerin „die allerbeste Referenz als Trainerin und verantwortungsvolle Pädagogin“ ausgestellt wurde.
Darüber hinaus ist die Lehrerin bereits seit 8 Jahren beruflich tätig. Vom Schuljahr 2009 bis 2014 arbeitete sie, neben der Weiterführung ihrer Studien, als Lehrerin an der privaten katholischen neuen Mittelschule der Schulschwestern Eggenberg in Österreich, seit dem 23. Februar 2015 arbeitet sie als Lehrkraft an der von der Klägerin betriebenen Realschule. Die Klägerin weist auf sehr gute Unterrichtserfolge der Lehrerin hin und berichtet, dass sie eine überdurchschnittlich hohe Bestehensquote ihrer Schüler beim mittleren Schulabschluss während der letzten drei Schuljahre erreicht hat. Auch diese Arbeitstätigkeit ist als freie Leistung im Sinne des Art. 94 Abs. 2 BayEUG einzustufen. Art. 94 Abs. 2 BayEUG erfordert nämlich im Gegensatz zu Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schon nach dem Wortlaut keine „gleichartige“ oder „ihnen im Wert gleichkommende“ Ausbildung und Prüfungen, sondern nur „gleichwertige“ und zudem nur „freie“ Leistungen, sodass eine wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkraft in Gestalt eines Hochschulstudiums an einer Universität gerade nicht erforderlich ist (VG München, U.v. 8.12.2015 – M 3 K 14.5505 – juris, Rn. 24).
Infolgedessen hat die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung für den Einsatz von Frau … als Lehrkraft der …-Realschule M.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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