Arbeitsrecht

Verpflichtungsbescheid zum Vollzug eines Schiedsspruchs zur Hausärztlichen Versorgung

Aktenzeichen  L 5 KR 244/15 KL

Datum:
4.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 129807
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 87 Abs. 1 S. 2, § 89 Abs. 1 S. 2
SGB V § 73b
SGG § 131 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Ein Schiedsspruch zur Durchführung der hausärztlichen Versorgung ist von den Beteiligten zu vollziehen, auch wenn der Schiedsspruch einzelne Fragen ungeregelt lässt. (Rn. 32)
2. Weigert sich eine der Beteiligten, den Schiedsspruch zu vollziehen, ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörde, auf den Vollzug hinzuwirken und erforderlichenfalls mit aufsichtlichen Maßnahmen einzuschreiten. (Rn. 23 – 30)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Der Streitwert wird auf 2.500.000,- Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist in der Gestalt einer Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, in der Sache jedoch nicht erfolgreich. Der Bescheid des Beklagten vom 28.05.2015 ist nach der Rücknahme der Anordnung der rückwirkenden Vollziehung im noch streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Die sachliche Zuständigkeit des Bayer. Landessozialgerichts folgt aus § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 26.03.2008 (Bundesgesetzblatt I S. 444). Es handelt sich hier um eine Aufsichtsangelegenheit gegenüber einem Träger der Sozialversicherung, die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV iVm §§ 4 Abs. 2, 167 SGB V).
Der 5. Senat des Bayer. Landessozialgerichts ist der gesetzliche Spruchkörper, denn ihm ist im Geschäftsverteilungsplan die Zuständigkeit zugewiesen für Klagen nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGB Vin Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung, bei denen die Aufsicht von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird. Dazu zählt die hier auf § 87 Abs. 1 SGB Vberuhende Rechtsaufsichtsmaßnahme, für welche die Zuständigkeit gem. § 90 Abs. 2 SGB IV dem nicht selbst rechtsfähigen BayStMGP als oberster Verwaltungsbehörde des Freistaats Bayern für das Gesundheitswesen einschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen ist.
2. In Bezug auf den Verpflichtungsbescheid vom 28.05.2015 ist Erledigung eingetreten, weil die Klägerin den von Dr. Kgeschiedsten Vertrag – jedenfalls überwiegend – mittlerweile auch finanzwirksam in Vollzug gesetzt hat. Damit ist die Klage als zulässige Fort-setzungsfeststellungsklage i.S.v. § 131 Abs. 1 S. 3 SGG gegen den Verpflichtungsbescheid vom 28.05.2015 zu qualifizieren. Die Klägerin macht als berechtigtes Interesse iSd § 131 Abs. 1 S. 3 SGG eine Verletzung ihrer Selbstverwaltungsrechte geltend, weil die Anordnung des Beklagten rechtswidrig gewesen sei da sie das Aufsichtsrecht überschritten habe. Das Feststellungsinteresse begründet sich zudem darin, dass sich vergleichbare Konflikte auch in Zukunft wieder einstellen können, also Wiederholungsgefahr (vgl. BSG 25.01.2017 – B 6 KA 2/16 R, Rn. 17 – zitiert nach juris) geltend gemacht werden kann, denn die hausarztzentrierte Versorgung erweist sich als konfliktträchtig (vgl. auch BSG 08.09.2015 – B 1 KR 19/15 B, Rn. 8 – zitiert nach juris).
3. Ausgangspunkt der Rechtmäßigkeitsprüfung des angefochtenen Verpflichtungsbescheides, also der gerichtlichen Rechtskontrolle der Rechtskontrolle der Selbstverwaltung ist § 89 Abs. 1 SGB IV iVm § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach unterliegen die Versicherungsträger der staatlichen Rechtsaufsicht. Wird durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt, soll die Aufsichtsbehörde zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt (§ 89 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Kommt der Versicherungsträger dem innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben (§ 89 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Geregelt ist somit ein zeitlich und in seiner Intensität abgestuftes Verfahren, welches Aufsichtsanordnungen erst nach mehrfachen Hinweisen, Fristsetzungen zur Behebung der Rechtsverletzung, erfolglosen Aufforderungen und Beratung zulässt (BSG, Urteil vom 31.05.2016, B 1 A 2/15 R, Rn. 8ff, zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, weil der Beklagte den angefochtenen Bescheid unter Beachtung des aufsichtsrechtlichen Prüfungsmaßstabs einer Rechtsverletzung ermessensfehlerfrei erlassen hat.
a) Die Klägerin ist nach § 73 b Abs. 1 SGB Vgesetzlich verpflichtet, ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung anzubieten (zur konfliktreichen Entwicklungsgeschichte der Norm vgl. Adolf in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 73b SGB V). Dazu muss die Klägerin gem. § 73b Abs. 4 S. 1 SGB Vzur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach § 73 b Abs. 1 SGB V Verträge mit den dort genannten Gemeinschaften schließen, in Bayern mit dem BHÄV als vorrangiger Vertragspartner laut Bescheid des BayStMGP vom 19.12.2013.
Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerin der gesetzlichen Pflicht zur hausarztzentrierten Versorgung ihrer Versicherten nicht mehr nachgekommen war. Sie hatte den entsprechenden Vertrag vom 13.02.2012 zum 30.06.2014 gekündigt. Eine Nachfolgeregelung stand jedenfalls im hier zuletzt gegenständlichen Zeitraum ab Bekanntgabe des Bescheides vom 28.05.2015 nicht zur Verfügung, weil die Klägerin den Schiedsspruch vom 19.12.2014 des Dr. K. zur hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b SGB Vweder zum vorgesehenen Zeitpunkt 03.03.2015 anerkannt und umgesetzt hatte, noch zum 01.04.2015 gemäß § 20 Abs. 3 des Vertrages finanzwirksam hatten werden lassen. Dadurch war es weder den Versicherten noch den ärztlichen Leistungserbringern möglich, mit ausreichender Sicherheit die hausarztzentrierte Versorgung in Anspruch zu nehmen bzw. die ärztlichen und sächlichen Mittel bereitzuhalten und zur Verfügung zu stellen.
b) Zur Erfüllung dieser gesetzlichen Pflicht ist der Beklagte entsprechend dem gesetzlichen Verfahrensrecht vorgegangen. Der Erlass des Aufsichtsbescheides ist in dem erforderlichen abgestuften Verfahren erfolgt (BSG, Urteil vom 26.06.1996 – 8 RKn 32/95).
Insoweit ist die vorherige Durchführung einer Beratung grundsätzlich Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Verpflichtungsanordnung. Diese hat Vorrang vor dem Erlass eines Verpflichtungsbescheides (BSG, Urteil vom 20.06.1990 – 1 RR 4/89) und erfordert eine Darlegung der dem Versicherungsträger möglichen Maßnahmen, mit denen er in rechtlich zulässiger Weise die nach Meinung der Aufsichtsbehörde vorliegende Rechtsverletzung beheben kann (vgl. Engelhart in juris PK-SGB IV, 2. Auflage 2011, § 89 SGB IV, Rdnr. 43 m.w.N.). Aus ihrer Verpflichtung zu kooperativem Verhalten gegenüber den Versicherungsträgern als Selbstverwaltungskörperschaften folgt außerdem, dass die Aufsichtsbehörde im Zusammenwirken mit dem Versicherungsträger und nicht gegen ihn nach einer sachgerechten und dem Gesetz entsprechenden Lösung etwaiger Rechtskonflikte zu suchen hat und sich insbesondere nicht zu ihrem eigenen vorangegangenen Verhalten in Widerspruch setzen darf (Engelhart, a.a.O., Rdnr. 47 m.w.N.).
Der Beklagte hat diesen Anforderungen genügt. Wie sich aus der sowohl vom Beklagten als auch von der Klägerin vorgelegten umfangreichen Dokumentation ergibt, hat der Beklagte vor Erlass des Verpflichtungsbescheides zahlreiche Schreiben mit konkret gegenstandsbezogenen Ausführungen an die Klägerin gerichtet (u.a. vom 02.03.2005, 10.04.2015). Es fanden zur Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung und der vertraglichen Regelungen dazu zwischen der Klägerin und dem BHZV zahlreiche strukturierte und zielsowie lösungsbezogene Gesprächstermine zur lückenlosen weiteren Sicherstellung der gesetzlich gebotenen Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung statt in den Räumlichkeiten des BayStMG unter Beteiligung der Spitzen der Klägerin, des BHÄV sowie des BayStMG, der Ministerialdirektorin (u.a. am 09.03.2015, 16.03.2015, 27.03.2015). Dort wurden jeweils die gegenseitigen Positionen der Klägerin und des BHÄV ausgetauscht sowie Lösungswege ohne aufsichtsrechtliches Eingreifen auf Verhandlungsbasis u.a. auch für eine Übergangszeit zur Erlangung von Verhandlungszeit und -spielraum für dauerhafte Lösungen konkret ausgelotet. Insbesondere wurde im Spitzengespräch vom 27.03.2015 mit den Verwaltungsratsvorsitzenden der Klägerin persönlich eine konkrete Lösung für das 2. und 3. Quartal 2015 vereinbart, wobei der Zeitraum von sechs Monaten dazu genutzt werden sollte, noch streitige Fragen einer Klärung zuzuführen und ggf. Vertragsanpassungen vorzunehmen. Dieser Übergangslösung stimmte der BHÄV in einem Telefongespräch vom 28.03.2015 gegenüber dem BayStMGP grundsätzlich zu. Jedoch rückte die Klägerin von der so im Verhandlungs- und Gesprächswege mit der Aufsichtsbehörde gefundenen sowie vom Vertragspartner akzeptierten Lösung mit Schreiben vom 30.03.2015 wieder ab. Zugleich unterbreitete die Klägerin dort einen anderen Vorschlag, welcher aber im Wesentlichen ihre ursprünglichen Positionen wieder aufnahm und beinhaltete. Das weitere, der aufsichtsrechtlichen Schritt- und Stufenfolge entsprechende Vorgehen des BayStMGP wie namentlich das Ausgangspunkte benennende, die Situation beschreibende und Lösungen sowie Alternativen aufzeigende Beratungsschreiben vom 22.04.2015 bewegten die Klägerin nicht dazu, den geschiedsten Vertrag umzusetzen. Auch die Erörterung der Rechtslage mit Frau Staatsministerin H. in der Verwaltungsratssitzung der Klägerin vom 12.05.2015 vermochte deren ablehnende Haltung nicht zu ändern. Weil diese Vorgehensweise den rechtswidrigen Zustand der fehlenden hausarztzentrierten Versorgung nicht hatte beseitigen können, war als Folge der streitgegenständliche Verpflichtungsbescheid als letzte noch nicht ausgeschöpfte Handlungsmöglichkeit die veranlasste aufsichtliche Maßnahme iSd Verfahrensanforderungen des § 89 SGB V.
Insoweit bestand kein Recht des Beklagten, vor dem Verpflichtungsbescheid oder an dessen Stelle eine alternative Lösung selbst zu bestimmen. Denn in diesem Falle hätte der Beklagte zumindest inzident die Zweckmäßigkeit des geschiedsten Vertrages mit der eigenen Alternativlösung abgewogen. Dann aber wären die Grenzen der Rechtskontrolle überschritten und eine Zweckmäßigkeitskontrolle erfolgt. Dies wäre dann der Fachaufsicht zuzuordnen, nicht aber der allein im Gesetz zugelassenen Rechtsaufsicht.
c) Der Beklagte hat sich bei Erlass des strittigen Verpflichtungsbescheides nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auf die Mittel der Rechtsaufsicht beschränkt.
Die Aufsichtsbehörden haben darüber zu wachen, dass die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung – wie die Klägerin – die Gesetze und das sonstige für sie als Versicherungsträger maßgebende Recht beachten (§ 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Zudem muss die Aufsichtstätigkeit des Beklagten dem Selbstverwaltungsrecht der Klägerin als Träger mit Selbstverwaltung Rechnung tragen. Dabei ist zu beachten, dass der eigenverantwortliche Vollzug einer detaillierten Sozialgesetzgebung zum wesentlichen Kompetenzbereich der Selbstverwaltung zählt. Deshalb ist es einer Aufsichtsbehörde auch verwehrt, ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen der beaufsichtigten Körperschaft zu setzen, sofern Rechtsfragen zum Anlass einer Beanstandung genommen werden, die bislang weder das Gesetz noch die Rechtsprechung in eindeutiger Weise beantwortet haben. Ein rechtmäßiges aufsichtsrechtliches Einschreiten erfordert daher, dass der Beklagte zu Recht davon ausgehen durfte, dass die Klägerin mit ihrem Handeln Rechtsverstöße begangen hat. Der Grundsatz maßvoller Ausübung der Rechtsaufsicht gebietet es über die dargestellte Verfahrensabstufung hinaus, dass es in diesem Zusammenhang bei einem gewissen Bewertungsspielraum der beaufsichtigten Behörde bleibt. Der Bewertungsspielraum der beaufsichtigen Behörde endet erst dort, wo gegen allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe verstoßen wird, die diesen Spielraum einengen oder ausschließen. Nur eine entsprechende Grenzüberschreitung stellt eine Rechtsverletzung dar iSv § 89 SGB IV. Bewegt sich jedoch das Handeln oder Unterlassen des Versicherungsträgers im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren, sind förmliche Aufsichtsmaßnahmen, die dieses beanstanden, rechtswidrig (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1a 1/03 R).
Ein solcher Fall des rechtlich noch Vertretbaren liegt jedoch in dem hier streitigen Verfahren nicht vor. Die Klägerin hatte die ihr zustehenden Grenzen des Bewertungsspielraums überschritten und gegen geltendes Recht verstoßen. Insbesondere hat die Klägerin gegen ihren Sicherstellungsauftrag aus § 72 iVm § 73 b Abs. 1 SGB Vverstoßen, indem sie durch die Weigerung, den geschiedsten HzV-Vertrag zu vollziehen, die Leistungsansprüche ihrer Versicherten auf eine hausarztzentrierte Versorgung ins Leere laufen ließ. Dies steht vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in Bayern die Krankenkasse mit der größten Mitgliederzahl ist und durch das Verhalten der Klägerin Millionen Versicherte ihren Anspruch auf hausarztzentrierte Versorgung faktisch nicht wahrnehmen konnten.
Zugleich war es wegen des Fehlens und der Unsicherheit der finanziellen Absicherung auf Seiten der Hausärzte zu der Situation gekommen, dass diese den Patienten ihre Leistung anbieten mussten, die Refinanzierung dieser Vorleistung aber gleichsam nicht gesichert war. Denn die entsprechende Vergütung ist gem. § 73b Abs. 4 SGB V Vertragssache, von der vertragsärztlichen Gesamtvergütung gem. § 85 SGB Vnicht umfasst und somit auch weder gedeckt noch abdeckbar.
d) Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, der geschiedste Vertrag sei lückenhaft, weshalb er nicht vollzogen werden könne.
aa) Nachdem die Klägerin mit dem BHÄV keine Einigung erzielt hatte, wurde durch die Schiedsperson der HzV 2015 erarbeitet, der durch das BayStMGP rechtsaufsichtlich geprüft und nicht beanstandet wurde. Dieser geschiedste Vertrag ist zum 01.04.2015 in Kraft getreten und damit von der Klägerin zu vollziehen. Der dazu ergangene, streitgegenständliche Bescheid hat die Klägerin nicht verpflichtet, einen rechtswidrigen Vertrag zu vollziehen. Der streitgegenständliche Schiedsvertrag begegnete im einstweiligen Rechtsschutz keinen erheblichen rechtlichen Bedenken (Bayer. LSG, Beschluss vom 05.10.2015, L 12 KA 83/15 B). Die von der Schiedsperson getroffenen Regelungen sind insbesondere hinsichtlich der Vergütung und der Einrichtung eines Beirates nicht rechtswidrig. Mit Hilfe der gebotenen Auslegung des Vertrages ist es nämlich möglich, den Vertragsinhalt näher zu erschließen und ihm damit zur Durchführbarkeit zu verhelfen. Hierzu ist im Beschluss vom 05.10.2015, L 12 KA 83/15 Bdargelegt: „Insbesondere hat die Schiedsperson die essentialia negotii des Schiedsvertrages in gerade noch ausreichendem Maße festgesetzt. […] … der festgesetzten Vergütung in Form der Pauschale P2 und der kontaktabhängigen Grundpauschale für die hausärztliche Betreuung onkologisch erkrankter Patienten (Onkologie-Pauschale) [steht] eine eindeutig bestimmte bzw. bestimmbare Gegenleistung gegenüber und [wurde] von der Schiedsperson weitestgehend festgesetzt… Aus dem Zusammenspiel [der] Vorschriften ist im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung zu erkennen, dass der Anhang 1 zur Anlage 3 über die Fortgeltung der im Anlagenverzeichnis entsprechend gekennzeichneten Anlagen und damit auch des HzV-Ziffernkranzes 2012 durch die Schiedsperson festgesetzt wurde. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Regelungslücke in einem regelungsbedürftigen Punkt der vertraglichen Regelung (st. Rspr., vergleiche nur BGH, Urteile vom 04.12.2014 – VII ZR 4/13, BauR 2015, 527 Rn. 27 = NZBau 2015, 84 und vom 15.11.2012 – VII ZR 99/10, BauR 2013, 236 Rn. 15 mwN – juris). Hierfür genügt nicht jeder offengebliebene Punkt eines Vertrages. Eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllende Lücke ist vielmehr nur dann zu bejahen, wenn die von den Parteien vereinbarte Regelung eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihr zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (…). Ohne die gebotene Vervollständigung darf eine angemessene interessengerechte Lösung nicht zu erzielen sein (…). Die Regelungslücke ist hier darin zu sehen, dass die Anlage 1 zu Anhang 3 nicht ausdrücklich von der Schiedsperson festgesetzt wurde, sondern nach § 23 Abs. 7 HzV-Vertrag 2015 die „Leistungsbeschreibung gemäß EBM-Ziffernkranz“ anzupassen ist. Damit hat die Schiedsperson angeordnet bzw. anordnen wollen, dass der Anhang 1 zu Anlage 3 Hz-Vertrag 2012 im HzV-Vertrag 2015 in entsprechend modifizierter Form vorläufig weiter verwendet werden soll. Die EBM-Ziffern, die von der neuen HzV-Vergütungsposition erfasst werden, werden dem angepassten HzV-Ziffernkranz zugeordnet und im Rahmen der hausärztlichen Versorgung abgerechnet und vergütet. Die Regelungslücke ist also aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 HzV-Vertrag 2015 zu schließen, indem Vergütungspositionen, die in der neuen Vergütungsanlage 3 HzV-Vertrag 2015 abweichend von der Vergütungsanlage des HzV-Vertrages 2012 geregelt wurden, im Ziffernkranz (Anhang 1) entsprechend anzupassen sind. Die Anpassung erfolgt dann anhand der von der Schiedsperson festgesetzten Vergütungsanlage 3. Damit sind Leistung und Gegenleistung des HzV-Vertrages 2015 bestimmt, jedenfalls bestimmbar, zumal der HzV-Vertrag 2012 ebenfalls als Vollversorgervertrag der Struktur des HzV-Vertrages 2015 entspricht. Durch den dynamischen Verweis in Anhang 1 zu Anlage 3 unterliegt diese Anlage auch während der Laufzeit des Vertrages ständigen Anpassungen aufgrund von Änderungen im EBM, so dass auch eine Fortgeltung unter Anpassung zu Beginn des Vertrages zumindest als rechtlich vertretbar erscheint. Durch die Anordnung der Fortgeltung des HzV-Ziffernkranzes 2012 als HzV-Ziffernkranz 2015, gegebenenfalls in anzupassender Form, sind demnach die Leistungen bestimmt, die der teilnehmende Hausarzt nicht gegenüber der KVB abrechnen kann. Die Modifizierung des HzV-Ziffernkranzes 2012 ergibt sich deshalb für die vorübergehende Fortgeltung aus den in Anlage 3 zum HzV-Vertrag 2015 festgesetzten Leistungs- und Vergütungsvorgaben. Einer modifizierten Fortgeltung des HzV-Ziffernkranz 2012 steht nicht entgegen, dass die Honoraranlage Ziffer 3 des HzV-Vertrages 2015 von der Honoraranlage 3 des HzV-Vertrages 2012, deren Anhang 1 fortgelten soll, abweicht. Dies ergibt sich auch aus der Wortwahl des § 23 Abs. 7 KZV-Vertrag, wonach die Leistungsbeschreibung gemäß EBM-Ziffernkranz „anzupassen“, nicht aber neu zu vereinbaren ist. Denn nach der Systematik des EBM-Ziffernkranzes in Verbindung mit der Honoraranlage ist zumindest bestimmbar, welche EBMZiffern von welcher Leistungsposition der An-lage 3 HzV-Vertrag 2015 erfasst sind. Der im Schiedsspruch genannte Modifizierungsbedarf ergibt sich allein daraus, dass die Schiedsperson Einzelleistungen, die in der Honoraranlage 3 HzV-Vertrag 2012 vorgesehen waren, in der Honoraranlage 3 zum HzV-Vertrag 2015 gestrichen hat. Dies hat zur Folge, dass die EBM-Ziffern, die diesen Einzelleistungen zugeordnet waren, nun in die Pauschalen (z. B. Kontaktabhängige Grundpauschale P2) fallen und nicht mehr als Einzelleistungen gesondert abrechenbar sind. Dies zeigt sich auch darin, dass die Grundpauschale P2 deutlich erhöht wurde. Durch die Anordnung der Fortgeltung des EBM-Ziffernkranzes 2012 bleiben sie aber Bestandteil des HzV-Vertrages.“ (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05.10.2015 – L 12 KA 83/15 B ER, Rn. 112, zitiert nach juris). Diese Ausführungen sind zwar im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes ergangen, sie sind gleichwohl in Bezug auf den vorliegenden Streitgegenstand stichhaltig und überzeugend, so dass sich dem der Senat anschließt.
bb) Auch liegt kein unvollständiger Vertrag vor. Denn zum einen steht der Klägerin in Ausübung ihrer Selbstverwaltungsautonomie nach wie vor der Weg offen, mit dem BHÄV in Verbindung zu treten, um diesbezüglich eine Einigung zu erzielen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die Klägerin gesetzlich verpflichtet ist, entsprechende Verträge nach § 73b SGB Vzur Durchführung der hausärztlichen Versorgung zu schließen. Der hier streitgegenständliche Schiedsspruch ist nur deswegen erfolgt, weil es der Klägerin – keineswegs zum ersten Mal – nicht gelungen ist, eine einvernehmliche Regelung mit dem BHÄV zu treffen. Der nunmehr erlassene Schiedsspruch lässt – das Autonomieprinzip der Selbstverwaltung beachtend und zugleich betonend – in rechtlich zulässiger Weise weiterhin Raum für ergänzende Regelungen und ist als solches nach seinem derzeitigen Inhalt entgegen der Auffassung der Klägerin vollziehbar sowie finanzwirksam umsetzbar, wie das Bayerische Landessozialgericht im o.g. Beschluss überzeugend ausgeführt hat (aaO, Rn. 110). Auch insoweit schließt sich dem der Senat an. Der Nichtvollzug durch die Klägerin stellt mithin eine Verletzung von § 73 b SGB Vdar, die von der Aufsichtsbehörde ein Einschreiten erforderte.
cc) Zu beachten ist, dass die gerichtliche Rechtskontrolle der Rechtskontrolle der Selbstverwaltung in vorliegenden Falle des streitauslösenden Schiedsspruches des Dr. Knicht dazu führen darf, dass eine eingehendere Kontrolle stattfindet als im Verfahren der gerichtlichen Prüfung des Schiedsspruches selbst. Dort unterliegt die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB Vnur der Prüfung, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Es ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten hat, d. h. die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (Bayer. LSG, Urteil vom 14.09.2016 – L 12 KA 149/14, Rn. 71 mwN – zitiert nach, juris). Dieser Maßstab der direkten gerichtlichen Kontrolle darf im Rahmen der vorliegenden inzidenten Kontrolle nicht umgangen werden mit der Folge, dass die gesetzliche Schiedsamtslösung und damit die Selbstverwaltungsautonomie der gesetzlichen Krankenkassen entwertet werden. Deshalb treten Mängel in der Begründung des Schiedsspruches des Dr. K. gegenüber der dargestellten, durchaus möglichen Lösung durch Auslegung zurück.
4. Der Einwand der Klägerin ist nicht stichhaltig, die strittige Aufsichtsmaßnahme schwäche ihre Verhandlungsposition gegenüber dem BHÄV. Denn die Aufsichtsmaßnahme begegnet wie dargelegt keinen rechtlichen Einwänden und wird von dem Ziel getragen, die Pflicht zur hausarztzentrierten Versorgung durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin die Maßnahme hinzunehmen.
5. Der rückwirkende Sofortvollzug des Bescheides ist in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2017 zurückgenommen worden. Die Anordnung des Sofortvollzuges mit Wirkung für die Zukunft ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und mit Blick auf den Sicherstellungauftrag der Klägerin und den bereits eingetretenen Zustand, der die Versicherten und auch die Leistungserbringer ohne eine hausarztzentrierte Versorgung zurückließ, erforderlich, maßvoll und angemessen.
Somit ist zusammenzufassen: Der Beklagte erließ durch das BayStMGP am 28.05.2015 einen aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheid gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV mit der Verpflichtung zur Umsetzung des geschiedsten Vertrages. Gegen diesen Bescheid bestehen keine rechtlichen Bedenken. Daher ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Rücknahme des Sofortvollzuges für die Zeit vom 01.04.2015 bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 28.05.2015 fällt in Bezug auf den gesamten Streitgegenstand nicht ins Gewicht, insoweit ist eine kostenrechtliche Berücksichtigung nicht veranlasst.
Der Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GKG.
Die Revision wird zugelassen, § 160 SGG.


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