Aktenzeichen 16 UF 783/17
Leitsatz
Verfahrensgang
512 F 4600/15 2017-04-12 Endbeschluss AGMUENCHEN AG München
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird Ziffer 2 des Endbeschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 12.04.2017, Az. 512 F 4600/15, dahingehend abgeändert, dass Absatz 6 (Teilung des Anrechts der Antragstellerin bei der A. Lebensversicherungs AG, Versicherungsnummer: …339 (bisher … 886 7)) ersatzlos gestrichen wird.
2. Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird auf 1.000,– € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 23.06.2000 vor dem Standesbeamten des Standesamtes D. unter der Heiratsregister-Nr. …/2000 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe ist der Sohn J.J. F., geb. am 09.12.2003, hervorgegangen. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 11.04.2015 zugestellt. Mithin ist von einer Ehezeit vom 01.06.2000 bis 31.03.2015 auszugehen.
Während der Ehezeit hat die Antragstellerin am 30.12.2004 bei der A. Lebensversicherungs AG den Rentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer: … 886 7 (alt) geschlossen. Versichert ist demnach das Kind der Beteiligten, J.J. F. Versicherungsbeginn war der 01.12.2004. Die Versicherungsdauer sollte bis 01.12.2021 währen. Sofern das Kind den 01.12.2021 erlebt, sollte wahlweise eine lebenslange Garantierente in Höhe von 303,26 € jährlich, oder aber ein einmaliges Garantiekapital in Höhe von 9.732,- € zur Auszahlung gelangen. Widerruflich bezugsberechtigt aus dem Vertrag war die Versicherungsnehmerin, solange das versicherte Kind lebte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsvertrag …867, vorgelegt als Anlage AST 4 zur Beschwerdeschrift vom 22.05.2017, verwiesen. Während der Ehezeit ist für das versicherte Kind ein Kapital in Höhe von 9.644,- € aus Beitragszahlungen und Überschussanteilen begründet worden. Unter Berücksichtigung hälftiger Teilungskosten hat die A. Lebensversicherungs AG hieraus einen Ausgleichswert in Höhe von 4.722,- € errechnet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Auskunft der A. Lebensversicherungs AG vom 25.06.2016 (Blatt 29/30 des Unterheftes Versorgungsausgleich Ehefrau) verwiesen. Das Amtsgericht – Familiengericht – München hat dieses Anrecht ausgeglichen wie folgt:
„Im Weg der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der A. Lebensversicherungs AG (Versicherungsnummer: …339 (bisher … 886 7)) Privatrente Klassik, zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 4.722,- € nach Maßgabe der Teilungsordnung, bezogen auf den 31.03.2015, übertragen.“
Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 27.04.2017 zugestellt. Dagegen wendet sie sich mit der Beschwerde vom 22.05.2017, eingegangen beim Amtsgericht – Familiengericht – München am 23.05.2017.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Beschwerde für zulässig und begründet hält. Nach vorläufiger Auffassung liege kein dem Versorgungsausgleich unterliegendes Anrecht vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 04.07.2017 verwiesen. Weiterhin hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, ohne Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist es zulässig, die Beschwerde auf die Teilung des Anrechts bei der A. Lebensversicherungs AG mit der Versicherungsnummer: …339 (bisher … 886 7) zu beschränken.
Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne erneute mündliche Verhandlung ist gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG zulässig. Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, ohne erneute mündliche Verhandlung zu entscheiden. Von der Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung sind keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten, da in dem Beschwerdeverfahren allein Rechtsfragen zu entscheiden sind.
Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Amtsgericht – Familiengericht – München das aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. … 886 7 (alt) bzw. …339 folgende Anrecht intern geteilt. Es handelt sich bei diesem Anrecht um kein Anrecht im Sinn von § 2 Abs. 1 VersAusglG.
Nach der Vertragsgestaltung liegt eine sog. „Kinderrentenversicherung“ vor. Versicherungsnehmer ist die Mutter und Antragstellerin. Versichert ist jedoch das Kind. Die Versicherung ist auf das Risiko, dass das Kind vor Erreichen des 18. Lebensjahres versterben sollte, geschlossen. Weiterhin war der Mutter ursprünglich ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt.
In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist umstritten, ob ein solches Anrecht dem versicherten Kind oder dem Ehegatten, der Versicherungsnehmer ist, zuzurechnen ist. Der 9. Senat des OLG Hamm sowie das Oberlandesgericht Brandenburg haben sich dafür ausgesprochen, dass eine solche Versicherung regelmäßig dem Ehegatten als Versicherungsnehmer zuzuordnen und dementsprechend im Versorgungsausgleich auszugleichen sei (vgl. hierzu OLG Hamm, FamRZ 2016, Seite 549; OLG Brandenburg, FamRZ 2015, Seite 1798). Demgegenüber hat sich das OLG Zweibrücken dafür ausgesprochen, dass eine solche Versicherung regelmäßig nicht dem Versorgungsausgleich unterliege, weil es sich um eine Versicherung des Kindes handele (OLG Zweibrücken, NJW-RR 2011, Seite 803). Abweichend hiervon hat sich der 5. Senat des Oberlandesgerichts Hamm dafür ausgesprochen, eine Kinderrentenversicherung im Versorgungsausgleich nicht zu berücksichtigen, wenn für den Erlebensfall die versicherte Person bezugsberechtigt sein soll und der vertragliche Rentenbeginn in der Versicherung auf das Renteneintrittsalter des versicherten Kindes abstellt. Dann habe eine solche Versicherung für den Ehegatten keinen Versorgungscharakter (OLG Hamm, FamRZ 2017, Seite 436). Nach diesen Grundsätzen unterfällt auch das Anrecht bei der A. Lebensversicherungs AG mit der Versicherungsnummer: …339 (ursprünglich … 886 7) nicht dem Versorgungsausgleich. Auch dieses Anrecht dient nicht der Absicherung der Antragstellerin gegen die Risiken von Einkommensausfällen aufgrund Erwerbsminderung und Alters.
Nach den Versicherungsbedingungen ist entweder eine Garantierente in Höhe von jährlich 302,26 € oder ein Garantiekapital in Höhe von 9.732,- € auszuzahlen, sobald das Kind das 18. Lebensjahr erreicht hat. Im Jahr 2021 wird die Antragstellerin 58 Jahre alt sein. Mit altersbedingten Einkommensausfällen ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu rechnen. Darüber hinaus ist die jährliche Garantierente von 302,26 € auch nicht geeignet, Einkommensausfälle der Antragstellerin zu kompensieren. Vom wirtschaftlichen Zweck her handelt es sich vielmehr um eine Versicherung, die dazu dient, dem Kind mit Erreichen des 18. Lebensjahres ein angemessenes Startkapital zur Verfügung zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150 FamFG, 20 FamGKG. Das Amtsgericht hat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem geteilten Anrecht um eine sog. „Kinderrentenversicherung“ handelte.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 50, 40 FamGKG.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 FamFG. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob, und wenn ja, dann unter welchen Bedingungen eine sog. „Kinderrentenversicherung“ im Versorgungsausgleich zu teilen ist.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 22.08.2017.