Arbeitsrecht

Vorstandsdienstvertrag

Aktenzeichen  5 HK O 1426/17

Datum:
15.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56457
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 125 S. 2, § 127,§ 174, § 181, § 241 Abs. 2, § 271, § 273, § 291 S. 1, § 293, § 311 Abs. 3, § 394, § 611, § 615 S. 1, § 626 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 1, § 138 Abs. 3, § 187, § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1, § 288 Abs. 1 S. 2, § 291 S. 2
AktG § 76, § 107 Abs. 2 S. 3, § 108 Abs. 4, § 112, § 131 Abs. 1, § 182 f.
GKG § 43, § 44, § 48 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein vorläufiges und nur zeitweiliges Zurückbehaltungsrecht bis zu dem Zeitpunkt, in dem feststellbar ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang tatsächlich ein Schaden entstanden ist, findet im Gesetz keine Grundlage (vgl. BGH NJW-RR 1986, 543, 544).  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Die Klage ist nur hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten Verfügungsansprüche sowie der vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet; im Übrigen war sie abzuweisen.
I.
1. Die auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von € 105.000,- nebst Zinsen gerichtete Klage ist zulässig, aber nur in Höhe eines Betrages von € 7.500,- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.3.2017 begründet.
a. Dem Kläger steht aus § 611 BGB i.V. m. Ziffer 3.1 des Vorstandsdienstvertrages ein Anspruch auf Zahlung von € 7.500,- für den Zeitraum vom 1.9.2016 bis 15.9.2016 zu.
(1) In diesem Zeitraum bestand unstreitig noch der Vorstandsdienstvertrag, weshalb dem Kläger ein entsprechender Vergütungsanspruch in Höhe eines halben Monatsgehalts – also von € 7.500,- brutto – zusteht, der von der Beklagten nicht erfüllt wurde und vom Kläger zweifelsohne rechtzeitig durch das Anwaltsschreiben vom 10.10.2016 geltend gemacht wurde.
(2) Auf ein Zurückbehaltungsrecht kann sich die Beklagte nicht berufen, weil die Voraussetzungen des § 273 BGB hinsichtlich der von ihr nach ihrem eigenen Vortrag noch nicht bezifferbaren Ersatzansprüche wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbots nicht erfüllt sind. Die Regelung des § 273 BGB setzt einen fälligen Gegenanspruch voraus. Nachdem die Beklagte selbst geltend gemacht hat, sie könne den Schadensersatzanspruch wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot noch nicht näher beziffern, scheidet ein fälliger Gegenanspruch aus; dies setzt nämlich auch die volle Wirksamkeit voraus (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 273 Rdn. 7). Ein vorläufiges und nur zeitweiliges Zurückbehaltungsrecht bis zu dem Zeitpunkt, in dem feststellbar ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang tatsächlich ein Schaden entstanden ist, findet im Gesetz für Fälle für diesen keine Grundlage (vgl. BGH NJW-RR 1986, 543, 544; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., § 273 Rdn. 7; Krüger in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 273 Rdn. 32). Ein Ausnahmefall entsprechend den im Gesellschaftsrecht zum vorläufigen Zurückbehaltungsrecht vertretenen Grundsätzen kann vorliegend schon deshalb nicht anerkannt werden, weil anderenfalls die Wertungen des § 394 BGB umgangen würden.
b. Der Anspruch bezüglich der Zinsen resultiert aus § 291 Satz 1 BGB, wonach eine Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen ist. Gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO tritt Rechtshängigkeit mit Zustellung der Klageschrift an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 7.3.2007 ein, weshalb in analoger Anwendung von § 187 ZPO die Verzinsung ab dem 8.3.3017 auszusprechen war. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus §§ 291 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
2. Die auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ist zulässig und in Höhe eines Teilbetrages von € 592,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2017 begründet.
a. Dem Kläger steht der entsprechende Zahlungsanspruch in der Hauptsache aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zu, weil sich die Beklagte mit der Zahlung der Vergütung von € 7.500,- brutto in Verzug befand und damit eine Pflichtverletzung begangen hat.
(1) Verzug trat jedenfalls mit dem Schreiben des nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10.10.2017 ein, weil dem Kläger jedenfalls ab Ende des Monats September 2016 ein fälliger Anspruch auf Zahlung der anteiligen Vergütung für den Monat September 2016 zustand und der Kläger durch sein Anwaltsschreiben eine entsprechende Frist gesetzt hat, die ergebnislos verstrich. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Sie hat nichts dazu vorgetragen, warum sie den während des Laufs des Vorstandsdienstvertrages anteiligen Betrag von € 7.500,- brutto nicht bezahlt hat. Das Risiko, die Rechtslage unzutreffend zu beurteilen, trägt grundsätzlich der Schuldner, hier mithin die Beklagte. Ein Irrtum des Schuldners über eine Leistungspflicht, insbesondere eine falsche Einschätzung der Sach- und Rechtslage bei unübersichtlichen Sachverhalten, steht der Annahme des Verzuges nur ganz ausnahmsweise entgegen, etwa bei einer unerwarteten Änderung der Rechtsprechung oder vergleichbaren Sachverhalten (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.1990, Az. IV ZR 334/88; NJW 2007, 428, 430 f. = NZM 2007, 35, 37 = WuM 2007, 24, 26 f. = ZMR 2007, 103, 106 f. = DWW 2007, 22, 24 f.).
(2) Die aufgrund der Einschaltung des Rechtsanwalts entstandenen Gebühren stellen sich als ersatzfähiger Schaden dar, weil die Mandatierung der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Vorstandsdienstvertrages als erforderlich angesehen werden muss und die Beklagte selbst den anteiligen Vergütungsanspruch, der vor dem Zugang der außerordentlichen Kündigung am 16.9.2016 entstanden ist, nicht beglichen hat. Allerdings können nur die aus dem geschuldeten Betrag von € 7.500,- anfallenden Rechtsanwaltskosten als ersatzfähig angesehen werden. Dies sind bei Ansatz einer 1,3-Geschäftsgebühr, der Auslagenpauschale von € 20,- sowie 19% USt insgesamt € 592,80.
b. Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1 ZPO, wonach eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen ist. Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers der Beklagten eine Frist zum Ausgleich der Rechtsanwaltskosten bis zum 28.4.2017 gesetzt haben und auf den Zinsbeginn § 187 BGB analog anzuwenden ist, musste die Verzinsung ab dem 29.4.2017 mit einem Zinssatz entsprechend § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgesprochen werden.
II.
Die darüber hinausgehenden Klagen sind zulässig, jedoch nicht begründet, weshalb die Klage im Übrigen abzuweisen war.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung seiner Vergütung ab dem 16.9.2016 aus § 615 Satz 1 BGB zu, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. Danach kann der Dienstverpflichtete die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Berechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt. Somit setzt die Anspruchsgrundlage in Verbindung mit § 293 ff. BGB voraus, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, der Verpflichtete seine Dienste angeboten und der Dienstberechtigte sie nicht angenommen hat. Zwischen den Parteien besteht nämlich seit dem Zugang der außerordentlichen Kündigungserklärung beim Kläger am 16.9.2016 allerdings kein Vorstandsdienstvertrag mehr, weil die von der Beklagten erklärten Kündigung sowohl in formeller wie auch in materieller Hinsicht wirksam war; daher kann kein Anspruch aus Annahmeverzug bestehen.
a. Der Beschluss des Aufsichtsrats vom 15.9.2016 über die außerordentliche Kündigung des Vorstandsdienstvertrages kam formell wirksam zustande.
(1) Allein der Umstand, dass das Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrats vom 15.9.2016 keinen Hinweis darauf enthält, kein Aufsichtsratsmitglied habe der telefonischen Beschlussfassung widersprochen, führt nicht zur Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des an diesem Tag gefassten Beschlusses. § 108 Abs. 4 AktG lässt die fernmündliche Abstimmung ausdrücklich zu. Angesichts des Inhalts des Protokolls über einen einstimmig gefassten Beschluss des Aufsichtsrats muss bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen werden, dass die gemäß § 112 AktG gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft vertretungsberechtigten Mitglieder des Aufsichtsrats nicht nur mit dem Inhalt des Beschlusses einverstanden waren, sondern dass auch keines der Mitglieder dieser fernmündlichen Beschlussfassung widersprochen hat. Zwar muss bei einer fernmündlichen Beschlussfassung die Vorschrift des § 107 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AktG über das Erfordernis und den Inhalt der Niederschrift einer Sitzung des Aufsichtsrats analog angewandt werden (vgl. Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 108 Rdn. 65; Hopt/Roth in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., § 108 Rdn. 123; Drygala in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 107 Rdn. 30). Allerdings muss dann auch die Vorschrift des § 107 Abs. 2 Satz 3 AktG in gleicher Weise analog angewandt werden, wonach angesichts der ausschließlichen Beweisfunktion der Protokollierung Verstöße gegen die Bestimmungen aus § 107 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AktG keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des gefassten Beschlusses des Aufsichtsrats haben.
(2) Das Kündigungsschreiben macht auch deutlich, dass es sich hierbei um eine Erklärung des Aufsichtsrates handelt, wenn ausgeführt wird, „… kündigen wir seitens des Aufsichtsrats …“. Damit wird klar, dass es sich um eine Erklärung des Gesamtorgans handelt und nicht des Vorsitzenden, der den Beschluss lediglich entsprechend der Kompetenzverteilung innerhalb des Gremiums entsprechend den obigen Überlegungen umgesetzt hat. Dies zeigt sich insbesondere auch an der Beifügung des Beschlusses des Aufsichtsrats über die Kündigung.
(3) Ebenso wenig ist die Kündigung wegen eines Verstoßes gegen das in Ziffer 1.6 des Vorstandsdienstvertrages vereinbarte Schriftformerfordernis gemäß §§ 125 Satz 2, 127 BGB nichtig, weil vorliegend die Form durch das dem Kläger am 16.9.2016 zugegangene Kündigungsschreiben gewahrt wurde. Die Kündigungserklärung wurde vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates unterschrieben; ihr zugrunde lag der Beschluss des Aufsichtsrats, wobei die Niederschrift nach § 107 Abs. 2 Satz 1 AktG analog vom Vorsitzenden zu unterschreiben ist. Die Kündigungserklärung, mit der der Beschluss des Aufsichtsrats vom 15.9.2016 umgesetzt wurde, trägt gleichfalls die Unterschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden; dies genügt der Form aus §§ 125 Satz 2, 127 BGB. Es muss nämlich bereits davon ausgegangen werden, dass aufgrund der Regelung in § 10 Abs. 5 der Satzung der Beklagten der Vorsitzende des Aufsichtsrates ermächtigt ist, im Namen des Aufsichtsrats die zur Durchführung der Beschlüsse des Aufsichtsrates erforderlichen Willenserklärungen abzugeben. Abgesehen davon ist auch ohne eine solche Bestimmung in der Satzung regelmäßig davon auszugehen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende befugt ist, die Erklärung abzugeben, weil er dafür kraft Amtes zuständig ist, es sei denn der Aufsichtsrat hätte eine anderweitige Vertretung in der Erklärung vorgesehen (vgl. Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 84 Rdn. 152; Hoffmann-Becking in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 Aktiengesellschaft, § 31 Rdn. 102; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl., Rdn. 682; Bednarz NZG 2005, 418, 421 ff.; Drinhausen/Marsch Barner AG 2014, 337, 348 f.), wofür vorliegend nichts vorgetragen ist und auch sonst keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind.
b. Der Beschluss des Aufsichtsrats ist auch materiell wirksam, weil der Vorstandsdienstvertrag durch die außerordentliche Kündigung vom 16.9.2016 beendet wurde. nachdem ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bejaht werden muss. Nach dieser Vorschrift kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Von einer derartigen Situation muss vorliegend ausgegangen werden.
(1) Der wichtige Grund liegt in gravierenden Pflichtverletzungen des Klägers im Zusammenhang mit seinem Tätigwerden für deren Tochtergesellschaft x… AG. Dabei steht dem wichtigen Grund nicht entgegen, dass die Pflichtverletzung bei einer Tochtergesellschaft geschah. Eine erhebliche Pflichtverletzung führt nämlich auch dann zur Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung, wenn sie bei einer Konzerngesellschaft begangen wurde, bei der der Kläger gleichfalls Vorstand war (vgl. BGH NZG 2013, 615, 617; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 84 Rdn. 183).
Er hat bei den Vertragsverhandlungen zwischen der Tochtergesellschaft der x… AG, der D… AG, und der I… AG über einen zwischen diesen beiden Gesellschaft abzuschließenden Kooperationsvertrag darauf verwiesen, die x… AG und die I… AG stünden kurz vor dem Abschluss eines Beteiligungsvertrages mit der Folge, durch den Abschluss des Kooperationsvertrages und der Anzahlung würde die D… AG kein Risiko eingehen. Diese Aussage entsprach nicht den Tatsachen, weil ein Aktienkauf- und -übertragungsvertrag zwischen der I… AG als Verkäuferin und der x… AG als Käuferin gerade nicht unmittelbar bevorstand. Vielmehr benötigte die x… AG als Käuferin hinreichend Kapital, das angesichts der im Dezember 2016 erfolglos verlaufenden Kapitalrunde nicht zur Verfügung stand; zudem blieben Bemühungen um Fremdkapital erfolglos. In dieser Situation, in der bei dem Gespräch in der Verwaltungsratssitzung vom 11.12.2015 – mithin nur eine Woche vor dem Vertragsabschluss – gerade nicht sicher war, dass die x… AG den Kaufpreis würde aufbringen können und zudem auch vor dem Vollzug nochmals die Zustimmung der Hauptversammlung der I… AG einzuholen war, war der Hinweis auf ein fehlendes Risiko der D… AG angesichts eines kurz bevorstehenden Abschlusses eines Beteiligungsvertrages zwischen der x… AG und der I… AG objektiv unzutreffend. Den entsprechenden hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten zu den Äußerungen des Klägers und den gegebenen Umständen bei der Beklagten hat der Kläger nicht bestritten, weshalb der Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Sich daraus ergebende Folgen und Risiken für die Beklagten stellen sich als Rechtsfrage dar, die das Gericht aufgrund des Tatsachenvortrags zu falschen Äußerungen beurteilen kann und muss, ohne dass die Beklagte zwingend dazu Stellung nehmen müsste.
Die unzutreffende Darstellung über den Stand der Vertragsverhandlungen, deren Ausgang für die Verhandlungen zwischen einer Gesellschaft, an der die x… AG eine Mehrheitsbeteiligung hält, und einer anderen Aktiengesellschaft, wesentlich ist, bedeutet einen gravierenden Verstoß gegen die dem Kläger als Vorstand einer Aktiengesellschaft obliegenden Pflichten, weil dies zunächst ein erhebliches Risiko für die Beklagte darstellt. Wenn die D… AG nicht in der Lage sein sollte, eingegangene Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen, besteht für ihre Mehrheitsaktionärin ein erhebliches Risiko, gegebenenfalls weiteres Kapital im Rahmen einer Kapitalerhöhung nach §§ 182 ff. AktG ihrer Tochtergesellschaft zuführen zu müssen. Dann kann aber auch ein Insolvenzrisiko bei der D… AG nicht gänzlich ausgeschlossen werden mit der Folge, dass die Mehrheitsbeteiligung der Beklagten weitgehend wertlos würde. Nicht auszuschließen ist auch ein Schadensanspruch gegen die x… AG aus §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten aus einem Schuldverhältnis. Nach diesen Vorschriften entsteht ein solches Schuldverhältnis insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst. Davon muss vorliegend ausgegangen werden. Als Vorstand hat der Kläger die x… AG gem. § 76 AktG vertreten und durch seine Äußerungen über den Stand des intendierten Kooperationsvertrages zwischen der I… AG und der x… AG die Vertragsverhandlungen wesentlich beeinflusst; der Abschluss des Vertrages über die Aktienübertragung und damit die Kooperation zwischen der I… AG und der x… AG war zentral für die Entscheidung der D… AG, weil dadurch deren Risiko beim Vertragsabschluss deutlich minimiert werden sollte. Gerade weil die x… AG über die Aktienmehrheit bei der D… AG verfügt, ist auch die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens durch die x… AG zu bejahen. Selbst wenn auch der Mehrheitsaktionär einen Anspruch auf Auskunft gemäß § 131 Abs. 1 AktG nur in der Hauptversammlung geltend machen kann und dieser die Geschäftsführung nicht beeinflussen kann, hat der Mehrheitsaktionär die Möglichkeit, über Kapitalmaßnahmen die Liquidität der D… AG entscheidend zu beeinflussen.
Demzufolge setzte der Kläger die x… AG durch unzutreffende Tatsachenbehauptungen erheblichen Risiken aus, was gegen seine Vorstandspflicht verstieß, keine unvertretbaren Risiken einzugehen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.6.1999, Az. 3 U 33/98 – zitiert nach juris; Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 158). Aus diesen Gründen muss von einer schweren Pflichtverletzung durch den Kläger ausgegangen werden.
Dem kann auch nicht die ohnehin nicht unmittelbar zum Beweisthema gehörende Aussage des Zeugen B2. entgegen gehalten werden, der Kaufvertrag zwischen der x… AG und der I… AG sei Anfang Dezember 2015 abgeschlossen worden. Der Abschluss des Kaufvertrages besagt noch nichts über die Finanzierungsmöglichkeiten, die nach dem unstreitigen Sachvortrag gerade nicht sichergestellt waren. Zudem enthielt der Kaufvertrag eine entsprechende Kaufvertrag eine aufschiebende Bedingung, so dass allein aus der Tatsache des Kauvertragsabschlusses nicht darauf geschlossen werden kann, es könne keine Pflichtverletzung vorliegen. Die rechtliche Beurteilung eines Vertragsinhalts ist nicht Aufgabe des Zeugen.
(2) Eine Fortsetzung des Dienstvertrages war der Beklagten bis zur regulären Beendigung des Vorstandsdienstvertrages am 30.9.2017 auch unter Berücksichtigung der Belange des Klägers nicht zumutbar. Es handelt sich zum einen um eine durchaus gravierende Pflichtverletzung des Klägers, durch die die x… AG auch erheblichen finanziellen Risiken ausgesetzt wurde. Dabei muss vor allem berücksichtigt werden, dass die x… AG offensichtlich deutliche Liquiditätsprobleme hatte – anderenfalls hätte sie die für den Erwerb von Aktien erforderlichen liquiden Mittel erhalten. Die Schwierigkeiten zeigen sich namentlich daran, dass sie auch kein Fremdkapital erhielt. Dies ist ein sicheres Zeichen dafür, dass Fremdkapitalgeber ein erhebliches Risiko sehen, die zur Verfügung gestellten Mittel nicht zurückzuerhalten. Vor allem muss auch in die Abwägung einfließen, dass der Kläger um den Verhandlungsstand der Finanzierung des Aktienerwerbs gewusst haben muss, weil er als Vorstand hierfür die Verantwortung trug und insbesondere Möglichkeiten zur Erlangung von Eigenkapital zwingend vom Vorstand durchzuführen sind. Auch ist zum anderen die Restdauer des laufenden Vertrages von nahezu einem Jahr bei einer Gesamtdauer von drei Jahren mit 1/3 der Vertragslaufzeit nicht so unwesentlich, als dass der Beklagten die Fortdauer des Vorstandsdienstvertrages zumutbar gewesen wäre, zumal auch die Organstellung widerrufen wurde.
(3) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB wurde eingehalten. Nach diesen Vorschriften kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen; die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
(a) Bei einer Aktiengesellschaft, in der die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand aufgrund von § 112 AktG durch den Aufsichtsrat vertreten wird, ist für den Beginn der Frist auf die Kenntnis des Aufsichtsrats als Kollegialorgan, nicht auf die Kenntnis einzelner Mitglieder oder des Aufsichtsratsvorsitzenden abzustellen (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 139, 98, 92 für die vergleichbare Situation der GmbH; BGH NZG 2002, 46, 47 für den Aufsichtsrat einer GmbH; KG NZG 2004, 1165, 1167; LG München I AG 2011, 258, 261 = ZIP 2011, 2451, 2455; ebenso Hüffer, AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 54; Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 159; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 171; Bürgers in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 84 Rdn. 39; Seyfarth, Vorstandsrecht, § 20 Rdn. 36). Dabei bedeutet Kenntnis umfassendes und sicheres Wissen um den Kündigungssachverhalt. Der Kündigungsberechtigte muss alles erfahren haben, was ihm nach verständigem Urteil für eine das Für und Wider abwägende Entscheidung über den Fortbestand oder die Beendigung des Dienstverhältnisses erforderlich erscheinen muss (vgl. BGH NJW 1996, 1403 f.; DStR 1997, 1338, 1339; OLG Karlsruhe NZG 1999, 1012; Fleischer in: Spindler/Stilz AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 161; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 171).
(b) Der Aufsichtsratsvorsitzende erhielt am 2.9.2016 die Informationen über die Vorkommnisse bei der Road Show in Singapur sowie über den Stand der Bemühungen von Herrn E… zur Liquiditätsbeschaffung; mit diesen steht der Kooperationsvertrag zwischen der Beklagten und I… AG samt der Auszahlung sowie die Äußerungen bei den Vertragsverhandlungen zwischen der D… AG und der I… AG in unmittelbarem Zusammenhang. Die nächste Sitzung des Aufsichtsrats fand dann unstreitig zwei Tage später am 4.9.2016 statt, in deren Verlauf Herr E… als Auskunftsperson angehört wurde. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt – wie soeben ausgeführt – erst dann zu laufen, wenn alle Tatsachen dem gesamten Kollegialorgan vorliegen. Den entsprechenden Sachvortrag der Beklagten hat der Kläger nicht hinreichend bestritten, weshalb er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Wenn der Kläger darauf verweist, Anfang September habe der Aufsichtsratsvorsitzende Kenntnis erlangt und dies mit dem „1.9.“ gleichsetzt, genügt dies nicht für ein hinreichendes Bestreiten. Denn der entsprechende Vortrag der Beklagten in Richtung auf „Anfang September“ ging dahin, dass zu diesem Zeitpunkt nur Herr E… durch Herrn C2. informiert worden sei, nicht aber der Aufsichtsratsvorsitzende. Dann aber wäre selbst bei Annahme einer hinreichenden Kenntnis aller Aufsichtsratsmitglieder bereits durch die Einberufung am 2.9.2014 die dann am 16.9.2014 endende Frist gewahrt gewesen, nachdem der Zugang der Kündigungserklärung unstreitig an diesem Tag erfolgte.
Angesichts dessen kommt es hier nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, inwieweit die Auszahlung des Betrages von CHF 55.000,-, das Tätigwerden für die C… AG oder der Verstoß gegen Zustimmungsvorbehalte aus der Geschäftsordnung der X… AG einen wichtigen Grund darstellen können.
2. Ebenso wenig steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Reisekosten für das Jahr 2015 in Höhe von € 2.377,74 zu, weil dieser Anspruch aufgrund der Regelung in Ziffer 11.1 des Vorstandsdienstvertrages nicht mehr besteht.
a. An der Wirksamkeit dieser Klausel mit der zweistufigen Ausschlussfrist bestehen allerdings keine Bedenken. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen ist zwar grundsätzlich zulässig, wobei dies sowohl für Individualvereinbarungen als auch für eine Regelung in vorformulierten Verträgen gilt. Sie ist gedeckt vom Prinzip der Vertragsfreiheit. Dabei muss vorliegend beachtet werden, dass diese Klausel für Ansprüche beider Vertragsteile gilt, weshalb weder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben des § 242 BGB noch gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen wird, sofern es sich bei dem Vorstandsdienstvertrag um eine vorformulierte Reglung für eine Vielzahl von Fällen handeln sollte (vgl. BAG NZA 2004, 852, 857).
b. Der Kläger hat die Vorgaben dieser Regelung nicht eingehalten, nachdem der Erstattungsanspruch bezüglich der Reisekosten für das Jahr 2015 spätestens zum 31.3.2016 nach der vertraglichen Regelung hätte geltend gemacht werden müssen; die erstmalige Aufforderung zur Begleichung dieses Betrages im Anwaltsschreiben vom 10.10.2016 erfolgte verspätet. Der Anspruch auf Erstattung von Reisekosten wird nämlich sofort fällig, also mit Beendigung der Reise – bei Reisekosten für das Jahr 2015 muss dies folglich spätestens am 31.12.2015 gewesen sein. Diese sofortige Fälligkeit ergibt sich aus der Grundregel des § 271 BGB, wonach der Gläubiger die Leistung im Zweifel sofort verlangen kann, wenn eine Zeit weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Folglich trat die Fälligkeit nicht wegen einer vorgeblich fehlenden Abrechnung der Beklagten später ein. Eine Abrechnung der Beklagten als Schuldnerin wäre für den Beginn nur dann maßgeblich, wenn der Kläger seinen Anspruch nicht beziffern kann (vgl. BAG BB 2002, 2285, 2286 = DB 2002, 1720; Glöge in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 614 Rdn. 3), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen. Es geht um einen Anspruch auf Erstattung von Reisekosten, die dem Kläger entstanden sind und die ihm somit bekannt gewesen sein müssen. Gerade auch der Umstand, dass sich die Beklagte im Besitz der Reisekostenabrechnung befinden soll, zeigt, dass die Erstattung der Kosten dem Kläger unmittelbar möglich gewesen wäre. In dieser Situation kann somit nicht verlangt werden, die Beklagte müsse konkret darlegen, welche Reisekosten nicht durch die Vorstandstätigkeit veranlasst seien. Dies trifft nicht den Kern des Problems der mit Beendigung der Reise eingetretenen Fälligkeit des vertraglichen Erstattungsanspruchs.
3. Die Stufenklage hinsichtlich der variablen Vergütung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
a. Die Voraussetzungen des § 254 ZPO müssen als erfüllt angesehen werden, weil der Antrag in erster Linie auf Mitteilung des Erreichens der zwei Erfolgsfaktoren und somit auf Auskunft gerichtet ist.
b. Der Anspruch ist jedoch nicht begründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Festsetzung der variablen Vergütung mehr zustehen kann, weshalb die Kammer auch über die zweite Stufe mitentscheiden kann, weil mangels Auskunfts- und Festsetzungsanspruches auch kein Zahlungsanspruch mehr entstehen kann.
(1) Dies ergibt sich bereits für die erste Stufe aus der Versäumung der Ausschlussfrist aus Ziffer 11.1 des Vorstandsdienstvertrages in Verbindung mit den Regeln über die variable Vergütung. Dem Kläger stand nämlich aufgrund von Ziffer 3.2 Satz 2 des Vorstandsdienstvertrages ein Anspruch auf Festsetzung der variablen Vergütung durch Beschluss des Aufsichtsrates innerhalb von zwei Monaten nach Beendigung des Messzeitraums – also dem 30.4.2016 – zu. Dies bedeutet, dass der Aufsichtsrat spätestens am 30.6.2016 den Beschluss hätte fassen müssen, was unstreitig nicht geschah. Allein die Erwägung, die Voraussetzungen für eine variable Vergütung seien nicht eingetreten, ersetzt einen entsprechenden Beschluss nicht, weil insbesondere eine konkludente Beschlussfassung seitens des Aufsichtsrats nicht möglich ist (vgl. Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 108 Rdn. 12 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Diesen ihm zustehenden Anspruch auf Festsetzung hätte der Kläger wiederum innerhalb einer Frist von drei Monaten, mithin bis spätestens zum 30.9.2016 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend machen müssen, was nicht geschah. Dem Parteivortrag lassen sich hierfür nämlich keinerlei Anhaltspunkte entnehmen.
Die Regelung in Ziffer 11.1 des Vorstandsdienstvertrages umfasst alle Ansprüche, über die die Parteien disponieren können und dem zufolge auch den Anspruch auf Fassung eines entsprechenden Beschlusses über die variable Vergütung. Dem zufolge kann eine Festsetzung nicht mehr erfolgen.
(2) Nichts anderes kann hinsichtlich der auf der zweiten Stufe geltend gemachten Hilfsanträge gelten, weil der Anspruch auf Übertragung von Inhaberaktien der Beklagten gleichfalls eine entsprechende Festsetzung durch den Aufsichtsrat zur Voraussetzung hat. Die Festsetzung durch das Gericht im Wege einer Billigkeitsentscheidung setzt gleichfalls einen entsprechenden Anspruch des Klägers voraus, der allerdings aufgrund der Regelung in Ziffer 11 des Vorstandsdienstvertrages und dem Eingreifen der Ausschlussklausel nicht mehr besteht.
III. 1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und richtet sich nach dem Maß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens. Eine Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war nicht möglich, weil ein Gebührensprung eingetreten ist und diese Überlegungen auch dann zur Geltung kommen, wenn die Verurteilung der Beklagten nur zu einem geringfügigen Betrag erfolgte und im Übrigen die Klage abgewiesen wird (vgl. Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl., § 92 Rdn. 8).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf jeweils auf § 709 Satz 1 und Satz 2.
3. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 48 Abs. 1, 44, 43 GKG, 3 ZPO. Infolge der vom Kläger vorgenommenen Klageerweiterung war der Streitwert gestaffelt festzusetzen, wobei die einzelnen Streitwerte mit Ausnahme der als Nebenkosten anzusehenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu addieren sind. Hinsichtlich der Stufenklage ist die Erwartung des Klägers maßgeblich (vgl. BGH NJW 1997, 1096), die er hier mit 1/10 seines Jahresgehalts, also mit € 18.000,- bezifferte.


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