Arbeitsrecht

Vorzeitige Beendigung eines Sonderurlaubs ohne Dienstbezüge

Aktenzeichen  M 5 K 18.6023

Datum:
13.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21972
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 4 Abs. 1 S. 1
UrlV aF § 18
UrlMV § 18

 

Leitsatz

1. Soll ein Verwaltungsakt nach dem Willen der erlassenden Behörde mit einer auflösenden Bedingung versehen werden, so muss das aus Gründen der Rechtssicherheit unmittelbar und zweifelsfrei aus der Formulierung des Verwaltungsakts selbst hervorgehen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine auflösende Bedingung folgt nicht aus der Angabe des Grundes im Bewilligungsbescheid; damit wird lediglich der wichtige Grund dokumentiert, der die Bewilligung von Sonderurlaub rechtlich überhaupt erst ermöglicht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zielt lediglich auf die Anpassung und Beendigung von Verträgen ab und kann darüber hinaus nur aufgrund gesetzlicher Anordnung zur Anwendung kommen. Für den Fall der Bewilligung von Sonderurlaub durch Verwaltungsakt können die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht angewendet werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) auf Auszahlung von Dienstbezügen für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2018, weil ihm (unter anderem) für diesen Zeitraum Sonderurlaub unter Fortfall des Anspruchs auf Leistungen des Dienstherrn bewilligt worden war und dieser Verwaltungsakt der Bewilligung von Sonderurlaub nicht allein durch den Fortfall des zugrunde liegenden wichtigen Grundes unwirksam geworden ist und sich auch sonst nicht erledigt hat.
a) Mit Schreiben des Staatsministeriums vom 21. Mai 2015 wurde dem Kläger antragsgemäß für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 30. September 2018 Sonderurlaub unter Fortfall der Leistungen des Dienstherrn nach § 18 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter (Urlaubsverordnung – UrlV; in Kraft bis zum Ablauf des 31.12.2017) bewilligt. Diese Bewilligung stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) dar (BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 3 CE 17.1564 – juris Rn. 5). Das Schreiben vom 21. Mai 2015 wurde am 26. Mai 2015 versandt. Damit gilt der darin enthaltene Verwaltungsakt der Bewilligung von Sonderurlaub nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, also am 29. Mai 2015. In diesem Zeitpunkt wurde der Verwaltungsakt nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gegenüber dem Kläger wirksam. Bestandskräftig wurde der Verwaltungsakt nach Ablauf eines Jahres, also mit Ablauf des 29. Mai 2016, weil in dem Schreiben vom 26. Mai 2015 eine Rechtsbehelfsbelehrung:unterblieben war (§ 58 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
b) Ein Verwaltungsakt kann nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG mit einer Bestimmung, nach der der Wegfall einer Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt, erlassen werden. Soll ein Verwaltungsakt nach dem Willen der erlassenden Behörde mit solch einer auflösenden Bedingung versehen werden, so muss das aus Gründen der Rechtssicherheit unmittelbar und zweifelsfrei aus der Formulierung des Verwaltungsakts selbst hervorgehen.
aa) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UrlV kann Urlaub bis zur Dauer von sechs Monaten bewilligt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen (Sonderurlaub). Im Falle der Bewilligung eines Sonderurlaubs müsste aus dem Bewilligungsakt selbst zweifelsfrei hervorgehen, dass die Bewilligung ohne weiteres entfallen, der Verwaltungsakt also unwirksam werden soll, wenn der dieser zugrunde liegende Grund entfallen sollte. Es müsste eine derartige Verknüpfung der Bewilligung mit dem wichtigen Grund erfolgen, dass es für einen unvoreingenommenen, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich wäre, dass die Bewilligung quasi mit dem Fortbestand des wichtigen Grundes steht oder fällt. Dem Adressat der Bewilligung müsste klar sein, dass er bei Fortfall des Grundes sofort seinen Dienst bei seinem Dienstherrn wieder anzutreten hätte. Es dürfte auch kein Zweifel darüber bestehen, dass der Dienstherr Vorkehrungen getroffen hat, dass der Beamte sofort auf einer entsprechenden Stelle seinen Dienst wieder antreten könnte.
bb) Das Gericht ist unverändert – wie schon in seinem Beschluss vom 1. August 2017 im Verfahren M 5 E 17.1812 – der Auffassung, dass diese Voraussetzungen in dem Schreiben des Staatsministeriums vom 21. Mai 2015 nicht erfüllt sind. Dort wird zwar der Grund für den Sonderurlaub genannt, nämlich dem Kläger die Wahrnehmung der Berufung zum Rektor des …s für die vollständige Amtszeit von vier Jahren zu ermöglichen. Damit wird jedoch lediglich der wichtige Grund dokumentiert, der die Bewilligung von Sonderurlaub nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UrlV rechtlich überhaupt erst ermöglichte. Diese Dokumentation des wichtigen Grundes würde es dem Staatsministerium gegebenenfalls auch ermöglicht haben, zu beurteilen, ob der Kläger den Sonderurlaub zu dem bewilligten oder einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet. Letzteres würde für das Staatsministerium bis zum 31. Dezember 2017 nach § 23 Abs. 2 Satz 1 UrlV die Verpflichtung bzw. ab dem 1. Januar 2018 nach § 18 Abs. 2 Satz 1 Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten (Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung – UrlMV, in Kraft seit 1.1.2018) die Berechtigung mit sich gebracht haben, den Sonderurlaub des Klägers zu widerrufen bzw. zurückzunehmen.
c) Der Verwaltungsakt der Bewilligung von Sonderurlaub hat sich auch sonst nicht erledigt. Allein dass sich die Erwartungen des Klägers hinsichtlich der Verwendung seines Sonderurlaubs – die Wahrnehmung des Amts des Rektors des …s über die vollständige Amtszeit von 4 Jahren – nicht erfüllten, führte nicht von selbst zur Beendigung des Urlaubs. Die Annahme einer Erledigung „auf andere Weise“ im Sinne des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die hier nicht vorlagen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2017, a.a.O.).
d) Vielmehr hatte die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers am … lediglich dem Staatsministerium die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag des Klägers hin zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 UrlV bzw. mittlerweile des § 18 Abs. 3 UrlMV erfüllt sind, was ihm ein Ermessen eingeräumt hätte, dem Kläger den Abbruch des Sonderurlaubs zu bewilligen. Nach dem Schreiben des Klägers vom 22. Juni 2016 war das Staatsministerium auch in eine entsprechende Prüfung eingetreten, hatte diese jedoch nach der ausdrücklichen Erklärung des Bevollmächtigten des Klägers, dass es einen Antrag auf Widerruf der Beurlaubung nicht gebe, eingestellt. Auf den späteren Antrag mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 19. Oktober 2017 hin hat das Staatsministerium schließlich das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 UrlMV verneint und den Abbruch des Sonderurlaubs mit Bescheid vom … Januar 2018 abgelehnt. Mit Ablauf des 30. September 2018 wäre es dem Staatsministerium rechtlich nicht mehr möglich gewesen, einen Abbruch des Sonderurlaubs zu bewilligen. Denn der Abbruch eines Urlaubs setzt voraus, dass der bewilligte Urlaubszeitraum bereits begonnen, aber noch nicht geendet hat. Nach dem Ende eines bewilligten Urlaubs ist dessen Abbruch tatsächlich und auch rechtlich nicht mehr möglich (vgl. VG München, U.v. 13.2.2019 – M 5 K 18.859 – Seite 10).
Ob also das Schreiben des Klägers vom 22. Juni 2016 – entgegen den ausdrücklichen Erklärungen seines Bevollmächtigten – vom Staatsministerium doch unverändert als Antrag auf „Widerruf“ des Sonderurlaubs hätte angesehen und darüber hätte entschieden werden müssen, ist jedenfalls seit dem „vorsorglich“ gestellten Antrag durch den Bevollmächtigten des Klägers vom 19. Oktober 2017 und dem daraufhin ergangenen Bescheid des Staatsministeriums vom … Januar 2018 nicht mehr rechtserheblich. Grundsätzlich stehen ausdrückliche wörtliche Formulierungen eines rechtskundigen Vertreters eines Klägers einer Auslegung entgegen (vgl. VG München, U.v. 12.2.2014 – M 5 K 13.4102 – juris Rn. 19).
e) Das Gericht folgt der Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2017, dass das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage lediglich auf die Anpassung und Beendigung von (auch öffentlich-rechtlichen) Verträgen abzielt und darüber hinaus nur aufgrund gesetzlicher Anordnung zur Anwendung kommen kann. Für den vorliegenden Fall der Bewilligung von Sonderurlaub durch Verwaltungsakt können die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht angewendet werden. Für Verwaltungsakte bietet Art. 51 BayVwVfG eine gesetzliche Regelung für die Aufhebung unanfechtbarer Verwaltungsakte, wenn sich die dem Erlass zugrunde liegenden Umstände wesentlich geändert haben. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 51 BayVwVfG ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
f) Gleichfalls folgt das Gericht der Rechtsauffassung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im oben genannten Beschluss dahingehend, dass sich eine Besoldung des ohne Dienstbezüge beurlaubten Klägers ebenso wenig aus der seinem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht herleiten lässt. Auch die Fürsorgepflicht kann den Dienstherrn nicht zu Maßnahmen verpflichten, durch die gesetzliche Vorschriften verletzt würden. Insbesondere können ohne Rechtsgrundlage keine ergänzenden Besoldungsleistungen geltend gemacht werden.
g) Ergänzend ist anzumerken, dass es vorliegend nicht rechtserheblich ist, warum das Mediationsverfahren nach der Zwischenvereinbarung vom 8. März 2017 nicht zu einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits geführt hat. Ohnehin wird ein Mediationsverfahren nur dann durchgeführt, wenn sich alle Beteiligten damit einverstanden erklären. Ohne Freiwilligkeit wird ein Mediationsverfahren nicht begonnen und es kann auch jederzeit ohne Rechtsverluste von einem oder allen Beteiligten wieder beendet werden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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