Arbeitsrecht

Widerruf der Zuweisung eines Marktstandes auf dem Viktualienmarkt wegen rückständiger Gebühren

Aktenzeichen  M 7 K 21.123

Datum:
5.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30614
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Markthallen-Satzung der Landeshauptstadt München § 5 Abs. 4 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 17. Dezember 2020 ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
Der Widerruf der Zuweisung des streitgegenständlichen Marktstandes (Nr. 1 des Bescheids) ist auf der Grundlage von § 5 Abs. 4 Nr. 3 Markthallen-Satzung vorliegend zurecht erfolgt.
Nach § 1 Abs. 1 Markthallen-Satzung betreibt die Beklagte die Markthallen, zu denen unter anderem die ständigen Lebensmittelmärkte wie der Viktualienmarkt gehören, als öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 GO. Gemäß Art. 21 Abs. 1 GO bemisst sich das Recht zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung „nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften“, hier insbesondere nach den in der Markthallen-Satzung festgelegten Zulassungs- und Benutzungsregelungen. Im Satzungswege kann auch der Kreis der zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung Anspruchsberechtigten festgelegt werden. Eine solche Festlegung hat die Beklagte getroffen, indem sie in § 3 Markthallen-Satzung nicht nur die Kunden, sondern auch die Gewerbetreibenden – etwa Zuweisungsnehmer im Sinne von § 3 Nr. 1 Markthallen-Satzung – als Benutzer der öffentlichen Einrichtung „Markthallen“ definiert hat. § 5 Markthallen-Satzung regelt die Möglichkeiten der Beendigung einer einmal erteilten Zuweisung unter anderem in Form von zwingenden und fakultativen Widerrufsgründen. Flankierend hierzu sieht § 6 Nr. 3 Markthallen-Satzung die Pflicht zur Räumung und Übergabe der zugewiesenen Objekte nach erfolgtem Widerruf der Zuweisung vor. Gemäß § 5 Abs. 4 Markthallen-Satzung, der durch verschiedene Regelbeispiele ausgeformt und konkretisiert wird, kann die Zuweisung jederzeit aus wichtigem Grund widerrufen werden, sofern der vorübergehende Ausschluss nach § 16 Markthallen-Satzung keine ausreichende Gewähr für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen bietet.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Satzungsbestimmung, die eine Berufsausübungsregelung im Sinn des Art. 12 GG darstellt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Als Ausfluss der verfassungsrechtlich verbürgerten Selbstverwaltungsgarantie sind die Gemeinden grundsätzlich dazu befugt, den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen im Wege von Benutzungsbedingungen auszugestalten und den Benutzungsanspruch beispielsweise durch zeitliche Befristungen, Kapazitätsbegrenzungen oder inhaltliche Vorgaben zu beschränken. Hierzu gehört auch das Recht, in der Benutzungssatzung Beendigungstatbestände für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung vorzusehen, etwa – wie hier – bestimmte Widerrufsgründe für die Standplatzzuweisung bei Unzuverlässigkeit, bei Nichteinhaltung der Benutzungsbedingungen oder bei einrichtungsbezogenen Verstößen von einem gewissen Gewicht zu normieren. Damit wird zugleich den Vorgaben des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – Rechnung getragen, der den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte vorsieht, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Als Rechtsvorschriften in diesem Sinn sind auch satzungsrechtliche Regelungen anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 4 CS 17.2083 – juris Rn. 14 ff. m.w.N.).
Nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 Markthallen-Satzung, auf den sich der streitgegenständliche Bescheid stützt, kann die Zuweisung jederzeit aus wichtigem Grund widerrufen werden, insbesondere wenn der Zuweisungsnehmer trotz Mahnung und Hinweises auf die Folgen mit den fälligen Gebühren länger als einen Monat im Rückstand bleibt. Nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 und 2 Markthallen-Gebührensatzung werden die Gebühren für Verkaufseinrichtungen auf den Lebensmittelmärkten als Jahresgebühr in Prozentsätzen von dem im Objekt erzielten Jahresnettoumsatz erhoben. Als Mindestgebühr werden feste Monatsgebühren erhoben, die auf die Jahresgebühr angerechnet werden. Nach § 6 Abs. 1 Markthallen-Gebührensatzung werden die bekannt gegebenen Monatsgebühren jeweils am 3. Werktag des Monats, für den sie zu entrichten sind, fällig und sind ohne gesonderte Aufforderung an die Markthallen zu bezahlen.
Der Kläger ist bis zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Widerrufs mehrfach mit fälligen Gebühren länger als einen Monat im Rückstand geblieben. Die Mindestgebühren für Juli 2020, fällig seit 3. Juli 2020, für August 2020, fällig seit 4. August 2020, und für September 2020, fällig seit 3. September 2020, wurden erst mit Zahlung vom 8. bzw. 9. Dezember 2020 beglichen. Der Kläger war somit mehr als fünf bzw. vier und drei Monate mit der Zahlung der jeweils fälligen Gebühr im Rückstand geblieben. Die Mindestgebühr für Oktober 2020, fällig seit 3. Oktober 2020, für November 2020, fällig seit 4. Oktober 2020, und Dezember 2020, fällig seit 3. Dezember 2020, waren im Zeitpunkt des Widerrufs noch ausständig. Mit den Monatsgebühren für Oktober und November 2020 war der Kläger zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits länger als einen Monat im Rückstand.
Entgegen dem klägerischen Vortrag fehlt es vorliegend auch nicht an der Fälligkeit der jeweiligen Gebühr aufgrund der den Markthallen durch Stadtratsbeschluss eingeräumten Möglichkeit zur Stundung bzw. zum Erlass von Gebühren. Sowohl der Erlass als auch die Stundung setzen eine entsprechende Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner voraus (vgl. zum Erlass § 397 Abs. 1 BGB; zur Stundung vgl. Grothe in MüKoBGB, 8. Aufl. 2018, § 205 Rn. 3). Während der Erlass das Schuldverhältnis zum Erlöschen bringt – sich die Frage der Fälligkeit mithin nicht mehr stellt – bewirkt die Stundung zwar grundsätzlich, dass die Fälligkeit bei bestehenbleibender Erfüllbarkeit hinausgeschoben wird (vgl. Krüger in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 271 Rn. 22). Dies setzt jedoch eine entsprechende Stundungsabrede der Parteien voraus. Eine entsprechende Vereinbarung wurde vorliegend unstreitig nicht geschlossen. Der Einwand der Klägerseite, die von der Beklagten begehrten Zahlungen, welche zur Grundlage für den Widerruf der Nutzung gemacht würden, wären aufgrund der den Markthallen durch Stadtratsbeschluss eingeräumten Verzichtsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Ausspruchs des Widerrufs nicht fällig gewesen und seien daher nicht geeignet, diesen zu tragen, verfängt daher nicht.
Die rückständigen Gebühren wurden auch sämtlich angemahnt. Eine eindeutige und bestimmte Leistungsaufforderung (vgl. Ernst in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 286 Rn. 51) liegt jeweils in Gestalt der Schreiben der Markthallen vom 4. September 2020 hinsichtlich der Mindestgebühren i.H.v. jeweils 545,43 EUR für Juli bis einschließlich September 2020, vom 6. Oktober 2020 hinsichtlich der Mindestgebühren für August bis einschließlich Oktober 2020, vom 21. Oktober 2020 hinsichtlich der Mindestgebühren für September und Oktober 2020, vom 26. November 2020 hinsichtlich der Mindestgebühren für Oktober und November 2020 und vom 15. Dezember 2020 hinsichtlich der Mindestgebühren für November und Dezember 2020 vor. In diesen wurde jeweils unter Auflistung der anzumahnenden Gebühr und unter Fristsetzung die Zahlung der fälligen Posten angefordert. Für den Fall der nicht fristgerechten Zahlung wurde jeweils die zwangsweise Einziehung der Forderungen durch das Kassen- und Steueramt angedroht.
Der nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 Markthallen-Satzung erforderliche Hinweis auf die Folgen nicht fristgerechter Begleichung der trotz wiederholter Mahnungen und Zahlungsaufforderungen angelaufenen Gebührenrückstände erging mit Schreiben vom 23. November 2020, dem Kläger zugegangen am 3. Dezember 2020.
Damit lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 Markthallen-Satzung im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung vor. Der Kläger war im Zeitpunkt des Widerrufs mit den fälligen Gebühren für Oktober und November 2020 trotz Mahnung und Hinweises auf die Folgen länger als einen Monat im Rückstand geblieben. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob der Widerrauf daneben trotz nachträglicher Begleichung im Dezember 2020 auch auf die rückständigen und sämtlich angemahnten Gebühren für die Monate Juli bis September 2020 gestützt werden könnte.
Bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen liegt die Entscheidung über den Widerruf („kann“) im pflichtgemäßen Ermessen der Markthallen. Hinsichtlich dieser Ermessensentscheidung legt § 114 Satz 1 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang fest. Das Gericht hat danach nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2016 – 10 C 8/15 – juris Rn. 13).
Danach stellt sich der Widerruf der Zuweisung vorliegend nicht als ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig dar. Die Markthallen haben insbesondere erkannt, dass ihnen hinsichtlich des Widerrufs Ermessen zukommt und dieses durch entsprechende – wenn auch recht knappe – Erwägungen ausgefüllt. So ist es nicht zu beanstanden, dass die Markthallen in Ermangelung einer Stellungnahme seitens des Klägers auf das Anhörungsschreiben vom 23. November 2020 hin davon ausgegangen sind, dass bei Fortbestand des Zuweisungsverhältnisses mit einem weiteren Auflaufen rückständiger Beträge zu rechnen ist. Der Kläger, der trotz wiederholter Mahnungen seinen Zahlungsverpflichtungen über bis zu fünf Monaten nicht nachgekommen ist, hat Sachgründe, die eine Abstandnahme von der bei entsprechendem Zahlungsverzug grundsätzlich vorgesehenen Widerrufsmöglichkeit im Einzelfall rechtfertigen könnten, weder rechtzeitig noch substantiiert vorgetragen. Zwar behauptet der Kläger im Klageverfahren, gegenüber den Sachbearbeitern der Beklagten telefonisch bekundet zu haben, dass er pandemiebedingt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei und daher um eine „Stundung“ der Forderungen bitte; bei diesem Telefonat am 9. September 2020 sei er jedoch mit seinem Anliegen wegen Verspätung zurückgewiesen worden. Dieses pauschale – beklagtenseits ausdrücklich bestrittene und nicht in der Behördenakte dokumentierte – Vorbringen wäre – auch bei Wahrunterstellung – ohne die Vorlage konkreter Nachweise über seine pandemiebedingte Notlage nicht als substantiierter Vortrag zu den Gründen seines Zahlungsverzugs zu werten. Mit E-Mail vom 17. bzw. 18. März 2020 wurden die Zuweisungsnehmer – auch der Kläger (s. Behördenakte Bl. 260, 254) – über die Möglichkeiten der Beantragung staatlicher Corona-Soforthilfen sowie der Beantragung eines Verzichts der Markthallen auf die laufende Vorauszahlung zur Jahresumsatzgebühr unter Beifügung entsprechender Antragsformulare informiert. Zudem hat die Beklagte mit Stadtratsbeschlüssen vom 19. Mai 2020 bzw. vom 3. Dezember 2020 weitere Möglichkeiten vorgesehen, um bei entsprechendem Nachweis Zahlungserleichterungen gegenüber Zuweisungsnehmern, die pandemiebedingt in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, durch die Markthallen gewähren zu lassen. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren nichts dahingehend vorgetragen, warum er von einer entsprechenden Antragstellung abgesehen hat und stattdessen die Zahlungsrückstände hat auflaufen lassen. Auch die für die begehrte Stundung erforderlichen Nachweise, wie insbesondere seine objektive Existenzgefährdung, seine Bedürftigkeit, eine erfolglose Antragstellung für staatliche Soforthilfen, das Fehlen anderweitiger Beseitigungsmöglichkeit des Liquiditätsengpasses, hat er gegenüber den Markthallen weder erbracht noch ihr Vorliegen auch nur behauptet. Eine Stellungnahme zu den ab Oktober 2020 aufgelaufenen Zahlungsrückständen erfolgte unstreitig zu keinem Zeitpunkt. Spätestens aber mit Zugang des Anhörungsschreibens, indem explizit darauf hingewiesen wurde, dass eine Kontaktaufnahme bezüglich der Zahlungsrückstände nicht erfolgt sei, hätte der Kläger erkennen müssen, dass den Markthallen keinerlei Gründe für seinen Zahlungsverzug bekannt geworden sind. Auch zu diesem Zeitpunkt hätte er noch die Möglichkeit gehabt, einen entsprechenden Vortrag nachzuholen bzw. zu wiederholen. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger jedoch ebenfalls keinen Gebrauch gemacht. Die Behörde hat daher pandemiebezogene Erwägungen ihrer Ermessensentscheidung über den auf die Gebührenrückstände für Oktober und November 2020 gestützten Widerruf in nicht zu beanstandender Weise nicht zugrunde gelegt. Die Markthallen durften auch annehmen, dass der Zuweisungswiderruf eine geeignete und erforderliche Maßnahme darstellt. Mildere Mittel zur Gewährleistung künftiger Zahlungen durch den Kläger waren nicht ersichtlich. Insbesondere würde eine Gestattung der vom Kläger begehrten Sortimentserweiterung kein milderes, gleich geeignetes Mittel darstellen. Ungeachtet dessen, dass ein Anspruch auf die begehrte Erweiterung im Hinblick auf den Marktzweck tatsächlich nicht bestehen dürfte, würde die bloße Gewährung einer Sortimentserweiterung auch nicht gleichermaßen effektiv sicherstellen, dass der Kläger künftig zuverlässig keine Zahlungsrückstände mehr auflaufen lassen würde.
Gründe, die gegen die Angemessenheit des Widerrufs sprechen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hätte die nach der Anhörung erfolgte Teilzahlung, mit der die Gebührenrückstände für Juli bis September 2020 beglichen wurden, die Behörde nicht veranlassen müssen, aus Ermessensgründen vom Widerruf der Zuweisung abzusehen. Zwar kann eine nachträgliche Begleichung im Rahmen des Ermessens angemessen zu berücksichtigen sein. Jedoch hat der Kläger vorliegend weder den gesamten rückständigen Betrag beglichen, noch sich in irgendeiner Weise bemüht, das Ausbleiben des weiteren rückständigen Betrags für die Monate Oktober bis Dezember 2020 gegenüber den Markthallen zu erklären. Vielmehr erfolgte seitens des Klägers diesbezüglich ebenfalls überhaupt keine Kontaktaufnahme mit den Markthallen. Die Markthallen sind mangels anderweitiger Erklärungen und Informationen daher zurecht davon ausgegangen, dass der Kläger auch künftig Zahlungsrückstände ohne weitere Erklärung auflaufen lassen würde. Die Entscheidung stellt sich auch nicht als unverhältnismäßig dar. Hinreichende Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, dass eine unzumutbare Existenzgefährdung mit der Maßnahme verbunden wäre. Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller mit seinem Konditorei-, Bäckerei- und Imbissverkauf keine alternativen Betätigungsmöglichkeiten im Stadtgebiet mit zumutbarem Aufwand finden könnte.
Auch die im Übrigen seitens des Klägers im Hinblick auf die Ermessensausübung geäußerten Bedenken führen zu keiner anderen Beurteilung.
Die Markthallen haben zurecht keine Ermessenserwägungen betreffend Art. 240 § 2 EGBGB angestellt. Ungeachtet der Frage, ob die Norm zur Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen auf öffentlich-rechtliche Zuweisungsverhältnisse überhaupt Anwendung findet, gilt das dort vorgesehene Kündigungsmoratorium lediglich hinsichtlich solcher Zahlungsansprüche, deren Fälligkeit im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 liegt. Die streitgegenständlichen Zahlungsrückstände sind jedoch unstreitig erst nach dem 30. Juni 2020 fällig geworden, sodass eine Anwendbarkeit der Norm bereits aus diesem Grund ausscheidet.
Auch § 313 BGB steht vorliegend der Rechtmäßigkeit des Widerrufs nicht entgegen. Die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn sich nachträglich die zugrundeliegenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ändern, sind für den Verwaltungsvertrag (Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) und Verwaltungsakte (Art. 48 ff. BayVwVfG) spezialgesetzlich geregelt (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2020 – 3 ZB 19.556 – juris Rn. 11). Dem Verwaltungsakt ist eine einseitige Rechtsfolgensetzung durch die Behörde eigen, während der Verwaltungsvertrag seiner Natur als Kooperationsform nach Rechtsfolgen aufgrund eines Konsenses zwischen mindestens zwei Parteien herbeiführt (Brüning/Bosesky in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 54 Rn. 68). Bereits aus diesem Grund bestehen Zweifel daran, ob die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf durch Verwaltungsakt geregelte Rechtsverhältnisse überhaupt Anwendung finden können. Jedenfalls wäre die begehrte Vertragsanpassung jedoch nicht kraft Gesetzes eingetreten, sondern hätte den Abschluss eines entsprechenden „Änderungsvertrags“ zwischen den Parteien erfordert. Im Rahmen des Art. 60 BayVwVfG muss die berechtigte Partei die Anpassung des Vertrags gegenüber der anderen Partei verlangen (vgl. Brosius-Gersdorf in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 60 Rn. 68). Mit einem entsprechenden Anpassungsverlangen in Bezug auf das Zuweisungsverhältnis ist der Kläger jedoch vor Bescheidserlass nicht an die Markthallen herangetreten. Des Weiteren wäre die Berufung auf eine Grundlagenstörung im Rahmen von Vertragsverhältnissen überhaupt nur dann zulässig, wenn dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheinen würde. Die Formel dient der Rechtsprechung dazu, eine Abwägung aller Einzelfallumstände nach Treu und Glauben vorzunehmen (vgl. Finkenauer in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 76). An der Unzumutbarkeit für den Kläger bestünden aber jedenfalls insoweit Zweifel, als die Beklagte in Reaktion auf die besonderen Herausforderungen der Corona-Pandemie mit den Stadtratsbeschlüssen vom 19. Mai 2020 und vom 3. Dezember 2020 gerade umfassende Möglichkeiten für die Markthallen vorgesehen hat, innerhalb der bestehenden Zuweisungsverhältnisse für einen einzelfallbezogenen Ausgleich von coronabedingt entstandenen Nachteilen bei entsprechendem Nachweis sorgen zu können. Zudem bestand für den Kläger die Möglichkeit, staatliche Soforthilfen zu beantragen oder einen Verzicht der Markhallen auf die Vorauszahlungen auf die Jahresumsatzgebühren zu beantragen. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat und insbesondere auch nicht die für die Zahlungserleichterungen nach den Stadtratsbeschlüssen erforderlichen Nachweise (insb. objektive Existenzgefährdung, Bedürftigkeit, keine Soforthilfen trotz rechtzeitiger Antragstellung, keine anderweitige Beseitigungsmöglichkeit des Liquiditätsengpasses) gegenüber den Markthallen erbracht hat, wäre bereits nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vorliegend ein Bedürfnis für die Anwendung des höchst subsidiären Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht anzuerkennen.
Auch gegen die mit dem Widerruf der Zuweisung verbundene notwendige Anordnung in Nr. 2 des Bescheids (Verpflichtung zur Räumung und Rückgabe des Objekts) bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Folgeentscheidung dient der Umsetzung des Widerrufs der Zuweisung. Sie stellt die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der Nutzungsberechtigung durch sofortige Rückgabe des zuweisungsgegenständlichen Objekts sicher und folgt für den Fall des Widerrufs der Zuweisung nach § 5 Abs. 4 Markthallen-Satzung verbunden mit einer behördlichen Sofortvollzugsanordnung unmittelbar aus § 6 Nr. 3 Markthallen-Satzung. Hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme (Nr. 4) und der Kostenentscheidung (Nr. 5) sind rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nach all dem ist die Klage unbegründet und war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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