Arbeitsrecht

Wirksamkeit zweier Kündigungen und Streit über Weiterbeschäftigung und Zeugniserteilung

Aktenzeichen  8 Sa 291/17

Datum:
21.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52225
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 626
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6, § 102
GG Art. 2 Abs. 1
BDSG § 32 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Erfolglose Berufung der Klägerin: Arbeitsgericht hat ihre Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass (jedenfalls) der dringende Verdacht des Spesenbetrugs gegeben war und der BR ordnungsgemäß unterrichtet war.

Verfahrensgang

30 Ca 7120/16 2017-03-28 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

Urteil: 1) Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28.03.2017 – 30 Ca 7120/16 – wird zurückgewiesen.
2) Auf die Berufung der Beklagten wird das unter 1) genannte Endurteil abgeändert und an Stelle der Nrn 1,2 und 3 seines Tenors gefasst wie folgt:
a) Die Klage wird abgewiesen.
b) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.
3) Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Berufung der Klägerin
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Unrecht meint die Klägerin, dass das Arbeitsgericht ihren Kündigungsschutzanträgen und ihrem Weiterbeschäftigungsantrag hätte stattgegeben müssen.
I.
Außerordentliche Kündigung vom 27.06.2016
Die gegen die außerordentliche Kündigung vom 27.06.2016 gerichtete Kündigungsschutzklage ist unbegründet; denn die Kündigung ist wirksam und hat mit ihrem Zugang das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Entgegen klägerischer Auffassung ist die Kündigung weder nach § 626 BGB noch gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.
1. Die Kündigung scheitert nicht am Fehlen eines wichtigen Grundes, den § 626 Abs. 1 BGB für jede außerordentliche Kündigung fordert.
1.1. Nach dieser Norm kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Den hieraus folgenden Prüfungsmaßstab hat das Arbeitsgericht unter II. 1. a (1) der Entscheidungsgründe des Ersturteils unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend und ausführlich dargestellt; auf diese Ausführungen nimmt das Berufungsgericht Bezug (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Es trifft insbesondere zu, dass eine zweistufige Prüfung erforderlich ist: Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der konkreten Umstände des Falles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile und unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zumutbar ist oder nicht. Als Kündigungsgrund an sich („erste Stufe“) kommt nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen arbeitsvertraglichen Verfehlung in Betracht. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung gerade mit dem Verdacht eines solchen Verhaltens begründet. Erforderlich ist, dass der Verdacht auf konkrete Tatsachen gestützt werden kann. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan haben, insbesondere muss er dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.
1.2. Das Arbeitsgericht ist unter Anwendung dieser Grundsätze auch zum zutreffenden Ergebnis gelangt. Ihm ist in der Einschätzung zu folgen, dass (jedenfalls) der dringende Verdacht besteht, die Klägerin habe sich im Rahmen der Abrechnung der Dienstreise „U“ am 14./15.09.2015 die Kosten für Lebensmittel von der Beklagten erstatten lassen, die nicht durch die Dienstreise, sondern privat veranlasst entstanden waren, und dass der Beklagten deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar war.
1.2.1. Das Arbeitsgericht hat zunächst zu Recht angenommen, dass begangene Abrechnungsbetrugshandlungen des Arbeitnehmers bezüglich ihm zu erstattender Aufwendungen („Spesenbetrug“) als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet sind, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall mit geringen finanziellen Auswirkungen handelt. Es ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der dringende Verdacht eines derartigen Verhaltens einen Kündigungsgrund „an sich“ darstellt (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 17.03.2016 – 2 AZR 110/15, Urteil vom 26.06.2008 – 2 AZR 264/07, Urteil vom 06.09.2007 – 2 AZR 264/06, jew. m.. w. N., alle juris).
1.2.2. Dieser Verdacht ist hier zunächst bereits aufgrund der Menge der angeblich am 15.09.2015 verzehrten Speisen gegeben. Denn es widerspricht bereits jeder Lebenserfahrung, dass eine einzelne Person an einem Tag zwischen Vormittag und Abend, (während bzw. zwischen der Hin- und der Rückfahrt zum U) Obst in Form von 490 g Erdbeeren und einem Kilo Trauben, sodann mehr als ein Kilo Lammfleisch, nebst Beilage in Gestalt von zwei Packungen Eierspätzle, und 250 Gramm Marmelade nebst Joghurt als Nachtisch verzehrt, wobei hinsichtlich der angesetzten Fleischmenge bereits berücksichtigt ist, dass die abgerechneten 724 Gramm Lammkotelett auch Knochen umfassen.
Es hilft der Klägerin auch nicht, dass sie zweitinstanzlich ergänzend behauptet, die Reste des Einkaufs seien teilweise noch vor der Heimfahrt verzehrt worden. Dies vermag nicht zu erklären, wie sie als einzelne Person diese Menge von Lebensmitteln an einem Tag hätte verzehren können.
Im Übrigen spricht auch die Art der Lebensmittel gegen die Annahme, es handle sich um Reiseproviant. Vor allem Fleisch und Spätzle sind wenig dafür geeignet, im Auto verzehrt zu werden; schon gar nicht ist es vorstellbar, dass sie während der Fahrt in einem selbst gesteuerten Pkw gegessen werden.
Weiter spricht ihr zweitinstanzlicher Vortrag, sie habe die Lachsforelle erinnerlich am späten Nachmittag des 15.09.2015 während der Dienstreise bzw. auf der Fahrt konsumiert, nicht gegen, sondern gerade für ein Täuschungsverhalten der Klägerin. Denn die ohnehin schon nicht glaubwürdige Gesamtmenge des angeblich Verzehrten wird damit um ein weiteres und durchaus kalorienreiches Lebensmittel vermehrt.
Dass sie zudem ursprünglich noch die Erstattung einer Flasche Wein geltend gemacht hat, verstärkt noch den Eindruck, dass für den privaten Verzehr eingekaufte Waren als angeblich dienstlich veranlasste Aufwendungen deklariert wurden. Denn es ist unerfindlich, wie der Konsum einer Flasche Wein mit einer Dienstreise in Einklang zu bringen ist, die mit dem PKW durchgeführt wird. Das nach der Anhörung erfolgte Storno dieses Betrages vermag daran nichts zu ändern.
Nach all dem hilft der Klägerin auch der Hinweis auf eine Lebensmittelallergie, an der sie leide, nichts. Es mag zutreffen, dass sie diese davon abgehalten hat, im Restaurant des Tagungshotels zu essen; dass sie stattdessen aber die abgerechneten und erstatteten Lebensmittel gekauft hat, ist im höchsten Maße unwahrscheinlich. Die erworbenen Lebensmittel sind vielmehr typisch für den Bedarf einer mehrköpfigen Familie.
Damit liegt der dringende Verdacht vor, die Klägerin habe die dienstliche Veranlassung der abgerechneten Lebensmittel zu Unrecht behauptet.
1.2.3. Die Beklagte hat den Sachverhalt auch hinreichend aufgeklärt. Insbesondere hat sie die Klägerin auch zur Reisekostenabrechnung „U“ persönlich angehört. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, die Anhörung habe aus mehreren Gründen nicht zur Sachaufklärung beitragen können, weil zum einen die Einladung zu spät erfolgt sei, weil sie zum zweiten bei der Beantwortung von Fragen häufig unterbrochen worden sei, weil sie zum dritten strukturierter hätte erfolgen müssen und weil sie sich schließlich im Anschluss an die mündliche Anhörung nicht ergänzend habe äußern können, so greifen diese Bedenken nicht durch.
Die Klägerin lässt nämlich jeglichen Vortrag dazu vermissen, welche Vorbereitungshandlungen sie hätte treffen müssen und getroffen hätte, wenn ihr ein längerer Zeitraum zwischen Einladung und Anhörung zur Verfügung gestanden hätte. Ebenso wenig hat sie dazu vorgetragen, welche zur Sachaufklärung erheblichen Informationen sie wegen der angeblichen häufigen Unterbrechungen und ggf. wegen des angeblich ungeordneten Ablaufs der Anhörung der Beklagten nicht habe zur Kenntnis bringen können. Schließlich fehlt jede Angabe dazu, welche Informationen sie nach der Anhörung hätte nachreichen wollen. Insgesamt ist ihren Einwendungen also nicht zu entnehmen, dass die Anhörung nicht geeignet war, dem Zweck der Sachverhaltsaufklärung zu genügen. Im Übrigen rechtfertigt auch eine möglicherweise unfreundliche Atmosphäre nicht die Annahme, die Anhörung hätte den Zweck der Sachaufklärung verfehlt.
1.2.4. Der gegebene dringende Verdacht des Spesenbetrugs macht es der Beklagten unzumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
1.2.4.1. Die Beklagte kann nicht darauf verwiesen werden, auf diesen Verdacht nur mit dem milderen Mittel der Abmahnung zu reagieren. Wie das Arbeitsgericht zutreffend unter II. 1. a) (4) ausgeführt hat, betrifft der gegebene Verdacht eine so schwerwiegende Pflichtverletzung, dass ihre Hinnahme durch die Beklagte ganz offensichtlich ausgeschlossen war. Wegen dieses schwerwiegenden Tatverdachts ist die Wiederherstellung des für die Fortsetzung der Zusammenarbeit unabdingbar notwendigen Vertrauens nicht zu erwarten. Ein taugliches anderes milderes Mittel ist nicht ersichtlich.
1.2.4.2. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen geht zu Lasten der Klägerin aus. Trotz ihres Alters, ihrer mehr als 16-jährigen Betriebszugehörigkeit, ihrer Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung eines ihrer Kinder überwiegt wegen der Schwere des Fehlverhaltens, dessen sie dringend verdächtig ist, das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse der Klägerin an seinem Fortbestand zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Soweit die Klägerin geltend macht, aufgrund der Komplexität der Reisekostenrichtlinie könne ein Verstoß gegen ihre Regelungen in einem milderen Licht gesehen werden, kann dem nicht gefolgt werden. Sie konnte nicht im Zweifel darüber sein, dass die geltend gemachten Einkäufe nicht erstattungsfähig waren.
1.2.5. Den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB ist mithin genügt.
2. Die außerordentliche Kündigung scheitert auch nicht an fehlender Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB.
2.1. Nach dieser Vorschrift kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt hat, beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst grobfahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an.
2.2. Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass die Frist eingehalten wurde. Dem Arbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass nicht auf beliebige Mitarbeiter der Beklagten, sondern auf die zur Kündigung berechtigten Mitarbeiter ihrer Personalabteilung abzustellen ist, und dass diese vom Kündigungssachverhalt unstreitig erstmals am 09.06.2016 Kenntnis erlangt haben. Die gebotene Anhörung der Klägerin wurde bereits für den folgenden Montag, den 13.06.2016, terminiert und an diesem Tag auch durchgeführt. Eine Anhörung der Klägerin noch am 09.06.2016 oder am 10.06.2016 war bereits mit Blick auf die Notwendigkeit einer gewissen Vorbereitungszeit nicht geboten. § 626 Abs. 2 BGB dient auch nicht dazu, den Arbeitgeber zu hektischer Eile anzutreiben (zutreffend APS/Vossen, § 626 BGB, Rn. 127 m. w. N.). Da es maßgeblich auf die Kenntnis von Kündigungsberechtigten ankommt, geht die Erwägung der Klägerin, die Beklagte hätte ihre Aufklärungsmaßnahmen zwischen dem 30.05.2016 und dem 09.06.2016 darstellen müssen, an der Sache vorbei.
Da der Anlauf der Frist bis zur Anhörung der Klägerin am 13.06.2016 gehemmt war, die Kündigung ihr aber unstreitig bereits am 27.06.2016 zugegangen ist, wurde die 2-Wochen-Frist eingehalten (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht auch kein Verbot, die genannten Tatsachen bzgl. der Reisekosten „U“ bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB zu verwerten.
3.1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BAG (vgl. insbes. Urteil vom 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 14 ff., und Urteil vom 31.01.2019 – 2 AZR 426/18, Rn 48 ff., beide juris, jeweils m. w. Nachw.), der sich die erkennende Berufungskammer anschließt, gelten für das Eingreifen eines Verbots der Verwertung von Sachvortrag und Beweismitteln folgende Grundsätze:
Ein Verwertungsverbot kann sich nur aus einer verfassungskonformen Auslegung des Verfahrensrechts ergeben, weil weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz Bestimmungen enthalten, die die Verwertbarkeit von Erkenntnissen oder Beweismitteln einschränken, die eine Arbeitsvertragspartei rechtswidrig erlangt hat. Da der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG aber grundsätzlich gebietet, den Sachvortrag der Parteien und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen, kommt ein aus der Verfassung folgendes Verwertungsverbot nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist.
Das setzt in aller Regel voraus, dass bereits durch die Informations- oder Beweisbeschaffung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Partei verletzt worden ist, ohne dass dies durch überwiegende Belange der anderen Partei gerechtfertigt gewesen wäre. Überdies müssen die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen. Die prozessuale Verwertung muss selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen. Das ist der Fall, wenn das nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebundene Gericht ohne Rechtfertigung in eine verfassungsrechtlich geschützte Position einer Prozesspartei eingreift, indem es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Privaten perpetuiert oder vertiefte. Insofern kommt die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat zum Tragen. Auf eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch einen Privaten darf kein verfassungswidriger Grundrechtseingriff durch ein Staatsorgan „aufgesattelt“ werden (vgl. BVerfG 31. Juli 2001 – 1 BvR 304/01 – zu II 1 b bb der Gründe).
Obwohl die Vorschriften des BDSG in der bis zum 24.05.2018 geltenden Fassung (nachfolgend: BDSG a. F.) nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen begrenzen, und obgleich es für das Eingreifen eines Verwertungsverbots darauf ankommt, ob bei der Erkenntnis- oder Beweisgewinnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist, sind die einfachrechtlichen Vorgaben insofern nicht ohne Bedeutung. Die Bestimmungen des BDSG a. F. über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren für den Einzelnen den Schutz seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG a. F.). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in diese Rechtspositionen durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen im Sinne des § 1 Abs. 2 BDSG a. F. erlaubt sind. War die betreffende Maßnahme nach den Vorschriften des BDSG a. F. zulässig, liegt insoweit keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor. Ein Verwertungsverbot scheidet von vornherein aus.
So liegt es namentlich, wenn die umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen und Grundrechtspositionen im Rahmen der Generalklauseln des § 32 Abs. 1 BDSG a. F. zugunsten des Arbeitgebers ausfällt. In einem Kündigungsrechtsstreit greift also jedenfalls dann kein Verwertungsverbot zugunsten des Arbeitnehmers ein, wenn der Arbeitgeber die betreffende Erkenntnis im Einklang mit den einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften erlangt und verwandt hat.
Nur dann, wenn die fragliche Maßnahme nach den Bestimmungen des BDSG a. F. nicht erlaubt war, muss gesondert geprüft werden, ob die Verwertung von im Zuge dieser Maßnahme gewonnenen Erkenntnissen oder Beweismitteln durch das Gericht einen Grundrechtsverstoß darstellen würde. Daran kann es zum einen fehlen, wenn die Unzulässigkeit der vom Arbeitgeber durchgeführten Maßnahme allein aus der (Grund-)Rechtswidrigkeit der Datenerhebung(en) gegenüber anderen Beschäftigten resultiert oder die verletzte einfachrechtliche Norm keinen eigenen „Grundrechtsgehalt“ hat. Zum anderen kann es sein, dass die gerichtliche Verwertung weder einen ungerechtfertigten Grundrechtseingriff darstellt noch aufgrund einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht zu unterlassen ist, weil durch sie die ungerechtfertigte „vorprozessuale“ Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Prozesspartei nicht perpetuiert oder vertieft würde und der Verwertung auch Gründe der Generalprävention nicht entgegenstehen.
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F. dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u. a. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört – anders, als die Klägerin geltend machen will – die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung i. S. d. Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F. zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke erhoben und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F. auch verarbeitet und genutzt werden. Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potenziellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen.
§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a. F. steht dem nicht entgegen, denn diese Regelung entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F. zulässig sein könnte. Allerdings muss die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F. „erforderlich“ sein. Es hat eine „volle“ Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten müssen geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht. Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Dies beurteilt sich ggf. für jedes personenbezogene Datum gesondert.
Der hiernach bei der Anwendung von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F. herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt dem durch die RL 95/46/EG sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (dazu EuGH vom 11. Dezember 2014 – C-212/13 – [Ryneš], Rn. 28) und Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (dazu EuGH vom 9. November 2010 – C-92/09 und C-93/09 – [Volker und Markus Schecke], Rn. 52; BAG vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 – Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen.
Bei der Interessenabwägung stellt eine „berechtigte Privatheitserwartung“ des Betroffenen einen beachtlichen Faktor dar (EGMR vom 9. Januar 2018 – 1874/13, 8567/13 – [López Ribalda u. a../Spanien], Rn. 57; [Große Kammer] vom 5. September 2017 – 61496/08 – [Bărbulescu/Rumänien], Rn. 119 – 122; vgl. auch Erwägungsgrund 47 zur Verordnung [EU] 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG [Datenschutz-Grundverordnung; DS-GVO]: „vernünftige Erwartungen“), der selbst dann zugunsten des Nichtverarbeitungsinteresses des Arbeitnehmers den Ausschlag geben kann, wenn das Verarbeitungsinteresse des Arbeitgebers hoch ist. So dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich erwarten, dass besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht ohne einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung ergriffen werden und insbesondere nicht „ins Blaue hinein“ oder wegen des Verdachts bloß geringfügiger Verstöße eine heimliche Überwachung und ggf. „Verdinglichung“ von ihnen gezeigter Verhaltensweisen erfolgt (für die verdeckte Videoüberwachung vgl. BAG vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 28, BAGE 156, 370; für die verdeckte Observation durch einen Detektiv vgl. BAG vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16, Rn. 26 ff., BAGE 159, 278; für ein verdecktes Keylogging vgl. BAG vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 30, BAGE 159, 380).
Demgegenüber können weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen, -verarbeitungen und -nutzungen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F. ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts – zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung – erlaubt sein. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen. So kann es aber auch liegen, wenn der Arbeitgeber aus einem nicht willkürlichen Anlass prüfen möchte, ob der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten vorsätzlich verletzt hat, und er – der Arbeitgeber – dazu auf einem Dienstrechner gespeicherte Dateien einsieht, die nicht ausdrücklich als „privat“ gekennzeichnet oder doch offenkundig „privater“ Natur sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Maßnahme offen erfolgt und der Arbeitnehmer im Vorfeld darauf hingewiesen worden ist, welche legitimen Gründe eine Einsichtnahme in – vermeintlich – dienstliche Ordner und Dateien erfordern können, und dass er Ordner und Dateien durch eine Kennzeichnung als „privat“ von einer Einsichtnahme ohne „qualifizierten“ Anlass ausschließen kann. Der Arbeitnehmer muss dann billigerweise mit einem jederzeitigen Zugriff auf die vermeintlich rein dienstlichen Daten rechnen. Zugleich kann er „private“ Daten in einen gesicherten Bereich verbringen.
Schließlich ist festzuhalten, dass die mögliche Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats, von Verfahrensregelungen in einer Betriebsvereinbarung oder von internen Regeln des Arbeitgebers für die Frage, ob ein Sachvortragsverwertungsverbot eingreift, irrelevant ist (vgl. insbes. BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 2 AZR 395/15, Rn. 36, BAGE 157, 69, Juris). Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwendung und Verwertung eines Beweismittels und/oder daraus gewonnener, unstreitiger Informationen nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist. Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht u. a. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen des Arbeitgebers nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Soweit die Norm – wenngleich kollektivrechtlich vermittelt – dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer dient, sind die Schutzzwecke von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüberhinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens.
Soweit sich die Klägerin zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung im Schriftsatz vom 19.07.2017, Seite 21 (Bl. 606 d. A.) ebenfalls auf die Entscheidung des BAG vom 20.10.2016 – 2 AZR 395/15 bezieht, tut sie dies zu Unrecht; ihren dortigen Erwägungen liegt ein fehlerhaftes Zitat der Ausführungen des BAG unter Rn. 36 des Urteils zu Grunde.
3.2. In Anwendung dieser Grundsätze durfte die Beklagte die Reisekostenabrechnungen der Klägerin für die zurückliegenden Monate- unabhängig davon, ob sie auf Papier oder elektronisch gespeichert waren – erneut einsehen und inhaltlich überprüfen.
3.2.1. Auf andere Handlungen der Beklagten als das erneute Einsehen und Überprüfen bezieht sich die Klägerin nicht; andere Verstöße sind auch nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die hier maßgeblichen Informationen vielmehr rechtmäßig, nämlich durch Übermittlung der Klägerin zum Zwecke der Kostenerstattung, erlangt. Die Beklagte hat die Reisekostenabrechnungen auch rechtmäßig gespeichert. Der Streit der Parteien, ob und inwieweit dies in Papier- oder in elektronischer Form geschehen ist, betrifft nicht diese Frage, sondern die, in welcher Form sie bei der erneuten Prüfung vorlagen.
3.2.2 Entgegen klägerischer Auffassung war das erneute Einsehen und die erneute Prüfung dieser Unterlagen – ohne dass es auf die Form ihrer Speicherung ankäme – rechtmäßig. Diese Nutzung der Daten befindet sich im Einklang mit § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F., sie war insbesondere verhältnismäßig. Eine weitere Prüfung war damit nicht veranlasst.
Die genannte Nutzung der Daten diente der Kontrolle, ob die Klägerin sich pflichtgemäß verhalten hat und damit der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Norm.
Das Einsehen und Prüfen der Reisekostenabrechnungen war geeignet, diesen Zweck zu fördern. Sollte die Klägerin meinen, eine erneute Kontrolle könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen als die vor Erstattung der behaupteten Kosten durchgeführte, steht dies mit der Realität nicht in Einklang. Denn diese Ansicht würde die Möglichkeit von Bearbeitungsfehlern generell ausschließen.
Die vorgenannte Datennutzung war auch erforderlich, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Es standen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung.
3.2.3. Soweit die Klägerin meint, sie hätte bei der erneuten Prüfung hinzugezogen werden müssen, ist ihrer Auffassung nicht zu folgen. Die Nutzung der Daten wäre dadurch nicht verändert worden. Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit der Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht dadurch abgeschwächt worden wäre. Ihre Argumentation mit der „Heimlichkeit“ der erneuten Prüfung greift daher nicht durch.
3.2.4. Soweit sie den Umfang der zur erneuten Prüfung herangezogenen Abrechnungen rügt, übersieht sie, dass das Ziel der Kontrolle nicht die Berechtigung der für die Reise nach N beantragten Erstattung war, sondern die generelle Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens bei der Abrechnung von Reisekosten. Die ungewöhnlichen Ausgaben, die sie für diese Reise geltend machte, waren lediglich der nachvollziehbare und berechtigte Anlass für die Prüfung der Abrechnungen; dass sie auf einen Zeitraum von einigen Monaten erstreckt wurde, ist mit Blick auf ihren Zweck nicht zu beanstanden. Es ist auch hier unerheblich, ob die erneut geprüften Unterlagen elektronisch gespeichert waren, wie die Klägerin geltend macht, oder auf Papier. Dass nur bei elektronischer Speicherung eine Kontrolle möglich gewesen wäre oder diese spürbar erleichtert worden wäre, ist nicht ersichtlich. Letztlich ging es nur um das erneute Lesen der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen und der Bewertung ihrer Erstattungsfähigkeit. Dass das Lesen am Bildschirm für die Klägerin mit einer weitergehenden Belastung als die Lektüre vom Papier verbunden gewesen wäre, erschließt sich nicht. Die Bewertung im Sinne der Anwendung der Reisekostenregelungen hat ohnehin „im Kopf“ der Mitarbeiter stattgefunden; dass eine insoweit auch nur teilweise automatische Verarbeitung stattgefunden hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
3.2.5. Das erneute Einsehen und Prüfen war auch angemessen. Die angestrebte Klärung stellt ein legitimes Ziel der Beklagten dar, dem ein beachtliches Gewicht zuzumessen ist. Denn die Frage, ob ein Arbeitnehmer bei der Inanspruchnahme betrieblicher Leistungen der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht oder die Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zum eigenen Vorteil geschädigt hat, berührt das für die Fortsetzung jedes Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Redlichkeit des Beschäftigten. Die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist dagegen – auch dann, wenn zur erneuten Prüfung weder die Klägerin noch der Datenschutzbeauftragte oder ein Betriebsratsmitglied beigezogen worden wäre – als allenfalls im mittleren Bereich liegend einzuschätzen. Die Unterlagen wurden ursprünglich zum Zwecke der Darlegung und des Nachweises entstandener Dienstreiseaufwendungen gefertigt und der Beklagten übermittelt. Sie waren also von vorneherein für die Kontrolle durch die Beklagte bestimmt; womit unmittelbar ausgeschlossen war, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, eine solche würde unterbleiben. Soweit die Klägerin geltend machen will, sie habe die berechtigte Erwartung gehabt, die Unterlagen würden in der Zeit nach Bezahlung der verauslagten Kosten einer Prüfung entzogen sein, kann ihr nicht gefolgt werden. Umstände, die eine solche Erwartung berechtigt erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Die Hoffnung, dass einmal übersehene unzutreffende Angaben oder zu Unrecht erstattete Auslagen u. Ä. auf Dauer auf sich beruhen würden, ist nicht als schutzwürdig anzuerkennen. Denn das könnte dazu führen, dass – zum alleinigen Nutzen des rechtswidrig handelnden Arbeitnehmers – der finanziell geschädigte Arbeitgeber schutzlos bliebe, selbst wenn sich im Laufe der Zeit Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Verhalten ergeben würden. Wenn die Klägerin geltend macht, die Beklagte hätte nach den ungewöhnlichen Ausgaben in der die Reise nach N betreffenden Abrechnung nicht „in die Breite gehen“ dürfen, vertritt sie letztlich die gegenteilige Auffassung, ohne überzeugende Argumente hierfür anzuführen. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte danach berechtigt gewesen wäre, ohne Anhaltspunkte für fehlerhafte Angaben oder ungerechtfertigte Anträge der Klägerin ihre Abrechnungen erneut zu prüfen. Denn die ungewöhnlichen Ausgaben, die in der die Reise nach N betreffenden Abrechnung von ihr geltend gemacht wurden, stellen vor dem Hintergrund der wechselseitigen Interessen einen ausreichenden, eine Willkür der Beklagten ausschließenden Anlass dar.
3.3. Die klägerische Rüge der Nutzung angeblich mitbestimmungswidrig eingeführter IT-Systeme und der Verletzung der internen Datenschutzrichtlinien ist nach dem oben Ausgeführten für ein Verwertungsverbot ohne Belang. Auch in diesem Zusammenhang kann daher auf sich beruhen, ob die erneut kontrollierten Abrechnungen auf Papier oder elektronisch gespeichert waren.
3.4. Das von der Klägerin postulierte Verwertungsverbot besteht nach all dem nicht.
4. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beklagte auf ihr Kündigungsrecht wirksam verzichtet hätte.
4.1. Wie das Arbeitsgericht unter II. 1. c) seiner Entscheidungsgründe unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend ausgeführt hat, kann der Arbeitgeber auf das Recht zur Erklärung einer Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. Im Ausspruch einer Er- oder Abmahnung liegt regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Denn der Arbeitgeber gibt mit einer Er- bzw. Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, dass es nicht mehr fortgesetzt werden könnte. Dies gilt allerdings nicht, wenn gemäß §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als erledigt ansieht.
4.2. Zu einem solchen Verzicht hat die Klägerin zwar durch die Darstellung des Gesprächs mit dem Zeugen X hinreichend vorgetragen, sie konnte ihren Vortrag jedoch nicht zur Überzeugung der Berufungskammer im Sinne von § 286 Abs. 1 ZPO beweisen. Dies geht zu ihren Lasten, da die Beklagte den Vortrag erheblich bestritten hat und da der behauptete Verzicht eine ihr günstige Tatsache darstellt, die sie nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen hat.
4.3. Die Berufungskammer ist unter Berücksichtigung des Inhalts der Verhandlungen nach Vernehmung der Zeugen X und S nicht zu der nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Überzeugung gelangt, dass die klägerische Darstellung des Gesprächs für wahr zu erachten ist.
Der Zeuge X hat bei seiner Vernehmung am 10.07.2019 das Beweisthema nicht bestätigt. Im Gegenteil hat er ausgesagt, dass die klägerische Behauptung unrichtig sei. Er hat ausgeführt, dass er hinsichtlich des „Themas“ (gemeint: die Reisekostenabrechnungen) lediglich auf die Zuständigkeit von „HR“ verwiesen habe. Die Frage, ob die Begriffe „Abmahnung“ oder „Ermahnung“ gebraucht wurden, hat der Zeuge verneint. Bereits aus diesen Gründen ist seine Aussage nicht geeignet, die Überzeugung der Berufungskammer von der Richtigkeit der klägerischen Darlegungen zu stützen.
Auch die Vernehmung des Zeugen S vermochte diese Überzeugung nicht zu begründen. Aus eigener Wahrnehmung konnte er das behauptete Geschehen nicht bestätigen; nach seiner Aussage (wie auch nach der Darstellung der Klägerin) war er bei der angeblichen Abmahnung nicht dabei. Er konnte letztlich nur wiedergeben, was die Klägerin ihm per E-Mail und vor allem im nachfolgenden Telefonat ihrerseits mitgeteilt hatte. Davon abgesehen trägt seine Aussage auch nicht die Annahme, dass die Klägerin nach dem behaupteten Gespräch mit Herrn X davon ausgehen durfte, die Angelegenheit der fehlerhaften Reisekostenabrechnungen sei bereits erledigt. Wie er ausgeführt hat (S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 26.07.2019; Bl. 1153 d. A.), hätten er und die Klägerin Herrn X so verstanden, dass er mit Frau W eine Entscheidung getroffen habe, die zwar hätte „bei der Personalabteilung durchgehen können“, gegen die aber „aufklärender Widerstand von Seiten der Personalabteilung“ zwar nicht wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen war (Seite 7 der genannten Sitzungsniederschrift; Bl 1154 d. A.). Wenn aber noch beim Telefonat des Herrn S mit der Klägerin die Angelegenheit durch das Gespräch mit Herrn X nicht als abgeschlossen betrachtet werden konnte, so spricht dies gegen und nicht für die abschließende Erledigung durch die mündliche Äußerung des Zeugen X. Damit wurde das Beweisthema im entscheidenden Punkt auch durch die Aussage des Zeugen S nicht bestätigt.
Auch die Aussage der Klägerin im Rahmen ihrer Parteivernehmung reicht nicht hin, um die erforderliche Gewissheit hinsichtlich der abschließenden Erledigung der Angelegenheit durch Herrn X zu gewinnen. Zwar kann ihrer Aussage entnommen werden, dass sie und Herr X von einer weiteren Zusammenarbeit und damit nicht von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen sind. Auch nach ihrer Aussage stand jedoch die möglicherweise noch erforderliche Einschaltung des Herrn V im Raum. Dies spricht, wie die Aussage des Herrn S, gegen und nicht für eine bereits abgeschlossene Erledigung der Angelegenheit. Auch die von der Klägerin bekundete Äußerung des Herrn X, er wisse nicht, was mit seinen Mitarbeitern passiere, weist auf eine durchaus vorhandene Einflussmöglichkeit der Personalabteilung hin, womit eine restliche Unsicherheit weiter angenommen werden musste. Die Aussage der Klägerin bestätigt mithin ihren Vortrag, dass sie mit Herrn X über die arbeitsrechtliche Reaktion der Beklagten auf die fehlerhaften Reisekostenabrechnungen gesprochen hat und dass dieser in Absprache mit seiner Vorgesetzten die Erteilung einer Abmahnung für ausreichend gehalten hat, nicht jedoch, dass er für sich in Anspruch genommen hat, die Angelegenheit für die Beklagte verbindlich abzuschließen. Die Klägerin mag hiervon subjektiv überzeugt sein; dass diese Einschätzung objektiv berechtigt gewesen wäre, ist auch ihrer eigenen Einlassung nicht zu entnehmen.
Daran ändert sich auch nichts, wenn ihre Behauptung als wahr unterstellt wird, sie habe sich bei Herrn X noch per E-Mail bedankt und habe somit angenommen, dass die Angelegenheit erledigt sei. Denn auch dann kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihre subjektive Einschätzung aus maßgeblicher Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) gerechtfertigt gewesen wäre.
Die klägerische Einschätzung, die Vernehmungen des Zeugen S und ihrer Person hätten ein eindeutiges Bild – im Sinne einer mündlichen Abmahnung – ergeben, vermag die Berufungskammer mithin nicht zu teilen. Von einem „Verbrauch“ des Kündigungsgrundes kann vielmehr nicht ausgegangen werden.
5. Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
5.1. Eine Kündigung ist nach dieser Vorschrift unwirksam, wenn eine Unterrichtung des Betriebsrats ganz unterblieben ist, aber auch schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht richtig nachgekommen ist Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe der Kündigung mitzuteilen. Der notwendige Inhalt der Mitteilung genügt nur dann dem Sinn und Zweck des Beteiligungsverfahrens, wenn sich der Betriebsrat über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe für seine Stellungnahme ein eigenes Bild machen kann. Denn Sinn und Zweck der Unterrichtung bestehen darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d. h. ggf. zu Gunsten des betroffenen Arbeitnehmers, auf den Arbeitgeber einzuwirken.
Hinsichtlich der Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der subjektiven Determinierung. Der Arbeitgeber muss danach dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Diese muss er jedoch vollständig und damit unter Einbeziehung etwaiger entlastender Momente mitteilen. Die Darlegung muss so detailliert sein, dass der Betriebsrat sich ohne eigene Nachforschungen ein Bild über ihre Stichhaltigkeit machen und beurteilen kann, ob Bedenken gegen die Kündigung erhoben oder Widerspruch eingelegt werden soll. Dagegen muss sie nicht so ausgestaltet sein, dass dem Betriebsrat die selbstständige rechtliche Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung ermöglicht wird. Die Mitteilungspflicht geht nicht so weit wie die Darlegungslast im Prozess.
Seiner Mitteilungspflicht kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen – und damit irreführenden – Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam. Die unrichtige oder unvollständige Unterrichtung kann durch Aufbereitung der mitgeteilten Tatsachen, aber auch in Gestalt der Weglassung den Arbeitnehmer entlastender Informationen erfolgen. Allerdings tritt die Unwirksamkeitsfolge nicht ein, wenn die bewusst irreführend dargestellten bzw. weggelassenen Tatsachen nur eine unzutreffende Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts bewirken.
Eine zwar vermeidbare, aber unbewusst erfolgte, „bloß“ objektive Fehlinformation führt dagegen für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber bei größerer Sorgfalt die richtige Sachlage hätte kennen können. Maßgeblich ist, ob er subjektiv gutgläubig war und ob trotz objektiv falscher Unterrichtung dem Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung Genüge getan ist. Dies ist bei einer unbewussten Falschinformation dann der Fall, wenn sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem tatsächlichen Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt und der Betriebsrat damit auf derselben Tatsachenbasis wie dieser auf dessen Kündigungsabsicht einwirken kann.
An einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die Kündigungsgründe i. S. d. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlt es wiederum dann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat für dessen Beurteilung bedeutsame, zuungunsten des Arbeitnehmers sprechende, objektiv unzutreffende Tatsachen mitteilt, von denen er selbst durchaus für möglich hält, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um eine unbewusste Fehlinformation. Der Arbeitgeber ist nicht gutgläubig. Er stellt vielmehr seinen Kenntnisstand bewusst als umfassender dar, als er es in Wirklichkeit ist. Er nimmt damit in Kauf, den Betriebsrat in unzutreffender Weise zu unterrichten.
Allerdings ist die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, d. h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert.
Neben den eigentlichen Kündigungsgründen hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat grundsätzlich auch die Personalien des zu kündigenden Arbeitnehmers wie auch die Beschäftigungsdauer und die Kündigungsart mitzuteilen. Die subjektive Determination des Anhörungsverfahrens gestattet es dem Arbeitgeber nicht, auf die Mitteilung persönlicher Umstände ganz zu verzichten, wenn er sie nicht berücksichtigt hat. Dem Zweck der Norm entsprechend, muss der Arbeitgeber die Sozialdaten des Arbeitnehmers grundsätzlich auch bei einer Verdachtskündigung mitteilen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den Sozialdaten um Umstände handelt, die nicht das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers selbst betreffen. Nach Sinn und Zweck der Anhörung darf der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung keine persönlichen Umstände des Arbeitnehmers vorenthalten, die sich im Rahmen der Interessenabwägung entscheidend zu seinen Gunsten auswirken können. Der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung steht die fehlende Mitteilung der genauen Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers an die Arbeitnehmervertretung aber dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber wegen der Schwere der Kündigungsvorwürfe auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt und die Arbeitnehmervertretung die ungefähren Daten sowieso kennt und daher die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers ausreichend beurteilen kann.
Diese Grundsätze entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. insbesondere Urteil vom 16.07.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99, Urteil vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01, Urteil vom 22.09.1994 – 2 AZR 31/94, BAGE 78, 39, insbes. Rn. 26 ff., alle juris, vgl. ferner APS-Koch, § 102 BetrVG, Rn 86 ff., Rn. 163 ff., ErfK-Kania, § 102 BetrVG, Rn. 5 ff., jeweils mit zahlreichen Nachw.), der sich die erkennende Berufungskammer anschließt.
Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, es bestehe ein Betriebsrat, weswegen vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG erforderlich sei, so obliegt es im Kündigungsschutzprozess dem Arbeitgeber darzulegen, dass die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist. Da es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung handelt, trifft den Arbeitgeber insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers darf sich der Arbeitnehmer aber nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung weiter pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten, vielmehr hat er nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen darzulegen, ob der Betriebsrat entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden sei oder in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder für unvollständig hält (BAG, Urteil vom 24.04.2008 – 8 AZR 268/07, NZA 2008, 1314, juris, APS-Koch, § 102 BetrVG, Rn. 163 ff.).
5.2. Die Beklagte hat den Betriebsrat hier vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt. Die Beklagte hat den Betriebsrat ausreichend konkret über den von ihr behaupteten Kündigungsgrund informiert, wie von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gefordert.
5.2.1. Soweit die Klägerin die Mitteilung fehlerhafter Sozialdaten an den Betriebsrat rügt, greifen ihre Erwägungen nicht durch. Weder das (nur) auf dem Deckblatt der Anhörung (Anlage B 19, S. 1; Bl. 173 d. A.) fehlerhaft angegebene Eintrittsdatum noch die dort unzutreffend genannte Abteilung oder die fehlende Information über die Schwerbehinderung eines der beiden Kinder der Klägerin führen zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
Hinsichtlich des fehlerhaften Eintrittsdatums gilt dies schon deshalb, weil angesichts eines etwa 17-jährigen Bestehens des Arbeitsverhältnisses nur eine um neun Monate, in der Relation also marginal längere Betriebszugehörigkeit genannt wurde. Die fehlerhafte Angabe ließ die Klägerin auch, wenn auch im geringen Maße, stärker und keinesfalls weniger schutzbedürftig erscheinen als die korrekte, etwas kürzere Beschäftigungsdauer. Sie war also eher geeignet, die Neigung des Betriebsrats zu verstärken, sich bei der Beklagten für die Klägerin zu verwenden, als hiervon abzusehen. Eine negative Auswirkung auf die Klägerin lässt die fehlerhafte Angabe also nicht befürchten.
Es hilft der Klägerin auch nicht, dass die Schwerbehinderung eines ihrer Kinder keine Erwähnung gefunden hat. Dies ergibt sich daraus, dass in der Gesamtwürdigung im Anhörungsscheiben (dort unter Nr. 8, Bl. 183 f. d. A.) Sozialdaten keinerlei Erwähnung finden. Daraus wird – entgegen klägerischer Auffassung – klar ersichtlich, dass es der Beklagten für die beabsichtigten Kündigungen ausschließlich auf die Schwere der Pflichtverstöße, derer sie die Klägerin zumindest verdächtigte, in keiner Weise aber auf die soziale Situation der Klägerin ankam. Somit genügt es, wie oben ausgeführt, dass dem Betriebsrat die ungefähren Daten bekannt waren; dies ist hier schon deshalb der Fall, weil dem Betriebsrat auf der ersten Seite des Anhörungsschreibens mitgeteilt wurde, dass die Klägerin zwei unterhaltsberechtigte Kinder habe.
5.2.2. Ohne Bedeutung ist auch die fehlerhaft angegebene Organisationseinheit. Die der Klägerin angelasteten Verfehlungen bzw. der entsprechende Verdacht, wie im Anhörungsschreiben geschildert, sind nach der Darstellung der Beklagten völlig unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisationseinheit. Dass sich die fehlerhafte Angabe als nachteilig für die Klägerin hätte auswirken können, ist auch nicht ansatzweise ersichtlich.
5.2.3. Die Anhörung verstößt auch nicht deshalb gegen § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, weil sie dem Betriebsrat nicht die Prüfung der Erklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB ermöglicht hat. Wie oben dargestellt, dient die Beteiligung des Betriebsrats nicht der vollständigen rechtlichen Überprüfung der beabsichtigten Kündigung durch diesen; entsprechend ist auch der Umfang der Mitteilungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG geringer als die Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Dem widerspricht die Klägerin, wenn sie die – mithin unzutreffende – Auffassung vertritt, der Betriebsrat müsste vom Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, selbst die Wahrung des § 626 Abs. 2 BGB zu überprüfen.
5.2.4. Aus denselben Gründen geht die klägerische Rüge fehl, dass dem Betriebsrat die Einhaltung der internen Richtlinien bei der Ermittlung der Kündigungsgründe nicht ermöglicht worden sei.
5.2.5. Ohne Erfolg macht die Klägerin auch geltend, die Unterrichtung des Betriebsrats sei fehlerhaft zum einen wegen der Angabe, die Klägerin habe in der Anhörung am 13.06.2016 eingeräumt, der Kauf der Weinflaschen am 03.03.2016 sei wohl privat veranlasst gewesen, und zum zweiten wegen der Mitteilung, die Klägerin habe in der Anhörung am 13.06.2016 behauptet, sie habe am 31.05.2016 nach dem Besuch der IFAT-Messe Lebensmittel gekauft und verzehrt, während sie mit einer Praktikantin Material ausgewertet habe. Die Klägerin vertritt zwar die Auffassung, diese Angaben seien unzutreffend und zudem bewusst unrichtig zur Täuschung des Betriebsrats erfolgt. Sie lässt jedoch dazu den – im Rahmen der abgestuften Darlegungslast hierfür erforderlichen – konkreten Vortrag vermissen.
5.2.5.1. Hinsichtlich der ersten Rüge kommt eine Unwirksamkeit nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG schon deshalb nicht in Betracht, weil die entsprechende Mitteilung auch im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit nur eine – als solche nach dem oben Ausgeführten unschädliche – unzutreffende Ergänzung des dem Betriebsrat mitgeteilten Sachverhalts darstellen würde. Denn die Beklagte hat den – als Reisekosten abgerechneten – Kauf von insgesamt zehn Flaschen Wein zwischen dem 28.02. und dem 03.03.2016 im Anhörungsschreiben dargestellt und zusammengefasst dahin gewertet, dass eine dienstliche Veranlassung für den Kauf mehrerer Flaschen Wein nicht zu erkennen sei. Weder hat sie ausschließlich den Kauf der beiden Flaschen am 03.03.2016 als Kündigungsgrund angeführt noch hat sie bei ihrer Darstellung darauf ein besonderes Gewicht gelegt. Die – nach Angaben der Klägerin unzutreffend – ihr zugeschriebene Äußerung wurde in der Würdigung der Tatsachen von der Beklagten nicht einmal erwähnt. Auch wenn das von der Beklagten der Klägerin zugeschriebene Zitat also inhaltlich unzutreffend sein sollte, hätte dieser Fehler den Zweck der Betriebsratsbeteiligung nicht zu vereiteln vermocht, sodass er nicht die Unwirksamkeit der Betriebsratsbeteiligung nach sich ziehen kann.
Im Übrigen spricht das „Memo“ gemäß Anl. B 33 (Bl. 413 ff. d. A.) durchaus dafür, dass die Mitarbeiterinnen der Beklagten die Klägerin bei der Anhörung so verstanden haben, wie von der Beklagten dem Betriebsrat mitgeteilt. Auf Seite 4 des „Memos“ ist nämlich festgehalten, dass die Klägerin eingeräumt hat, der Einkauf von zwei Flaschen Wein am Abreisetag sei wohl privat veranlasst gewesen. Dass das „Memo“ ein Gedächtnisprotokoll der Anhörung darstellt, hat die Beklagte hinreichend behauptet, die Klägerin jedoch nicht im Sinne von § 138 Abs. 2 ZPO erheblich bestritten, sodass die Behauptung der Beklagten der Entscheidung nach § 138 Abs. 3 ZPO zugrunde zu legen ist. Die Stellungnahme der Klägerin zu dieser Behauptung erschöpft sich letztlich in der Äußerung, dem Schriftstück komme keinerlei Beweiswert zu. Sie macht damit weder geltend, es handle sich um ein lediglich vorgetäuschtes Protokoll, noch zeigt sie Umstände auf, warum es nicht geeignet sein soll, das von den die Anhörung durchführenden Mitarbeiterinnen Wahrgenommene wiederzugeben.
Sollte die Beklagte den Betriebsrat insoweit objektiv falsch informiert haben, dies aber unbewusst, führt dies nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht zur Fehlerhaftigkeit des Beteiligungsverfahrens. Denn ausweislich des „Memos“ entsprach der Kenntnisstand der Beklagten der Information des Betriebsrats und ermöglichte diesem somit, auf die Beklagte zugunsten der Klägerin einzuwirken.
5.2.5.2. Auch hinsichtlich des Komplexes „IFAT-Messe“ ist es der Klägerin nicht ge lungen, hinreichende Indizien für eine bewusst fehlerhafte Information des Betriebsrats durch die Beklagte aufzuzeigen. Sie verweist hierzu darauf, dass die Praktikantin, Frau O, von der Beklagten mit dem Ziel unter Druck gesetzt worden sei, anzugeben, dass sie nicht anwesend gewesen sei, als die Klägerin Verpflegung zu sich genommen habe, sich Frau O dann am 20.06.2016 entsprechend gegenüber der Beklagten geäußert habe, und am 21.06.2016 dem Betriebsrat die angebliche inhaltlich abweichende Äußerung der Klägerin während ihrer Anhörung mitgeteilt worden sei. Die Argumentation ist aber nicht schlüssig. Es erschließt sich nämlich zum Einen nicht, warum die Angabe der Frau O vom angeblich ausgeübten Druck beeinflusst gewesen sein soll. Denn sie entspricht unstreitig der Wahrheit; die Klägerin gibt selbst an, dass es kein Essen während einer gemeinsamen Durchsicht von Unterlagen gegeben habe. Es ist des Weiteren nicht nachzuvollziehen, warum die Beklagte das Erfordernis gesehen haben sollte, der Klägerin ein falsches Zitat unterzuschieben, wenn doch der unstreitige Sachverhalt dafür spricht, dass sie auf dem Nachhauseweg nach Beendigung der Arbeitstätigkeit Lebensmittel gekauft und gegessen hat, diese jedoch als Reisekosten erstattet verlangt hat.
Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang weiter angesprochenen Ungereimtheiten vermögen nicht ihre Annahme zu stützen, der Beklagten sei eine bewusste Irreführung des Betriebsrats hinsichtlich der genannten Behauptung gegenüber dem Betriebsrat anzulasten.
Im Übrigen gilt auch hier, dass gegen eine bewusst wahrheitswidrige Angabe der Umstand spricht, dass im „Memo“ gemäß Anlage B 33 (Bl. 413 ff. d. A.) auf Seite 1 und 2 festgehalten wurde, die Klägerin habe die Produkte gekauft und verzehrt, während sie mit einer Praktikantin Materialen ausgewertet habe. Schließlich bleibt festzuhalten, dass die Klägerin mit – unstreitiger – Mail vom 09.06.2016 an Herrn C (vgl. Anl. B 18, Bl. 171 f. d. A.) unter Nr. 4 angegeben hatte, „wir“ hätten in der Stadt gegessen, womit sie sich selbst und „G“, also die Praktikantin, gemeint hatte, wie der Gesamtzusammenhang der Notiz ergibt. Das „Memo“ spricht auch insoweit nicht für eine sachlich unrichtige Angabe der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat, sondern für das Gegenteil.
Auch hinsichtlich dieser angeblichen Fehlinformation gilt wiederum, dass eine unbewusste, objektiv falsche Mitteilung an den Betriebsrat nicht zur Unwirksamkeit des Beteiligungsverfahrens führt. Wiederum trifft es zu, dass der Inhalt der Mitteilung dem Kenntnisstand der Beklagten entsprach und dem Betriebsrat somit die Möglichkeit eröffnet war, auf die Beklagte zugunsten der Klägerin einzuwirken.
6. Der Kündigungsschutzklage musste mithin der Erfolg versagt bleiben.
II.
Weitere Kündigungen
Das Rechtsmittel der Klägerin ist auch unbegründet, soweit sie ihre Kündigungsschutzklagen gegen die ordentliche Kündigung vom 27.06.2016 und gegen die außerordentliche Kündigung sowie gegen die ordentliche Kündigung vom 20.01.2017 weiterverfolgt.
1. Die Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche Kündigung vom 27.06.2016 hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Ablauf der Kündigungsfrist bereits beendet war. Wie unter I. ausgeführt, hat es mit Zugang der fristlosen Kündigung vom selben Tage geendet.
2. Die Klagen gegen die außerordentliche Kündigung und gegen die ordentliche Kündigung vom 20.01.2017 sind unbegründet, weil – in Folge der wirksamen außerordentlichen Kündigung vom 27.06.2016 – bei ihrem Zugang bereits kein Arbeitsverhältnis der Parteien mehr bestand.
3. Die Berufung muss damit auch insoweit ohne Erfolg bleiben.
III.
Weiterbeschäftigung
Das Rechtsmittel der Klägerin bleibt schließlich auch ohne Erfolg, als sie ihre Klage auf Weiterbeschäftigung weiterverfolgt.
Da die Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG weder behauptet noch ersichtlich sind, kommt eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Beklagten nur nach den Grundsätzen des sogen. allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß §§ 611 a, 613, 242 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. grundlegend: BAG, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84, juris). Danach kann der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung nur verlangen, wenn er im Kündigungsrechtsstreit obsiegt hat. Hieran fehlt es jedoch, wie sich aus den Ausführungen unter I und II ergibt.
B.
Berufung der Beklagten
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses verurteilt.
Es ist zwar gemäß §§ 109 Abs. 1, 6 Abs. 2 GewO ein Anspruch der Klägerin auf Zeugniserteilung entstanden, der jedoch gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen ist. Die Klägerin hat im Termin vom 26.07.2019 ausdrücklich eingeräumt, dass sie von der Beklagten ein qualifiziertes Zeugnis erhalten hat. Da der Anspruch damit nicht mehr besteht, war das Ersturteil entsprechend abzuändern.
C.
Kosten
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
D.
Keine Zulassung der Revision/Rechtsmittelbelehrung
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind. 


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben