Arbeitsrecht

Zur gerichtlichen Überprüfbarkeit eines durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages zur Durchführung einer hauszentrierten Versorgung

Aktenzeichen  L 12 KA 149/14

Datum:
14.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 120140
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 278, § 317, § 319 Abs. 1, § 664 Abs. 1
GKV-FinG Art. 15 Nr. 4
HzV § 1 Abs. 11, Abs. 12, § 2, § 5, § 6, § 9a, § 10, § 12 Abs. 1, § 13, § 19
SGB V § 12, § 53 Abs. 3 S. 2,Abs. 9 S. 1, § 69 Abs. 1 S. 3, § 70, § 71, § 73 Abs. 1, Abs. 4, § 73b, § 89, § 96 Abs. 1 S. 3, § 132a Abs. 2, § 295a
SGG § 55 Abs. 1, § 99 Abs. 3, § 153 Abs. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB X § 80

 

Leitsatz

1 Zur Rechtmäßigkeit eines durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages zur Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4a S. 1 SGB V. (Rn. 27 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 28 KA 696/12 2014-07-16 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.07.2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht München hat mit dem angefochtenen Urteil vom 16.07.2014 die Klage der Klägerin gegen den Schiedsspruch vom 13.02.2012 zu Recht abgewiesen. Der Schiedsspruch vom 13.02.2012 entspricht in vollem Umfang der Sach- und Rechtslage.
Der Senat weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurück.
Die Einwände der Klägerin im Berufungsverfahren führen zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Die Klägerin hat die Klage zu Recht als Feststellungsklage i. S. v. § 55 Abs. 1 SGG erhoben. Das für eine Feststellungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis ist im Hinblick auf die nach wie vor bestehenden Meinungsunterschiede zwischen den Beteiligten insbesondere hinsichtlich des ebenfalls geschiedsten Folgevertrages vom 10.12.2014 ohne Weiteres gegeben. Die Klage richtet sich auch zu Recht gegen die Beklagte und nicht gegen die Schiedsperson. Dies ergibt sich daraus, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.03.2015 Juris Rn. 55, BSGE 118, 164 bis 200, Rn. 55). Für die Begründetheit der Feststellungsklage ist zwar in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Vorliegend ist jedoch vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 13.02.2012 auszugehen, weil die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht.
Gerichtlicher Prüfungsmaßstab
Der gerichtliche Prüfungsmaßstab erstreckt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht über die Einhaltung zwingenden Gesetzesrechts hinaus auch auf die Frage, ob der Vertrag in seinen zentralen Festlegungen der gesetzlichen Grundkonzeption einer hausarztzentrierten Versorgung entspricht und geeignet ist, die Ziele der hausarztzentrierten Versorgung zu verwirklichen. Die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V unterliegt demgegenüber nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Der Schiedsspruch ist nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Ansicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Es ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten hat, d. h. die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat. Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich nach alledem nach dem in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.03.2015, B 6 KA 9/14, Juris Rn. 58 sowie Beschluss des Senats vom 05.10.2015, L 12 KA 83/15 B ER, Rn. 106). Diesen Maßstab hat auch die Schiedsperson in der Entscheidung vom 13.02.2012 – wenn auch in Anlehnung an § 132a Abs. 2 SGB V – zugrunde gelegt (vgl. S. 17/18 der Entscheidungsbegründung).
Kein Verstoß gegen § 73b Abs. 5a Sätze 1 bis 4 und Abs. 8 SGB V i. d. F. des GKV-FinG Der HzV-Vertrag war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf der Grundlage des § 73b SGB V i. d. F. des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG – vom 22.12.2010, BGBl. I S. 2309) festzusetzen (dort wurde mit Wirkung vom 22.09.2010 – Art. 15 Nr. 4 GKV-FinG ein neuer Absatz 5a aufgenommen, wobei durch die Neuregelungen das Wirtschaftlichkeitsgebot in der HzV dadurch gestärkt werden sollte, dass für die ab dem 22.09.2010 geschlossenen bzw. durch Schiedsspruch festgesetzten HzV-Verträge ausdrücklich die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität festgeschrieben wurde und die Höhe der Vergütung in der HzV begrenzt wurde bzw. ihre Steigerung unter bestimmten Voraussetzungen durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den HzV-Verträgen erzielt wurden, zu finanzieren waren), sondern auf der Grundlage des § 73b SGB V in der bis zum 21.09.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008. In der Begründung zum Schiedsspruch ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Begriff der Anschlussvereinbarung in § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a. F. nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass ein neuer HzV-Vertrag an den früheren HzV-Vertrag in zeitlicher Hinsicht anknüpfen müsse. Andernfalls könnten die Vertragspartner durch ein Hinauszögern der Vertragsverhandlungen den zeitlichen Zusammenhang mit dem früheren HzV-Vertrag aufheben mit der Folge, dass keine Anschlussvereinbarung zustande käme. Der Begriff der Anschlussvereinbarung ist daher im Sinne einer Folgevereinbarung zu verstehen und ist entgegen der Ansicht der Klägerin gerade nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur solche Verträge umfasst sein sollen, die in zeitlicher Hinsicht Verträgen folgen, die vor dem 22.09.2010 zustande gekommen waren und durch Ablauf der Vertragslaufzeit oder durch ordentliche Kündigung beendet wurden. Insbesondere aus der Gesetzesbegründung (vgl. Begründung Gesetzentwurf zum GKV-FinG BT-Drucks. 17/3040, S. 23, S. 36 zu Nr. 5a wie auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks. 17/3696, S. 46) ergibt sich, dass durch den gesetzgeberisch gewollten Bestandsschutz die im Koalitionsvertrag vorgesehene Evaluation der HzV-Verträge gewährleistet werden soll, „ohne dass das Ergebnis dieser Bewertung durch zwischenzeitliche Änderungen der für die hausarztzentrierte Versorgung maßgeblichen Regelungen erschwert“ wird. Gerade im Hinblick auf dieses wesentliche gesetzgeberische Ziel ist es ausgeschlossen, bei der Frage des Vorliegens und der Statthaftigkeit einer Anschlussvereinbarung zwischen ordentlich und außerordentlich gekündigten Altverträgen zu differenzieren. Die Regelung des § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V dient also nicht dem individualrechtlichen Vertrauensschutz einer oder beider Vertragsparteien, sondern sie soll sicherstellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung als alternatives Versorgungsmodell evaluiert werden kann, was nach Ansicht des Gesetzgebers nur bei einigermaßen stabilen gesetzlichen Rahmenbedingungen gewährleistet ist. Bestandsschutz meint also objektiven Systemschutz, nicht subjektiven Vertrauensschutz (vgl. Kingreen als Schiedsperson i. S. v. § 73b in dem Parallelschiedsspruch zwischen der Beklagten und den Ersatzkassen vom 17.02.2012, S. 9).
Missachtung des Gebots der Selbsttragung eines Wahltarifs Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch kein Verstoß des Schiedsspruchs gegen das Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs (§ 53 Abs. 9 SGB V) vor, der vorsieht, dass die Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die hausarztzentrierte Versorgung grundsätzlich über Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden müssen. Es bestehen zwar insofern Bedenken gegen die Auffassung des SG B-Stadt in der zugrunde liegenden Entscheidung (Urteil vom 16.07.2014, S 28 KA 696/12 – juris Rn. 47 f.), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs. 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine „Aufwendungen für den Wahltarif“ i. S. d. § 53 Abs. 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der „Aufwendungen für den Wahltarif“ dürfte umfassender zu verstehen sein (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.03.2015, Rn. 78). Dies kann vorliegend aber offen bleiben. Denn die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV für den vorliegenden geschiedsten Vertrag kann nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs. 9 SGB V unterlaufen werden (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.11.2011 – L 3 KA 104/10 B ER, juris Rn. 48). Maßgebend ist die für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige Regelung des § 73b SGB V. Deshalb ist § 53 Abs. 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen, als nicht allein darin ein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs. 9 SGB V gesehen werden kann, wenn die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte. Im Übrigen betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs. 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verletzt der geschiedste HzV-Vertrag auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§§ 12 Abs. 1, 70 SGB V) ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt und gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Diesen Anforderungen wird der Schiedsspruch und seine Begründung gerecht. Aus der Begründung ist zu ersehen, dass die Schiedsperson zunächst eine einvernehmliche Regelung zwischen den Beteiligten erreichen wollte, ein solches Einverständnis aber nicht mal ansatzweise erzielt werden konnte. Die Schiedsperson ist daher in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass das finanzielle Risiko der Antragsgegnerin aus dem HzV-Vertrag durch eine Regelung begrenzt werden müsse. Da nach zutreffender Auffassung der Schiedsperson eine Beschränkung des Zugangs der Versicherten zur HzV auf einen bestimmten Prozentsatz der Versicherten rechtlich nicht zulässig war, hat die Schiedsperson das von der Klägerin an die Beklagte zu leistende Honorar auf ein Höchstvolumen von 70 Millionen Euro pro Jahr begrenzt. Diese Grenze von 70 Millionen wurde unter umfangreicher Abwägung schon bekannter Daten und der Prognose über die weitere Entwicklung ausgewogen festgelegt. Dabei ging die Schiedsperson im Vergleich zu der sehr hohen Einschreibungszahl von knapp 2,6 Millionen Versicherten (bei entsprechend hohen Leistungsausgaben der Beklagten im Jahr 2010 für HzV-Leistungen in Höhe von ca. 400 Millionen Euro) im HzV-Altvertrag von nur mehr 1,5 Millionen eingeschriebenen Versicherten (bei einer noch deutlicher reduzierten Vergütungsobergrenze von 70 Millionen Euro) für den neuen HzV-Vertrag aus. Dass die Prognoseentscheidung zur Einschreibungszahl mit zuletzt 600.000 Versicherten nochmals deutlich geringer im Vergleich zur Einschreibungszahl des HzV-Altvertrages ausfiel, macht die Prognoseentscheidung in dem streitgegenständlichen Schiedsspruch nicht rechtswidrig, weil nicht erkennbar ist, dass die Prognose auf unrichtigen Tatsachen oder unrichtigen bzw. unsachlichen Erwägungen beruht. Insbesondere konnte die Schiedsperson noch nicht die Abschaffung der Praxisgebühr zum 01.01.2013 aufgrund des Beschlusses des Bundestages vom 09.11.2012 in die Überlegungen miteinbeziehen. Die Befreiung von der Praxisgebühr bei Einschreibung in den HzV-Altvertrag war wohl ein wichtiger Grund für die hohe Einschreibungszahl in den HzV-Altvertrag. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.03.2015 im Rahmen einer Übergangsregelung für eine Fortgeltungsvereinbarung ab 01.04.2015 Honorarleistungen angeboten hat, die den Betrag von 70 Millionen Euro noch um 10% erhöhen und von der Klägerin insbesondere hervorgehoben wird, dass bei allen Vereinbarungen künftiger HzV-Verträge zur Vermeidung untragbarer Finanzrisiken eine feste Vergütungsbegrenzungsklausel zu vereinbaren ist. Ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot kann nach alledem nicht erkannt werden.
Keine unzulässige Einbeziehung systemfremder Dritter in den festgesetzten Vertrag Die Klägerin geht zu Unrecht davon aus, dass die HÄVG und die … Rechenzentrum AG als „faktische Vertragspartner“ rechtswidrig in den Vertrag einbezogen worden sind. Entscheidend ist allein, dass gemäß § 1 Abs. 3 HzV-Vertrag Vertragspartner des HzV-Vertrages lediglich die Krankenkasse und der Hausärzteverband sind. Demgegenüber ist die Rechtsstellung des … Rechenzentrum AG gemäß § 1 Abs. 11 HzV-Vertrag als das vom Hausärzteverband nach § 259a Abs. 2 SGB V als andere Stelle zu Abrechnungszwecken beauftragte und in Anlage 3 unter § 5 Abs. 1 benannte Rechenzentrum beschrieben. Die HÄVG schließlich ist gemäß § 1 Abs. 12 HzV-Vertrag der Erfüllungsgehilfe des Hausärzteverbandes zur Erfüllung bestimmter vertraglicher Verpflichtungen aus diesem HzV-Vertrag mit Ausnahme der Abrechnung. In § 2 Abs. 3 Satz 2 HzV-Vertrag ist hierzu passend geregelt, dass der Beklagte zur Gewährleistung einer vertragsgemäßen Abrechnung der hausärztlichen Leistungen gemäß § 295a Abs. 2 SGB V i. V. m. § 80 SGB X berechtigt ist, eine andere Stelle zu beauftragen, in § 2 Abs. 3 Satz 3 HzV-Vertrag ist schließlich geregelt, dass der Hausärzteverband als andere Stelle i. S. v. § 295a Abs. 2 SGB V i. V. m. § 80 SGB X das in Anlage 3 benannte Rechenzentrum beauftragt. Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 HzV-Vertrag ist der Beklagte weiter berechtigt, sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften bei der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen Dritter als Erfüllungsgehilfen zu bedienen (§ 278 BGB). Soweit die HÄVG im Rahmen des HzV-Vertrages erwähnt wird, erfolgt dies ausschließlich in Wahrnehmung ihrer Funktion als Erfüllungsgehilfe des Beklagten (§ 2 Abs. 4 Satz 2 HzV-Vertrag). Der Senat hat die Einbeziehung der HÄVG als Erfüllungsgehilfin des Beklagten bereits in einem den HzV-Altvertrag betreffenden Verfahren ausdrücklich nicht beanstandet (vgl. BayLSG, Beschluss vom 22.02.2011, Az.: L 12 KA 2/11 B ER, Rn. 70). Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankomme, ob der Beklagte ohne Einbeziehung der HÄVG faktisch nicht in der Lage wäre, seine vertraglichen Pflichten vollständig erfüllen; entscheidend ist lediglich, dass der Beklagte rechtlich hinsichtlich der ihm obliegenden Pflichten einsteht. Dies ist vorliegend ohne Zweifel der Fall.
Unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und den beteiligten Hausärzten Weiter ist es nicht zu beanstanden, dass der durch Schiedsspruch vom 13.02.2012 festgesetzte Vertrag unmittelbare Leistungs- und Abrechnungsbeziehungen zwischen der Klägerin und den einzelnen, an dem Vertrag teilnehmenden Hausärzten begründet. Dies widerspricht insbesondere nicht der Konzeption des § 73b SGB V. Der von Klägerseite diesbezüglich genannte § 73b Abs. 4 SGB V sieht hierzu vor, dass zur flächendeckenden Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung die Krankenkassen spätestens bis zum 30.06.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen haben. In § 73b Abs. 5 ist hierzu weiter geregelt, dass in den Verträgen nach Absatz 4 das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln ist. Die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung ist also im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zwischen Krankenkasse und „der Gemeinschaft“ zu regeln. Diese Befugnis geht im Rahmen eines Schiedsverfahrens wie vorliegend auf die Schiedsperson über.
Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages Es ist weiter auch nicht zu beanstanden, dass sich die Schiedsperson entgegen dem Anliegen der Klägerin für die Ausgestaltung des HzV-Vertrages als Vollversorgungsvertrag und nicht lediglich als Add-on-Vertrag entschieden hat. Die Schiedsperson hat im Rahmen des ihm zukommenden Ermessens die für und gegen die jeweiligen Vertragstypen maßgeblichen Gründe gesehen und gegeneinander abgewogen. So spricht nach Auffassung der Schiedsperson für einen Vollversorgungsvertrag, dass dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffnet, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzusehen, während durch Add-on-Verträge regelmäßig nur punktuelle Ansätze bei Leistungsverbesserungen, nicht aber solche strukturellen Verbesserungen gewährleistet würden. Zudem wurde berücksichtigt, dass auch für andere KÄV-Bezirke von den Schiedspersonen der Vertragsinhalt von HzV-Verträgen als Vollversorgungsverträge festgelegt wurden und auch im KÄV-Bezirk Bayerns sowohl eine große Ersatzkasse als auch zahlreiche Betriebskrankenkassen auf freiwilliger Basis im Wege von Anschlussvereinbarungen Vollversorgungsverträge mit dem Antragsteller abgeschlossen hätten und zudem auch der HzV-Altvertrag zwischen den Verfahrensbeteiligten als Vollversorgungsvertrag ausgestaltet gewesen sei. Dies spreche dagegen, dass es bei der Durchführung eines Vollversorgungsvertrages zu unüberwindlichen Schwierigkeiten käme. Ergänzend hierzu ist auszuführen, dass sich gerade mit einem Vollversorgungsvertrag das legislative Ziel eines obligatorischen Primärarztsystems wirksam erreichen lässt, indem die gesamte hausärztliche Versorgung einschließlich aller Behandlungsabläufe, der Dokumentation, Koordination und Lotsenfunktion in einer Hand, nämlich der des gewählten Hausarztes zusammengeführt wird und er zugleich besondere Qualitätsanforderungen erfüllt (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 05.10.2015, L 12 KA 83/15 B ER, Rn. 108). Die Schiedsperson hat mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum jedenfalls nicht überschritten.
Zulässigkeit einer uneingeschränkten Teilnahmemöglichkeit für alle Versicherten der Klägerin Der festgesetzte Vertrag ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht insofern unbillig und mit der Satzungshoheit der Klägerin unvereinbar, als er in § 1 Abs. 9 den Geltungsbereich auf alle Versicherten der Klägerin erstreckt. Zu Unrecht entnimmt die Klägerin aus § 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V a. F. ein Wahlrecht der Krankenkassen dahingehend, die hausarztzentrierte Versorgung von Kindern und Jugendlichen entweder über Verträge mit „Gemeinschaften, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten“ gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V anzubieten oder über gesonderte Verträge mit Kinderärzten. Den gesetzlichen Bestimmungen kann lediglich entnommen werden, dass das Angebot der hausarztzentrierten Versorgung von Kindern und Jugendlichen auf zwei Wegen, nämlich mittels des im Streit stehenden HzV-Vertrages oder mittels eines speziellen Vertrages mit Kinderärzten, erfolgen kann. Dies entbindet die Klägerin aber nicht ihrer Pflicht, allen ihren Versicherten die hausarztzentrierte Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V anzubieten. Die Schiedsperson hat diesbezüglich zu Recht darauf hingewiesen (S. 30 der Entscheidungsbegründung), dass die gesetzliche Regelung in § 73b SGB V den Ausschluss bestimmter Versichertengruppen gerade nicht vorsieht (vgl. hierzu bereits BayLSG, Urteil vom 01.12.2010, L 5 KR 261/10 KL ER, Rn. 19). Eine Mehrfachinanspruchnahme durch die Versicherten kann die Klägerin ohne Weiteres dadurch verhindern, dass sie in dem freiwilligen Vertrag zur Versorgung entsprechende Ausschlussbestimmungen vorsieht. Insgesamt steht das Wahlrecht, an welchem Vertrag sie teilnehmen wollen, allein den Versicherten zu. Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung ist ersichtlich, dass dieses Wahlrecht der Versicherten auf die Klägerin übertragen worden wäre.
Kündigung der Teilnahme unzumutbarer Leistungserbringer und Fehlen einer Loyalitätsklausel Entgegen der Ansicht der Klägerin ist schließlich der geschiedste HzV-Vertrag nicht deshalb unbillig, weil er keine Möglichkeit für die Klägerin vorsieht, Hausärzte, die sich ihr gegenüber illoyal verhalten oder wiederholt Falsch- oder Doppelabrechnungen von Leistungen vornehmen, von der Teilnahme am Vertrag auszuschließen. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich die Schiedsperson stattdessen für eine Kündigungsmöglichkeit allein des Beklagten entschieden hat. Gemäß § 5 Abs. 3 HzV-Vertrag ist der Hausärzteverband berechtigt und gegenüber der Krankenkasse verpflichtet, diesen HzV-Vertrag gegenüber dem Hausarzt mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Wichtige Gründe sind dabei insbesondere die Fälle von Doppelabrechnungen oder fehlerhaften Abrechnungen i. S. d. § 12 Abs. 1 HzV-Vertrag, der Verstoß gegen andere wesentliche Vertragspflichten oder der Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung in § 5 Abs. 3 HzV-Vertrag. Daneben treten die automatischen Beendigungsgründe gemäß § 5 Abs. 2 HzV-Vertrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG i. V. m. § 154 Satz 2 VwGO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.


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