Bankrecht

AGB-Kontrolle einer Rangrücktrittsvereinbarung

Aktenzeichen  27 O 8825/16

Datum:
14.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 149682
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
InsO § 38, § 39 Abs. 2, § 174 Abs. 1 S. 1, § 179, § 181

 

Leitsatz

1. Eine Rangrücktrittsklausel in den Bedingungen eines als „qualifiziert nachrangiges Unternehmensdarlehen“ bezeichneten Darlehens ist nicht ungewöhnlich, sondern im Gegenteil sein charakteristisches Wesensmerkmal. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine für den durchschnittlichen Verbraucher hinreichend verständlich formulierte Rangrücktrittsklausel verstößt nicht gegen das Transparenzgebot. (Rn. 38 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird das durch einen Rangrücktritt erhöhte Investitionsrisiko durch erhöhte Renditechancen ausgeglichen, stellt die Rangrücktrittsklausel keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders dar. (Rn. 43 – 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 9.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht München I ist gemäß § 180 Abs. 1 Satz 3 InsO und § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO örtlich sowie gemäß §§ 23 I, 72 I GVG sachlich zuständig.
Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt seit dem Bestreiten der Insolvenzforderung durch den Beklagten im insolvenzrechtlichen Prüfungstermin vor dem Amtsgericht München am 26.10.2016 gemäß §§ 179, 181 InsO vor.
B. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung (§ 179 Abs. 1, § 181 InsO). Die von dem Kläger angemeldeten Ansprüche sind gegenüber den in § 39 Abs. 1 InsO genannten Forderungen nachrangig. Die Regelung in § 5 des Investmentvertrags begründet eine wirksame Rangrücktrittsvereinbarung.
Die Rangrücktrittsklausel ist nach den §§ 305 ff BGB wirksam. Gemäß § 39 Abs. 2 InsO führt eine Rangrücktrittsklausel zwischen dem Gläubiger und dem Insolvenzschuldner dazu, dass die Forderungen des Gläubigers im Zweifel nach den in § 39 Abs. 1 Nr. 1-Nr. 5 InsO bezeichneten Forderungen berichtigt wird. Wegen der daraus resultierenden Nachrangigkeit der Insolvenzforderung des Klägers ist die Klageforderung daher nicht zur Tabelle festzustellen, § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO.
I.
Die Rangrücktrittsvereinbarung ist nach den gesetzlichen Regelungen des § 39 Abs. 2 InsO zulässig. Die ausdrücklich getroffene Vereinbarung erfüllt die an eine Rangrücktrittsvereinbarung zu stellende Mindestanforderung einer zweiseitigen Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger. Sie hat einen zulässigen Inhalt, weil sie einen Rangrücktritt der Forderung des Klägers vorsieht und nicht zu Lasten anderer Gläubiger geht (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2014, Az. IX ZR 137/13, abgedruckt in NJW-RR 2014, 937).
II.
Der streitgegenständliche § 5 des Vertrages „qualifizierter Rangrücktritt“ unterliegt der Kontrolle der §§ 305 ff. BGB, da es sich bei der Klausel um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingung handelt, die unstreitig von der Insolvenzschuldnerin wirksam einbezogen wurde.
1. Die qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung ist auch keine überraschende Klausel gemäß § 305 c BGB.
Klauseln sind nach § 305 c Abs. 2 BGB dann überraschend, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweichen und dieser mit ihnen den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages andererseits (BGH a.a.O., Rn. 12).
Zu den individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses hat der Kläger lediglich vorgetragen, er sei nicht hinreichend informiert worden. Abgesehen davon, dass bereits zweifelhaft erscheint, ob es sich hierbei um einen hinreichend substantiierten Vortrag handelt, hat der Beklagte alle Tatsachenbehauptungen des Klägers bestritten und der Kläger hat insoweit auch keinen Beweis angeboten, so dass der Kläger insoweit beweisfällig ist. Nach alledem kann sich der überraschende Charakter der Klausel nicht aus den individuellen Begleitumständen ergeben.
Auch nach den allgemeinen Begleitumständen liegt keine überraschende Klausel vor. Soweit der Kläger ausführt, ein Rangrücktritt im Sinne des § 39 Abs. 2 InsO sei objektiv ungewöhnlich und „typischerweise nicht zu erwarten“, verkennt der Kläger die vom Bundesgerichtshof insoweit aufgestellten Grundsätze (BGH, a.a.O., Rn. 16) gleich in mehrfacher Hinsicht.
Zum einen ist bereits fraglich, ob hier überhaupt eine objektiv ungewöhnliche Klausel, die erheblich vom dispositiven Gesetzesrecht abweicht, vorliegt. Aufgrund der Überschrift „qualifiziert nachrangiges Unternehmensdarlehen“ und der weiteren ausdrücklichen Hinweise im Vertrag – siehe hierzu sogleich – sowie eingedenk der vergleichsweise üppigen Verzinsung in Höhe von 7,25 % gemäß § 3 des Vertrags musste einem jeden vernünftigen Anleger klar sein, dass es sich bei dem vorliegenden Vertrag gerade nicht um einen gewöhnlichen Darlehensvertrag nach § 488 BGB handelt. Die Vertragsparteien haben vorliegend gerade nicht vereinbart, der Kläger solle sein Investment in jedem Falle und unabhängig von der Entwicklung der Insolvenzschuldnerin zurückerhalten, was im Rahmen eines Darlehensvertrages nach § 488 BGB üblich wäre. Eine Rangrücktrittsklausel ist bei einem nachrangigen Unternehmendarlehen gerade nicht ungewöhnlich, sondern ist im Gegenteil sein charakteristisches Wesensmerkmal. Aber selbst wenn man zu der Wertung gelangt, die formularmäßige Vereinbarung eines Rangrücktritts im Sinne des § 39 Abs. 2 InsO sei eine objektiv ungewöhnliche Klausel, führt dies nicht ohne Weiteres zu einer Anwendung des § 305 c BGB.
Denn derartige Klauseln verlieren ihre Eignung zur Überrumpelung, wenn der Verwender durch einen eindeutigen Hinweis auf sie aufmerksam macht. Der Überraschungscharakter einer allgemein ungewöhnlichen Klausel kann schon entfallen, wenn sie inhaltlich ohne Weiteres verständlich und drucktechnisch so hervorgehoben ist, dass erwartet werden kann, der Gegner des Verwenders werde von ihr Kenntnis nehmen.
Gemessen hieran hat § 5 des Vertrages eindeutig keinerlei Überraschungscharakter.
In der Kopfzeile einer jeden der drei Seiten des Vertrages wurde der streitgegenständliche Vertrag ausdrücklich als „qualifiziertes nachrangiges Unternehmensdarlehen“ bezeichnet. § 1 des Vertrags wiederholt diese Bezeichnung nochmals und verweist ausdrücklich auf § 5 des Vertrags. Dort wiederum findet sich mit dem Wort „Totalverlustes“ das einzige im Fließtext fettgedruckte Wort des Vertrages. § 5 des Vertrages ist in derselben Schriftgröße abgefasst wie der restliche Vertrag. Das Gericht kann den Einwand des Klägers, § 5 des Vertragstextes sei kleingedruckt, nicht nachvollziehen, da die gewählte Schriftgröße ohne Probleme lesbar ist. Der Vertrag umfasst auch lediglich drei Seiten. Es kann also keine Rede davon sein, § 5 des Vertrags sei dem Kläger gewissermaßen überraschenderweise „untergeschoben“ worden. Abgesehen davon, dass es einem Anleger durchaus zumutbar ist, einen lediglich drei Seiten umfassenden Vertrag auch durchzulesen, findet sich wie gezeigt in der Kopfzeile sowie in § 1 des Vertrages ein ausdrücklicher und unmissverständlicher Hinweis auf § 5 des Vertrags. Nach alledem liegt nach dem Gesamtbild eine drucktechnische Hervorhebung vor, aufgrund derer die Insolvenzschuldnerin davon ausgehen konnte, der Kläger werde von § 5 des Vertrags Kenntnis nehmen.
§ 5 des streitgegenständlichen Vertrags ist für einen juristischen Laien auch inhaltlich ohne Weiteres verständlich. Die Klausel ist ohne komplizierte juristische Fachbegriffe in gut verständlichem Deutsch formuliert. Auf die möglichen Rechtsfolgen und Risiken der Rangrücktrittsvereinbarung wird deutlich hingewiesen, das Totalverlustrisiko wird gar in Fettdruck hervorgehoben.
Dies ist ausreichend.
2. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt nicht vor.
Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, gängige Rechtsbegriffe zu erläutern oder den Vertragspartner über die hieraus folgenden Pflichten zu belehren. Vielmehr liegt es im eigenen Verantwortungsbereich des Vertragspartners, sich entsprechende Kenntnisse zu verschaffen (BGH, a.a.O., Rn. 25).
Diese Anforderungen sind erfüllt. Wie bereits ausgeführt war § 5 des Vertrags für einen durchschnittlichen Verbraucher hinreichend verständlich formuliert.
3. Die Rangrücktrittsklausel stellt auch keine unangemessene Behandlung im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.
a) Die Vereinbarung eines Nachranges für den Anspruch auf Darlehensrückzahlung enthält eine von den allgemeinen insolvenzrechtlichen Bestimmungen abweichende Regelung. Wegen §§ 38, 174 Abs. 1 InsO sind die angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger im Grundsatz gleichrangig und damit gleichmäßig zu befriedigen. Ob die Klausel deshalb gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung verstößt (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), weil der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zugleich ein tragendes und beherrschendes Prinzip des Insolvenzrechts ist, bedarf ebensowenig einer Entscheidung wie die vom Beklagtenvertreter aufgeworfene Frage, ob eine Prüfung der Angemessenheit wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 ausgeschlossen ist. Auch wenn die Vereinbarung eines Nachranges in formularmäßiger Form gegen wesentliche Grundgedanken des Insolvenzrechts verstoßen sollte und § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht anwendbar wäre, führt dies nur dann zu einer Unwirksamkeit der Klausel, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch im Anwendungsbereich des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung lediglich „im Zweifel“ anzunehmen.
b) Eine unangemessen Benachteiligung ist hier jedoch aufgrund der Interessenlage der Beteiligten auszuschließen.
Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der von der Klausel betroffenen Vertragspartner des Verwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten zu beantworten. Der Verwender darf nicht durch einseitige Vertragsbestimmung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versuchen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.
Insofern ist zu sehen, dass der Kläger im Hinblick auf seinen Tatsachenvortrag zum Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin, dem angeblichen „Schneeballsystem“ und seiner „nicht hinreichenden Unterrichtung“ beweisfällig geblieben ist. Insbesondere ist Seite 19 des Insolvenzgutachtens (Anlage K7) nicht mehr zu entnehmen, als dass nach Ansicht des Verfassers möglicherweise ein Schneeballsystem vorliegt. Demnach ist dieser Vortrag bei der anzustellenden Abwägung unbehelflich.
Vorliegend hat der Kläger – wie es § 5 des Vertrags formuliert – „im Interesse des wirtschaftlichen Fortbestands“ der Insolvenzschuldnerin einen Rangrücktritt erklärt. Das Investitionsrisiko des Klägers war damit vertragsgemäß höher als dasjenige eines einfachen Darlehensgebers. Im Gegenzug waren auch seine Renditechancen erheblich höher. Die gemäß Ziffer 3 des Vertrags vorgesehene Verzinsung von 7,25 % war deutlich höher als bei einem gewöhnlichen Darlehensvertrag, zumal der Kläger gemäß § 3 des Vertrags zudem noch einen erheblichen Bonuszins erhalten konnte.
Eine unangemessene Benachteiligung ist demnach nicht feststellbar.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 58 GKG, 182 InsO und wurde, nachdem von den Parteien übereinstimmend eine zu erwartende Insolvenzquote von 50 % angegeben wurde (Bl. 1, Bl. 33. d.A.) wie erkannt festgesetzt.


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