Bankrecht

Anforderungen an Widerrufsbelehrung

Aktenzeichen  27 U 912/20

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41231
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 314, § 355 Abs. 1, § 357 Abs. 1, § 358 Abs. 2, Abs. 4 S. 5, § 488 Abs. 1 S. 2, § 492 Abs. 2, § 495 Abs. 1, § 502 Abs. 1 S. 1
ZPO § 29 Abs. 1 § 256, § 522 Abs. 2
EGBGB Art. 229 § 32, § 38, Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Im Rahmen einer negativen Feststellungsklage ist Leistungsort im Sinne des § 29 ZPO der Ort, an dem der Kläger im Falle des wirksamen Vertragsschlusses seine Verpflichtungen hätte erfüllen müssen.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

23 O 1263/19 Fin 2020-01-10 Endurteil LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 10.01.2020, Az. 23 O 1263/19 Fin, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordert.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch aus anderen Gründen nicht geboten.
II. Der Kläger hat Gelegenheit, zu diesem Hinweis des Senats bis 22.06.2020 Stellung zu nehmen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts Kempten erweist sich die Klage zwar als zulässig.
1) Insbesondere besteht hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 1) auf Feststellung, dass aufgrund des wirksam erfolgten Widerrufs vom 23.04.2019 die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 03.11.2015 mit der Darlehens-Nr.: …15 über ursprünglich 16.250,- € zum Stichtag 01.06.2019 keinen Anspruch auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen (mehr) herleiten kann, das erforderliche Feststellungsinteresse.
Der Kläger muss sich hierbei nicht vorrangig darauf verweisen lassen, gegen die Beklagte im Wege der Leistungsklage nach § 357 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 346 f. BGB seine Ansprüche geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017, Az.: XI ZR 586/15).
Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist in der Regel dann zu bejahen, wenn die Beklagte sich eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt. Dabei ist die Rechtsstellung des Klägers bereits dann schutzwürdig, wenn die Beklagte geltend macht, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch gegen den Kläger ergeben.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs bestreitet und am Fortbestand ihrer vertraglichen Erfüllungsansprüche festhält (vgl. BGH a.a.O. Rn. 15).
Der Vorrang der Leistungsklage ist zwar unter Umständen für ein Begehren auf positive Feststellung zu bejahen, der Verbraucherdarlehensvertrag habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, das sich wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Leistungen deckt (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2017, Az.: XI ZR 467/15 Rn. 21).
Vorliegend begehrte der Kläger jedoch die Feststellung, dass die Beklagte aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche mehr aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB hat. Dieses Begehren des Klägers lässt sich nicht mit einer Klage auf Leistung aus § 357 Abs. 1 BGB i.V.m. den §§ 346 f. BGB abbilden (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017, XI ZR 586/15, Rn. 16 a.E.).
1) Das Landgericht Kempten war auch für sämtliche Klageanträge örtlich zuständig.
1) Zwar kann sich der Kläger nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand gemäß den §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO (Sitz der Beklagten) berufen, weil die Beklagte ihren Sitz nicht im Bezirk des Landgerichts Kempten hat.
1) Auch der besondere Gerichtsstand für Haustürgeschäfte gemäß § 29 c ZPO ist nicht einschlägig, da der streitgegenständliche Vertrag gerade nicht außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von § 312 b BGB geschlossen wurde.
1) Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kempten ergibt sich jedoch für sämtliche Anträge des Klägers aus § 29 Abs. 1 ZPO.
Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(1) Hinsichtlich des ursprünglich gestellten Klageantrags zu 1 (negative Feststellungsklage) kann die Klage dort erhoben werden, wo der Kläger den vom Beklagten behaupteten Anspruch im Falle eines wirksamen Vertragsschlusses hätte erfüllen müssen.
Im Rahmen einer negativen Feststellungsklage ist Leistungsort im Sinne des § 29 ZPO dabei der Ort, an dem der Kläger im Falle des wirksamen Vertragsschlusses seine Verpflichtungen hätte erfüllen müssen (vgl. OLG München, Beschluss vom 22.06.2017, Az.: 34 AR 97/17).
Maßgebend ist dabei der Wohnsitz des Darlehensnehmers für seine negative Feststellungsklage gegen die kreditgewährende Bank und damit vorliegend der Wohnsitz des Klägers im Landgerichtsbezirk Kempten (vgl. Zöller/Schultzky, § 29 ZPO Rn. 35, 43, Stichwort „negative Feststellungsklage“).
(1) Auch hinsichtlich der Zahlungsanträge ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kempten aus § 29 ZPO.
Bei dem Widerruf des Darlehensvertrages, der mit dem Kaufvertrag über den Erwerb des Fahrzeugs verbunden ist, entfällt gemäß § 358 Abs. 2 BGB auch die Bindung an den Kaufvertrag und die Beklagte als finanzierende Bank tritt gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Kaufvertrag ein. Wird bei einem verbundenen Geschäft der Kaufvertrag widerrufen, folgt nach herrschender Meinung (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1983, VIII ZR 11/82; Schultzky in Zöller, § 29 ZPO Rn. 25, 50 Stichwort „Rückabwicklung“) die örtliche Zuständigkeit aus § 29 ZPO, da der Wohnsitz des Klägers der gemeinsame Erfüllungsort für die Erbringung der Leistungen zur Rückabwicklung des widerrufenen verbundenen Vertrages ist.
Dies gilt auch, wenn, wie vorliegend, nicht der Kaufvertrag, sondern der Darlehensvertrag widerrufen wird.
Im Hinblick auf § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB kann dabei nicht von einer rechtlichen Selbständigkeit von Darlehensvertrag und Kaufvertrag ausgegangen werden, vielmehr besteht, neben der wirtschaftlichen Verbindung, aufgrund des gleichen Schicksals der Verträge nach Widerruf nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine rechtliche Verbindung.
Erfüllungsort für die Rückabwicklung des Darlehens ist demnach ebenfalls der Wohnsitz des Klägers als Darlehensnehmer (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, 40. Aufl., § 29 ZPO Rn. 6).
(1) Damit besteht auch hinsichtlich der weiteren Anträge des Klägers (Feststellung des Annahmeverzuges, Nebenforderungen) die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kempten gemäß § 29 ZPO.
2. Die Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die von ihm gestellten Anträge als unbegründet zurückzuweisen sind.
2) Der Feststellungsantrag, dass der ursprüngliche Antrag zu 1) (Feststellungsantrag) ursprünglich zulässig und begründet gewesen ist und sich durch die Beendigung des Leistungsaustausches erledigt hat, ist unbegründet.
Dieser Antrag scheitert bereits daran, dass der am 03.11.2015 zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag nicht durch den Widerruf des Klägers vom 23.04.2019 wirksam widerrufen wurde und damit nicht in ein Rückabwicklungsverhältnis gemäß den §§ 346, 355, 495 Abs. 1, 491 BGB (ab 13.06.2014 geltende Fassung) umgewandelt wurde.
Auf das streitgegenständliche Schuldverhältnis sind gemäß Art. 229 §§ 32 und 38 EGBGB die ab 13.06.2014 geltenden Vorschriften anzuwenden, da der Vertrag im genannten Zeitraum geschlossen wurde.
Dem Kläger stand zwar im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag gemäß den §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht zu.
Bei Abgabe der Widerrufserklärung am 23.04.2019 war die Widerrufsfrist jedoch bereits verstrichen.
Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage.
Sie beginnt gemäß §§ 355 Abs. 2 Satz 2, 495 Abs. 1, 356 b BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB bei dem streitgegenständlichen Vertrag, bei dem es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 Abs. 2 BGB) handelt, mit dem Zeitpunkt, aber nicht vor Zurverfügungstellung einer für den Verbraucher bestimmten Vertragsurkunde, des schriftlichen Antrags des Darlehensnehmers oder einer Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags, zu laufen, zu dem der Verbraucher, hier der Kläger, eine die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB, d.h. die Angaben nach Art. 247 § 6 bis 13 EGBGB, enthaltene Widerrufsinformation erhält (§ 356 b Abs. 1 BGB).
Im streitgegenständlichen Falle sind diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfüllt.
Insbesondere entspricht die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen und ist inhaltlich nicht zu beanstanden.
Damit wurde die zweiwöchige Widerrufsfrist bereits mit Vertragsschluss in Gang gesetzt und war bei Abgabe der Widerrufserklärung, annähernd 3 1/2 Jahre nach Vertragsschluss, verstrichen.
Die dem Kläger erteilte Belehrung wird sowohl den formellen als auch den materiellen Anforderungen des Gesetzes gerecht.
2) Die Ausführungen des Klägers zu der angeblich unzureichende Information bei vorzeitiger Rückzahlung durch ihn und zu dem sich daraus ergebenden Vorfälligkeitsentschädigungsanspruch der Beklagten sind nicht zielführend.
Diesbezüglich genügt die Umschreibung der Grundsätze der Berechnung (vgl. Münscher in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage § 81 Rn. 118).
Dieser Anforderung wird der streitgegenständliche Darlehensvertrag gerecht. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ergibt sich aus Seite 1 des streitgegenständlichen Darlehensvertrages. Dort finden sich rechts unten unter der Überschrift „vorzeitige Rückzahlung des Darlehens“ die erforderlichen Angaben.
Durch diese Formulierung wird § 502 Abs. 2 BGB umgesetzt.
Eine genauere Formulierung als der Gesetzgeber selbst muss die Beklagte nicht wählen, insbesondere sieht das Gesetz einen Hinweis auf § 501 BGB nicht vor.
2) Die Auszahlungsbedingungen sind ebenfalls auf Seite 1 des Darlehensvertrages rechts unten unter der Überschrift „Auszahlungsbedingungen“ niedergelegt.
Auch diese sind hinreichend bestimmt und gehen sogar noch über die Informationsanforderungen des Gesetzgebers hinaus. Während dieser in § 492 Abs. 2 BGB auf die „vorgeschriebenen Angaben“ verweist, nennt die Beklagte konkret Sicherungsübereignung des Finanzierungsobjektes, Abtretung von Ansprüchen sowie Vorlage der Unterlagen gemäß Selbstauskunft (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 28.10.2019, Az.: 17 U 3143/19).
2) Auch der fehlende Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit nach § 314 BGB bei befristeten Verträgen führt nicht zur Unwirksamkeit der Widerrufsinformation.
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 05.11.2019, XI ZR 650/18, Rn. 33) ist – mit dem Wortlaut des Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB vereinbar – der Darlehensnehmer nicht über sämtliche Kündigungsmöglichkeiten, die das nationale Recht kennt, zu informieren.
Vielmehr ist die Informationspflicht des Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB hinsichtlich der dem Darlehensnehmer zustehenden Kündigungsrechte nach System, Sinn und Zweck auf das nur bei befristeten Darlehensverträgen anwendbare verbraucherdarlehenspezifische Kündigungsrecht aus § 500 Abs. 1 BGB beschränkt.
Über die Kündigungsmöglichkeit nach § 314 BGB bei befristeten Verträgen ist daher nicht zu informieren (vgl. BGH a.a.O. Rn. 28; Palandt/Weidenkaff, Art. 247 § 6 EGBGB Rn. 3).
2) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte auch die erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB zu den Voraussetzungen und der Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ordnungsgemäß erteilt.
Danach gehört zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben, von deren Erteilung der Beginn der Widerrufsfrist abhängig ist, die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt.
Dadurch hat der nationale Gesetzgeber Art. 10 Abs. 2 der Verbraucherkreditlinie umgesetzt, wonach in klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag das Recht auf vorzeitige Rückzahlung, das Verfahren bei vorzeitiger Rückzahlung und gegebenenfalls Informationen zum Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung sowie zur Art der Berechnung dieser Entschädigung anzugeben sind.
§ 502 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt hierzu, dass der Darlehensgeber im Falle der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen kann, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet.
Weitergehende Vorgaben zur Berechnungsmethode lassen sich nach der Rechtsprechung des BGH dem Gesetz nicht entnehmen.
Auf Seite 1 des Darlehensvertrages wird hierzu unter der Überschrift „vorzeitige Rückzahlung des Darlehens“ (rechts unten ausgeführt:
„Im Falle der vorzeitigen Rückzahlung kann der Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Vorfälligkeitsentschädigung beträgt 1% bzw., wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung geringer als ein Jahr ist, 0,5% des vorzeitig zurückgezahlten Betrags. Ist die so ermittelte Vorfälligkeitszinsentschädigung höher als die Summe der noch ausstehenden Zinsen, wird diese Summe als Vorfälligkeitsentschädigung berechnet“.
Durch diese Formulierung hat die Beklagte im Wesentlichen wortgleich die Kappungsgrenze des § 502 Abs. 3 BGB übernommen.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Wiedergabe des Gesetzestextes für sich weder unklar noch unverständlich sein.
Vielmehr sind die Angaben geeignet, dem Darlehensnehmer die zuverlässige Abschätzung seiner finanziellen Belastung im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung zu ermöglichen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 41 f.).
2) Soweit sich in der Widerrufsinformation unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ folgender Text findet:
„Soweit das Darlehen bereits ausgezahlt wurde, hat es der Darlehensnehmer spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 1,77 € zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde“, liegt kein Verstoß gegen Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vor.
Die Berechnung der Zinsen auf der Grundlage einer Tageszählmethode, die jeden Monat, unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 zählt, ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2017, Az.: XI ZR 741/16).
Einen Widerspruch oder eine Irreführung vermag der Senat darin nicht zu erkennen.
Insbesondere ergibt sich dieser auch nicht aus Ziffer IX 5 der Darlehensbedingungen der Beklagten, die wie folgt lautet:
„Widerruft der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb der Widerrufsfrist, so hat er für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten“.
Vielmehr kann ein verständiger Verbraucher bei einer Gesamtschau beider Bestimmungen unmissverständlich entnehmen, dass die Beklagte zu seinen Gunsten bei einem Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist auf die Verzinsung des Darlehens verzichtet (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.10.2019, Az.: 17 U 3143/19).
2) Wie bereits unter ee) ausgeführt, beträgt der Tageszins bei Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist 0,00 €, so dass die Rüge des Klägers in Bezug auf die Tageszinshöhe bereits aus diesem Grunde ins Leere geht.
2) Soweit der Kläger des Weiteren die Klausel unter IX 2 der Darlehensbedingungen der Beklagten zum Aufrechnungsverbot moniert, wonach gegen Ansprüche des Darlehensgebers der Darlehensnehmer und die Bürgen nur dann aufrechnen können, wenn die Gegenforderung des Darlehensnehmers oder des Bürgen unbestritten ist oder ein rechtskräftiger Titel vorliegt, tangiert dies die Wirksamkeit der Widerrufsinformation nicht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Aufrechnungsklausel in den AGB fehlerhaft ist, in jedem Falle wird dadurch der Beginn der Widerrufsfrist nicht berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2019, Az.: XI ZR 463/18; OLG Köln, Urteil vom 06.12.2018, 24 U 112/18; OLG München, Urteil vom 18.03.2020, Az.: 27 U 1425/19).
Eine rechtsfehlerhafte Angabe in einer allgemeinen Geschäftsbedingung kann in keinem Falle zur Folge haben, dass eine Widerrufsinformation undeutlich und damit fehlerhaft wird (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2019, Az.: 6 U 78/18).
2) Der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Beklagten verfängt bereits deshalb nicht, weil die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation sowohl formell als auch materiell den Anforderungen des Gesetzes entspricht.
2) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, die auch der Senat seiner Wertung zugrunde legt, ist der sogenannte „Kaskadenverweis“ wirksam (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22.11.2016, Az.: XI ZR 434/15).
Danach sind Verweise insbesondere dann zulässig, wenn der entsprechende Gesetzestext – hier BGB und EGBGB – für jedermann ohne Weiteres zugänglich sind.
Zur Begründung führt der BGH hierzu an, dass ohne solche Verweisungen allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen würden.
Es überspanne die Anforderungen an das Verständlichkeitsgebot, verlangte man den gesonderten Abdruck oder die Aushändigung der jeweiligen Vorschrift, die unschwer einsehbar sei.
2) Auch der Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs in der Widerrufsinformation ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hält sich hierbei an die Musterwiderrufsbelehrung, die entgegen der Ansicht des Klägers den Verbraucher sehr wohl klar und verständlich über die Rechtsfolgen seines Widerrufs belehrt.
Insbesondere weist die Widerrufsinformation auch auf die Besonderheiten bei der Rückabwicklung eines verbundenen Vertrages hin.
2) Die Belehrung der Beklagten über den Verzugszins ist rechtlich, wie bereits höchstrichterlich entschieden, nicht zu beanstanden.
Auf Seite 1 des Darlehensvertrages (rechts unten) findet sich hierzu folgender Formulierung:
„Für ausbleibende Zahlungen wird ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“.
Durch diese Formulierung hat die Beklagte hinreichend konkret und transparent den Zinssatz angegeben. Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, den zum Tag des Vertragsschlusses nummerisch konkret bestehenden Zinssatz (abhängig vom jeweiligen Basiszinssatz) zu benennen.
2) Die Ausführungen der Berufung zum Wertersatz und nach ihrer Ansicht hierzu fehlendem Widerrufsformular gehen ebenfalls ins Leere.
Die Widerrufsinformation ist insoweit nicht zu beanstanden.
Unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ und „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ weist die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass, wenn der Darlehensnehmer die aufgrund des Fahrzeugkaufvertrags überlassene Sache nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren kann, er zwar insoweit Wertersatz zu leisten habe, dies allerdings nur in Betracht komme, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen sei, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaft und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig gewesen sei. Die Formulierung entspricht insoweit § 357 Abs. 7 BGB.
Ein Widerrufsformular muss die Beklagte dem Kläger hierfür im Rahmen der Widerrufsbelehrung nicht zusätzlich zur Verfügung stellen.
2) Auf Seite 1 des Darlehensvertrags findet sich der Hinweis, dass der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber jederzeit einen Tilgungsplan verlangen kann. Durch diese Formulierung ist die Beklagte ihrer Hinweispflicht nachgekommen.
Im Übrigen handelt es sich dabei nicht um eine Pflichtangabe im Rahmen der Widerrufsbelehrung.
2) Auch die Zahlungsanträge des Klägers (Anträge 2, 3 und 4) haben in der Sache keinen Erfolg, da der streitgegenständliche Vertrag durch den Widerruf des Klägers vom 23.04.2019 nicht in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt wurde. Auf die Ausführungen unter a) hierzu wird Bezug genommen.
3. Dem Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (Art. 267 Abs. 3 AEUV) ist keine Folge zu leisten.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar mit Urteil vom 26.03.2020 (C-66/19, juris “Kreisparkasse S.“) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 p der RL 2008/48 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102 EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, Seite 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, Seite 14, ABl. 2010, L 199, Seite 40 und ABl. 2011, L 334, Seite 46) dahin auszulegen sei, dass er dem entgegenstehe, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaates verweise (Kaskadenverweis).
Mit Beschluss vom 31.03.2020 (Az.: XI ZR 198/19) hat der Bundesgerichtshof hierzu jedoch entschieden, dass dieses Urteil des EuGH der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion nicht entgegenstehe.
Der BGH führt hierzu aus:
„Der Senat müsste sich aber, um dem Geltung zu verschaffen, gegen die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. stellen, wonach – wie hier – eine in den Darlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene und dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a.F. entsprechende Widerrufsinformation den Anforderungen an eine klare und verständliche Information des Darlehensnehmers über das ihm nach § 495 BGB zukommende Widerrufsrecht genügt. Das verbietet dem Senat das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip. Die Beachtung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers ist Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26.03.2020 ändert daran nichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs darf die Verpflichtung zur unionrechtskonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen“.
Soweit der Kläger des Weiteren auf das Vorabentscheidungsgesuch des Landgerichts Ravensburg (Beschluss vom 05.03.2020) abhebt, vermag dies ebenfalls eine Vorlage und Aussetzung nicht zu rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 31.03.2020 Rn. 15).
Der BGH führt hierzu aus, dass die von dem Einzelrichter in seinem Vorabentscheidungsgesuch wie auch bereits in den vorangegangenen Vorabentscheidungsgesuchen (Az. 2 O 328/19, 2 O 280/19, 2 O 334/19, 2 O 315/19) aufgeworfenen Fragen angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks der Verbraucherkreditlinie derart offenkundig zu beantworten seien, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibe.
Nach alledem erweist sich das Ersturteil im Ergebnis in vollem Umfang als zutreffend.
Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
25.05.2020
Verfügung
1. Beschluss vom 25.05.2020 hinausgeben an: …
2. Wiedervorlage mit Fristablauf


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