Bankrecht

Angaben zum Widerrufsrecht im Verbraucherdarlehensvertrag

Aktenzeichen  17 U 1469/18

Datum:
30.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30388
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 355 Abs. 2 S. 1, § 359a Abs. 1, § 495
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2

 

Leitsatz

Der Kreditnehmer muss nach der Konzeption des Gesetzgebers beim Verbraucherdarlehensvertrag kein Dokument in den Händen halten, welches die Unterschriften beider Vertragsparteien – also auch seine eigene Unterschrift – enthält (ebenso BGH BeckRS 2018, 4230). (Rn. 14) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

28 O 1984/18 2018-04-16 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.04.2018, Az. 28 O 1984/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht hat nach zutreffender Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klage im noch streitgegenständlichen Umfang zu Recht abgewiesen. Der Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung vom 20.07.2018 (Bl. 134/147 d.A.) ist nicht geeignet, zu einer abweichenden Beurteilung zu gelangen.
I.
Der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag enthält bezüglich des Widerrufsrechts gemäß § 495 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.07.2010 (gültig ab 30.07.2010 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.) in Verbindung mit § 355 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 29.07.2009 (gültig ab 11.06.2010 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.) die gesetzlich vorgesehenen Angaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 27.07.2011 (gültig ab 04.08.2011 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.).
a. Die Angaben zur Widerrufsfrist sind nicht widersprüchlich. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F.. Die Seiten 1 bis 3 des Vertragsdokuments (Anlage K 1) enthalten die Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite gemäß Art. 247 § 2 Abs. 1 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.07.2010 (gültig ab 30.07.2010 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.) und entsprechen vollumfänglich dem Muster gemäß Anlage 3 in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.07.2010 (gültig ab 30.07.2010 bis 28.01.2013). Die Angabe unter Ziffer 7 der „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ (Anlage K 1 S. 4) beruht auf Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 29.07.2009 (gültig ab II. 06.2010 bis 20.03.2016, im Folgenden: a.F.). Weiterhin ist an dieser Stelle zu beachten, dass eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht einmal dadurch undeutlich würde, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthielten (BGH Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 443/16, NJW-RR 2018, 118 Rn. 25); vorliegend sind die gerügten Angaben auf den Seiten 3 und 4 der Anlage K 1 – wie dargelegt – inhaltlich ordnungsgemäß.
b. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 2 EGBGB a.F. vor, da der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag angegeben ist. Wenn dieser – zugunsten des Verbrauchers – 0,00 EUR beträgt, mag der Verbraucher darüber positiv überrascht sein. Einen Widerspruch oder eine Irreführung vermag der Senat nicht zu erkennen. Ein Widerspruch lässt sich auch nicht zu Satz 1 der „Widerrufsfolgen“ konstruieren. Der verständige Verbraucher kann aus der Gesamtschau entnehmen, dass die Beklagte zu seinen Gunsten beim Widerruf auf die Verzinsung des Darlehens verzichtet; zudem würde die Beklagte durch eine Umformulierung des Satzes 1 den Verlust ihres Vertrauensschutzes riskieren, was ihr nicht zugemutet werden kann.
c. Die Einwendung bezüglich der Ratenschutzversicherung (vgl. Berufungsbegründung vom 20.07.2018 unter V 4.3, Bl. 139/140 d.A.) greift jedenfalls wegen § 359 a Abs. 1 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 27.07.2011 (gültig ab 04.08.2011 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.) nicht durch. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen hätte. Die Beklagte war insbesondere nicht gehalten, präziser oder umfassender als der Gesetzgeber zu formulieren (BGH Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 unter B II 2 b insb. Rn. 16).
d. Ohne dass es mangels Verstoßes der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung gegen die gesetzlichen Anforderungen noch darauf ankäme, würde der Beklagten auch die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrung gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. zugutekommen. Die verwendete Belehrung entspricht inhaltlich vollständig der Musterbelehrung gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F.. Die Anpassungen (direkte Anrede) sind dabei mangels inhaltlicher Bearbeitung unschädlich (vgl. BGH Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 6/16, WM 2017, 370 unter II 1 d a.E. insb. juris Rn. 12; BGH Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15, NJW 2016, 3512 unter II 2 c bb insb. juris Rn. 23).
Der Widerrufsinformation ist eine eigene Seite gewidmet. Die Begriffe Widerrufsinformation, Widerrufsrecht und Widerrufsfolgen sind wie in der Anlage 6 drucktechnisch hervorgehoben. Eine hervorgehobene und deutlich gestaltete Form ist daher gegeben.
2. Ohne Erfolg macht der Kläger die unvollständige Angabe der erforderlichen Pflichtangaben geltend.
a. Name und Anschrift der kreditvermittelnden B. AG NL E. sind gemäß Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.07.2010 (gültig ab 30.07.2010 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.) angegeben (vgl. Anlage 1 S. 1 unter Ziffer 1).
Die Angaben nach Art. 247 § 13 Abs. 2 EGBGB a.F. sind solche des Darlehensvermittlers und nicht des Kreditgebers und fallen deshalb nach der klaren Gesetzessystematik nicht unter die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.07.2010 (gültig ab 30.07.2010 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.). Sie haben deshalb für den Fristlauf nach § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b BGB a.F. keine Relevanz, weshalb in der Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB a.F. konsequenterweise nur die Angabe von Name und Anschrift des Kreditvermittlers vorgesehen ist.
b. Hinsichtlich der Verzugszinsen war die Beklagte wiederum nicht gehalten, präziser oder umfassender als der Gesetzgeber zu formulieren (BGH Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 unter B II 2 b insb. Rn. 16; vgl. auch Münscher in Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 81 Rn. 108).
c. Bezüglich der Vorfälligkeitsentschädigung genügt – wie erfolgt – die Umschreibung der Grundsätze der Berechnung (vgl. Münscher in Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 81 Rn. 118).
3. Entgegen der Auffassung des Klägers (vgl. Berufungsbegründung vom 20.07.2018 unter V 3, Bl. 137 d.A.) trifft es nicht zu, dass der Kreditnehmer nach der Konzeption des Gesetzgebers ein Dokument in den Händen halten musste, welches die Unterschriften beider Vertragsparteien -also auch seine eigene Unterschrift – enthält (vgl. BGH Urteil vom 27.02.2018 – XI ZR 160/17, NJW 2018, 1387 Rn. 30).
4. Auf die weiteren von der Berufungsbegründung aufgeworfenen Fragen (insb. Berechnung der Ansprüche) kommt es nicht mehr an.
5. Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils; weitere Gesichtspunkte, die zu einer Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung führen könnten, haben sich nicht ergeben.
6. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der geltend gemachte Anspruch nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls zudem verwirkt wäre.
a. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (BGH Urteil vom 11.10.2016 – XI ZR 482/15, NJW 2017, 243 unter A II 2 a; siehe auch BGH Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15, NJW 2016, 3518 unter III 2 b und BGH Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15, NJW 2016, 3512 unter A II 3).
b. Das Zeitmoment ist vorliegend gegeben, nachdem das Darlehen am 03.03.2012 geschlossen worden war und der Widerruf mit Schriftsatz vom 05.09.2017 erfolgte. Die erforderliche Zeitspanne richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 242 Rn. 93). Danach war hier besonders zu berücksichtigen, dass die Laufzeit des Darlehens nur 36 Monate betrug und dass der Kläger zur Begleichung der Schlussrate von 4.500 EUR bei der Beklagten ein Anschlussdarlehen aufgenommen hat.
c. Aber auch das Umstandsmoment ist vorliegend zu bejahen. Der Kredit wurde mit Zahlung der Schlussrate vereinbarungsgemäß nach 36 Monaten zurückgeführt. Zur Begleichung der Schlussrate von 4.500 EUR hat der Kläger bei der Beklagten ein Anschlussdarlehen aufgenommen und auch dieses vertragsgemäß bis zum 27.02.2017 getilgt, worauf er die Zulassungsbescheinigung Teil II (KFZ-Brief) übersandt erhielt (vgl. Anlagen B 3 und B 4). Die Beklagte musste unter diesen Umständen nicht mehr damit rechnen, dass der Kläger mit Schreiben vom 05.09.2017 (Anlage K 3) seine Willenserklärung widerrufen werde, die ursprünglich im Jahr 2012 zum Abschluss des Darlehensvertrags geführt hatte.
d. Es kommt daher erst recht nicht mehr darauf an, dass sich die Ausübung des Verbraucherwiderrufsrechts im vorliegenden Einzelfall zumindest als unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen würde, wenn die Voraussetzungen der Verwirkung – wie nicht – zu verneinen wären (vgl. BGH Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15, NJW 2016, 3512 unter A II 3, insb. juris Rn. 42 ff).
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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