Bankrecht

Anspruch auf Schadensersatz und Rückabwicklung einer Beteiligung an einem geschlossenen Fonds

Aktenzeichen  21 U 582/17

Datum:
12.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3372
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 142, § 148, § 383 Abs. 1 Nr. 6, § 538 Abs. 2 Nr. 1
VerkProspG § 13 Abs. 1
BörsG § 44 Abs. 1 S. 1
BGB § 311 Abs. 3, § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 264a

 

Leitsatz

1 Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht dazu, entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und diese bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess gehört auch, dass die Parteien wissen, was das erkennende Gericht für entscheidungserheblich hält, d.h. eine Verletzung der Hinweispflichten stellt ebenfalls eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs dar. Eine richterliche Würdigung des Parteivortrages, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne bestehen neben möglichen Ansprüchen aus § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm § 44 Abs. 1 S. 1 BörsG aF nicht mehr. Die spezialgesetzliche Haftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm § 44 Abs. 1 S. 1 BörsG aF geht insoweit vor. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 22696/14 2017-01-13 Schlussurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Landgerichts München I vom 13.01.2017, Az.: 22 O 22696/14, samt dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten zu 3) als Gesamtschuldner neben den Beklagten zu 1), 2) und 4) im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung seiner Beteiligung an einem geschlossenen Fonds.
Der Kläger hatte sich am 18.08.2012 in Höhe von € 15.000,- zzgl. 5% Agio an der … GmbH & Co. KG beteiligt (vgl. K 14). Für die Beteiligung wurde ein am 31.05.2012 veröffentlichter Emissionsprospekt herausgegeben (vgl. K 1).
Im Übrigen wird auf die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ergänzend gilt § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger zuletzt beantragt,
1.Unter Abänderung des am 13.01.2017 verkündeten Urteils des LG München I, Az. : 22 O 22696/14 wird der Beklage zu 3) als Gesamtschuldner neben den vormaligen Beklagten zu 1), 2) und 4) verurteilt, Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile an der sogenannten „… GmbH & Co. KG“ in Höhe von nominal € 15.000,- Euro (Beteiligungsnummer …), an den Kläger € 14.898,08 nebst jährlichen Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2014 zu bezahlen.
2.Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte zu 3) mit der Annahme der Rechte aus den Anteilen des Klägers an der sogenannten „… GmbH & Co. KG“ in Höhe von nominal € 15.000,-Euro (Beteiligungsnummer .) in (Annahme-)Verzug befindet.
3.Der Beklagte wird als Gesamtschuldner neben den vormaligen Beklagten zu 1), 2) und 4) verurteilt, den Kläger von den Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte . & Kollegen, München in Höhe von € 1.957,55 (inkl. 19% USt.), die für die vorgerichtliche Beratung und Vertretung in der streitgegenständlichen Angelegenheit entstanden sind, freizustellen.
4.Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 3) als Gesamtschuldner neben den vormaligen Beklagten zu 1), 2) und 4) verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen frei zu stellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger gezeichneten Beteiligung an der sogenannten „. GmbH & Co. KG“ in Höhe von nominal in Höhe von nominal € 15.000,- Euro (Beteiligungsnummer …) resultieren, insbesondere von etwaigen Nachschuss-und Nachhaftungspflichten.
5.Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 3) die Leistung gemäß Antrag Ziffer 1), Ziffer 3) und Ziffer 4) aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu erbringen hat.
Hilfsweise
beantragt der Kläger,
die Angelegenheit zur Sachaufklärung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Hilfsweise beantragt er weiter,
das Verfahren gemäß § 149 I ZPO wegen des Verdachts einer Straftat des Beklagten . im Zusammenhang mit der . GmbH & Co. KG und den Ermittlungen gegen den Beklagten ., . und andere Beteiligte der Staatsanwaltschaft München I, Az.: 316 Js 211330/13, auszusetzen.
Der Beklagte zu 3) beantragte,
die Anträge des Klägers, auch in der zuletzt gestellten, präzisierten Form als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung des Klägers ist insoweit begründet, als der Rechtsstreit auf seinen ersten Hilfsantrag hin zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist.
1. Die Zurückverweisung erfolgt, weil der Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs vom Landgericht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist und weil zur Beseitigung dieses Mangels die Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme erforderlich sein wird (vgl. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hatte nämlich die Klage gegen den Beklagten zu 3) insbesondere auch deswegen abgewiesen, weil die Klageseite die tatsächlichen Voraussetzungen für deliktische Ansprüche weitgehend schon nicht substantiiert vorgetragen habe.
Eine eigene abschließende Sachentscheidung über den Hauptantrag hält der Senat daher nicht für sachdienlich.
Da der erste Hilfsantrag auf Zurückverweisung erfolgreich ist, hat der Senat über den zweiten Hilfsantrag auf Verfahrensaussetzung mangels Bedingungseintritts für eine Entscheidung nicht mehr zu befinden.
Eine Zurückweisung der Berufung im Übrigen ist nicht veranlasst. Wegen der vollständigen Zurückverweisung des Verfahrens an das Gericht erster Instanz verbleibt kein vom Senat zu verbescheidender Sachantrag des Klägers.
2. Der Senat schließt sich mit seiner Zurückverweisung den anderen Senaten am Oberlandesgericht München (mit Ausnahme des 17. Zivilsenats) an.
Wie im Verhandlungstermin am 12.03.2018 erörtert (vgl. Protokoll, Bl. 575/580 d.A.), verweist der Senat im vorliegenden Verfahren daher insbesondere auf folgende Entscheidungen in Parallelverfahren: Urteil des 8. Senats vom 18.01.2018, Az.: 8 U 517/17, Urteil des 13. Senats vom 17.01.2018, Az.: 13 U 381/17 (einschließlich des Hinweises vom 30.08.2017), Urteil des 19. Senats vom 11.12.2017, Az.: 19 U 525/17 und Urteil des 20. Senats vom 10.01.2018, Az.: 20 U 526/17, insbesondere aber auch auf das Urteil des 19. Zivilsenats vom 11.12.2017 (Az.: 19 U 1301/17 – wenngleich zum Fonds „… GmbH & Co. KG“ ergangen), aus dem der Senat auch nachfolgend teilweise zitiert.
3. Im Einzelnen:
3.1. Das Verfahren im ersten Rechtszuge leidet grundsätzlich an einem wesentlichen Mangel und aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig, die in der ersten Instanz nach Zurückverweisung nunmehr nachgeholt werden soll (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO):
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht dazu, entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und diese bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 2000, 131; BGH, NJW-RR 2007, 714; BGH, NJW 2008, 3438; BGH, NJW 2008, 1531). Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess gehört auch, dass die Parteien wissen, was das erkennende Gericht für entscheidungserheblich hält, d.h. eine Verletzung der Hinweispflichten stellt ebenfalls eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs dar (Beschluss des BGH vom 26.6.2007, Az.: XI ZR 201/06). Eine richterliche Würdigung des Parteivortrages, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (Beschluss des BGH vom 10.01.2008, Az.: V ZR 81/07).
Diesen Vorgaben ist das Landgericht nicht hinreichend nachgekommen (vgl. Ausführungen in 3.4.).
3.2. Soweit das Landgericht allerdings bereits aus materiell-rechtlichen Gründen Ansprüche des Klägers verneint hat, schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen der ersten Instanz an:
3.2.1. So ist dem Landgericht beizupflichten, dass Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne neben möglichen Ansprüchen aus § 13 Abs. 1 VerkProspG i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 1 BörsG a.F. nicht mehr bestehen (vgl. für einen Ausschluss: wohl Beschluss des BGH vom 21.10.2014, Az.: XI ZB 12/12, Rz. 64 ff.; ausdrücklich offen gelassen dagegen im Urteil vom 21.03.2013, Az.: III ZR 182/12, Rz. 23). Der Senat geht jedenfalls von einer vorgehenden, spezialgesetzlichen Haftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 1 BörsG a.F.
3.2.2. Auch eine Haftung aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bzw. aus § 311 Abs. 3 BGB hat das Landgericht zutreffend verneint.
Mutmaßliche Hintermänner haften i.d.R. nicht aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, weil sie gerade nicht nach Außen in Erscheinung getreten sind und deshalb auch kein persönliches Vertrauen in Anspruch genommen haben können (vgl. z.B. BGH vom 23.04.2012, Az.:. II ZR 211/09; BGH vom 15.07.2010, Az.: III ZR 321/08, zu einem mutmaßlichen Hintermann der .-Fonds).
Dies ist hier der Fall: Anders als bei den „S. C. F.“ taucht der Beklagte zu 3) in den Prospekten des . nicht auf, wie der Kläger bereits in der Klageschrift ausgeführt hat. Ob ein haftungsrechtlich relevantes unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts (vgl. dazu z.B. Urteil des BGH vom 04.05.2004, Az.: XI ZR 41/03, Rn.: 26) bestanden hat, kann dahinstehen. Jedenfalls ersetzt ein solches Interesse nicht ein für den Anleger erkennbares Auftreten nach außen, z.B. als Vertreter (vgl. Urteil des BGH vom 23.10.1985, Az.: VIII ZR 210/84).
3.3. Problematisch sieht allerdings der Senat, wenn das Landgericht durchsetzbare Ansprüche aus § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 bis 47 BörsG bereits nach dem damaligen Verfahrensstand verneint.
Entgegen dem Einwand der Beklagtenseite geht der Senat – wie offensichtlich auch das Landgericht – zwar nicht von der Verjährung dieser Ansprüche aus. Der streitgegenständliche Emissionsprospekt wurde am 31.05.2012 veröffentlicht, die Klage ist am 28.11.2014, also vor Ablauf der dreijährigen – maximalen – Verjährungsfrist am 31.05.2015, bei Gericht eingereicht worden. Sie wurde dem Beklagten zu 3) zwar erst am 08.04.2016 zugestellt. Die in der Berufungserwiderung genannten Einwände (vgl. Bl. 530/556 d.A., S. 4 ff.) begründen jedoch aus Sicht des Senats kein „schuldhaftes“ Verhalten der Klageseite hinsichtlich der späten Zustellung. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Klage weit vor Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht wurde und auch der weitere Kostenvorschuss für den Dolmetscher noch vor dem 31.05.2015 einbezahlt wurde. Der Auftrag für die Übersetzung der Klageschrift, die die Klagepartei zulässigerweise unmittelbar vor Ablauf der Verjährung hätte einreichen können, wurde am 06.05.2015 erteilt, mithin Wochen vor dem 31.05.2015. Ablauf der Verjährungsfrist. Weitere, der Klagepartei zurechenbare Verzögerungen sind nicht ersichtlich. Der Senat beanstandet aber, dass sich das Ausgangsgericht trotz des umfassenden Vortrags der Klageseite ohne eine Beweisaufnahme in der Lage sieht, über die vom Bundesgerichtshof zur Haftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 bis 47 BörsG entwickelte „Hintermann-Haftung“ der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung abschließend zu befinden.
3.4. Hinsichtlich der Würdigung der vorgenannten „Hintermann-Haftung“ sowie einer gleichwohl möglichen Haftung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB bzw. aus § 826 BGB leidet das angefochtene Urteil daher an mehreren Verfahrensfehlern, durch die eine umfängliche Beweisaufnahme vor dem Landgericht vermieden wurde:
Das Landgericht ist insoweit verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für deliktische Ansprüche des Klägers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a StGB bzw. aus § 826 BGB gegen den Beklagten nicht substanziiert vorgetragen worden seien und es sich folglich bei den diesbezüglich vorliegenden Beweisangeboten um unbeachtliche Beweisermittlungsanträge handeln würde.
3.3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe von Einzelheiten zu dem Ablauf bestimmter Ereignisse ist – anders als das Landgericht wohl meint – grundsätzlich nicht erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Dementsprechend ist eine Partei grundsätzlich nicht gehalten, zur Substanziierung einer Klage, die sich auf eine getroffene Einigung stützt, zu den Umständen dieser Vereinbarung, wie Zeit, Ort oder teilnehmende Personen, detailliert vorzutragen. Diese Umstände sind Gegenstand der Beweisaufnahme; diese kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie von der beweispflichtigen Partei im Einzelnen vorgetragen werden (vgl. BGH vom 19.05.2011, Az.: VII ZR 24/08, Rn.: 14 m.w.N.).
Ein Beweisermittlungsantrag, der dem Ausforschungsbeweis dient, liegt dann vor, wenn mangels näherer Bezeichnung der unter Beweis gestellten Tatsachen deren Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, wenn die Tatsachen lediglich in das Gewand einer bestimmten aufgestellten Behauptung gekleidet, tatsächlich oder erkennbar aber aus der Luft gegriffen, d.h. ins Blaue hinein, aufgestellt sind, und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte die Annahme von Willkür rechtfertigen können (BGH NJW 1992, 1967, beck-online; BGH NJW-RR 1996, 1212, beck-online).
3.3.2. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor.
3.3.2.1. Die Klagepartei hat in der Klageschrift vom 20.11.2014 (vgl. Bl. 1/81 d.A.), der Replik vom 13.05.2015 (vgl. Bl. 164/198 d.A.) sowie der offensichtlichen Triplik vom 18.10.2016 („Replik“, Bl. 288/355 d.A.) und der Stellungnahme vom 05.12.2016 (vgl. Bl. 394/414 d.A.) umfangreich zur Stellung des Beklagten zu 3) als Mitinitiator des Fonds und maßgeblichen Hintermann sowie zur Verwendung des Anlegerkapitals durch den Beklagten für sich selbst im Rahmen eines mit dem vormaligen Beklagten zu 1), betriebenen Schneeballsystems vorgetragen:
So wurde bereits in der Klage vom 20.11.2014 vorgetragen, dass sämtliche von der „…de“ ab 2008 vertriebenen Beteiligungen der Emissionshäuser „.“ und „.“ von Anfang an rein auf eine Investition in eine der vielen Investmentfirmen des Beklagten zu 1) zugeschnitten gewesen seien. Der vormalige Beklagte zu 1) und der hier Beklagte zu 3) hätten schon zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Beteiligungen nie geplant, dass es zu einer erfolgreichen Liquidation der „… GmbH & Co. KG“ nach zweieinhalb Jahren kommen sollte. Der Kläger hat ferner vorgetragen, dass es sich bei den Fonds der . und der . um ein schneeballsystemähnliches Konstrukt handelte, dessen Vertrieb durch Täuschung und Behauptung falscher Tatsachen gefördert worden sei. Die Initiatoren hätten längst gewusst, dass die Investitionsziele nie erreicht werden würden (vgl. Klage Bl. 72 ff. d.A.).
Diesen Sachvortrag hat die Klagepartei, insbesondere in Bezug auf die Rolle des Beklagten, in ihren Repliken vom 13.05.2015 bzw.18.10.2016 weiter konkretisiert und hierfür Beweise angeboten. Vorgetragen wurde u.a. zur Konzeption der Fonds, der Zusammenarbeit des vormaligen Beklagten zu 1) mit dem hier Beklagten zu 3), den vom Beklagten zu 3) gehaltenen Offshoregesellschaften, an die die Nettoanlegergelder geflossen sind und über deren Verwendung der Beklagte zu 3) faktisch allein habe entscheiden können und die er letztlich für eigene, bereits eingeleitete Investitionsgeschäfte verwendet habe (vgl. u.a. Bl. 325 ff. d.A.). Auf S. 33/34 der Replik wird unter Benennung von mehreren Zeugen als Beweismittel vorgetragen, dass die Mitinitiatoren des Fonds sich bewusst gegen eine Nennung im Verkaufsprospekt entschieden hätten und ihre eigene Rolle hinter der komplizierten und verschachtelten Fondsstruktur bewusst verschleiert hätten. Auf S. 35 ff. schließlich folgt ein Vortrag zur engen Zusammenarbeit des Beklagten zu 3) mit dem „…de“ Vertrieb, der ebenfalls unter Beweis gestellt worden ist.
Umfangreiche Ausführungen zur angeblich deliktisch relevanten Rolle des Beklagten zu 3) bei dem hier streitgegenständlichen Fonds finden sich mit Beweisangeboten ferner in der Stellungnahme vom 05.12.2016 zu den gerichtlichen Hinweisen. Der überwiegende Teil des an die Zielgesellschaften geflossenen Anlegerkapitals sei in die persönlichen Offshore Gesellschaften des Beklagten zu 3) gelangt, vgl. S. 18, er habe deutlich mehr erlangt als die zugesicherte Beteiligung am Investmentgewinn. Bereits mit der Initiierung der ersten Fonds der … habe der Beklagte zu 3) mehr als 5 Jahre ein Schneeballsystem praktiziert, vgl. S. 13. Spätestens im Jahr 2009 habe festgestanden, dass eine prospektgemäße Rückzahlung der erhaltenen Anlegergelder aus tatsächlichen Investitionsgewinnen praktisch ausgeschlossen sei, vgl. S. 14, Gelder der Zielgesellschaften habe der Beklagte zur eigenen Investition benutzt, vgl. S. 18 ff.
Für diesen umfangreichen Sachvortrag hat die Klagepartei nicht nur die Vernehmung von Zeugen, sondern u.a. auch die Vernehmung des Beklagten als Partei als Beweismittel angeboten, ferner auch den früheren Beklagten zu 1) ., der nach Abtrennung seines Verfahrens nunmehr grundsätzlich Zeuge sein könnte.
3.3.2.2. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei der obigen Zusammenfassung des klägerischen Sachvortrags nur um eine beispielhafte Aufzählung handelt und keineswegs um eine vollständige Wiedergabe der vom Landgericht übergangenen Behauptungen und Beweisangebote des Klägers.
3.3.2.3. Die Würdigung des Landgerichts, wonach sich der klägerische Vortrag im Wesentlichen in Behauptungen „ins Blaue hinein“ erschöpfen würden, hat vor diesem Hintergrund keinen Bestand. Der Senat schließt sich damit den vorgenannten Entscheidungen anderer Senate an, die in Parallelverfahren zum streitgegenständlichen Fonds ergangen sind und denen ein entsprechender Vortrag der Klagepartei zugrunde lag.
Im Übrigen können wegen der unklaren und komplexen Sachlage, die der Kläger als Anleger nicht zu verantworten hat, an den Sachvortrag des Klägers keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Gerade im Hinblick auf die vorläufigen Sicherungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft München I, veröffentlicht am 22.03.2017, (vgl. Anlage K 40), kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt hat.
Ob die Verkennung der Substanziierungsanforderungen bereits einen Verfahrensfehler darstellt (vgl. z.B. Urteil des BGH vom 22.1.2016, Az.: V ZR 196/14), kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls liegt ein die Aufhebung und Zurückweisung rechtfertigender schwerer Verfahrensfehler i.S.v. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO dann vor, wenn das Landgericht – wie hier -unter Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs den Kern des Vorbringens einer Partei verkannt und deshalb entscheidungserhebliche Fragen nicht erörtert hat (vgl. Urteil des BGH vom 6.11.2000, Az.: II ZR 67/99, bzw. vom 01.02.2010, Az.: II ZR 209/08).
Das Landgericht hat sich hier mit dem umfangreichen Vorbringen des Klägers, für das er zahlreiche Beweise angeboten hat, nur in geringen Teilen konkret auseinander gesetzt. Dem Urteil kann deshalb schon nicht entnommen werden, dass das Landgericht das Vorbringen des Klägers in erster Instanz im Einzelnen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Dadurch verletzt die Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör.
Zudem liegt seitens des Landgerichts ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 139 ZPO vor.
Es hätte frühzeitig auf seine Auffassung, dass es das Vorbringen des Klägers für „ins Blaue“ bzw. „unsubstanziiert“ hält, hinweisen und Gelegenheit zur Konkretisierung geben müssen. Den hierdurch in die zweite Instanz verlagerten ergänzenden Vortrag der Parteien wird das Landgericht bei seiner erneuten Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen haben.
3.4. Eine Erhebung der notwendigen Beweise durch das Berufungsgericht (vgl. § 538 Abs. 1 ZPO) hält der Senat nicht für sachdienlich.
Zwar ist die Zurückverweisung eine Ausnahmeregelung, die den Grundsatz der Prozessbeschleunigung nur durchbricht, wenn die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers erfolgt und noch ein umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier aber – wie ausgeführt – vor. Der Rechtsstreit könnte vom Senat auch nicht kurzfristig zur Entscheidungsreife gebracht werden, so dass der mit der Zurückverweisung verbundene Zeitverlust gering erscheint. Im Übrigen fehlt auch eine konkrete Aufarbeitung des Sach- und Streitstandes durch das Landgericht, die Gegenstand des Berufungsverfahrens sein könnte, so dass hier alles für die Wahrung eines vollen Instanzenzuges und die Hinnahme der damit verbundenen Nachteile spricht.
3.5. Der gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 a.E. ZPO erforderliche Zurückverweisungsantrag liegt vor. Der Antrag kann auch hilfsweise gestellt werden (MüKoZPO/Rimmelspacher ZPO § 538 Rn. 26-27, beck-online).
3.6. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Im Hinblick auf das Beweisangebot „Zeuge Rechtsanwalt …“ wird das Gericht ggf. genauer prüfen müssen, wie weit dessen Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO reicht. Tatsachen, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht, müssen die vertrauende Person betreffen (Thomas/Putzo, ZPO, 38. Auflage, § 383 ZPO, Rn.: 6). „Vertrauende Person“ dürfte aber vorliegend nur der vormalige Beklagte zu 1) sein, der den Rechtsanwalt/ Zeugen mandatiert hat, nicht aber der hiesige Beklagte. Über Tatsachen, die den hiesigen Beklagten betreffen, dürfte der Zeuge deshalb zum Zeugnis verpflichtet sein, soweit diese sich nicht mit Tatsachen decken, die das Vertrauensverhältnis zwischen dem vormaligen Beklagten zu 1) und den Zeugen … betreffen.
Das Landgericht wird weiter über die vom Kläger angebotenen Parteieinvernahmen nach den Vorschriften der §§ 445 ff. ZPO entscheiden müssen und – wie oben bereits ausgeführt – prüfen müssen, ob der vormalige Beklagte zu 1 nunmehr Zeuge ist.
In Betracht kommt weiter eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten zumindest, was die Verwendung der Anlegergelder betrifft, deren Erhalt der Beklagte nicht bestritten hat. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. Urteil des BGH vom 10.2.2015, Az:. VI ZR 343/13.) Ob diese sekundäre Darlegungslast des Beklagten inhaltlich so weit geht, wie der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München in seinem Beschluss vom 07.08.2017, Az.: 17 U 478/17 meint, kann derzeit ebenso dahinstehen wie die Frage, ob sich daraus – ggf. i.V.m. § 142 ZPO – auch eine Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen ergeben kann.
Ergänzend wird noch auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.02.2015 (Az.: III ZR 141/14, Rn.: 33) hingewiesen. Danach ist es einem Gericht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als „Musterverfahren“ herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern. Die Entscheidung, ein „Pilotverfahren“ durchzuführen, gehört danach zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht an. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines „Musterprozesses“ nicht entgegen. Das Landgericht muss daher nicht zwingend alle Verfahren sofort und gleichzeitig betreiben; es könnte ggf. auch zunächst „Pilotverfahren“ durchführen. Eine Verwertung der Ergebnisse der Beweisaufnahme für die übrigen Verfahren ist dann möglich, wenn die Parteien sich dazu – unter Umständen auch erst im weiteren Verfahren – einverstanden erklären.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713. Im Übrigen hat das vorliegende Urteil auch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die wesentlichen Rechtsfragen bereits vom Bundesgerichtshof entschieden worden sind.


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